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Krankensteuer: Wie die Kranken zur Kasse gebeten werden...

Das Sozialrechtsänderungsgesetz 2000 und die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung | Das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 enthält neben der Pensionsreform auch Maßnahmen im Bereich der sozialen Krankenversicherung. Im Vordergrund stehen dabei Selbstbehalte für Patienten. Das Gesetz sieht neben der Anhebung bestehender Selbstbehalte auch völlig neue Formen des Selbstbehalts vor. Insgesamt sollen auf diesem Wege 1,8 Milliarden Schilling eingespart werden, die von Kranken zumeist zusätzlich zu den Versicherungsbeiträgen, die sie als Erwerbstätige oder Pensionisten zu ihrer Krankenversicherung entrichten müssen, aufgebracht werden müssen.

Darüber hinaus sieht das Sozialrechts-Änderungsgesetz im Bereich der sozialen Krankenversicherung auch die gesetzliche Ermächtigung zu Leistungskürzungen bei satzungsmäßigen Mehrleistungen, die Informationspflicht der Kassen über die jährlichen Behandlungskosten des Versicherten und dessen Angehörigen und Ausgabensenkungen beim Verwaltungsaufwand vor.

Grundsätzliches zu Selbstbehalten

Da Selbstbehalte oder - anders ausgedrückt - Zuzahlungen der Patienten zu den Behandlungskosten im Mittelpunkt der Reformen stehen, ist es sinnvoll, sich etwas näher mit ihnen zu befassen. Im Gesundheitswesen wird die Nachfrage (des Patienten) nach Gesundheitsgütern und -dienstleistungen (wie ärztliche Hilfe, Spitalsbehandlung, Medikamente) in erster Linie von den behandelnden Ärzten (also von den Leistungsanbietern) bestimmt.

Im Allgemeinen werden Patienten die Anweisungen ihrer Ärzte befolgen und keine Verschlechterung der Krankheit riskieren. Lediglich beim ersten Arztkontakt hat der Patient eingeschränkte Wahlmöglichkeiten, z. B., ob er einen Arzt und gegebenenfalls welchen (einen praktischen Arzt, niedergelassenen Facharzt oder eine Spitalsambulanz) aufsucht. In diesen Fällen soll der Selbstbehalt Kranke dazu verhalten, sich für billigere Behandlungsalternativen (z. B. Naturheilmittel, Selbstbehandlung anstelle eines Arztbesuches) zu entscheiden.

Zu bedenken ist allerdings, dass Patienten medizinische Laien sind und infolge des Selbstbehalts ihre Krankheitssymptome ignorieren könnten. Daher ist es falsch, den Zugang zu medizinischen Leistungen durch eine Kostenbeteiligung des Patienten an den Behandlungskosten zu erschweren. Ein solcher Selbstbehalt kann nämlich, wenn er zu hoch angesetzt wird, dazu führen, dass eine notwendige Behandlung aus Kostengründen nicht in Anspruch genommen wird.

Die gesundheitspolitischen Folgekosten (z. B. einer teuren Folgebehandlung) bei einer Chronifizierung der Erkrankung wären enorm. Demgegenüber hat die Anhebung der Rezeptgebühr keine Steuerungswirkung, weil die Verschreibung von Medikamenten nicht im Ermessen des Patienten, sondern des Arzts liegt. Gleiches gilt bei Selbstbehalten für Heilbehelfe und beim Kostenbeitrag im Spital (derzeit 70 Schilling pro Spitalstag).

In diesen Fällen dient der Selbstbehalt ausschließlich der Finanzierung der sozialen Krankenversicherung, eine Lenkungsfunktion hingegen kommt ihm nicht zu. Insgesamt werden heute immerhin rund 10 Milliarden Schilling über Selbstbehalte aufgebracht. Abgesehen von diesen problematischen Wirkungen auf das Verhalten kranker Menschen bestehen folgende wichtige Vorbehalte gegen Selbstbehalte: Ihrem Wesen nach stehen Selbstbehalte im krassen Gegensatz zur solidarischen Finanzierung der sozialen Krankenversicherung.

Das bedeutet: Je höher das Einkommen des Versicherten ist, desto höher ist auch dessen Beitrag zur Krankenversicherung. Die Leistungen hingegen richten sich - unabhängig vom Einkommen oder von allfälligen höheren Erkrankungsrisiken - ausschließlich nach dem jeweiligen Bedarf.

Der Selbstbehalt indes trifft gerade die Kranken. Er wirkt wie eine »Krankensteuer«. Besonders belastet werden chronisch Kranke, Alte und sozial Schwache sowie kinderreiche Familien. Selbstbehalte verstoßen aber nicht nur gegen diesen Grundsatz, sondern auch gegen das Prinzip der Beitragsparität. Beitragsparität heißt, dass die Versicherten und deren Dienstgeber jeweils zur Hälfte mit ihren Beiträgen das Beitragsaufkommen bestreiten.

Bei Selbstbehalten ist es dann nur mehr der Versicherte, der einseitig mit »Beiträgen« belastet wird. Aus diesen Gründen haben sich die Interessenvertretungen der Arbeitnehmer gegen neue Selbstbehalte in der Krankenversicherung ausgesprochen. Im Folgenden werden die einzelnen Änderungen dargestellt:

Neuerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung

Rezeptgebühr In der gesetzlichen Krankenversicherung wird diese Form des Selbstbehalts noch verstärkt. Die Rezeptgebühr wird von 45 auf 55 Schilling angehoben. Künftig soll aber nicht nur der Entfall, sondern - zusätzlich - auch eine Herabsetzung der Rezeptgebühr in der Richtlinie des Hauptverbands ermöglicht werden.

Die Erhöhung tritt mit 1. 10. 2000 in Kraft.

Selbstbehalt bei psychotherapeutischer Behandlung

Bei Inanspruchnahme psychotherapeutischer und klinisch-diagnostischer psychologischer Leistungen ist, sofern ein Gesamtvertrag vorliegt, ein Behandlungsbeitrag in der Höhe von 20 Prozent des jeweiligen Vertragshonorars zu zahlen. Anzumerken ist, dass für die Psychotherapie derzeit kein Gesamtvertrag besteht.

Unklar ist auch, warum gerade bei diesen Leistungen ein Behandlungsbeitrag festgelegt wird; führt ein Arzt die Psychotherapie durch, sind vom Patienten keine Zuzahlungen zu leisten. Der Selbstbehalt tritt am 1. 10. 2000 in Kraft.

Ambulanzgebühr

Für jede Inanspruchnahme einer ambulanten Behandlung in Krankenanstalten (Anstalten, die über Landesfonds finanziert werden, oder Vertragsanstal-ten der Kassen) sowie in eigenen Einrichtungen der Kassen (Kassenam- bulatorien) ist pro Ambulanzbesuch ein Behandlungsbeitrag - Ambulanz (weniger technisch: eine Ambulanzge- bühr) zu zahlen.

Nur Sonderkrankenanstalten für Rehabilitation der Versicherungsträger und Ambulatorien für physikalische Medizin sind davon ausgenommen. Die Ambulanzgebühr beträgt bei Überweisung durch einen niedergelassenen Arzt 150 Schilling, sonst 250 Schilling. In Summe werden damit Kranken Mehrbelastungen im Ausmaß von einer Milliarde Schilling auferlegt.

Dieser Betrag wird dem Ausgleichsfonds der Krankenversicherungsträger zur Verfügung gestellt. Der Behandlungsbeitrag darf pro Versicherten (Angehörigen) 1000 Schilling im Kalenderjahr nicht übersteigen. Er ist einmal im Kalenderjahr durch die Kasse einzuheben. Die Krankenanstaltenträger haben die zur Einhebung erforderlichen Daten (z. B. das Vorliegen einer Überweisung bzw. eines Notfalls) dem Hauptverband elektronisch zu übermitteln. In medizinischen Notfällen darf der Behandlungsbeitrag nicht eingehoben werden.

Ein medizinischer Notfall liegt vor, wenn Lebensgefahr besteht oder wenn die ambulante Behandlung unmittelbar eine stationäre Behandlung nach sich zieht. Davon ausgenommen sind weiters von der Rezeptgebühr befreite Personen; Personen, die Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft oder Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen in Anspruch nehmen; Personen, die Körperteile oder Blut(plasma) spenden.

Ausnahmen bestehen auch dann, wenn Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erforderlich sind, die außerhalb der Ambulanz in angemessener Entfernung vom Wohnort nicht in geeigneter Weise oder nur unzureichend zur Verfügung stehen. Der Behandlungsbeitrag ist einzuheben, wenn der Ambulanzbesuch durch eine schuldhafte Beteiligung an einem Raufhandel bedingt war oder sich als unmittelbare Folge von Trunkenheit oder Suchtgiftmissbrauch erweist.

Wie wenig die Ambulanzgebühr zur Finanzierung der Krankenversicherung beitragen wird, ergibt sich daraus, dass durch die Verlagerung medizinisch notwendiger Behandlungen in den niedergelassenen Bereich und durch höhere Verwaltungskosten die zusätzlichen Einnahmen aus den Ambulanzgebühren aufgezehrt werden. Die Ambulanzgebühr ist - entgegen früheren Versprechungen - nunmehr auch für Kinder zu entrichten.

Die Ausnahmen (Notfall, keine nahe gelegenen Behandlungseinrichtungen außerhalb der Ambulatorien) sind unbestimmt. Es stellen sich viele Fragen. Was ist unter Lebensgefahr zu verstehen? Oder: Wie soll geklärt werden, ob eine Behandlung auch anderswo möglich wäre? Die Einhebung der Ambulanzgebühr soll durch die Krankenkassen einmal jährlich vorgenommen werden.

Die Vorschreibung erfolgt jeweils im Nachhinein. Es liegt auf der Hand, dass damit Patienten den Eindruck erhalten, der Selbstbehalt werde ihnen von der Sozialversicherung auferlegt, obgleich die Sozialversicherung diese Maßnahme vehement abgelehnt hat.

Die Regelung wird mit dem 1. 1. 2001 wirksam.

Ausweis der Krankheitskosten

Die Krankenversicherungsträger werden verpflichtet, die Versicherten über die Kosten der von ihnen und ihren Angehörigen in Anspruch genommenen Sachleistungen zu informieren. Politisch gesehen und in technischer Hinsicht werden damit die Voraussetzungen für den Einstieg in eine noch stärkere Ausweitung des Selbstbehalts geschaffen werden.

Auf dieser Grundlage könnten dann leicht prozentuelle Selbstbehalte (z. B. 20 Prozent der Arztkosten) vorgeschrieben werden. Der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist in Erwartung weiterer Sparmaßnahmen kaum bewältigbar. Anstatt der Sozialversicherung mit einer gesetzlichen Verpflichtung zur elektronischen Datenübermittlung (von Honoraren, Heilmittelpreisen etc.) durch die Vertragspartner zu Hilfe zu kommen, ist diese weiterhin auf die händische Bearbeitung der Schriftstücke angewiesen.

Völlig unklar ist, worin der Nutzen dieser Maßnahme bestehen soll. So wäre es durchaus sinnvoll, den Patienten unmittelbar nach dem Arztbesuch eine Honorarnote mit allen erbrachten Leistungen auszufolgen, um den Patienten eine Leistungs- und der Kasse eine Preiskontrolle zu ermöglichen. Wenn der Patient aber erst Monate nach der Behandlung eine Kostenaufstellung erhält, kann von einer »Stärkung des Kostenbewusstseins« keine Rede sein.

Vielmehr wird damit sogar eine Brüskierung der Patienten bewirkt, indem kranke Menschen in einer für sie ohnehin sensiblen Situation von der Krankenkasse darauf aufmerksam gemacht, dass sie trotz jahrelanger Beitragszahlung Kosten verursachen.

Diese Regelung tritt erst am 1. 1. 2003 in Kraft.

Mustersatzung und satzungsmäßige Mehrleistungen in der Krankenversicherung

In der Mustersatzung des Hauptverbands ist für die Satzungen der Krankenversicherungsträger unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung eine für alle Kassen verbindliche Bandbreite für satzungsmäßige Mehrleistungen (wie z. B. Krankengeld, Zahnersatz und Kieferregulierungen, Heilbehelfe und Hilfsmittel etc.) festzulegen.

Diese Bestimmung läuft sowohl auf eine Vereinheitlichung als auch auf eine Verringerung (»Konvergenz«) von Satzungsleistungen hinaus, weil nur mehr auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der sozialen Krankenversicherung Bedacht zu nehmen ist, während das Kriterium der sozialen Bedürftigkeit fortan unbeachtet sein soll.

Aufgrund der aktuellen finanziellen Probleme wird damit zu rechnen sein, dass etwa der abnehmbare Zahnersatz einheitlich in einem geringeren Ausmaß als heute von den Kassen bezuschusst werden wird. Ähnlich könnte es den bestehenden Satzungsregelungen über den Transport von Kranken ergehen. Zuständig für die Mustersatzung ist der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

An ihn richtet sich die Aufforderung, diese Veränderungen rasch vorzunehmen, die dann bis Ende 2001 in die Satzungen der einzelnen Kassen aufgenommen werden müssten. Darin wird ein Eingriff in die Selbstverwaltung der Kassen gesehen.

Die Regelung wurde am 1. 7. 2000 wirksam.

Verwaltungsaufwand

Darüber hinaus wird in den Geschäftsjahren 2000 bis 2002 der Verwaltungs- und Verrechnungsaufwand der Sozialversicherungsträger auf das Niveau des Verwaltungs-(Verrechnungs) Aufwands des Jahres 1999 »eingefroren«. Für die gesetzliche Krankenversicherung würde die Maßnahme zu einer Verminderung der Aufwendungen um rund 265 Millionen Schilling im Jahr 2002 (2000: 100 Millionen Schilling, 2001: 175 Millionen Schilling) führen.

Wie diese Ausgabensenkung letztlich vorgenommen wird, ist den Kassen bzw. dem Hauptverband überlassen. Außer einem Beschäftigungsabbau kommen auch dienstrechtliche Maßnahmen in Frage. Zu bedenken ist dabei jedoch, dass das Dienstrecht im Bereich der Sozialversicherung auf Kollektivverträgen beruht und daher nicht einseitig vom Dienstgeber geändert werden kann.

Eine Personalreduktion wäre nicht nur arbeitsmarktpolitisch verfehlt, es würde auch die Dienstleistungsqualität (längere Wartezeiten bei Untersuchungen und Erledigungen) darunter leiden.

»Zielvereinbarungen«: Controlling, Monitoring und Reporting

Das Gesetz sieht vor, dass die Verbandskonferenz des Hauptverbands (vergleichbar den Generalversammlungen der Kassen) zur »Koordinierung des Verwaltungshandelns der Versicherungsträger« Zielvereinbarungen über die kurz- und mittelfristigen sozial- und gesundheitspolitischen Ziele zu treffen hat.

Diese Zielvereinbarungen sind spätestens im Dezember eines jeden Jahres zu beschließen. Neu ist, dass die beschlossenen Ziele mit der Bundesregierung abgestimmt werden müssen. Damit werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, dass die Bundesregierung faktisch umfassende und verbindliche Zielvereinbarungen für das Handeln der Selbstverwaltung formulieren kann. Die neuen Gestaltungsmöglichkeiten der Regierung werden durch die Einrichtung einer »Controllinggruppe«, der neun Mitglieder angehören (fünf davon sind Vertreter der Bundesregierung!), abgesichert.

Dieser Gruppe obliegt anhand der von den Versicherungsträgern vorzulegenden Berichte (Monitoring) die Prüfung, ob die Praxis der Selbstverwaltung den Zielvereinbarungen entspricht. Ihr sind auf Verlangen alle Unterlagen der Versicherungsträger und des Hauptverbands vorzulegen. Für die Erfüllung dieser Aufgaben hat ein entsprechendes Management zu sorgen, das sich aus zwei qualifizierten Mitarbeitern des leitenden Diensts der Versicherungsträger zusammensetzt.

Der Hauptverband hat vierteljährlich dem Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen einen Finanzcontrollingbericht sowie halbjährlich einen Kosten- und Leistungsbericht zu übermitteln (so genanntes »Reporting«). In der Tendenz gehen all diese Maßnahmen in Richtung einer »Aushebelung« der Selbstverwaltung. Die Regierung erhält die gesetzliche Ermächtigung, starken Einfluss auf Belange der selbst verwalteten Sozialversicherung nehmen zu können.

Alle diese Maßnahmen werden mit dem 1. 10. 2000 wirksam.

Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung

Ohne eine adäquate Gegensteuerung ist für das Jahr 2000 mit Abgängen in der gesetzlichen Krankenversicherung im Ausmaß von bis zu 6 Milliarden Schilling zu rechnen, die im Folgejahr auf 9 Milliarden Schilling wachsen werden. Die maßgeblichen Ursachen des Defizits sind Kostensteigerungen bei den Medikamenten und - in den letzten Jahren - die ungünstige Einnahmenentwicklung der Kassen.

Selbst wenn man die finanziellen Erträge aller von der Bundesregierung zur Finanzierung dieses Versicherungszweiges geplanten Maßnahmen zusammenzählt - darunter fallen auch Änderungen in der Preisgestaltung von Medikamenten im Wert von bis zu einer Milliarde Schilling -, wird das vorliegende Maßnahmenbündel bei weitem nicht ausreichen, das Kassendefizit auszugleichen.

Die Regierung hat somit vor allen Dingen ein Krankenbelastungspaket geschnürt, das zur Sanierung der Krankenkassen wenig beitragen wird und die Unternehmen entlastet (Senkung des Dienstgeberbeitrags für Arbeiter trotz steigender Abgänge!), die Versicherten aber insgesamt teuer zu stehen kommt.

Die eigentlichen Ursachen der steigenden Gesundheitskosten (Mehrfachuntersuchungen, Qualitätsmängel, Spitalslastigkeit etc.) werden jedoch nicht angegangen. Somit stellt sich die für die Zukunft der Krankenversicherung wesentliche Frage, ob sich die Bundesregierung anstelle einer solidarischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin nur für »Krankensteuern« und Leistungskürzungen entscheiden wird.

ÖGB und AK

Die Arbeiterkammer und der ÖGB haben der Bundesregierung Vorschläge für eine einnahmen- und ausgabenseitige Finanzierung der sozialen Krankenversicherung unterbreitet, die am Solidarprinzip festhalten. Zur Kategorie der einnahmensteigernden Maßnahmen zählen:

  • Einführung von Gesundheitsabga-ben (z. B. durch Zweckwidmung von Tabak-, Alkohol- und/oder Mineralölsteuern);
  • Ersatz für den weggefallenen Vorsteuerabzugbei Heilmitteln;
  • Abgeltung von »versicherungsfremden« Familienleistungen in der Krankenversicherung (Wochengeld, Entbindungskosten, In-vitro-Fertilisation) durch den Familienlastenausgleichsfonds, der auch für einen angemessenen Beitrag für die mitversicherten Angehörigen aufzukommen hat. Der Wert der Familienleistungen liegt bei rund 25 Milliarden Schilling.

Maßnahmen dieser Art sollen in erster Linie den aktuellen Finanzierungsbedarf abdecken. Den Interessenvertretungen der Arbeitnehmer ist selbstverständlich bewusst, dass die Ausgaben für die »Gesundheit« aufgrund des medizinisch-technischen Fortschritts und der demographischen Entwicklung auch in Zukunft wachsen werden.

Umso dringender ist es, »Wirtschaftlichkeitsreserven« auszuschöpfen, letztlich auch, um damit zu verhindern, dass Gesundheitsleistungen rationiert (z. B. indem älteren Patienten bestimmte Behandlungen vorenthalten werden) oder zum Teil privatisiert werden. Das Vorhandensein von »Wirtschaftlichkeitsreserven« bedeutet, dass die Versorgung von Kranken gleich effektiv wie heute, aber mit geringerem Kostenaufwand bewerkstelligt wird.

Auch im Gesundheitssystem sind solche Rationalisierungen möglich, wenngleich dieses nicht mit einem privatwirtschaftlichen Betrieb verglichen werden darf. Darunter fallen unter anderem Preis- und Spannensenkungen im Heilmittelsektor, aber auch langfristige Maßnahmen wie eine neue Arbeitsteilung im Gesundheitswesen (Beispiel: Was sind die Aufgaben niedergelassener Ärzte und von Ambulanzen?), datensichere Kommunikationswege zwischen verschiedenen Behandlungsstellen, Qualitätssicherung, Ökonomiekontrollen und - nicht zuletzt - auch so genannte Budgets. Idealerweise sollten diese auf »Zielgrößenvereinbarungen« zwischen Leistungserbringern, also in erster Linie Ärzten, und der Sozialversicherung beruhen. Kommen solche Vereinbarungen aber nicht zustande, wäre auch der Gesetzgeber gefordert.

Bezogen auf Medikamente würde ein »Budget« auf eine Deckelung der entsprechenden Aufwendungen für die Sozialversicherung hinauslaufen, wobei dieser »Deckel« jährlich mit der Zuwachsrate der Beitragseinnahmen valorisiert werden müsste. Ein solches Modell einer »einnahmenorientierten Ausgabenpolitik« hat sich bei der Spitalsfinanzierung bewährt und könnte sowohl bei Heilmitteln als auch bei den Aufwendungen für ärztliche Hilfe Anwendung finden.

Strukturelle Änderungen wie neue Technologien im Gesundheitswesen müssten dabei berücksichtigt werden. Werden Budgets überschritten, kann sich die Sozialversicherung an den Verursachern schadlos halten.

Hier sind nur die wichtigsten Reformziele angeführt. Man kann aber nicht von »Strukturreformen« im Gesundheitswesen reden, wenn diese Ziele aus (klientel)politischen Gründen nicht einmal anvisiert, dafür aber Kranke zur Kasse gebeten werden.

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(C) AK und ÖGB

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