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Symbolbild zum Bericht Inzwischen gilt selbst in taditionellen Kreisen die Hausfrauen-Ehe nicht mehr als seligmachendes Modell. Der von diesen Kreisen vorgeschlagene Kinderfreibetrag fördert aber genau diese.
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Splitting Family?

Schwerpunkt

Fast jede Mode kehrt wieder. Das "Familiensplitting", nunmehr gerne in neuem Gewand als "Kinderfreibetrag", sollte aber lieber in der Mottenkiste bleiben.

Alle Jahre kommt sie wieder von selbst ernannten VerteidigerInnen der Familien: die Forderung nach einem Steuersplitting. Splitten, das heißt „spalten, teilen“ – also eigentlich nicht gerade das, was man von den FamilienretterInnen erwarten würde. Aber natürlich wollen sie nicht die Familien spalten, sondern deren Einkommen für die Berechnung der Lohn- und Einkommensteuer. Anders gesagt: Je nach Variante sollen EhegattInnen oder auch Kinder steuerlich abgesetzt werden können.
In Österreich gilt seit 1971 das Prinzip der Individualbesteuerung. Dabei wird jedes Einkommen für sich betrachtet und versteuert – unabhängig davon, wie viel ein etwaiger Partner oder eine Partnerin verdient. In Deutschland wird jedoch gesplittet. Konservative Stimmen fordern dieses System auch für Österreich. Da aber selbst in traditionellen Kreisen die klassische Hausfrauen-Ehe nicht mehr als einzig seligmachendes Modell gilt, wurde mittlerweile davon abgegangen, die EhegattInnen zum Kern der Forderung zu machen. Stattdessen werden die Kinder unter dem Titel „Kinderfreibetrag“ in das Zentrum der Diskussion gestellt. Doch welche Logik steckt eigentlich hinter der Splitterei – und welche Wirkung hat sie?

Was heißt Splitting?
Am leichtesten ist das Prinzip anhand des klassischen Ehegattensplittings erklärt: Die Einkommen der beiden Eheleute werden zusammengerechnet, durch zwei dividiert und dann erst versteuert. Kurz gesagt, es wird so getan, als würden beide das Gleiche verdienen – und zwar auch dann, wenn eine/einer der beiden gar kein Einkommen hat. Andere Systeme rechnen auch die Kinder ein, wieder andere nur die Kinder und nicht die EhepartnerInnen.
Grundsätzlich wird die Einkommen- und Lohnsteuer umso höher, je mehr jemand verdient – und zwar nicht nur in absoluten Beträgen, sondern auch in Prozent. Das ist der Grundsatz der sogenannten Steuerprogression. Die Idee dahinter ist, dass jemand mit einem niedrigen Einkommen das meiste davon braucht, um die notwendigsten Bedürfnisse abzudecken. Von diesem Teil des Einkommens soll er oder sie nicht auch noch Steuern zahlen müssen. Deswegen wird auch in Österreich bis zu einem Brutto von rund 1.200 Euro keine Steuer eingehoben (wohl aber Sozialversicherungsbeiträge). Je höher das Einkommen wird, desto eher ist es zumutbar, etwas davon für das Gemeinwohl in Form von Steuern abzugeben, lautet die Idee dahinter. Das ist fürs Erste einmal unerfreulich, aber das Geld kommt in anderer Gestalt wieder zurück: in Form von Schulen, Straßen, Krankenhäusern, Kindergärten – oder auch als Familienleistung, etwa in Form der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages.
Beim Splitting passiert dann Folgendes: Jemand mit einem hohen Einkommen, der deswegen auch eine hohe Steuerstufe erreicht, kann dieses fiktiv auf die Familienmitglieder aufteilen. Damit haben alle – natürlich nur rein rechnerisch – ein viel niedrigeres Einkommen und somit auch eine niedrigere Steuerstufe. So wird beispielsweise aus einem stark besteuerten Spitzenverdienst dank Familiensplitting ein nur mehr moderat besteuertes Durchschnittsgehalt.

Umverteilung nach oben
Die Frage ist natürlich, wer von einem solchen System profitieren würde. Der Vorteil des Splittings ist umso offensichtlicher, je größer der Einkommensunterschied im Haushalt ist. Am deutlichsten ist er dort, wo jemand mit Spitzenverdienst einen/eine EhepartnerIn ohne Einkommen hat – oder umgekehrt. Damit sparen in Splitting-Systemen vor allem gut verdienende Männer mit gering oder gar nicht verdienenden Ehefrauen beträchtlich Steuern. Keinen Vorteil haben hingegen Paare, die beide in etwa gleich viel verdienen. Auch Alleinerziehende schauen durch die Finger.
Splitting-Systeme sind eine massive Umverteilung hin zu den höheren Einkommen. Zudem verschlingen sie viel Geld: Rund vier Milliarden würde die Einführung in Österreich kosten. Zum Vergleich: Die Familienbeihilfe schlägt mit etwa 3,5 Mrd. pro Jahr zu Buche. Es lässt sich leicht ausrechnen, dass in Zeiten des Sparzwangs die Kosten eines Splittings zu Kürzungen bei anderen Familienleistungen führen könnten.
Ein weiteres Problem ist, dass das Splitting innerhalb der Familie in beide Richtungen wirkt: Der Besserverdienende zahlt zwar weniger Steuern, aber die Person mit dem geringeren Einkommen dafür mehr. Damit sind vor allem Frauen, die eine Erwerbstätigkeit aufnehmen oder ausweiten wollen, VerliererInnen dieses Systems. Ihnen wird ein viel größerer Brocken „wegversteuert“, als das bei einer individuellen Besteuerung der Fall wäre. Kein Wunder also, dass laut Berechnung des Instituts für Höhere Studien bei Einführung des deutschen Systems in Österreich die Erwerbstätigkeit von Müttern deutlich sinken würde.

Kinder statt Ehefrau
Das klassische Splitting fordert allerdings heute kaum noch jemand. Stattdessen wird jetzt die drastische Erhöhung des Kinderfreibetrages gefordert. Dieser wurde mit der Steuerreform 2009 eingeführt. Derzeit beträgt er „nur“ 220 Euro jährlich pro Kind, bei Teilung zwischen den Eltern 264 Euro. Je nach Forderung soll er auf bis zu 7.000 Euro pro Kind und Jahr vervielfacht werden. Die Kosten dafür würden je nach Modell zwischen mehreren Hundert Millionen und vier Milliarden Euro betragen.
Dabei ist der Kinderfreibetrag aus verteilungs- und genderpolitischer Perspektive ähnlich problematisch wie das Familiensplitting. Freibeträge entlasten nämlich ebenso höhere Einkommen viel stärker als niedrige. Geringe Einkommen mit weniger als ca. 1.200 Euro Monatsbrutto gehen überhaupt leer aus – 60 Prozent davon sind Frauen. Den Familien ist mit dem Kinderfreibetrag nicht wirklich geholfen, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen. Eigentlich sollten sie im Ausmaß von 165 Millionen entlastet werden, tatsächlich wurden im Jahr 2012 aber nur 68 Millionen ausgeschöpft. Damit konnte der Freibetrag nicht einmal für die Hälfte aller potenziell anspruchsberechtigten Kinder in Anspruch genommen werden.

Negativsteuer: der bessere Weg
Derzeit läuft die Steuerreformdebatte auf Hochtouren, dabei wird natürlich auch über eine Entlastung der Familien diskutiert. 500 Millionen Euro wurden dafür in den Raum gestellt. Genauso viel würde die Erhöhung der Negativsteuer, wie sie ÖGB und AK fordern, kosten – das wird aber vom Finanzminister abgelehnt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass aber gerade die Negativsteuer eine Maßnahme wäre, die Familien helfen würde. Die Negativsteuer ist ein Bonus für jene, die unter der Steuergrenze liegen und somit von anderen Entlastungen nicht profitieren. Seit der Einführung in den 1990er-Jahren beträgt sie unverändert 110 Euro im Jahr – während Mieten, Lebensmittel und Fahrtkosten viel teurer geworden sind. Besonders für Frauen, die häufig nur wenig verdienen, wäre die Anhebung wichtig. Einer der wichtigsten Gründe für ihre niedrigen Verdienste ist die Arbeit in Teilzeit. 70 Prozent der beschäftigten Frauen mit Kindern unter 15 Jahren gehen einer solchen Erwerbstätigkeit nach. Sie haben kaum einen Vorteil aus dem Kinderfreibetrag, sehr wohl aber von der Negativsteuer.
Besonders entscheidend ist diese Frage für die Gruppe der Alleinerziehenden: Sie haben mit 27 Prozent eine fast doppelt so hohe Armutsgefährdung wie der Durchschnitt. Gerade diese von Armut Betroffenen würden von der Negativsteuer, nicht aber vom Kinderfreibetrag profitieren. Das gilt auch für die Haushalte mit weiblichen Hauptverdienerinnen, die zu 23 Prozent armutsgefährdet sind. Diese Zahlen bedeuten, dass Kinder, die in solchen Haushalten leben, in Armut aufwachsen. Die Negativsteuer wäre eine Beitrag, ihre Lage zu verbessern – der Kinderfreibetrag wäre das nicht.
 
Webtipp:
Web-Skriptum WI-12 – Steuerpolitik:
www.voegb.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin sybille.pirklbauer@akwien.at oder die Redaktion aw@oegb.at

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