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"Geh in deiner Arbeit auf, nicht unter" Erzielt Schweinefleisch gute Preise, werden mehr Schweine gezüchtet. Nach einem guten Jahr steigt das Angebot, die Preise fallen. Die Schweinezucht wird gedrosselt. Das Angebot sinkt, der Preis steigt, ein neuer Zyklus beginnt.

"Geh in deiner Arbeit auf, nicht unter"*

Schwerpunkt

Berufsaussichten verändern sich, Trends kommen und gehen. Wie geht man damit um?

* Jacques Tati

Bloß nicht LehrerIn werden, keiner wartet auf dich. Keiner? Moment mal – wir befinden uns in den 1980er-Jahren, es gibt ein Überangebot an Lehrerinnen und Lehrern. Heute hingegen wird händeringend wieder nach ihnen gesucht.
Ein Einzelfall? Keinesfalls. Ähnlich ergeht es der Polizei: Nach Jahren des Einsparens will allein die Wiener Exekutive bis 2015 um 1.000 MitarbeiterInnen aufstocken.
Berufsaussichten verändern sich, Trends kommen und gehen. Tun sie das von allein? Nicht wirklich. LehrerInnen oder PolizistInnen sind Paradebeispiele für den Schweinezyklus. Unter diesem Begriff aus der Agrarwirtschaft beschrieb Arthur Hanau erstmals 1927 das Phänomen der Schwankung von Schweinepreisen und -angebot. Erzielt Schweinefleisch gute Preise, werden mehr Schweine gezüchtet. Nach einem guten Jahr steigt das Angebot, die Preise fallen. Die Schweinezucht wird gedrosselt. Das Angebot sinkt, der Preis steigt, ein neuer Zyklus beginnt.

Ausbildung abschließen

Josef Wallner, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, ist das Problem seit Jahrzehnten bekannt: „Es ergibt sich daraus, dass eine langfristige strategische Planung oft nicht oder nicht ausreichend vorhanden ist.“ So führen unmittelbare Budgetnöte zu „Cost-Cutting“ mit dem Rasenmäher. Nach einer Weile fällt aber plötzlich auf, dass niemand da ist, der unverzichtbare Dienste leisten könnte. Also sucht man ad hoc Leute, die dann nicht sofort auffindbar sein können. Wallner: „Außerdem übersieht die Personalplanung oft genug, dass in absehbarer Zeit eine ganze Generation vor der Pensionierung steht und dann wieder ein Schweine-Einstellzyklus bevorsteht, der das Problem nur verlängert.“
Was bedeutet das für die einzelnen ArbeitnehmerInnen und Auszubildenden? Wallner: „Aus bisheriger Erfahrung würde ich empfehlen, keinesfalls vorschnell eine Ausbildung abzubrechen, nur weil wegen eines akuten Mangels, etwa bei Lehrerinnen und Lehrern, auch Leute mit nicht abgeschlossener Ausbildung eingestellt werden.“
Wer vor Ausbildungsabschluss eine Stelle antritt, sollte darauf Wert legen, die Ausbildung trotz Anstellung in absehbarer Zeit abzuschließen. In der Vergangenheit wurden mitunter bei Lehrermangel Leute, die noch keinen Abschluss hatten, durchaus eingestellt. Kam es dann wieder zu einem Überangebot, hieß das für Beschäftigte ohne Abschluss oftmals, dass sie keinen Folgevertrag bekommen.
Wallner rät auch davon ab, einen Beruf nur wegen eines aktuell herrschenden Mangels auf dem Gebiet zu wählen: „Man muss prüfen, ob der angestrebte Beruf wirklich zu einem persönlich passt. Erfolgt die Berufswahl hingegen sehr bewusst und aus eigenem Interesse, ist es auch sinnvoll, diesen Beruf zu wählen.“ Es gilt, einen Beruf nicht wegen eines aktuellen Booms zu wählen, sondern weil er zur eigenen Persönlichkeit und den Fähigkeiten passt. Das Risiko, dass die Berufsaussichten schlechter werden, wenn man in ein paar Jahren die Ausbildung abschließt, gibt es praktisch bei allen Berufen, das zeigt laut Wallner die Erfahrung.
Es gebe aber bei manchen Berufen eine hohe Übernahmewahrscheinlichkeit, wenn man die Ausbildung erfolgreich abschließt. Das ist etwa bei der Polizei der Fall. Damit reduziert sich das Risiko für BewerberInnen wesentlich. Wallner empfiehlt, zusätzliche Erkundigungen vor der Ausbildungswahl einzuholen, beispielsweise bei der ÖH oder der zuständigen Gewerkschaft. Dort könne man die Altersstruktur der Beschäftigten erfahren und auf längerfristige Trends schließen, etwa was bestimmte Lehrfächer betrifft und deren längerfristige Bedarfslage. Wallner abschließend: „Eine wirkliche Garantie gibt es aber nicht. Das gilt für den gesamten Arbeitsmarkt.“ Er verweist auf den IT-Boom: „Da war das vor zehn bis zwölf Jahren nicht anders.“

FacharbeiterInnen gesucht

Ähnliches gilt für die Lehrausbildung. Zumindest FacharbeiterInnen werden nach wie vor gesucht. Die Österreichische Gewerkschaftjugend (ÖGJ) fordert hier mehr Engagement der heimischen Betriebe: „Die Zahl der Lehrstellen ist seit den 1980er-Jahren um ein Drittel zurückgegangen. In den überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen (ÜBA) sind Tausende Jugendliche, die alle eine Lehrstelle in einem Betrieb suchen – und diese sofort antreten können“, berichtet Jürgen Michlmayr, ÖGJ-Vorsitzender. Österreichs Unternehmen sollten der Jugend eine Chance geben, „anstatt neue Schmalspurlehrberufe zu erfinden, wie den Fahrradservicelehrling, der nichts lernen würde außer Bremsen einzustellen, oder überhaupt gleich nach Spanien zu fahren, um dort Fachkräfte abzuwerben“.
Mit dem ÖGJ-Konzept für eine Fachkräftemilliarde will Michlmayr nicht nur die Finanzierung der dualen Berufsausbildung neu organisieren, sondern auch die Qualitätssicherung auf neue Beine stellen.
Berufsfindungs-Coach Margit Voglhofer stellt mit Martin Wehle fest: „ArbeitnehmerInnen müssen sich darauf einstellen, bis zu elf Mal in ihrer Erwerbsbiografie den Job zu wechseln.“ (Martin Wehrle, „Karriereberatung“, Beltz Verlag) Immer wichtiger werden Voglhofer zufolge die „Career Management Skills“, die uns bei einem glücklichen Übergang unterstützen. Dazu zählt, mit Informationen gut umgehen zu können, auf dem Laufenden zu bleiben, die Notwendigkeit für Veränderung rechtzeitig zu erkennen und Optionen, die sich bieten, auch zu ergreifen.
Es ist wichtig, Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnisse zu kennen und zu wissen, wie man sie optimal einsetzen kann. Ein proaktives Verhalten ist ebenso gefragt wie Netzwerken. Für das Beispiel LehrerInnen heißt das: Wenn Schulen gerade keinen Bedarf haben, sollte man sich auf Grundkompetenzen besinnen – Kommunikation, Methodik, Didaktik, Wissensvermittlung – und etwa in der Erwachsenenbildung oder im Bildungsmanagement eine neue Aufgabe suchen.
Birgit Mahrle-Haas vom Institut für Laufbahnberatung in Gleisdorf rät, mit einer lernenden Haltung Erfahrungen in der Arbeitswelt zu sammeln, und so herauszufinden, was einem liegt. Mit diesem Wissen ist man nicht auf ausgeschriebene Jobs angewiesen, sondern kann sich auf viele Szenarien einstellen. Wichtig: Passende Ziele wählen und verfolgen, aber auch hinterfragen, wenn sie nicht mehr passen. Dabei sei es wichtig, die Balance zu halten zwischen Zielstrebigkeit und Offenheit für Neues. Wer immer offen ist, erreicht keine Ziele. Wer immer zielgerichtet vorgeht, merkt nicht, wenn ein Ziel nicht mehr stimmt. Diese Balance sei die wichtigste Kompetenz, um mit der Arbeitswelt zurechtzukommen.

Sich mit der Arbeit weiterentwickeln

Thomas Diener weiß aus über 20 Jahren Tätigkeit als Berufscoach: „Die Zukunft kennt niemand von uns.“ Was gestern noch als sicher galt, ist heute vielleicht schon nicht mehr vorhanden. Was wir Zukunft nennen, ist im Prinzip die Gegenwart plus unsere Hoffnungen minus unsere Befürchtungen. Doch die Erkenntnis, dass wir die Zukunft nicht kennen, wirkt auch befreiend. Dieners Empfehlung: „Wählen Sie eine Ausbildung, die Sie jetzt interessiert, die mit Ihren Werten und Ihrer Persönlichkeit in Einklang steht, die Sie begeistert. Suchen Sie nach Alternativen, wenn die Umsetzung nicht klappt. Wenn Sie mit dieser neugierigen und offenen Haltung in die Arbeitswelt einsteigen, haben Sie gute Chancen eine Arbeit zu finden, die Sie zufrieden macht. Sie werden merken, dass Sie sich mit Ihrer Arbeit weiterentwickeln – und Ihre Arbeit sich mit Ihrem Interesse.“

Online-Beratung der Bildungsberatung Wien:
bildungsberatung-wien.beranet.info
WUK-Beratung:
domino.wuk.at/domino/event/id/16165

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin anni.buerkl@texteundtee.at oder die Redaktion aw@oegb.at

INFO & NEWS
Die Lehrstellenförderung muss an qualitativ hochwertige Ausbildung gekoppelt werden.

Mögliche Kriterien für Qualitätsförderung:

  • Teilprüfung,
  • elektronische Ausbildungsdokumentation nach standardisierten Vorgaben,
  • unabhängiges Qualitätsaudit („Peer Review“),
  • Fragebogen an die Lehrlinge eines Betriebes über die Ausbildungssituation mit Diskussion der Ergebnisse mit den Firmenverantwortlichen (die Erstellung und Auswertung erfolgt durch den ÖGB und die Arbeiterkammer),
  • Weiterbildung der AusbilderInnen,
  • 100 Prozent Antrittsquote zur Lehrabschlussprüfung,
  • Vorbereitungskurse auf die Lehrabschlussprüfung.

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