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Lehrerin und Schüler im Klassenzimmer

Bildung als wichtiger Standortfaktor im globalen Wettbewerb

Wenn einmal die Geschichte des Begriffs Globalisierung geschrieben werde, könne man diese - so Ralf Dahrendorf - mit dem 20. Juli 1969 beginnen lassen. Denn seit dem Tag, an dem der erste Mensch seinen Fuß auf den Mond setzte und Millionen von Zuschauern auf dem Bildschirm weltweit dieses spektakuläre Ereignis miterleben konnten, erscheine die Erde endgültig als Ganzes, als Globus - mit vertrauten Strukturen zwar, aber aus unvertrauter Perspektive (Dahrendorf 1997).

In den drei Jahrzehnten, die seither vergangen sind, haben sich auch die vertrauten politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig verändert. »Wenn heute von Globalisierung gesprochen wird, dann ist in der Regel nicht das alte System einer vergleichsweise starren und stabilen räumlichen Arbeitsteilung gemeint, sondern gerade dessen Auflösung zugunsten einer dynamischen Weltwirtschaft, die von den globalen Aktivitäten wirtschaftlicher Akteure (den so genannten global players) gesteuert wird.« (Brock 1997)

Wandel wie nie zuvor

Die Wirtschafts- und Arbeitswelt ist von einem beispiellosen Strukturwandel ergriffen. So viel grundlegenden Wandel in so kurzer Zeit scheint es nie zuvor in der Menschheitsgeschichte gegeben zu haben.

Zu nennen sind: - der (welt-)politische Wandel (Fall der Sowjetunion, der europäische Integrationsprozess, die deutsche Einheit); - die technologischen Entwicklungssprünge (Mikroelektronik, Digitalisierung, I- und K-Technik, Mikrosystemtechnik, Biotechnik, Bionik, Laser, neue Werkstoffe, Umwelttechnik, Hochgeschwindigkeitsverkehr); - die wirtschaftlichen Veränderungen (Wettbewerb der Triade, Erfolg der Schwellenländer Asiens und Lateinamerikas, Anschlusssuche der mittel- und osteuropäischen Länder als Niedriglohnländer und Wettbewerber auf hohem qualitativem Niveau); - Veränderungen auf Arbeitsmärkten und Arbeitsplätzen (Standortverlagerungen, neue Betriebsorganisation); - der sich beschleunigende Marsch in die Dienstleistungsgesellschaft; - die globalen ökologischen Veränderungen (Klimaverschiebungen, zunehmende Verknappung von gesundem Boden, reiner Luft und Trinkwasser); - Verschiebungen in den Werthaltungen, Lebensauffassungen und Zielsetzungen der Gesellschaft.

Bildung muss auf solche Veränderungen reagieren und das notwendige Rüstzeug bieten, das Leben unter den Bedingungen der Zeit meistern zu können. Zugleich ist Bildung auch selbst ein Motor für Fortschritt und Wandel.

Bildung als Motor für Fortschritt und Wandel

Im Wettbewerb auf vernetzten Märkten wächst die Bedeutung qualitativer, insbesondere so genannter »weicher« Standortfaktoren: Neben Institutionen, Normen und Werten geht es um Forschung und Entwicklung, um Qualifikation, Kreativität und Motivation der Menschen. Treffen aktuelle Prognosen zu, werden schon im nächsten Jahrzehnt vier Fünftel der Arbeit aus Tätigkeiten bestehen, bei denen Daten »Rohstoff, Werkzeug und Resultat« sind - daher die Bezeichnung Informationsgesellschaft.

Schon heute beträgt dieser Anteil mehr als 50 Prozent: beraten, informieren, entwickeln, organisieren, vernetzen. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen sind heute nur noch 20 Prozent des wirtschaftlichen Produktivitätszuwachses auf gestiegenen Kapitaleinsatz zurückzuführen. Dagegen sind 80 Prozent des Produktivitätszuwachses durch Bildung, Forschung und innovative Organisationskonzepte von Arbeit und von Unternehmensstrukturen zu erklären.

Vor diesem Hintergrund müsste die wirtschaftsnahe österreichische Bundesregierung Impulse für eine Kursänderung geben, anstatt wie die Unternehmen Mittel für Forschung und Entwicklung sowie für die Ausbildung zu kürzen. In den vergangenen Jahren ergaben internationale Vergleichsstudien in der Triade (Europa, Japan, USA) wiederholt, dass österreichische Unternehmen hinsichtlich ihrer Innovationspotentiale auf den hinteren Rängen liegen, was in erster Linie auf Defizite bei diesen innerbetrieblichen Faktoren zurückgeführt wurde.

Dass die daraus resultierende organisatorische Lernschwäche ein Hauptproblem der österreichischen Wirtschaft ist, zeigt auch die Liste der ursprünglich aus Österreich stammenden Erfindungen, die aber nicht hier, sondern im Ausland erfolgreich vermarktet worden sind (z. B. das ABS-System wurde in Österreich erfunden und in Kanada vermarktet).

Bildung als internationaler Wettbewerbsfaktor

Vor diesem Hintergrund erkennt man, dass es nicht genügt, die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes mit Indikatoren der Technologiepolitik zu bewerten, z. B. F&E-Quote des Bruttoinlandsprodukts, Anteil der technologiegestützten Branchen an der Wertschöpfung, Dichte von Forschungspersonal in den österreichischen Unternehmen, Verflechtung zwischen Wirtschaft und universitärer Forschung.

So meinte Robert Reich, ehemaliger Arbeitsminister der Clinton-Regierung: »Die moderne Industriepolitik eines Landes muss auf die eigenen strategischen Vorteile setzen. Und das ist vor allem die Ausbildung, um in der sich dynamisch verändernden Wirtschaft Themenführerschaft zu gewinnen und zu halten.« Amerika hat dies in den Bereichen der Medizin, Gentechnik und der New Economy eindrucksvoll bewiesen.

Die österreichische Wirtschaft kann nicht auf Marktgröße gegenüber amerikanischen oder europäischen Industriegiganten setzen, mit Qualität, Kreativität und Flexibilität kann sie sich jedoch behaupten. Einige österreichische Marken haben bereits einen europäischen Namen, z. B. Manner, Lenzmoser, Geiger, Gösser usw. Strategische Industriepolitik bedeutet somit vorausschauende Berufsbildung und Qualifikationsforschung.

Selbst österreichische Wirtschaftsforscher gestanden in der Fachkräftehysterie der heimischen Wirtschaft im Bereich New Economy, die in diesem Sommer durch die Green-Card-Diskussion Gerhard Schröders ausbrach, kleinlaut ein, dass in Österreich eine effiziente Qualifikationsforschung fehlt. Die Industriellenvereinigung glaubt mit einer Analyse der Stellenangebote heimischer Zeitungen Qualifikationsforschung zu betreiben. Doch System ist keines dahinter.

Die Zeit des Reagierens muss durch tatkräftige Aktionen abgelöst werden. Die Kraftanstrengung der indischen Politik in die Ausbildung von Softwarespezialisten trägt heute Früchte. Doch begonnen hat ihre Ausbildung bereits vor Jahren, als bei uns über den Bedarf von IKT-Experten noch gestritten wurde.

Dynamische Veränderungen in der Wirtschaft benötigen Bedarfsanalysen und eine Qualitätssicherung in der Ausbildung. Während zwischen 1990 und 1999 die Lehrstellen in Österreich um insgesamt 18.000 Plätze reduziert wurden, klagt die Wirtschaft heute über einen Mangel zwischen 6000 und 100.000 fehlenden Fachkräften.

Und Herbert Böhm, Vorstandsmitglied des Arbeitsmarktservice Österreich, meinte vor kurzem: »War zu Beginn der 90er Jahre noch fast die Hälfte der 15-Jährigen in der dualen Ausbildung, so liegt dieser Anteil derzeit bereits unter 40 Prozent, die Tendenz ist weiter sinkend. Die Folge daraus ist der Fachkräftemangel, der sich in der Zukunft noch weiter verschärfen wird.«

Fatale Fehler in der neuen österreichischen Bildungspolitik

Nachdem versucht wurde, die Bedeutung der Bildung im globalen Wettbewerb und den sich daraus ergebenden Strukturwandel darzustellen, soll auf die geplanten Sünden des Bildungsprogramms der FPÖ/ÖVP eingegangen werden.

Diese Vorstellungen gehen nicht nur auf die Kosten der Jugend und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern langfristig auch auf die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen. Auch wenn die Wirtschaft dies zurzeit noch nicht wahrhaben will.

1. Hilfskräfte statt Fachkräfte

Ende Juni beschloss die neue Koalitionsregierung FPÖ/ÖVP ein Paket zur Lehrlingsausbildung, welches junge Menschen zu Hilfskräften abstempelt - ohne jegliche Chance auf eine zukunftsreiche Ausbildung. - Das Auslaufen der Lehrlingsstiftungen raubt vielen jungen Menschen die Möglichkeit auf Ausbildungsplätze.

In diesem Herbst werden die ersten Lehrlingsschicksale auftreten - ausbildungswillige Jugendliche, die trotz Begabung in die Vorlehre gehen müssen, da sie auf dem regulären Lehrstellenmarkt keinen Ausbildungsplatz finden. Durch die weite Definition der Vorlehre sind 19.000 jugendliche Schulabgänger betroffen. Bei 40.000 Jugendlichen, die jährlich eine Lehrstelle suchen, ist das fast die Hälfte. - Der politische Tod der Stiftungen kappt das Bildungsmodell der Arbeitsassistenz. Individuelle Förderpläne erhöhten die Lernkurve von lernschwachen, behinderten oder verhaltensgestörten Jugendlichen.

Dazu kommt noch die Effizienz dieser Maßnahmen: Nach der Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich (Stichtag: 31. 12. 1999) wurden von 1852 neuen Lehrstellen nur 352 Plätze in der Wirtschaft geschaffen, während 1500 Jugendliche in Stiftungen und Lehrgängen untergekommen sind.

Diese 352 Plätze wurden mit 2,3 Milliarden Steuerzuckerln und mit arbeits- und sozialrechtlichen Flexibilisierungen erkauft. Die Schaffung von zusätzlichen 4000 Ausbildungsplätzen in den JASG-Maßnahmen waren demgegenüber noch sehr billig: 700-800 Millionen Schilling pro Jahr. - Die Vorlehre wurde 1997 als Anreiz für Unternehmen eingeführt, besonders lernschwachen bzw. behinderten Jugendlichen durch Ausweitung ihrer Ausbildungszeit den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Das 1. Ausbildungsjahr und die Lehrlingsentschädigung des 1. Jahres wurden auf 2 Jahre ausgeweitet. Nun soll die Vorlehre zu einer selbständigen Ausbildungsmöglichkeit und auf 3 Jahre ausgedehnt werden. Ob danach für die Jugendlichen eine »normale« Lehre möglich ist, liegt in der Willkür des Unternehmers. Ergebnis: billige Arbeitskräfte (z. B. 3 Jahre lang ein Entgelt des 1. Lehrjahrs im Gastgewerbe - Ersparnis für das Unternehmen: 55.790 Schilling) ohne Zukunft für den Jugendlichen.

Die Degradierung der Lehrlingsausbildung wird mittelfristig einen negativen Anreiz für Jugendliche und ihre Eltern darstellen, viel Schweiß und Zeit in eine Beschäftigung ohne Ausbildung zu stecken. Sobald die schlechten Zukunftsaussichten derartiger Schmalspurausbildungen offensichtlich werden, wird die Nachfrage bei der Schulausbildung steigen.

Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die es nicht schaffen, werden die strukturelle Arbeitslosigkeit in Österreich erhöhen oder zur neu entstehenden Klasse der »Working Poor« in Österreich gehören. Das ist keine Politik für eine moderne Wende, sondern eine Politik eines neuen Herrschaftssystems.

2. Schulausbildung »made by FPÖ«

Neben dem Solidarbeitrag der Lehrer (1 Stunde Lehrverpflichtung gratis) plant die FPÖ-ÖVP-Regierungskoalition lineare Kürzungen in Höhe von mehreren Milliarden Schilling im Schulbereich.

Die negativen Folgen sind klar: - keine zusätzlichen Ausbildungsplätze für Jugendliche, die sich mit der Verschlechterung der Lehre zunehmend in die Schulausbildung begeben; - Abweisungen der Schülerinnen und Schüler von ihrer »Wunschschule« wegen überfüllter Klassen wie auch Ansteigen der negativen Leistungsbeurteilung (»Nichtgenügend«, heuer rund 40.000 Betroffene); - Wiederholungsprüfungen, Klassenwiederholungen und Schulabbrüche belasten den Staat mit rund 4 Milliarden Schilling; - Förderkurse, Tutorien und die individuelle Betreuung einzelner Schüler werden eingeschränkt bzw. nicht mehr angeboten; - Arbeitsmarktprobleme für Vertragslehrer; - keine Chance für Junglehrer.

Das Ergebnis der Misere: Eltern müssen die Bildung ihrer Kinder mehr und mehr aus der eigenen Tasche finanzieren. Die schlechte Qualität der Bildung in überfüllten Klassen kostet Eltern heute schon 2 Milliarden Schilling an Nachhilfeunterricht. Der im internationalen Vergleich anerkannt hohe Bildungsstandard Österreichs wird mit solchen Maßnahmen sinken, die Chancengleichheit im Bildungswesen bleibt auf der Strecke.

Wahrscheinlich ist eine politische Debatte, die wie im Hochschulbereich die Probleme der Schulausbildung mit zu wenig Markt und Wettbewerb begründen wird. Qualität in der Schulausbildung wird nur noch durch Privatschulen garantiert werden, deren Management natürlich seinen Preis hat. Die Bildungsverantwortung wird mehr und mehr auf den Einzelnen übertragen werden.

Wahrscheinlich ist eine Schulgebührendebatte, so wie wir sie im Hochschulbereich für Studiengebühren seit Jahren kennen. Die FPÖ hat bereits einen derartigen Vorschlag mit dem Bildungsscheck versucht. Staatliche Schulen werden durch private Schulen abgelöst. Die Eltern erhalten Bildungsschecks, mit denen sie die Kosten des Schulbesuchs ihrer Kinder finanzieren können. In einem solchen System würden die Schulen um Schüler konkurrieren, und sie müssten Eltern von der Qualität ihres Bildungsangebotes überzeugen. Nicht einfach ist es, den Wert des Bildungsschecks festzulegen. Solange es staatliche Vergleichsschulen gibt, können jeweils deren Kosten die Vorgabe liefern.

In einem System mit privaten Schulen ist die Feststellung der Höhe der zu ersetzenden Kosten schwieriger. Die Kosten der Schulausbildung werden je nach sozialem Umfeld bzw. Bedarf des Auszubildenden verschieden sein, z. B. für die Finanzierung zusätzlicher Sprachkurse für Kinder mit geringen Deutschkenntnissen. Das heißt, Chancengleichheit für den Zugang zu hochwertiger Bildung wird es nicht mehr geben.

Will die FPÖ dazu noch umsetzen, dass dieser Bildungsscheck durch die Entlohnung im späteren Berufsleben zurückgezahlt wird, dann muss folgende Frage ge-stellt werden: Ist durch die Steuer- last auf das Lebenseinkommen des Arbeitnehmers die indirekte Finanzierung seines Bildungskonsums nicht schon gegeben?

Eine Aufrechnung »Konsum der Bildung - Steuerlast während der gesamten Erwerbstätigkeit eines Arbeitnehmers« wurde bis heute von keinem einzigen Politiker bzw. Experten diskutiert.

3. Die Universitäten - eine neue Elite ist das Ziel

Die FPÖ-ÖVP-Regierung plant eine Einsparung bei den Hochschulen von einer Milliarde Schilling bis 2003. 300 Millionen Schilling sollen jedes Jahr beim Personal gekürzt werden, nachdem bei den Investitionsausgaben alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Das heißt, Grundlage genug für eine neue Studiengebührendebatte.

Gleichzeitig will sich diese Bundesregierung »Karenzgeld für alle«, Steuer- und Subventionsanreize für Unternehmen und Landwirte sowie die Entlastung der Unternehmen bei den Lohnnebenkosten leisten. Da walten keine Sachzwänge, sondern Menschen, die ihre Entscheidungen gegen soziale Schichten und Klassen ausrichten. Die Budgetkonsolidierungsdebatte scheint in der Öffentlichkeit dem Leitbild des Sparens und der Effizienzsteigerung verpflichtet zu sein.

In Wahrheit geht es um eine Veränderung der Rekrutierung der nationalen Intelligenz, d. h. eine neue Elitegesellschaft. Führungsstile, Umgruppierung der Medien und Umgestaltung des Bildungsapparats sind das Ziel. Einfacher gesagt: In der Bildungspolitik tritt an die Stelle von sozialer Integration, Förderung, Durchlässigkeit und Persönlichkeitsentwicklung das Motiv verschärfter individueller Selektion nach Leistungskriterien.

Dieser neoliberale Umbau des Sozialstaats führt zu Modernisierungsgewinnern und -verlierern. Will man zu den Modernisierungsgewinnern zählen, muss man sich am Wettlauf um die besten Plätze beteiligen. Die Folge: Individualisierung bzw. Vereinzelung der Studentinnen und Studenten. Je schneller im Studium - desto besser; je an- gepasster an vorgegebene Leistungsstandards, desto erfolgreicher.

Die vor kurzem eingeführten Fachhochschulen in Österreich sind für mich persönlich ein Ausdruck dieser Politik. Kritik- und Reflexionsfähigkeit, Selbständigkeit und ganzheitliches Denken sowie Argumentations- und Artikulationsfähigkeit können sich durch Spezialisierungen und verschulte Systeme kaum entwickeln.

Mit der Taktik der Erzeugung von Vorurteilen wird die derzeitige Bundesregierung versuchen, einschneidende Reform- und Sparmaßnahmen anzustreben. So könnte der Interessenkonflikt zwischen den Menschen an den Hochschulen und den Arbeitern und Angestellten geschürt werden, denn Letztere zahlen mit ihren Steuern die Hochschulen: So könnte die Studiengebührendebatte mit Vorurteilen aufgerollt werden.

Etwa: »Die haben Semesterferien, Forschungssemester. Es gibt die schwarzen Schafe, es gibt Bummel- oder Langzeitstudenten - also viele Privilegien.« Hier spielt Blauschwarz wieder die eine Gruppe gegen die andere aus. Die Gewerkschaften dürfen sich nicht von dieser Gruppe distanzieren, sondern müssen dies kritisch aufzeigen.

Mit der Privatisierung der Universitäten erfolgt eine Ausrichtung der Forschung und Lehre auf die Gewinnmaximierung für die Wirtschaft. »Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing.« Privates Sponsoring ist nur unter weiterer Aufgabe kritischer Wissenschaft möglich. Das Recht auf Bildung wird von unserer Regierung immer mehr als Wissenserwerb nach den wirtschaftlichen und technischen Erfordernissen definiert und nicht mehr nach dem Interesse des Einzelnen.

Bildungsverantwortung wird zunehmend auf den Einzelnen übertragen, genauso wie zurzeit die Debatte über die private Altersvorsorge den Gedanken der solidarisch organisierten Pension mehr und mehr sprengt.

4. Die österreichische Wettbewerbsfähigkeit wird leiden

Der schwarzblaue so genannte »Pakt für die Jugend« bedeutet eine Degradierung der betrieblichen Erstausbildung. Die Diskussion um eine marktwirtschaftliche Führung der Schulen und Hochschulen bedeutet, die politische Bildungsverantwortung aufzugeben. Die Ausbildung soll dem Einzelnen überlassen werden. Investition in die Ausbildung wird ein Privileg der Einkommensstarken.

Billige Tagelöhner und superreiche Jungmanager - das amerikanische Sozial- und Beschäftigungsmodell im »neuen Österreich«. Diese Sünden sind aber nicht nur sozialpolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch gesehen fatale Fehler, sieht man sich die neuen Arbeitsorganisationsstrategien an, die aus Amerika kommend auch immer mehr in unseren Unternehmen eingesetzt werden.

Der Markt wird auf das Unternehmen übertragen

Bei Microsoft gibt es keine Job-Beschreibung für den einzelnen Mitarbeiter mehr, d. h., für die Zuständigkeit und Verantwortung des einzelnen Mitarbeiters gibt es keine Grenzen. Und der Druck kommt nicht mehr vom Management, sondern vom Team als »peer-group-pressure«. 1)

Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers hängt immer mehr vom Ergebnis des gesamten Unternehmens ab. Dieser Leistungsdruck bedingt, dass Arbeitnehmer ihre Karriere wie Selbständige oder Freischaffende organisieren.

Für die Arbeitenden gibt es nur noch »Sachzwänge« ...

Die direkte Lenkung des Unternehmers ist weg, die Arbeitnehmer sollen selbst handeln und erfolgreich auf dem Markt sein. Verantwortlich für den Erfolg auf dem Markt sind jetzt sie selbst - und niemand sonst
... aber sie müssen profitabel sein! »Eine Produktionseinheit, die zwei Jahre hintereinander rote Zahlen schreibt, wird zugemacht!«

Das ist jetzt das Problem der Arbeitenden auf der Betriebsebene - also nicht mehr das Problem des Unternehmers! Diese neue Arbeitsorganisation kommt aus der japanischen Wirtschaftsführung. Lean production (schlanke Produktion) ist die Übertragung der Verantwortung vom Bereichsmanager zu teilautonomen Gruppen.

Der Erfolg dieser Arbeitsorganisation hängt von einer höheren Qualifizierung des Einzelnen ab, der mehrere oder sogar alle Fertigungsschritte kennen muss, um Verantwortung übernehmen zu können. Beschäftigungsfähigkeit (Employability) und Unternehmergeist (Entrepreneurship) werden auch über die Europäische Beschäftigungsstrategie (Nationale Aktionspläne - NAPs) zu den Anforderungen der Arbeitnehmer von morgen!

Vom Arbeitnehmer wird erwartet: - Selbständigkeit und Unternehmergeist, - Beschäftigungsfähigkeit, das heißt, den gewünschten Anforderungen des Unternehmens zu entsprechen. Das bedeutet: Die Erstausbildung muss sich diesen Veränderungen stellen.

Neben dem beruflichen Wissen werden die Schlüsselqualifikationen für Fachkräfte immer wichtiger. Selbständigkeit im Beruf, die Bereitschaft zur Weiterbildung, Kommunikations- und Artikulationsfähigkeit, Teamgeist und Verantwortungsbewusstsein sind die Qualifikationen der Zukunft.

Das benötigt eine breite Erstausbildung mit einer Erhöhung des Allgemeinwissens. Die Meinung des neuen Chefs der Österreichischen Wirtschaftskammer, Christoph Leitl, dass die Erstausbildung in ihrer Bedeutung hinter die betriebliche Weiterbildung fällt, ist völlig absurd. Bildungsdefizite müssen vom ersten Tag der Ausbildung an geschlossen werden.

Ansonsten wird es immer ein Zweiklassensystem der betrieblichen Weiterbildung geben, d. h., die gut ausgebildeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden prioritär von ihren Unternehmen gefördert, da ihr Bildungserfolg höher ist als bei weniger qualifizierten Kollegen. Die Politik muss in Zeiten der New Economy Verantwortung übernehmen - für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für unsere Wirtschaft.

Denn die zentralen Probleme der Innovationspolitik Österreichs liegen nicht nur in fehlender technischer Kompetenz. Während die Wachstumsschwellen der Vergangenheit auf Technologien beruhten, die große Sachinvestitionen auslösten, spielen bei modernen Techniken komplexe Kommunikationsbezüge und das lebensbegleitende Lernen der Beschäftigten eine größere Rolle.

Wissen, Einfallsreichtum und Motivation der Menschen waren schon immer die ausschlaggebenden Produktions-, Wettbewerbs- und Engpassfaktoren. ÖGB-Präsident Verzetnitsch drückte die Bedeutung der Bildung kürzlich so aus: »Der wichtigste Produktionsfaktor der Neuen Ökonomie ist nicht mehr das Sachkapital, sondern Wissen, über das die Arbeitnehmer selbst verfügen.«

1) Peergroup - Bezugsgruppe eines Individuums, die aus Personen gleichen Alters, gleicher oder ähnlicher Interessenlage und ähnlicher sozialer Herkunft besteht und es in Bezug auf Handeln und Urteilen stark beeinflusst.

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