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Standpunkt | Politik und Beruf: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und harte Bretter

MEINUNG

»Es gibt zwei Arten, aus der Politik seinen Beruf zu machen. Entweder: man lebt ›für‹ die Politik - oder aber: ›von‹ der Politik«, sagt der berühmte Soziologe Max Weber in seiner Schrift »Politik als Beruf«.

»Der Gegensatz ist keineswegs ein exklusiver «, führt Weber weiter aus. »In aller Regel vielmehr tut man, mindestens ideell, meist aber auch materiell, beides: wer ›für‹ die Politik lebt, macht im innerlichen Sinne ›sein Leben daraus‹: Er genießt entweder den nackten Besitz der Macht, die er ausübt, oder er speist sein inneres Gleichgewicht und Selbstgefühl aus dem Bewusstsein, durch Dienst an einer ›Sache‹ seinem Leben einen Sinn zu verleihen. In diesem innerlichen Sinn lebt wohl jeder ernste Mensch, der für eine Sache lebt, auch von dieser Sache. Die Unterscheidung bezieht sich also auf eine viel massivere Seite des Sachverhaltes: auf die ökonomische. ›Von‹ der Politik als Beruf lebt, wer danach strebt, daraus eine dauernde Einnahmequelle zu machen, - ›für‹ die Politik der, bei dem dies nicht der Fall ist.«

»Wovon lebt der Mensch?« ist eine Frage, die zum Beispiel Bertold Brecht mehrmals lyrisch beantwortet hat, zum Beispiel in seiner gleichnamigen Ballade. Geneigte Leser, glaubet nicht, dass ich jetzt zum allseits beliebten Volkssport aushole und mit der verbalen Keule auf die Politiker einprügeln will (Neudeutsch heißt das jetzt »Bashing«, glaube ich). Und dies nicht einmal deswegen, weil nach der Einteilung von Max Weber auch die Journalisten zu den »Berufspolitikern« gehören:

»Der Journalist teilt mit allen Demagogen und übrigens … auch mit dem Advokaten (und dem Künstler) das Schicksal: der festen sozialen Klassifikation zu entbehren. Er gehört zu einer Art von Pariakaste, die in der Gesellschaft stets nach ihren ethisch tiefstehenden Repräsentanten sozial eingeschätzt wird. Die seltsamsten Vorstellungen über die Journalisten und ihre Arbeit sind daher landläufig.«

Wie wahr, wie wahr!
»Dass eine wirklich gute journalistische Leistung mindestens so viel ›Geist‹ beansprucht wie irgendeine Gelehrtenleistung - vor allem infolge der Notwendigkeit, sofort, auf Kommando, hervorgebracht zu werden und: sofort wirken zu sollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung, ist nicht jedermann gegenwärtig …«

Weber erwähnt in weiterer Folge die »sonstigen Bedingungen des journalistischen Wirkens in der Gegenwart erzeugen jene Folgen, welche das Publikum gewöhnt haben, die Presse mit einer Mischung von Verachtung und - jämmerlicher Feigheit zu betrachten.« Er lässt sich auch darüber aus, welche
Blätter und welche Zeitungskonzerne » in aller Regel die typischen Züchter politischer Indifferenz« sind.

Liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht ist es mir mit diesen Zeilen gelungen, ihr Interesse an diesem Text, an diesem Vortrag von Max Weber zu wecken?
Er ist als wohlfeiles Reclam-Bändchen erschienen, zum Preis von EUR 2,70 (Reclam Nr. 8833).

Die Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik müssten sie sich dort erlesen. Und auch was er von den Windbeuteln hält, die ihre Gesinnung immer vor sich hertragen. Zitiert wird aus dieser Schrift immer wieder vor allen ein Satz:

»Die Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich.«

Der ist aber unvollständig, wenn man nicht noch weiter liest und die ganze Spannung dieser Aussage erfasst:

»Es ist ja durchaus richtig, und alle geschichtliche Erfahrung bestätigt es, dass man das Mögliche nicht erreichte, wenn nicht immer wieder in der Welt nach dem Unmöglichen gegriffen worden wäre. Aber der, der das tun kann, muss ein Führer und nicht nur das, sondern auch - in einem sehr schlichten Wortsinn - ein Held sein. Und auch die, welche beides nicht sind, müssen sich wappnen mit jener Festigkeit des Herzens, die auch dem Scheitern aller Hoffnungen gewachsen ist, jetzt schon, sonst werden sie nicht imstande sein, auch nur durchzusetzen, was heute möglich ist. Nur wer sicher ist, dass er daran nicht zerbricht, wenn die Welt, von seinem Standpunkt aus gesehen, zu dumm oder zu gemein ist für das, was er ihr bieten will, dass er all dem gegenüber: ›dennoch!‹ zu sagen vermag, nur der hat den ›Beruf‹ zur Politik

Ceterum censeo, im Übrigen meine ich, hoffentlich erinnern wir uns daran auch noch in jetzt fünf Jahren, was uns bei der vergangenen Wahl versprochen wurde…

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