topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Standpunkt | Ça ira - wir werden es schaffen, trotz alledem!

MEINUNG

»Schauen Sie, jetzt beginnt wieder der Frühling, die Tage werden schon hell und lang, und im Felde gibt es sicherlich noch viel zu sehen und zu hören! Gehen Sie doch viel hinaus, der Himmel ist jetzt so interessant und mannigfaltig mit den jagenden, unruhigen Wolken, die noch nackte Kalkerde muß in dieser wechselnden Beleuchtung schön sein. Sehen Sie sich für mich an alledem satt … Es ist das einzige, was man nie im Leben überkriegt, was stets denselben Reiz der Neuheit hat und einem immer treu bleibt …«

Dies ist ein Auszug aus einem der Briefe Rosa Luxemburgs aus dem Gefängnis, in dem sie vor achtzig Jahren schon drei Jahre einsaß. Ein Auszug aus einem der Briefe, die sie in rührender Sorge an Sonja Liebknecht gerichtet hatte, der jungen Frau ihres ebenfalls inhaftierten Mitkämpfers Karl Liebknecht. Rosa Luxemburg hatte sich, auch angesichts des jämmerlichen Versagens der sozialdemokratischen Führung, energisch gegen den Krieg eingesetzt, während andere (in Deutschland wie in Österreich) den Krediten zur Finanzierung des Krieges zustimmten.

Zehn Wochen nach ihrer Haftentlassung wurde Rosa Luxemburg Anfang 1919 wieder verhaftet und ermordet. Der Gruß an den Frühling und an die Natur, die ns immer treu bleibt und nie enttäuscht, sollte uns an diese großartige Frau erinnern, auch wenn der heurige »Internationale Frauentag« schon vorbei ist und diese Ausgabe aus technischen Gründen später erscheint.

Ein weiterer Anlass zur Reminiszenz sind die 60 Jahre, die seit der Verabschiedung des Betriebsrätegesetzes vergangen sind.

Es war am 28. März 1947, als der österreichische Nationalrat das Betriebsrätegesetz beschloss. Die bereits kurz nach der Befreiung vom Faschismus im Jahr 1945 wiedergewählten Betriebsräte erhielten durch dieses Gesetz ihre Rechtsgrundlage. »Durch das Gesetz wurden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Lage versetzt, ihre reichen praktischen Erfahrungen in die Führung der Betriebe einzubringen. Der Betriebsrat verhandelt  Betriebsvereinbarungen, sorgt für die Einhaltung der Kollektivverträge und der Betriebsvereinbarungen, macht Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit, hat Mitspracherecht bei der Gestaltung der Arbeitsplätze, hat das Recht auf Mitsprache bei Personal- und Wirtschaftsangelegenheiten. Er hat das Recht zu Kündigungen und Entlassungen Stellung zu nehmen und diese bei Gericht anzufechten, kann unter bestimmten Voraussetzungen Versetzungen verhindern und muss über alle die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betreffenden Angelegenheiten informiert werden«, heißt es in der rückblickenden Würdigung.

Heutzutage führt der steigende Druck in der Arbeitswelt in den Unternehmen zu mehr Konflikten und anderen Rechtsproblemen. In Betrieben mit Betriebsrat werden Konflikte besser gelöst. Betriebsrätinnen und Betriebsräte sind Vermittler und tragen zur Lösung von Problemen bei. Ein Erfolgsmodell, das in vielen Betrieben dringend nötig wäre und moderne Unternehmen auszeichnet.

Das Mandat der Betriebsräte wird allerdings durch Auslagerungen und Umstrukturierungen zunehmend untergraben, weswegen Arbeitnehmer/-innen, die an einem Standort arbeiten, auch dann eine einheitliche Vertretung wählen können sollten, wenn sie arbeitsrechtlich bei verschiedenen Unternehmen beschäftigt sind. Dies ist nur eine der aktuellen Forderungen zur Verbesserung der Mitbestimmung. Unsere tagtägliche Arbeit im Interesse der arbeitenden Menschen ist vielfältig und geschieht oft unter immensem Druck. Deswegen möchte ich nochmals diese starke Frau zitieren, die uns allen eindringlich zuruft, neben allem dringendem Tagewerk nicht eines zu vergessen:

»… Vergessen Sie nicht, wenn Sie noch so beschäftigt sind, wenn Sie auch nur in dringendem Tagewerk über den Hof eilen, vergessen Sie nicht den Kopf zu eben und einen Blick auf diese riesigen silbernen Wolken zu werfen und auf den stillen blauen Ozean, in dem sie schwimmen. Beachten Sie doch die Luft, die von leidenschaftlichem Atem der letzten Lindenblüten schwer ist, und den Glanz und die Herrlichkeit, die auf diesem Tage liegen, denn dieser Tag
kommt nie, nie wieder! Er ist Ihnen geschenkt wie eine vollaufgeblühte Rose, die zu Ihren Füßen liegt und darauf wartet, daß Sie sie aufheben und an Ihre Lippen drücken.
« Wer wäre so unempfindlich, nicht zu begreifen, dass diese Rose auch den Namen einer durch neun Gefängnisse geschleppten Frau trägt?

Siegfried Sorz

Artikel weiterempfehlen

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum