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Symbolbild zum Bericht Private profitieren von der Liberalisierung bislang weniger als Unternehmen. Sie sind dem Markt aber nicht willkürlich ausgesetzt.
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Smarte KonsumentInnen

Schwerpunkt

Energieverbrauch und Energiekosten privater Haushalte steigen kontinuierlich an. Die Politik dreht nun an vielen Schrauben für mehr Energiebewusstsein.

Seit 2008 erhebt die Arbeiterkammer die Preisentwicklungen von ausgewählten Strom- und Erdgaslieferanten und vergleicht die Großhandelspreise mit jenen für HaushaltskundInnen. In diesem Zeitraum sind die Strompreise im Großhandel um 44 Prozent gesunken, für private Haushalte jedoch um durchschnittlich 20 Prozent gestiegen. Ein ähnliches Szenario zeigt sich bei Erdgas. Energie wird somit immer günstiger und zugleich für KonsumentInnen immer teurer. Warum ist das so? AK-Energieexpertin Dorothea Herzele kritisiert, dass Anbieter Preissenkungen nur unzureichend und zeitlich verzögert an die KundInnen weitergeben. Dafür gibt es zwei Erklärungen: Zum einen stehen sie unter wirtschaftlichem Druck, ihre Verluste auszugleichen. Zum anderen haben KonsumentInnen als Einzelpersonen weniger Macht.
KonsumentInnen sind dem Markt allerdings nicht willkürlich ausgeliefert, wie die Aktion „Energiekosten-Stop“ des Vereins für Konsumentinformation (VKI) beweist. Unter dem Motto „Gemeinsam können wir die günstigen Konditionen eines Großkunden bekommen“ hat der VKI TeilnehmerInnen gebündelt und so einen günstigeren Energietarif ausverhandelt. Mehr als 260.000 Personen haben an der Aktion teilgenommen. „Die Initiative hat den Wettbewerb unter den Anbietern angekurbelt und die Platzhirsche am Markt, die es sich für immer gemütlich machen wollten, aufgerüttelt“, erzählt Christian Kornherr vom VKI. Mehr Wettbewerb ist die Zauberformel zahlreicher EnergieexpertInnen, mit der faire Preise für KonsumentInnen am Markt erzielt werden können. Daher war es auch Ziel der VKI-Aktion, EnergiekundInnen zu einem Anbieterwechsel zu motivieren. Während jeder zweite Industriekunde seit der Strom- und Gasliberalisierung vor mehr als zehn Jahren den Anbieter gewechselt hat, waren es bei den PrivatkundInnen seither nur 13 Prozent. KonsumentInnen verzichten dadurch auf bis zu 100 Euro Ersparnis im Jahr, bedauert Kornherr. Die Aktion des VKI hat jedenfalls Bewegung auf den Markt gebracht, weiß Martin Graf, Vorstandsmitglied der E-Control. Nicht nur Vereine wie der VKI können als Großkunde auftreten, auch Privatpersonen können sich zusammenschließen, um bessere Tarife zu verhandeln.

Den besten Energiepreis finden
Um den Anbieter zu wechseln oder sich über günstige Energiepreise zu informieren, müssen KonsumentInnen zunächst wissen, welchen Anbieter und welches Produkt sie bisher hatten und wie hoch ihr Strom- und Gasverbrauch ist. Diese Informationen sind auf der Strom- und Gasrechnung ausgewiesen. Über den Tarifkalkulator der E-Control kann man sich das beste Angebot je nach persönlichen Bedürfnissen errechnen. So kann beispielsweise zwischen erneuerbaren und fossilen Energieträgern ausgewählt werden oder zwischen Anbietern mit Preisgarantie oder mit variablen Preisen. Der Tarifkalkulator listet alle Strom- und Gaslieferanten in Österreich auf, deren Angaben durch die E-Control kontrolliert werden. Bei einem Wechsel der Energielieferanten bieten Strom- und Gasunternehmen meist einmalige Rabatte. „Je häufiger die Anbieter gewechselt werden, desto günstiger wird es für KonsumentInnen“, so Kornherr. Wer sich lieber persönlich informiert, kann auf die Energie-Hotline oder auf persönliche Beratungen der E-Control zurückgreifen. Für Martin Graf, Vorstandsmitglied der E-Control, beruhen viele Ängste auf fehlendem Wissen über Möglichkeiten und Rechte von KonsumentInnen. Die Europäische Union hat 2011 die Rechte von EnergiekonsumentInnen durch EU-Richtlinien massiv gestärkt. Sie haben beispielsweise das Recht, bei Preiserhöhungen den Lieferanten zu wechseln oder zu erfahren, aus welchen Energieträgern ihr Strom kommt – also aus fossiler, atomarer oder erneuerbarer Energie. In Österreich werden bereits 34 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen.
Doch das Öko-Mascherl am Strom hat nicht nur Sonnenseiten für KundInnen und den Energiemarkt.„Um die Klima- und Energieziele Europas zu erreichen, ist der Ausbau erneuerbarer Energien wichtig“, betont Herzele von der AK. Gleichzeitig müsse aber das Energiesystem als Ganzes betrachtet werden. Ein nachhaltiges System bedeute auch, dass es marktfähig ist. Zahlreiche Anlagen, die erneuerbare Energie erzeugen, überleben nur dank der Förderungen. Martin Graf spricht vom „Deckmantel der Ökologie“. War das Energiesystem früher vor allem von zentralen, thermohydraulischen Großanlagen wie Wärme- oder Wasserkraftwerken geprägt, gibt es nun etliche kleine und dezentrale Anlagen.

„Prosumers“
Die Förderungen von Ökostrom haben aus KonsumentInnen „Prosumers“ (ProduzentInnen und KonsumentInnen) gemacht, vor allem bei der Gewinnung von Strom aus Sonnenkraft, also Photovoltaik. Dabei handle es sich meist um Personen mit höherem Einkommen, die sich mithilfe staatlicher Förderungen Anlagen zur Stromgewinnung leisten. Die Zusatzkosten, die dadurch entstehen, zahlen vor allem die privaten Haushalte. Denn zum Teil wird über Photovoltaikanlagen zur Mittagszeit mehr Strom erzeugt und ins öffentliche Stromnetz eingespeist, als verbraucht wird. Strom lässt sich aber nicht speichern, weshalb mit Ausgleichsenergie gegengesteuert werden muss, um das System stabil zu halten. Das kommt teuer. Eine positive Errungenschaft: Für einkommensschwache Haushalte ist der Ökoförderbeitrag mit 20 Euro jährlich gedeckelt – analog den Kriterien zur GIS-Befreiung.
Da der Energieverbrauch europäischer Haushalte entgegen der politischen Ziele stetig steigt, setzt die EU vermehrt auf Technikeinsatz. Die EU-27 haben beschlossen, bis zum Jahr 2020 80 Prozent der europäischen Haushalte mit intelligenten Messgeräten, den sogenannten „Smart Metern“, auszustatten. Österreich möchte schon 2019 95 Prozent der Haushalte mit Smart Metern ausgestattet wissen. Alle 15 Minuten sollen die Energieverbrauchsdaten gemessen und an die Versorgungsunternehmen weitergeleitet werden. Mit diesen Informationen können Stromanbieter zielgruppenspezifische Tarife anbieten, zum Beispiel günstigere Preise außerhalb der Spitzenzeiten. Doch nicht alle Menschen sind zeitvariabel und können ihren Alltag an günstigere Stromtarife anpassen. Zudem haben zahlreiche AkteurInnen datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Für Andreas Krisch, Mitglied des Datenschutz-Rats, sind Smart Meter schon lange Thema. Er kritisiert ebenso wie AK und VKI den Zwang zur Einführung und weist vehement auf möglichen Datenmissbrauch hin. Krisch: „Die Daten sind sehr aussagekräftig. Sie können Aufschlüsse über das Kochverhalten, die Warmwassernutzung und die Art der verwendeten Elektrogeräte geben.“ Laut Krisch ist Österreich noch nicht auf diese Umstellung vorbereitet. In Oberösterreich laufen zwar bereits Pilotprojekte, die Messgeräte sind jedoch nicht standardisiert und es fehle laut Krisch an technischen Vorgaben und entsprechender Datensicherheit. KonsumentInnen haben aufgrund der datenschutzrechtlichen Bedenken das Recht auf Opt-out, eine Ausstiegsoption, bekommen. Sie können also „Nein“ zu den Smart Metern sagen – eine für DatenschutzrechtlerInnen positive Entwicklung. Krisch wünscht sich aber noch Nachbesserungen. So ist unklar, wie sich das Opt-out tatsächlich auswirkt. Bleiben dann die herkömmlichen Messgeräte bestehen oder werden Smart Meter mit eingeschränkter Nutzung installiert? Fest steht, dass KonsumentInnen zunehmend zu aktiven und bewussten VerbraucherInnen werden, die den Wettbewerb ankurbeln und günstigere Strompreise erzielen können. Derzeit wird an vielen Schrauben gleichzeitig gedreht, um Energiekonsum und EnergiekonsumentInnen anzunähern. Welche Entwicklungen dadurch in Gang gesetzt werden, ist schwer prognostizierbar.

Mehr Infos im Web:
AK Energiepreismonitoring (Juli 2014)
tinyurl.com/pt9qr8e
Aktion „Energiekosten-Stop“ des VKI
www.energiekosten-stop.at
Tarifkalkulator der E-Control
www.e-control.at/haushalts-tarifkalkulator
Zertifizierter Strom aus 100 % erneuerbaren Energieträgern
tinyurl.com/nqjrnvl

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin steindlirene@gmail.com oder die Redaktion aw@oegb.at

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