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Die Menschen durchschauen dieses unehrliche Spiel

A&W-Gespräch mit dem niederösterreichischen AK-Präsidenten Josef Staudinger | Vom 2. bis 19. Mai 2000 finden in Niederösterreich die AK-Wahlen statt. Stimmberechtigt sind rund 380.000 Kolleginnen und Kollegen, die ihre gesetzliche Vertretung, die Vollversammlung der Arbeiterkammer, für die nächsten Jahre wählen. A&W sprach mit Josef Staudinger.

»Arbeit & Wirtschaft«: Lieber Kollege Staudinger, wie schaut derzeit die wirtschaftliche Situation in NÖ aus? Wo gibt's strukturelle Schwächen und Schwierigkeiten, wie steht's um die Beschäftigung?

Josef Staudinger: Grundsätzlich steht Niederösterreich im Vergleich ganz gut da. Alle wirtschaftlichen Kennzahlen sind zufrieden stellend, vor allem bei der Beschäftigung liegen wir im europäischen Spitzenfeld. Das war aber nur möglich, weil sich AK und ÖGB in den letzten Jahren voll eingebracht haben und vieles - oft gegen den Widerstand der Landesregierung - erreicht haben. Ich möchte da nur als Beispiel die Lehrlingsoffensive '99 nennen, mit der sichergestellt wurde, dass jeder Jugendliche einen Ausbildungsplatz bekommt. Heute ist unser Bundesland in Sachen Jugendbeschäftigung die Nummer-1-Region in Europa. Mein erklärtes Ziel ist, auch in Zukunft jedem Jugendlichen eine gute, moderne Ausbildung zu ermöglichen. Zweites Beispiel: der im Vorjahr abgeschlossene Territoriale Beschäftigungspakt (TEP), der NÖ bis 2004 jährlich 5000 neue Arbeitsplätze bringen wird. Neben den Frauen sind sicher die älteren Arbeitnehmer eine Problemgruppe auf dem Arbeitsmarkt. Daher sprechen wir uns auch klar gegen eine Anhebung des Pensionsalters aus und werden die von der neuen Regierung geplanten Maßnahmen vehement bekämpfen. Zwangsarbeit und eine Aufweichung des Berufsschutzes haben in einer modernen Arbeitswelt nichts verloren.

A&W: Du hast mir das Stichwort für die nächste Frage gegeben. Seit ein paar Wochen ist jetzt die neue Bundesregierung im Amt, dein Kommentar bitte.

Staudinger: Also grundsätzlich beurteile ich jede Regierung ausschließlich danach, was sie bereit ist, für die arbeitenden Menschen zu tun. Aus diesem Grund habe ich schon als einer der Ersten das SPÖ-ÖVP-Übereinkommen abgelehnt. Noch viel mehr lehne ich aber den blau-schwarzen Koalitionspakt und die ersten Maßnahmen ab. Denn er drückt in so vielen Bereichen all das aus, was wir nicht wollen, was ungerecht ist, was die Menschen tief verunsichert und finanziell ausplündert. Der Kommentar zu Blau-Schwarz fällt deshalb vernichtend aus. Wir können und werden nicht akzeptieren, dass in ein paar Tagen all das in Frage gestellt wird, was unsere Beschäftigten in mühevoller Arbeit jahrzehntelang aufgebaut haben. Unsere Aufgabe als verantwortungsbewusste Arbeitnehmervertreter wird es deshalb sein, dieses Gruselpaket mit allen demokratischen Mitteln zu bekämpfen und den Niederösterreicherinnen und Niederösterreichern positive, vorwärts gerichtete Gegenkonzepte zu präsentieren.

A&W: Vom 2. bis 19. Mai finden in Niederösterreich Arbeiterkammerwahlen statt. Was erwartest du dir von diesem Wahlgang?

Staudinger: Als Präsident erwarte ich mir, dass die Arbeiterkammer als gesetzliche Interessenvertretung der Beschäftigten durch eine deutlich höhere Wahlbeteiligung gestärkt wird. Als Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Gewerkschafter habe ich das Ziel, dass wir die klare Nummer 1 in der AK und so stark werden, dass gegen uns und damit auch gegen die 420.000 Beschäftigten in NÖ keine Politik gemacht werden kann. Die Spielregeln sind durch das ausgeweitete Wahlrecht neu, aber auch die politische Ausgangslage ist eine andere als noch vor 5 Jahren. Darauf müssen sich alle wahlwerbenden Gruppen einstellen. Ich hoffe jedenfalls auf Fairness im Wahlkampf und darauf, dass keine Schmutzkübel verschüttet oder verbale Untergriffe unternommen werden. Ich finde das ganz wichtig. Denn gerade die Nationalratswahlen, aber auch sehr viele persönliche Gespräche zeigen mir, dass die Menschen den Streit nicht wollen. Noch viel weniger wollen sie ihn aber innerhalb ihrer gesetzlichen Arbeitnehmervertretung. Was die Menschen wollen, ist eine Arbeiterkammer, die ihnen zur Seite steht, die ihnen in einer Zeit voller Wandel und Neuerungen Halt und Sicherheit gibt, die ihre Interessen vertritt und mithilft, ihren Wohlstand auszubauen und ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das sollten wir uns immer vor Augen halten.

A&W: Woher nimmst du deinen Optimismus?

Staudinger: Wir haben in den letzten Jahren sehr anständig gearbeitet und brauchen unsere Erfolge in keiner Weise zu verstecken. Den Territorialen Beschäftigungspakt und die Lehrlingsoffensive habe ich schon genannt. Dazu kommt die Steuerreform 2000, wo wir uns voll eingebracht haben und die Finanzminister Grasser jetzt als sein Verdienst verkaufen will. Unfassbar! Aber ich denke, die Menschen durchschauen dieses unehrliche Spiel. Genauso wie sie uns stets ein hervorragendes Zeugnis ausstellen, was Umfragen immer wieder bestätigen. Unser Image in der Bevölkerung ist sehr groß, die AK hat sich in den letzten Jahren zur Dienstleistungsinstitution Nummer 1 in Niederösterreich gemausert. In Summe erstreitet die Arbeiterkammer heute pro Jahr mehr als 660 Millionen Schilling für ihre Mitglieder. Und erst in diesen Tagen konnten wir durch das Aufdecken des Kreditskandals den betroffenen Niederösterreichern wieder Millionen Schilling sichern.

A&W: Wie schauen deine Zielsetzungen für die Zukunft aus?

Staudinger: Unser Hauptfeind Nummer 1 ist nach wie vor die Arbeitslosigkeit. Sie zu bekämpfen, ist im allgemeinen Interesse notwendig. Wir wollen das aber nicht durch Zwangsarbeit, Ausverkauf unserer Betriebe oder weniger Geld für den NAP erreichen, sondern durch bessere Jobchancen für Junge, ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose. Durch Erhalt österreichischer Arbeitsplätze. Das ist möglich, denn Österreich hat viele Standortvorteile, auf die wir uns selbstbewusst konzentrieren und positive Lösungen suchen müssen, die allen Vorteile bringen.
Zum Zweiten geht's mir um eine gerechte Politik für unsere Frauen und Familien. Ich will bessere Wiedereinstiegshilfen, mehr, vor allem flexibler gestaltete Kinderbetreuungseinrichtungen und finanzielle Unterstützung für jene, die nicht das Glück haben, mit Millionären oder Großgrundbesitzern verheiratet zu sein.
Dritter Punkt, der mir wichtig ist, ist eine faire Arbeitswelt. Das bedeutet: gleiche Rechte für alle Beschäftigten, bessere Hilfe für Pendler und Handelsangestellte, Benzinpreise mit Augenmaß, gerechte Steuern und Abgaben, mehr Rechte für Betriebsräte und weiterhin faire kollektivvertragliche Lösungen sowie sozialpartnerschaftliche Maßnahmen statt egoistischer Sololäufe einzelner Unternehmervertreter. Und es bedeutet: Osterweiterung nur dann, wenn niederösterreichische Arbeitsplätze nicht zerstört werden. Nicht zuletzt strebe ich soziale Sicherheit an. Das kann gelingen durch eine zeitgemäße Weiterentwicklung des Sozialsystems, durch langfristige, planbare Reformen im Pensionsbereich, durch eine Abfertigung, die auch dann ausgezahlt wird, wenn man selber kündigt, durch Einkommen, von denen man leben und sich und seine Familie über die Runden bringen kann, und dadurch, dass man es sich weiterhin leisten kann, seine kleineren Wehwehchen und vor allem ernste Krankheiten behandeln zu lassen, ohne viel aufs Bankkonto schauen zu müssen.

A&W: Vielen Dank für das Gespräch!
(Mit Josef Staudinger sprach Rainer Spenger.)

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