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Ist Nehmen seliger als Geben?

LEITARTIKEL

Die Wirtschaft in unserem Lande ist angeblich »gefesselt« und die blau-schwarze Regierungsmannschaft ist angetreten, diese imaginären »Fesseln« zu sprengen, ähnlich wie dies vor zwei Jahrzehnten Frau Thatcher in Großbritannien versuchte. Der Thatcherismus ist in England an der Realität gescheitert und inzwischen eher Geschichte, auch wenn die dortige »Entfesselung« eine extreme Umverteilung von unten nach oben, hohe Arbeitslosigkeit und eine steigende Inflation bewirkte und geprägt war von Finanzskandalen und Spekulationen auf Kosten der Steuerzahler. Bei uns hier in Österreich wittert das Kapital mit den neuen Mehrheitsverhältnissen jetzt Morgenluft: »Die imaginären Fesseln sind im Wesentlichen nichts anderes als der Vorwand dafür, dass bestimmte Unternehmerkreise jetzt die Stunde gekommen sehen, ihre Möglichkeiten zu verbessern, als Herr im Haus wieder freier zu schalten und zu walten und dazu verschiedene Arbeitnehmerpositionen zu schwächen oder zurückzudrängen. Wenn nun die neue Mehrheit dafür eingesetzt werden soll, ist das rechtlich und faktisch möglich, es wäre aber dann fair, dies auch offen zu sagen und nicht irgendwelche unglaubwürdigen Vorwände zu benutzen, und vor allem hätte diese Absicht auch vor den Wahlen kundgetan werden sollen...« So wird dies im Editorial der übrigens für alle Interessierten empfehlenswerten wissenschaftlichen Quartalszeitschrift »Wirtschaft und Gesellschaft« (Orac Verlag) formuliert. Mit anderen Worten gesagt: Diese Regierung macht eine Wirtschaftspolitik, die in Wirklichkeit eine einseitige Interessenpolitik ist, die allerdings durch ein Management-Kauderwelsch verbrämt wird. Vertreter aller Parteien bedienen sich dieses seltsamen Kauderwelschs samt der dazugehörigen Rhetorik: »Ebenso gab es eine nahezu allgemeine Neigung dazu, durch Beschwörung verschiedenster Bedrohungen und Krisen, durch das ununterbrochene Beklagen von Versteinerungen und Starrheiten, durch das ständige Zitieren genereller >Reformstaus< bzw. der Notwendigkeit umfassender >Reformpartnerschaften< Gefühle der Unerträglichkeit des gegenwärtigen Zustands zu erzeugen. Der ständig hinaufgeschraubte Pegel der Aufgeregtheit auch in Sachen Wirtschaftspolitik hat den Boden für einen Kurswechsel aufbereitet. Wenn sich heute manche, die dazu beigetragen haben, fragen, ob dies angesichts der Konsequenzen richtig war, so kommen diese Zweifel momentan zu spät...« (»Wirtschaft und Gesellschaft«, Heft 1/2000)

Teures Lehrgeld und Ablenkungsmanöver

Immerhin, würde ich meinen, immerhin ist Selbsteinsicht ein Weg zur Besserung. Und wenn Irren menschlich ist, so kann jetzt zumindest ein Teil der in die Irre Gelockten auch wieder umkehren ­ was die Ergebnisse der letzten AK-Wahlen eindringlich beweisen. Allerdings zahlen wir alle mit dem Belastungspaket ein ziemlich teures Lehrgeld, das wir auch nicht zurückgeben lassen können. Wenn wir also unter verschärften Bedingungen Mores gelehrt bekommen, wird auch des Lernens kein Ende sein ­ trotz aller Ablenkungsmanöver: Wann welcher europäische Minister der Frau Außenminister Ferrero die Hand gegeben hat oder nicht oder ob ein anderer Minister zum gemeinsamen Fototermin zu spät gekommen ist und ob er sich dann entschuldigt hat, ist vielen eigentlich ziemlich schnurz angesichts der Tatsache, dass der vor allem von blauer Seite so viel zitierte »kleine« Mann (und noch mehr die »kleine« Frau) mit einem Paket belastet wird, das mehr als einen Griff in seine Brieftasche bedeutet (zugunsten der »Großen«). »Kassasturz« können der kleine Mann und das ganze kleine Volk auch machen und nicht nur der populisti-sche Finanzminister, der so tut, »als handle es sich beim Erstellen des Budgets um eine Aufgabe wie die des Gemischtwarenhändlers, der die Münzen auf den Tisch schüttet, um zu sehen, mit wie viel Wechselgeld er den Tag anfängt«. Der Griff nach dem Geldbörsel der »Kleinen« wird zur lieben Gewohnheit, und die kleinen Männer und Frauen tun gut daran sich vorzusehen, wenn sie das Wort »Budgetkonsolidierung« hören. Die großzügigen Steuergeschenke an die Unternehmer und an die Landwirtschaft mit gleichzeitiger Belastung der Arbeitnehmer, der Konsumenten und der Pensionsbezieher hat eine extreme so genannte »verteilungspolitische Schieflage« erzeugt. Andrerseits wollte diese Regierung mit kostspieligen Geschenken an ihre traditionelle Klientel Bauern und Unternehmer Wahlversprechen einlösen.

Parteispenden und die Irrtümer der »kleinen Männer«

»Geben ist seliger denn Nehmen« heißt es zwar im dicken Buch der Christen, aber dort steht auch »Gebet, so wird euch gegeben«, und ich glaube, vielleicht sind damit die Parteispenden der Unternehmer an die Regierungsparteien gemeint. Also, falls Sie, werter Leser, vielleicht Unternehmer sind, aber nicht wollen, dass Ihr Name als Spender an die Öffentlichkeit dringt, so machen sie Folgendes: Geben Sie das Geld (auch Beträge über hunderttausend Schilling) der Industriellenvereinigung, die »anonymisieren« die Spende dann und leiten sie an die richtige Partei weiter... Da unsere werten Leser aber eher zu den »kleinen« Männern (und Frauen) gehören, können sie bei den genannten Beträgen sowieso nicht mithalten. Mein Rat: Spenden Sie nix, die nehmen sich von Ihnen eh selber, was sie wollen... Falls auch Sie auf diese Art sehr teu-res Lehrgeld zahlen, so seien sie getröstet: »Es irrt der Mensch, solang er strebt.«

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