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Für Arbeitnehmervertreter läuten die Alarmglocken

A&W-Gespräch mit dem burgenländischen AK-Präsidenten Ernst Piller

»Arbeit & Wirtschaft«: Wie sieht die wirtschaftliche Situation im Burgenland aus?

Ernst Piller: Zweifellos hat das Burgenland von der ersten Ziel-1-Periode wirtschaftlich sehr profitiert. Die Eckdaten sind positiv, wir haben ein hohes Wirtschaftswachstum, der Fremdenverkehr hat vor allem über den Bereich des Gesundheitstourismus stark zugenommen und auch in strukturschwächeren Gebieten hat sich die EU-Förderung günstig ausgewirkt. Die Landespolitik hat wesentlich dazu beigetragen, dass es im Burgenland zu einem enormen Wachstum der Arbeitsplätze gekommen ist. Wir haben knapp 80.000 Beschäftigte zu Spitzenzeiten. Das hätten wir vor wenigen Jahren nicht einmal zu träumen gewagt.

A&W: Gibt es trotzdem Probleme?

Piller: Sorgen bereitet uns als Arbeiterkammer und ÖGB das Anwachsen der atypischen Beschäftigungsverhältnisse. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten mit geringer sozialer Absicherung steigt, und auch die Scheinselbstständigkeit bringt für die Betroffenen handfeste Probleme mit sich. Erst kürzlich konnten wir den Beschäftigten eines Callcenters helfen, die umgerechnet nur 4 Schilling Stundenlohn erhalten haben. Die Firma musste eine saftige Nachzahlung leisten.

A&W: Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus, besonders in Bezug auf Problemgruppen?

Piller: Das Burgenland ist - was Arbeitslosigkeit betrifft - nicht unbedingt anders als andere Bundesländer. Die Arbeitslosenzahlen stellen sich bei uns nur etwas anders dar, weil doch knapp 30.000 Burgenländerinnen und Burgenländer in andere Bundesländer pendeln und sich bei Saisonarbeitslosigkeit natürlich im Burgenland arbeitslos melden. Tatsache bleibt aber, dass es auch im Burgenland im Bereich der älteren Beschäftigten massive Probleme gibt.
Bei den Jugendlichen hat man bei uns vom NAP profitiert. Es konnten Stiftungen geschaffen werden, und die Zahl der Lehrlinge ist prinzipiell gestiegen. Die Bilanz ist somit grundsätzlich positiv, aber das ist noch kein Grund, zufrieden zu sein.

A&W: Wie steht es mit Rezepten gegen die Arbeitslosigkeit?

Piller: Ich halte es für sehr bedeutsam, dass es gerade die Gewerkschaften waren, die auf europäischer Ebene Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit gefordert und somit die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu einem gesamteuropäischen Anliegen gemacht haben. Auch in Österreich hat die Arbeiterkammer gemeinsam mit dem ÖGB wirksame Maßnahmen gefordert. Der NAP und seine positive Bilanz sind ein eindrucksvolles Zeugnis dafür. Jetzt gerät allerdings die positive Beschäftigungsbilanz in Gefahr. Die neue Regierung will offensichtlich den bewährten Weg verlassen. Da läuten bei uns Arbeitnehmervertretern die Alarmglocken.

A&W: Ist eine verbesserte Ausbildung ein wirksames Mittel gegen Arbeitslosigkeit?

Piller: Gerade die Arbeiterkammer Burgenland hat sich immer mit Fragen der Ausbildung beschäftigt und immer darauf gedrängt, die burgenländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter und höher zu qualifizieren. In der jetzigen EU-Periode wird man dafür mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stellen müssen. Die burgenländischen Arbeitnehmer sind zu Weiterbildung und Höherqualifizierung bereit. Das zeigen auch die rasant steigenden Teilnehmerzahlen an Kursen und Schulungen des bfi.

Ernst Piller
Der burgenländische Arbeiterkammerpräsident Ernst Piller war im vergangenen Herbst 60.
Der gebürtige Draßburger trat nach Abschluss einer kaufmännischen Lehre beim ÖGB Burgenland als Gewerkschaftssekretär ein. Bereits 1969 wurde er zum Kammerrat in der burgenländischen Arbeiterkammer bestellt und bekleidete von 1973 bis 1983 die Funktion eines Vizepräsidenten. Seit 1983 ist Ernst Piller Präsident der burgenländischen Arbeiterkammer.
Sein politisches Ziel war es immer, der als Serviceeinrichtung unbestrittenen AK ein eigenständiges Profil als politische Interessenvertretung zu geben. In seine Präsidentschaft fiel die Mitgliederbefragung 1996, die im Burgenland mit 93 Prozent Zustimmung das beste Ergebnis aller Arbeiterkammern österreichweit brachte. Piller gilt als klarer Verfechter der Sozialpartnerschaft und auch als Politiker, der aus Überzeugung die konsensuale Gesprächsbasis mit den anderen Interessenvertretungen und Verbänden gesucht hat. Seine politische Laufbahn begann Piller als SPÖ-Gemeinderat in Eisenstadt, er war Abgeordneter zum Burgenländischen Landtag und vertrat von 1989 bis 1994 die Belange des Burgenlandes im Nationalrat.
Sowohl im Parlament als auch in seiner Funktion als AK-Präsident waren ihm Fragen der Aus- und Weiterbildung - vor allem der jungen Menschen - ein besonderes Anliegen. So wurde auf seine Initiative hin im Burgenland unter anderem das Arbeitnehmerförderungsgesetz beschlossen und damit Jugendlichen und auch Frauen der (Wieder-)Eintritt ins Berufsleben erleichtert.
Ernst Piller lebt heute in Eisenstadt, er ist seit 1960 verheiratet und hat 2 Kinder sowie 4 Enkelkinder.
Einige Zahlen zur AK Burgenland:
In der Vollversammlung sind 30 FSG-Kammerräte, 15 ÖAAB-Kammerräte und 5 FA-Vertreter.
Die AK-Wahl findet vom 3. bis 12. April 2000 statt. Wahlberechtigt sind knapp 61.000 burgenländische Arbeitnehmer.

A&W: Wie ist die Stimmung im Lande?

Piller: Meines Erachtens nach herrscht große politische Verunsicherung im Land. Das bestätigen unsere Funktionäre und Betriebsräte und das spüre ich auch bei jeder Gelegenheit. AK und ÖGB werden gegen das vorgelegte Programm der Regierung massiv auftreten. Es droht den Arbeitnehmern eine Belastungswelle, die wir nicht widerspruchlos zur Kenntnis nehmen werden. Viele Kürzungen im Sozialbereich werden zunächst Frauen, Ältere und Arbeitslose betreffen. Diese Wucht an Belastungen werden AK und ÖGB bekämpfen. Ich gehe davon aus, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Landes auch bei der kommenden AK-Wahl ein Zeichen setzen und dieser massiven Belastungspolitik eine klare Absage erteilen werden.

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