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Weg mit den Alpen - freie Sicht aufs Mittelmeer!

Wer kennt nicht die launige Forderung der so genannten 68er-Generation, die damit karikieren wollte, dass es keinen Sinn macht, Forderungen aufzustellen, die nicht verwirklichbar sind, Aktionen zu setzen, die ins Leere gehen und Maßnahmen zu ergreifen, die sich als kontraproduktiv erweisen?

Manchmal glaube ich, dass wir in der augenblicklichen politischen Situation versuchen, diese Karikaturen politischen Handelns zum Leben zu erwecken. Unter »wir« verstehe ich uns Gewerkschafter, aber auch unsere derzeitigen Gegner, nämlich unseren Sozialpartner Wirtschaftskammer und natürlich die Bundesregierung. Es ist nicht uninteressant, dass es derzeit für über die Medien Informierte nichts Lustigeres gibt, als zusammenzuzählen, wie oft man sich wechselseitig »Realitätsverlust« vorwirft: Täglich!
Die Desinformation ist zum politischen Stilmittel geworden und die einzige Gruppe, die aus dieser unglaublichen Ignoranzorgie Nutzen zieht, ist die Bundesregierung, die mit so wenig Wasser kocht, dass der Topfboden schon beginnt durchzuglühen. Wir haben dem nichts Erfrischendes entgegenzusetzen. Wir sind oft zu geschockt, zu verletzt, zu entsetzt über die Kaltschnäuzigkeit, mit der eine Wende in der österreichischen Politik »durchgezogen« wird. Es geht nicht mehr ums Land und seine Menschen, es geht darum, »Handlungsfähigkeit« zu beweisen, um jeden Preis. An diese neue Form der Politik müssen wir »konsensverwöhnte Sozialpartner« uns erst gewöhnen.
Die neue Bundesregierung hat mit Sozialpartnerschaft nichts am Hut. OK. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und nicht in weinerliche Nostalgie verfallen. Die Bundesregierung will den Konflikt und diktiert ihre Vorstellungen, wie noch keine Regierung vor ihr. Allerdings zeigte sich dieser Stil auch schon in den letzten Jahren der ÖVP-SPÖ-Regierung. Was jetzt noch dazukommt, ist die Teilnahme einer autoritären Partei an der Regierung, deren Gangart auf die Gesamtregierung deutlich abfärbt. Nicht alle Österreicherinnen und Österreicher lehnen das ab. Manche rufen schon lange nach einem »starken Mann« und, ob wir es wollen oder nicht, wir österreichischen Gewerkschafter sind zur Normalität der Gewerkschaften Westeuropas zurückgekehrt. Aus ist es mit Österreich als dem Eldorado des Korporatismus und der Insel der Seligen. Wir werden wieder kämpfen müssen. Kämpfen kann man aber nur mit »brennendem Herzen« und großer Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Position. Die Grundvoraussetzungen für eine Kampfbereitschaft sind meiner Meinung nach folgende:

  1. Nur Solidaritätserlebnisse machen uns bereit zum Kampf, sonst sind wir viel zu feige.
  2. Schlecht informierte und wenig betroffene Funktionäre sind keine Multiplikatoren. Wir brauchen aber Multiplikatoren!
  3. An der Nabelschnur einer politischen Partei müssen Gewerkschafter versagen. Daher gehen wir einen eigenen Weg.

Wir müssen beginnen, deutlicher zu werden und nicht nur dauernd unsere Wunden zu lecken. Diese Regierung ist keine Regierung für die Arbeitnehmer. Na und? Wir sind stark genug, Gewerkschafter bei jedem Wetter zu sein. Lasst uns also beginnen, neue Strategien zu entwickeln.
Sagen wir was »Sache« ist!
Die wichtigste Kampagne, die wir Gewerkschafter führen müssen, ist die Kampagne »Zurück zum Arbeitnehmer«. Wir informieren viel zu oberflächlich und nur, was in den Printmedien geschrieben wird und um 19.30 Uhr über den Bildschirm flimmert, wird angenommen. Das aber ist oft zu wenig! Wir müssen daher sagen, was »Sache« ist und nicht zulassen, dass sich der Neidkomplex und die Desinformation Bahn brechen.
Die Eisenbahner sind schlecht bezahlte Arbeitszeitexoten und keine Privilegienritter!
Die Kolleginnen und Kollegen bei den ÖBB haben auf Grund der Tatsache, dass das Arbeitszeitgesetz für sie nicht gilt, unregelmäßig hohe »Arbeitszeitpakete« ohne Zeitausgleich zu schlucken. Würde man in den ÖBB Zeitausgleich gewähren, bräuchte man mindestens ein Drittel mehr Personal.
Diese wie in der Privatwirtschaft »stehen gebliebenen Ausgleiche« werden durch den früheren Ruhegenussbezug (Pensionsantritt mit zirka 54 Jahren) abgegolten. Wer einen der Berufe der ÖBB ergreifen möchte, kann das ja tun. Man erkauft sich damit ein chaotisches Privatleben, mäßige Bezüge und gesundheitliche Belastungen. Schon im Jahr 1997 mussten die Eisenbahner ihren eigenen Zeitausgleichersatz mit hohen Pensionsbeiträgen abstützen (ein Witz an sich!), weil der Neidkomplex zugeschlagen hatte. Um ihre Rechte abzusichern, wurden für die »aussterbenden Restbeamten« die Rechte in ihren Dienstverträgen verankert. Jetzt macht man ein Gesetz, dass in privatrechtliche Verträge eingreifen soll. Wer würde sich so etwas in anderen Bereichen gefallen lassen? Keine Rede von Privilegien! Sagen wir, was Sache ist: Es geht um die Zerschlagung des Rechtsprinzips »pacta sunt servanda« (Verträge sind einzuhalten), das ein wesentliches Element der Rechtssicherheit in einem Rechtsstaat ist. Wer sich aber mit dem Rechtsstaat anlegt, bricht die Verfassung. Dagegen werden wir kämpfen. Nicht mit billigem Aktionismus, sondern vor dem Verfassungsgerichtshof.
Die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes ist eine Aktion gegen alle Mieter und geht nur bedingt gegen die Hausbesorger
Es ist ein Treppenwitz der Geschichte, dass die ÖVP ihr eigenes Gesetz abschafft, das unter Bundesministerin Grete Rehor zum Schutz der Mieter und zur Aufwertung deren Rechte beschlossen wurde. Für die Hausbesorger ist das Hausbesorgergesetz (HBG) eine klare Norm, die ihren atypischen Beruf regelt. Das Entgelt für sie ist in einer Verordnung des Landeshauptmannes geregelt und nicht im Hausbesorgergesetz. Die Dienstverhältnisse werden künftig unklarer und unflexibler werden, aber der Pflichtenkatalog des Hausbesorgers, der Rechtssicherheit für die Mieter bedeutete, ist weg, wenn das Hausbesorgergesetz abgeschafft wird. Die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes ist daher eine Aktion zur Stärkung der Macht der Hausverwaltungen, eine Aktion zur Rechtsunsicherheit für die Hausbesorger und eine Aktion gegen die Mieter. Die Abschaffung des Gesetzes ist so sinnvoll wie ein »Kropf« und keine Abschaffung von Privilegien. Sagen wir das doch!
Die von der Regierung begonnenen Pensionsreformen sind notwendig, aber schlecht gemacht, schlampig durchdacht und daher kontraproduktiv!
Hören wir auf zu jammern, dass wir in Zukunft später in die vorzeitige Pension gehen. Jede Regierung hätte über kurz oder lang diese Maßnahme setzen müssen und die Anpassung der Witwen- und Witwerpensionen, sowie die Abschaffung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit ist notwendig. Wie das Ganze aber gemacht wurde, ist kontraproduktiv. Man hätte das verhandeln müssen, denn zu jeder neuen Systemimplementierung gehören synchrone Maßnahmen, wie die Informatiker sagen.
Also in etwa: Wenn schon später in Pension, dann muss man auch länger arbeiten können (man muss gesund sein) oder dürfen. Was aber entweder eine Anpassung der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen, einige Arbeitsmarktinitiativen und Härteklauseln vorausgesetzt hätte, die wirken. Der ÖGB hat da grundgescheite Vorschläge unterbreitet, die offenbar von Regierungsseite mangels Feldkenntnis nicht verstanden wurden. Sagen wir was Sache ist! Eine Regierung, die sich grobe Inkompetenz leistet, darf nicht auch noch stur sein! Außerdem sind überfallsartig geplante Pensionsmaßnahmen absolut abzulehnen, weil sie keine Lebensplanung zulassen. Dagegen werden wir auch Klage führen müssen, in einem Rechtsstaat ist das ein adäquates Mittel. Und so könnte man die Beispiele fortsetzen, ich möchte aber noch etwas anderes ansprechen.

Solidaritätserlebnisse und Information sind der Boden jeder Aktion. Wir brauchen eine Informationskampagne!
Die Konkurrenz der Medien ist für uns Gewerkschafter nicht zu bewältigen. Wir müssen unser Potential und unsere Kraft aus uns selbst schöpfen. Wir müssen einander treffen, um zu sehen, wie viele wir sind, und wir brauchen gute, ausreichende Information und gewerkschaftliche Strategien. »Klotzen statt kleckern« heißt hier die Devise.
Nicht »1000 sinnlose Nadelstiche«, nicht Aktionen, die gut gemeint sind, sondern gute Aktionen, adäquate, einer Bewegung würdige Aktionen brauchen wir. Nicht gegen die Regierung geht es, sondern gegen deren inkompetente Kommunikationsunfähigkeit und gegen kontraproduktive Maßnahmen. Lösen wir uns von den Nabelschnüren der Parteien. Die haben mit uns nichts Gutes im Sinn. Gehen wir den gemeinsamen Weg der Gewerkschaftsbewegung. Ohne Panik, ohne nostalgische Wehmut, mit ganzer Kraft und strategisch neuen Konzepten. Es war schon immer richtig, sich klar zu überlegen, ob man Gegner schlagen kann oder ob man sie nicht umzingeln sollte!
Karl Klein ist Leiter des Referats für Kollektivverträge des ÖGB und Bundessekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter im ÖGB

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