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»... wenn es im Geldbörsel spürbar wird«

Das aktuelle A&W-Gespräch mit Rudolf Kaske

Arbeit & Wirtschaft: Lieber Kollege Rudi Kaske, vor einigen Wochen wurdest du in manchen Medien als Brandstifter tituliert. Ich war selbst bei dieser Pressekonferenz dabei und dort ist es eigentlich um den Sozialabbau und die Betroffenheit der österreichischen Bevölkerung gegangen. Wie siehst du jetzt nachträglich die Affäre »Brandstiftung«?

Rudi Kaske: Der Sager »Wenn das Arbeitslosenheer marschiert, dann brennt die Republik« ist so dargestellt worden, wie wenn der Kaske mit der großen Fackel im Land herumrennt. Angemerkt sei, dass die wahren Zündler ganz woanders sitzen. Wir dürfen uns dann immer als Feuerwehr betätigen. Zweitens möchte ich zu dem Halbsatz erwähnen, was ich vorher gesagt habe, nämlich, ich warne die Regierung vor Entwicklungen, die wir alle nicht wollen. Und es war außerdem ein Wenn-Dann-Satz. Der Wenn-Dann-Satz war insofern zu verstehen, umgemünzt natürlich auf die Situation der Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe, dass hier übers Jahr, und das sind keine Zahlen aus der 1. Republik, sondern Zahlen aus dem Jahr 1999, 23 Prozent der Beschäftigten arbeitslos sind. Das heißt, das, was Herr Khol, der Klubobmann der ÖVP, zum Beispiel kürzlich gesagt hat, dass es gar kein Arbeitslosenheer gibt und dass wir so tolle Arbeitsmarktzahlen, also fast gar keine Arbeitslosigkeit haben. Ich meine, dass dies eine Schönfärberei ist. Ich frag mich halt, ob 200.000 Menschen nicht auch genug sind in der Republik, aber, wenn ich meinen Bereich hernehme, wo knapp 23 Prozent arbeitslos sind, dann ist es schon etwas vermessen, wenn Herr Khol sagt, es gibt keine Arbeitslosen. Bei uns sind das über 30.000 Menschen, die mindestens einmal im Jahr arbeitslos sind.

18.500 brutto

A&W: Ist es so, dass eine Gewerkschaft erst mit Kraftsprüchen da irgendwie sozusagen verbal auf den Tisch hauen muss, damit man überhaupt gehört wird? Andererseits haben sich ja die Medienleute nur aufs »Brennen« konzentriert und nicht auf die wirklichen sozialen Umstände, auf die du aufmerksam machen wolltest.

Kaske: Das war das Nächste. Ich habe in der Pressekonferenz versucht, die Situation der Beschäftigten darzustellen. Erstens einmal das Thema Arbeitslosigkeit, zweitens, dass die Leute knapp 31 Prozent weniger verdienen als der Durchschnittsösterreicher und drittens eben das Paket, das die Bundesregierung jetzt auf den Tisch geknallt hat. Nämlich jene Menschen, die eh schon zu den ärmsten in diesem Lande zählen - wenn ich mir anschau, unsere Durchschnittsverdienste liegen sehr niedrig -, die Leute verdienen, ich rede jetzt von Hilfskräften und von fachlich Qualifizierten, wenn sie beginnen, zwischen 12.500 und 15.000 brutto. Und denen, so war es der Ansatz der Regierung, bei dem so genannten »Sozialpaket« oder »Treffsicherheitspaket«, wo auch - und ich empfinde das als blanken Hohn -, wo man gesagt hat, man muss doch die Überversorgung in dem Bereich abbauen. Es ist darum gegangen, dass man den Leuten noch bis zu zweimal pro Jahr das Arbeitslosengeld wegnimmt. Das heißt also, bei Leuten, die eh einen Schmarrn verdienen, die dann aus der Saison kommen und dann nach der Saison - egal, ob Winter- oder Sommersaison - einen Monat lang kein Geld kriegen. Da wurde dann beschwichtigt. Man hat gesagt, naja, so war es nicht gemeint, man will, dass es die Leute nur einmal trifft. Aber ich empfinde das auch als blanken Wahnsinn, wenn man sagt, na gut, statt zweimal kein Geld gibt es halt nur einmal kein Geld. Die Miete, die Kosten, welche die Arbeitnehmer zu tragen haben, laufen ja weiter, egal, ob in zwei Monaten oder in einem Monat. Das war ein Aufschrei von mir, als ich gesagt habe, mit dieser Politik der Bundesregierung, die sich bis vor kurzem auch nicht zum Verhandlungstisch gesetzt hat, mit der sind wir nicht einverstanden.

Sozialpartnervereinbarung

A&W: Du hast gerade den Verhandlungstisch erwähnt. Überstunden können jetzt auf eine Fortbeschäftigung angerechnet werden, oder wie schaut dieses Modell jetzt aus?

Kaske: Mit einigem Selbstbewusstsein kann ich dazu sagen, dass aufgrund der veröffentlichten Diskussion, wo sich zwar die Medien hauptsächlich auf den Sager geschmissen haben, dürften doch manche munter geworden sein in der Bundesregierung. Es hat dann auch eine ziemliche Diskussion vom Neusiedler See bis zum Bodensee über das Sozialpaket gegeben. Diese Diskussion hat es vorher nicht gegeben. Und Ausfluss dessen war, dass es dann auf einmal auch Verhandlungen gegeben hat. So wie wir es gefordert haben. Aus meiner Sicht gibt es eine sensationelle Vereinbarung der Sozialpartner. Wir haben uns geeinigt auf ein Saisonverlängerungsmodell, das von drei Grundsätzen ausgeht: Erstes Element ist: Es soll ein Teil des Urlaubs, der in der Saison entsteht, in dieses Saisonverlängerungsmodell eingebracht werden. Zweites Element: Dass auf freiwilliger Basis maximal ein Drittel der Überstunden in dieses Modell eingebracht werden. Und drittes Element: Dass für Ausbildung und Qualifizierungszwecke Ausbildungszeit mit eingebracht wird.

Das heißt, wir gehen davon aus, dass pro Saison die Menschen mindestens 14 Tage länger angemeldet sind. Das heißt, wir wollen damit erreichen, dass die Leute im Tourismus insgesamt übers Jahr gesehen einen Monat länger beschäftigt sind. Und das ist ein Vorteilsmodell für alle. Erstens einmal das Ziel der Bundesregierung wurde damit erreicht, dass also ein Monat Arbeitslosenversicherung gespart wird, weil die Leute länger angemeldet sind im Betrieb.

Für die Arbeitnehmer wäre es ein Vorteil, weil sie ein Mehr an Versicherungszeiten haben. Und ein Mehr an Versicherungszeiten heißt ja in der späteren Folge, sie haben mehr Versicherungsmonate für die Pension. Und das Dritte ist, die Unternehmer haben die Gewähr, dass die Leute nicht so wie bisher eh schon drama- tisch aus der Branche flüchten, sondern dass die Personalkapazitäten gesichert sind. Ich meine, genauso gesichert wie bisher. Nicht mehr und nicht weniger.

Wenn das Modell der Bundesregierung gekommen wäre und wenn die Leute zweimal im Jahr einen Monat lang kein Geld gesehen hätten, dann hätte sich die Personalflucht noch mehr verstärkt. Wir haben jetzt unser Modell der Bundesregierung präsentiert.

A&W: Der Herr Arbeitsminister Bartenstein hat die Freiwilligkeit für dieses Modell kritisiert ...

Kaske: Wir lassen uns unser hervorragendes Modell nicht kaputtreden, auch nicht von Bundesminister Bartenstein. Was die Freiwilligkeit betrifft, werden wir das mit unserem Verhandlungspartner natürlich abstimmen. Ich sehe kein Problem, diese Vereinbarung in den Kollektivvertrag mit aufzunehmen. Damit ist die Verbindlichkeit gegeben, dass es auch umgesetzt wird. Aber auf der anderen Seite sage ich auch eines ganz klar und deutlich: Wir haben eine Vereinbarung zustande gebracht - die für die Sozialpartnerschaft in dem Bereich Tourismus spricht - und wir lassen uns auch von der Bundesregierung dieses Modell nicht heruntermachen.

Wir fürchten keine Auseinandersetzung

A&W: Also ein Monat wird den Leuten trotzdem weggenommen, und zwar den Ärmsten, den am schlechtesten Verdienenden offensichtlich? Weil mit einem Bruttogehalt von 12.500 bis 15.000 kann man wirklich keine großen Sprünge machen.

Kaske: Wir haben Folgendes gesagt, und das ist auch ganz klar in der Vereinbarung zwischen den Sozialpartnern festgehalten: Wenn die Vereinbarung greift, sprich, wenn es zu einer Saisonverlängerung kommt, dann müssen die Maßnahmen, die die Bundesregierung vorschlägt - nämlich die Sperre des Arbeitslosengeldes auf 4 Wochen -, fallen. Das ist Grundvoraussetzung, dass dieses Modell in Kraft tritt. Im Prinzip ist unser Modell ein Zug-um-Zug-Geschäft mit der Regierung. Unsere Vereinbarung tritt in Kraft, und daher muss die 4-wöchige Sperre beim Arbeitslosengeld fallen. Also wenn die Bundesregierung jetzt glaubt, die Sozialpartner setzen das in den Kollektivvertrag hinein und auf der anderen Seite gibt es aber trotzdem eine Sperre, vielleicht zwar nicht von 4 Wochen, vielleicht nur von 10 Tagen, 5 Tagen oder wie auch immer, da sind wir nicht dabei. Und das haben wir aber auch ganz klar in der Vereinbarung artikuliert

A&W: Ich glaube, in der jetzigen Situation ist die Aufgabe, die sich uns stellt, vor allem einmal Aufklärung über die Auswirkungen der Maßnahmen der Bundesregierung. Ich glaube, dass es dem Großteil der Bevölkerung noch nicht klar ist.

Kaske: So ist es. Also ich seh' das genauso. Gerade was die Frage Sperre des Arbeitslosengeldes, aber auch viele andere Maßnahmen betrifft, so glaube ich, dass es bei der Bevölkerung noch einige Zeit dauern wird, bis sie im Detail informiert ist, wie es den Einzelnen persönlich trifft. Wenn es in der Geldbörse spürbar wird begreifen es die Leute erst richtig. Ich werde immer wieder von Journalisten gefragt, naja, wie wird denn der ÖGB weitertun. Also, ich sag es ganz offen: Wir setzen natürlich einerseits auf Verhandlungen, aber auf der anderen Seite fürchten wir auch nicht die Auseinandersetzung. Und das sage ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Das haben wir in der Vergangenheit bewiesen und da kann ich auf einige Beispiele unserer Gewerkschaft in den letzten Jahren zurückgreifen. Also die Bundesregierung soll sich nicht täuschen, wenn sie glaubt, nur Scheinverhandlungen führen zu wollen, dann wird sie auch dementsprechend die starke Hand des ÖGB spüren.

Kollege Kaske, wir danken für das Gespräch.

Rudolf Kaske- Kämpfer für Kellnerinnen und Hausbesorger

HGPD-Chef verhandelt die Löhne für rund 150.000 Beschäftigte im Tourismus

Rudolf Kaske ist innerhalb des ÖGB der oberste Vertreter der Köche und Kellnerinnen, der Friseure und Hausbesorgerinnen. Seine Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD) ist eine der kleineren Teilorganisationen des ÖGB und vertritt bundesweit knapp 51.000 Arbeitnehmer, rund zwei Drittel davon weiblich.

Kaske gilt unter Beobachtern als Medienprofi, der sich »sehr gut verkaufen kann«. »Sager« wie »Die Regierung will Nackten in die Tasche greifen« und »Ohne Geld ka Musi« belegen Kaskes Hang zur bildhaften Rede. Im Kampf gegen die Benachteiligung der Saisonarbeiter durch die neue Arbeitslosenregelung ist er ebenso engagiert wie in jenem gegen die in seiner Branche wohl nicht seltenen »schwarzen und grauen« Arbeitsverhältnisse.

Rudolf Kaske, geboren 1955 in Wien, arbeitete bis 1970 als Kochlehrling im Hotel Intercontinental und blieb bis Ende 1973 Koch in diesem Betrieb. Daneben war er als Jugendfunktionär der Gewerkschaftsbewegung tätig. 1977 bis 1978 absolvierte er die Sozialakademie der Wiener Arbeiterkammer.

1987 wurde Kaske zum Zentralsekretär der Gewerkschaft HGPD gewählt und wurde im selben Jahr Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes. Kaske verhandelte seitdem sämtliche Kollektivvertragserhöhungen für die rund 150.000 Mitarbeiter des Hotel- und Gastgewerbes in den Sozialpartnerrunden aus. Ein Meilenstein war die von ihm vehement betriebene Einführung der Fünftagewoche im Tourismus im Mai 1992. Seit April 1995 ist Kaske Vorsitzender der Gewerkschaft HGPD.

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