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Österreich ist kein »Sanierungsfall«: Wer trägt die Last?

»Nulldefizit« als Alibi für ein sozial unausgewogenes Belastungspaket | Die neue Regierung schwenkte nach der Kritik an ihren Budgetzielen durch den Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EU auf einen radikalen Sparkurs um. War ursprünglich eine Senkung des Budgetdefizits auf 1,3 Prozent des BIP bis zum Jahr 2003 geplant, so wurde mit dem neuen Budgetprogramm der Schlachtruf vom Nulldefizit ausgegeben. Im darauf folgenden so genannten »Reformdialog für Österreich« am 14. Juli wurde der neue Konsolidierungspfad verkündet: Bereits ab dem Jahr 2002 soll Österreich ein ausgeglichenes Budget haben.

Der Weg zur Erreichung des Nulldefizits blieb zunächst völlig offen, erst nach und nach gab die Regierung die Sparpläne bekannt. Ist dieser Katastropheneinsatz notwendig? Was bedeutet er für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Das sind die zentralen Fragen, die in diesem Beitrag näher beleuchtet werden sollen.1)

1. Nulldefizit in zwei Jahren - ökonomisch nicht begründbar

Begründet wurde das Nulldefizit damit, dass Österreich innerhalb der EU-Staaten das höchste Budgetdefizit habe und dass es an der Zeit sei, die Schuldenpolitik der sozialdemokratischen Ära zu beenden. Bewusst ausgeklammert wird hier die ÖVP, die ja alle budgetpolitischen Entscheidungen seit dem Budget 1987 mitzuverantworten hat. Nun ist es zwar richtig, dass nach den vorliegenden Budgetprognosen Österreich innerhalb der EU zurzeit das Land mit dem höchsten Budgetdefizit ist, richtig ist aber auch, dass es eine Reihe von Ländern gibt, die einen wesentlich behutsameren Konsolidierungskurs einschlagen. Frankreich und Deutschland etwa streben im Jahr 2003 ein Budgetdefizit von 0,5 Prozent des BIP an. Weiters fällt auf, dass von den sieben EU-Ländern mit Budgetüberschüssen

  • vier eine höhere Abgabenquote (Schweden, Dänemark, Finnland und Luxemburg)
  • und alle höhere Gewinnsteuern bei Kapitalgesellschaften haben als Österreich.

Mit der Gewinnsteuerquote Finnlands hätte Österreich bereits heuer ein ausgeglichenes Budget, mit jener der Niederlande sogar einen Überschuss von etwa 17 Milliarden Schilling.

Musterschüler?

Aber selbst die restriktiven Budgetkriterien der EU verlangen kein Nulldefizit. Die Regierung preschte also von sich aus vor und will sich zum Musterschüler emporarbeiten. Im Zusammenhang mit den Schulden versucht die Regierung andauernd zu vermitteln, der Staat stünde vor einem Bankrott und sei daher ein Sanierungsfall. In Wirklichkeit liegt der österreichische Schuldenstand im internationalen Vergleich unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Die Zunahme der Staatsschuld war in den neunziger Jahren in Österreich ebenfalls unter dem EU-Durchschnitt. Auch die hohe Kreditwürdigkeit Österreichs auf den internationalen Finanzmärkten steht keineswegs auf dem Spiel.

In der Argumentation der Regierung bleibt ausgeklammert, dass den Staatsschulden bedeutende Vermögenswerte gegenüberstehen. Dem Schuldenaufbau stand ein kontinuierlicher Ausbau der Infrastruktur gegenüber (Straßen, Schienenausbau, Kanäle, Telekommunikation, Schulen, Krankenhäuser ...), ebenso haben in den letzten Jahrzehnten die Investitionen in die Bildung stark zugenommen. Da von diesen Investitionen und dem dadurch erlangten Wohlstand auch künftige Generationen profitieren, ist es nur fair, wenn sie über die Staatsschulden einen Teil der Investitionen mitfinanzieren. Die Schulden wurden eingegangen, um in die Zukunft zu investieren. Ein BIP-pro-Kopf-Vergleich mit Deutschland, den Niederlanden, Großbritannien und den USA zeigt, dass Österreich in den letzten drei Jahrzehnten in der Wirtschaftsentwicklung gewaltig aufgeholt hat (siehe Tabelle).

Immer wieder wird der Staat mit einem privaten Haushalt verglichen, der sich ja auch nicht beliebig verschulden kann. Das mag auf den ersten Blick zwar einleuchtend sein. Es wird jedoch übersehen, dass der Staat sich in zweierlei Hinsicht von einem privaten Haushalt grundlegend unterscheidet:

  • Anders als ein privater Haushalt hat der Staat eine gesellschaftspolitische Funktion. Er hat nicht Gewinne zu machen, sondern er muss öffentliche Aufgaben erfüllen, d. h. in Infrastruktur investieren, für eine gerechte Verteilung und eine Stabilisierung der Konjunktur sorgen. Das ist der Qualitätsmaßstab, der an den Staat anzulegen ist und nicht so sehr die Höhe des Budgetdefizits und der Staatsschulden.
  • Der Staat unterscheidet sich aber zweitens auch dadurch von einem privaten Haushalt, dass er »unsterblich« ist. Das bedeutet, dass er seine Schulden praktisch nie zurückzahlen muss, weil er sich immer wieder neu verschulden kann. Wohl aber belastet wird er durch die daraus resultierende Zinsenbelastung. Droht die Zinsbelastung aus der Bedienung der Staatsschulden zu hoch zu werden, dann besteht eine Notwendigkeit für die Konsolidierung des Staatshaushalts, weil der Spielraum für andere wichtige Aufgaben eingeengt wird. Auch verteilungspolitische Argumente sprechen dafür, weil die höheren Einkommensgruppen als Kreditgeber von dieser Situation profitieren.
  • Vor dem Hintergrund dieser Argumente gibt es in der gegenwärtigen österreichischen Situation keinen Anlass, das Budgetdefizit innerhalb von nur zwei Jahren durch ein »crash-Programm« auf null zu reduzieren. Die hohe Zinsbelastung spricht aber dafür, den bisher eingeschlagenen Weg der Budgetkonsolidierung behutsam fortzusetzen, wobei aus verteilungspolitischer Sicht die Konsolidierung einer sozialpolitischen Leitlinie folgen sollte, bei der jeder Bürger, jede Bürgerin nach Maßgabe seiner oder ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage einen Konsolidierungsbeitrag leisten soll. Es geht also um eine gerechte Verteilung der Lasten. Das Ziel, innerhalb von nur zwei Jahren ein Nulldefizit zu erreichen und es noch dazu zur höchsten wirtschaftspolitischen Priorität hinaufzustilisieren, kann - so Professor Rothschild2) - ökonomisch nicht begründet werden.

    Opferbereitschaft und Konzeptlosigkeit

    Sparen wird aber dann besonders bedenklich, wenn die Erreichung des Nulldefizits zum alleinigen Erfolgskriterium wird. Dann gelten alle Maßnahmen, die zur Zielerreichung beitragen, als Erfolg. Es wird dann nicht mehr unterschieden, ob es sich um Steuererhöhungen für die Reichen handelt oder um Ausgabenkürzungen, die zu Lasten der ärmsten Bevölkerungsschichten gehen. Weitaus wichtiger als die Erreichung des Nulldefizits wäre die Frage, welche wirtschaftspolitischen Ziele angestrebt werden, wofür der Staat sein Geld ausgibt und welche Prioritäten er setzt (Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, Vorrang für bildungspolitische Maßnahmen, Forschung und Entwicklung etc.). Anstelle dessen versteifte sich die Regierung darauf, das Budgetdefizit vor allem über die Ausgabenseite zu verringern. Da eine sozial ausgewogene Konsolidierung über die Ausgabenseite unmöglich ist, weil sozial Schwache stärker getroffen werden als Reiche, wird deutlich worum es geht: um einen schlanken Staat und damit um eine Absage an den Wohlfahrtsstaat.

    Wenn schon nicht ökonomisch, so macht die Vision vom Nulldefizit zumindest politisch einen Sinn. Denn mit der permanenten Forderung nach einem Nulldefizit und nach einem Ende des Schuldenmachens soll offensichtlich in der Bevölkerung die Opferbereitschaft erzeugt werden, um so die Zustimmung zu einem Belastungspaket zu erhalten.3) Weiters kann dadurch - zumindest kurzfristig - die Konzeptlosigkeit der Regierung in der Wirtschafts-, Sozial- und Bildungspolitik überdeckt werden.

    2. Die Sparpläne zur Erreichung des Nulldefizits

    In Teil zwei des »Reformdialogs für Österreich« wurde am 1. September der Konsolidierungspfad im Detail festgelegt und daraus ein unplausibel hohes Konsoliderungserfordernis von 101 Milliarden Schilling bis 2002 abgeleitet (siehe Tabelle).

    Etwa 28 Milliarden Schilling dieses Erfordernisses sollten durch Steuererhöhungen (Regierungsjargon: »Maßnahmen zur Steuergerechtigkeit«), 42 Milliarden Schilling durch Einsparungen bei den Ausgaben des Bundes (darunter jene zur »Erhöhung der sozialen Treffsicherheit«) und die restlichen 30 Milliarden Schilling sollten durch die Länder und Gemeinden aufgebracht werden. Diese Aufteilung der Lasten sei fair und sozial treffsicher, argumentierte die Regierung. Ein Blick in wichtige Punkte dieser Belastungspakete soll zeigen, was die Regierung unter fair und sozial treffsicher versteht.

    Das Steuerbelastungspaket - Arbeitnehmer werden erneut zur Kasse gebeten

    Die Arbeitnehmer werden durch eine Reihe von Maßnahmen zusätzlich zu den schon vor dem Sommer beschlossenen Maßnahmen getroffen.

    Der allgemeine Absetzbetrag soll bei einem Monatsgehalt zwischen 30.000 und 49.000 Schilling eingeschliffen werden. Durch die geplante Neuregelung besteht bereits bei einem Brutto-Monatseinkommen ab 32.000 Schilling eine erhebliche Mehrbelastung, die die Folge eines in diesem Bereich inakzeptabel hohen Grenzssteuersatzes (45 Prozent) ist. Zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen sind bei einer Gehaltserhöhung in diesem Einkommensbereich mehr Abgaben zu bezahlen (nämlich 55 Prozent) als von einem Spitzeneinkommen. Ein Einkommensbezieher mit 45.000 Schilling verliert durch die geänderte Einschleifregelung mehr als fünf Mal so viel wie einer mit 70.000 Schilling.

    Der Arbeitnehmerabsetzbetrag soll von derzeit 1500 Schilling auf die Hälfte reduziert werden, wenn keine private Pensionsvorsorge getroffen wird. Erst im Gesetzesentwurf wurden die kleinsten Einkommen zwischen 4000 und 12.000 Schilling ausgenommen, indem klargestellt wurde, dass die Steuergutschrift aus der Negativsteuer nicht entfallen soll. Dennoch benachteiligt diese Maßnahme tendenziell die Niedrigverdiener, weil nur jene keinen finanziellen Nachteil haben, die sich eine private Pensionsvorsorge in der Höhe von 1000 Euro (=13.760 Schilling) jährlich leisten können.

    Vorgesehen ist die Beseitigung des festen Steuersatzes auf die Urlaubsentschädigungen und der Entfall des begünstigten Belastungsprozentsatzes bei der Besteuerung von Kündigungsentschädigungen, Nachzahlungen aufgrund arbeitsrechtlicher Verfahren und Zahlungen aus dem Insolvenz-Ausfallgeldfonds. Die Anwendung der vollen Steuerprogression führt in diesen Fällen für die Betroffenen zu hohen Nettoeinkommensverlusten.

    Ab einem monatlichen Bruttobezug von 20.000 Schilling wird der Pensionistenabsetzbetrag durch eine Einschleifregelung reduziert und fällt ab etwa monatlich 26.000 Schilling brutto zur Gänze weg. Für Pensionen darüber wirkt sich zusätzlich die Einschleifregelung des allgemeinen Absetzbetrages aus, sodass bei ca. 42.000 Schilling brutto ein Einkommensverlust von 8500 Schilling erreicht wird.

    Im Gegensatz zum Belastungspaket vom Frühjahr werden diesmal auch die Unternehmen und Selbständigen mit höheren Steuern belastet. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Abschaffung des Investitionsfreibetrages, Einschränkungen bei der Bildung von Rückstellungen, die Verlängerung der Abschreibung von Betriebsgebäuden von 25 auf 331/3 Jahre, die Begrenzung von Verlustvorträgen, die Verzinsung von Steuernachzahlungen und die Anhebung der Kfz-Steuer für Lkw als Vorstufe für die Einführung des »road pricing«, die für das Jahr 2003 vorgesehen ist.

    Die österreichischen Privatstiftungen werden nur geringfügig höher besteuert. Im nun vorliegenden Gesetzesentwurf wird die höhere Besteuerung von Kapitalerträgen in Stiftungen gegenüber den ursprünglichen Absichten deutlich reduziert, indem die Zwischenbesteuerung auf Zinserträge aus Einlagen- und Forderungswertpapieren beschränkt wird. Da Aktien und Unternehmensanteile nicht erfasst werden, bleiben die Privatstiftungen das, was sie auch bisher waren, ein Steuerparadies für wirklich Reiche. Die Zinserträge auf kleine Sparguthaben werden auch in Zukunft mit 25 Prozent höher besteuert bleiben als jene in Stiftungen. Die geplanten Mehreinnahmen der entschärften Stiftungsbesteuerung sind mit 2 Milliarden Schilling daher maßlos überschätzt. Das Steuerpaket wurde in einem weiteren Punkt aufgeschnürt: Die zunächst vorgesehene Besteuerung von Kapitalerträgen für Ausländer wird nun doch nicht kommen.

    Die Erbschaft- und Schenkungsteuer soll - über die Erhöhung der Stiftungen hinaus - mit einer Milliarde Schilling zur Konsolidierung beitragen. Grundbesitz wird in Zukunft mit dem Dreifachen des geltenden Einheitswertes angesetzt werden. Da eine Reihe von steuerlichen Maßnahmen erst mit Verzögerung zu wirken beginnen, fallen im Jahr 2001 zusätzlich 15 Milliarden Schilling an Einkommensteuer vorweg durch erhöhte Vorauszahlungen an.

    Bei den Unternehmen und Selbständigen muss bei einer Beurteilung der Belastungswirkungen der Umstand berücksichtigt werden, dass ab 2001 der 14-prozentige Umsatzsteuersatz auf Speisen (»Schnitzelsteuer«) wieder auf 10 Prozent zurückgenommen wird und dass die Arbeitgeberbeiträge zur Unfallversicherung und zur Insolvenz-Entgeltsicherung - beide zusammen im Ausmaß von knapp 5 Milliarden Schilling - gesenkt werden. Werden die Speisen ab Jahresbeginn nicht billiger, lukrieren die Unternehmen ein nettes Körberlgeld von etwa 1,5 Milliarden Schilling. Darüber hinaus werden den Unternehmungen für 2003 weitere Lohnnebenkostenentlastungen sowie eine Senkung der Körperschaftsteuer in Aussicht gestellt. Die Belastungen für die Arbeitnehmer hingegen sind dauerhaft.

    Das Sozialabbaupaket - erhöhtes Verarmungsrisiko

    Nur wenige Stunden nach Vorliegen des Expertenberichts4) über die Treffsicherheit des Sozialsystems präzisierte die Regierung mit Ministerratsbeschluss vom 19. September5), was sie unter sozialer Treffsicherheit versteht. Obwohl im Bericht festgestellt wird, dass das soziale Netz eindeutige Lücken hat, wurde ein Sozialabbauprogramm beschlossen, das mit einigen Maßnahmen das Verarmungsrisiko treffsicher erhöht.

    Das gilt im Besonderen für die Maßnahmen in der Arbeitslosenversicherung. Dort ist eine vierwöchige Sperre des Arbeitslosengeldes auch bei einvernehmlicher Kündigung sowie eine Kürzung der Familienzuschläge vorgesehen. Von der Sperre des Arbeitslosengeldes sind vor allem Saisonarbeiter (unter Umständen sogar zweimal im Jahr),6) Bauarbeiter und Karenzvertretungen betroffen. Die Kürzung der Familienzuschläge betrifft vor allem Arbeitnehmer mit Kindern. In diesen Fällen bringt der Verlust des Arbeitsplatzes sehr häufig eine Armutsgefährdung mit sich.

    Der Wegfall der beitragsfreien Mitversicherung für kinderlose Ehepartner/LebensgefährtInnen betrifft fast ausschließlich Frauen in Pensionisten- und Arbeitnehmerhaushalten mit niedrigen Einkommen. Der betroffene durchschnittliche Arbeiterhaushalt verliert jährlich ca. 14.600 S, der durchschnittliche Angestelltenhaushalt etwa 16.800 S. Die ärmsten 25 Prozent der Betroffenen verlieren noch immer 11.000 (Arbeiter) bzw. 12.000 Schilling (Angestellte). Hinsichtlich der Zahl der Betroffenen herrscht Unklarheit.

    Die Besteuerung der Unfallrenten kann insofern als Systembruch gesehen werden, als es sich dabei um eine Versicherungsleistung handelt, die einen Schadenersatz bei dauerhaft körperlicher Beeinträchtigung durch einen Arbeitsunfall darstellt. Die Besteuerung führt dazu, dass die Nettogesamteinkommen [=Erwerbs(Pensions)einkommen und Unfallrente] der Betroffenen erheblich gekürzt wird, und zwar bei einer durchschnittlichen Teilrente von unter 50 Prozent um 7 Prozent und bei einer durchschnittlichen Vollrente um knapp 18 Prozent.

    Zusätzlich wird eine Krankenversicherungspflicht für Zusatzpensionen in rechnungshofgeprüften Institutionen eingeführt (z. B. Kammern).

    Völlig überfallsartig plant die Regierung die Einführung von Studiengebühren in der Höhe von 10.000 Schilling pro Studienjahr. Experten warnen, dass damit die ohnehin schon niedrige Akademikerquote - Österreich gehört mit der Türkei und Portugal zu den Schlusslichtern in der OECD - weiter absinken wird. Was wir bräuchten, wären daher bessere Bildungschancen und Studienbedingungen und nicht Studiengebühren, die viele vom Studium abschrecken und die für viele Studenten das Studium verlängern werden, weil bereits jetzt mehr als zwei Drittel der Studierenden berufstätig sind.

    In Summe erwartet sich die Regierung von diesem Paket nicht wie ursprünglich vorgesehen 5 Milliarden Schilling, sondern 7,7 Milliarden Schilling. Eine Milliarde davon soll nach Absichtserklärungen der Regierung den Universitäten zufließen, die ihnen allerdings vorher im Zuge des Sparkurses entzogen wurde. Weiters soll eine Milliarde Schilling zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Behinderte ausgegeben werden. Ein Teil der Einnahmen aus den Studiengebühren soll für höhere Stipendien zur Verfügung gestellt werden. Konkrete Umsetzungsentwürfe stehen aber noch aus!

    Weitere Einsparungen bei den Ausgaben

    Auf der Ausgabenseite ist eine Reihe von weiteren Einsparungen vorgesehen. Hinter dem Titel »Verwaltungsreform« verbirgt sich ein Abbau von 11.000 Planstellen7) - die Schulen ausgenommen. Um - wie geplant - den Personalaufwand am Niveau des Jahres 2000 einfrieren zu können, bedarf es weiterer bisher noch nicht bekannter Maßnahmen. In Diskussion ist die Kürzung von Zulagen und eben eine - inhaltlich bisher nicht konkretisierte - Verwaltungsreform. In den beiden nächsten Jahren sollen wie schon heuer Fondsüberschüsse abgeschöpft werden: 2001 ca. 15 Milliarden Schilling und 2002 knapp 11 Milliarden Schilling. Betroffen ist davon insbesondere die Arbeitslosenversicherung, der Familienlastenausgleichsfonds (nur 2001) und die Siedlungswasserwirtschaft. Von den ÖBB werden Einsparungen von rund 3 Milliarden Schilling erwartet. Das wird vermutlich die Nebenbahnen betreffen. Und schließlich sollen Privatisierungserlöse zum Abbau von Staatsschulden verwendet werden, was in der Folge den Zinsaufwand senken wird.

    Die Länder sollen mit 30 Milliarden Schilling zur Konsolidierung beitragen. Davon abzuziehen sind aber 15 Milliarden Schilling, weil die Länder schon bisher einen Überschuss in dieser Höhe haben. 7 Milliarden Schilling an Einsparungen müssen in den laufenden Finanzausgleichsverhandlungen erst konkretisiert werden. Große Strukturreformen (Stichwort Landeslehrer, Zweckbindungen etc.) in den Beziehungen zwischen den Gebietskörperschaften sind entgegen allen Ankündigungen nicht zu erwarten. Wie die restlichen 8 Milliarden Schilling eingespart werden sollen, ist völlig offen. Die Rede ist von »budgettechnischen Maßnahmen«.

    Kosten der Belastungspakete - Wer trägt die Last?

    Die Tabelle gibt einen Überblick darüber, wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bzw. die Unternehmen und Selbständigen durch die bisherigen Belastungspakete - einschließlich der bereits in diesem Jahr beschlossenen - belastet werden. Es zeigt sich sehr klar, dass die Arbeitnehmer den Hauptteil der Konsolidierungslasten zu tragen haben (siehe Tabelle: »Was die Belastungspakete kosten - und wer sie zahlt«).

    Die verteilungspolitische Schieflage zwischen den Arbeitnehmern sowie Unternehmen und Selbständigen kommt deshalb zustande, weil die Unternehmen zwar durch das Steuerpaket 2001/2002 belastet werden, aber gleichzeitig durch eine Senkung der Lohnnebenkosten entlastet wurden und werden. Werden im Jahr 2003 die Lohnnebenkosten noch weiter abgesenkt und wird - wie versprochen - die Körperschaftsteuer gesenkt, dann sind dadurch sämtliche Belastungen im Unternehmensbereich mehr als rückgängig gemacht, während die Arbeitnehmer weiterhin die volle Last der sie betreffenden Maßnahmen zu tragen haben. Die kleineren und mittleren Einkommen werden durch die geplanten Maßnahmen stärker belastet als die hohen und höchsten. Die wirklich Reichen tragen extrem wenig zur Konsolidierung bei. Durch die Pensionsreform und die Einschleifregelung des Pensionistenabsetzbetrages werden auch die Pensionisten nachhaltig belastet.

    3. Zusammenfassung

    Die öffentlichen Haushalte stellen in Österreich keinen Sanierungsfall dar. Die Schulden Österreichs liegen unter dem Durchschnitt der EU-Staaten. Der öffentlichen Verschuldung stehen Vermögenswerte gegenüber, deren Aufbau in den letzten Jahrzehnten wesentlich zum Aufholprozess in der Wirtschaftsentwicklung Österreichs beigetragen hat. Aus ökonomischer Sicht ist ein Nulldefizit innerhalb von zwei Jahren nicht begründbar. Selbst die restriktiven Budgetkriterien der EU verlangen kein Nulldefizit. Die hohe Zinsbelastung spricht aber für eine behutsame, sozial ausgewogene Budgetkonsolidierung.

    Die Belastungspakete der Regierung sind sozial unausgewogen und führen zu einer massiven Belastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Belastungen der Unternehmen und Selbständigen sind nur vorübergehend, weil sie durch versprochene Senkungen der Lohnnebenkosten und der Körperschaftsteuer ab 2003 zur Gänze rückgängig gemacht werden sollen. Die Reichsten des Landes werden im Gegensatz zu den kleineren und mittleren Einkommen nur geringfügig zur Budgetsanierung beitragen. Die sozial schwachen Bevölkerungsgruppen werden durch die Sozialabbaumaßnahmen einem erhöhten Armutsrisiko ausgesetzt. Durch die Unterordnung der Sozial- und Wirtschaftspolitik unter die Priorität des Nulldefizits - das zum alleinigen Erfolgskriterium gemacht wird - werden die sozial Schwachen weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt.

    1) Maßnahmen, die nach dem 1. Oktober konkretisiert, geändert oder beschlossen wurden, konnten in diesem Beitrag nicht mehr berücksichtigt werden.

    2) Kurt Rothschild, Defizite: Realität und Hysterie, in: Der Standard vom 22. 8. 2000

    3) Die Wirksamkeit der »Nulldefizit-Kampagne» lässt sich an den Umfragedaten erkennen. Noch ehe die Sparmaßnahmen bekannt waren, hielten 47 Prozent der Bevölkerung die Budgetsanierung für sehr wichtig, 42 Prozent für wichtig und 71 Prozent würden ein Scheitern bedauern.

    4) Erhöhung der Treffsicherheit des Sozialsystems, redigiert von Wolfgang Mazal, 18. September 2000

    5) Die Kürze des Entscheidungszeitraums deutet darauf hin, dass die Maßnahmen bereits im Vorfeld akkordiert waren und dass der Bericht lediglich als Legitimationsinstrument benutzt wurde.

    6) Bei Redaktionsschluss war davon die Rede, einen zweimaligen Entfall auszuschließen.

    7) Weiters sollen die Planstellen durch Ausgliederungen um weitere 4000 Köpfe reduziert werden.

    Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Prozent von Österreich
    Österreich USA Deutschland Großbritannien Niederlande
    1970 100 40 62 89 79
    1998 100 79 105 113 104

    Budgetdefizit in Prozent des BIP Konsolidierungser-fordernis in Mrd. S
    2000 1,60
    2001 0,75 90
    2002 0,00 101

    Was die Belastungspakete kosten - und wer was zahlt

    Stand 20. Oktober 2000 - Berechnungen nach den vorgelegten Budgetbegleitgesetzen, dem Kapitalmarktpaket und dem Regierungsübereinkommen1)
    (Beträge in Milliarden Schilling pro Jahr)

    2001 2002 2003
    Arbeitnehmer
    Belastungspaket 1
    Gebühren und Abgabenerhöhungen:
    Motorberzogene Versicherungssteuer
    Energiesteuer
    Autobahnvignette
    Gebührenerhöhungen
    Tabaksteuer
    Urlaubsaliquotierung bei Gegenrechnung der Entgeltfortzahlung
    Entfall des Postensuchtags
    Selbstbehalt in der Krankenversicherung



    -4,0
    -2,7
    -1,3
    -0,7
    -1,0
    -3,0
    -0,3
    -1,0



    -4,0
    -2,7
    -1,3
    -0,7
    -1,0
    -3,0
    -0,3
    -1,0



    -4,0
    -2,7
    -1,3
    -0,7
    -1,0
    -3,0
    -0,3
    -1,0
    Belastungspaket 2
    Neue Steuererhöhungen:
    Urlaubs-, Kündigungsentschädigung
    Allgemeiner Absetzbetrag
    De-facto-Halbierung des Arbeitnehmerabsetzbetrages
    Erbschafts- und Schenkungssteuer
    Abzugssteuer für Vortragende


    -4,0
    -2,0
    -1,6
    -0,3
    -0,5


    -4,5
    -2,2
    -1,8
    -0,6
    -0,6


    -4,5
    -2,2
    -1,8
    -0,6
    -0,6
    Belastungspaket 3
    Sozialabbau2):
    Beitragsfreie Mitversicherung
    Besteuerung der Unfallrenten
    Senkung der Nettoersatzrate inkl. Kürzung der Familienzuschläge
    Krankenversicherungspflicht für Zusatzpensionen
    Wartezeiten in der Arbeitslosenversicherung
    Studiengebühren


    -0,7
    -1,2
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -0,8


    -0,7
    -1,3
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -1,6


    -0,7
    -1,3
    -0,4
    -0,3
    -2,1
    -1,6
    Kapitalmarktpaket
    Abschaffung Börsenumsatzsteuer
    Besteuerung Substanzgewinne Investmentfonds
    Freibetrag für steuerfreie Ausgabe von Mitarbeiterbeteiligungen

    +0,2
    -0,4
    +0,2

    +0,2
    -0,4
    +0,2

    +0,2
    -0,4
    +0,2
    Geplante Entlastungen Ausweitungen beim Karenzgeld
    Prämie für Pensionsvorsorge
    Summe
    Pensionskürzungen inkl. Erhöhung des Pensions(sicherungs)beitrags

    0,0
    -27,9
    -5,8
    +4,4
    +0,8
    -25,0
    -11,8
    +4,4
    +0,8
    -25,0
    -18,4
    Summe inklusive Pensionen -33,7 -36,8 -43,4
    Pensionisten
    Belastungspaket 2
    Absetzbetragsenkung


    -1,5


    -1,9

    -1,9

    1) Belastungen: Vorzeichen -, Entlastungen: Vorzeichen +
    2) Anteil der Arbeitnehmer am Sozialabbauprogramm

    2001 2002 2003
    Unternehmen und Selbständige
    Belastungspaket 1
    Motorberzogene Versicherungssteuer
    Energiesteuer
    Autobahnvignette
    Gebührenerhöhungen
    Tabaksteuer
    Getränkesteuer-Ersatzlösung (inkl. Abschaffung der »Schnitzelsteuer«)
    Werbeabgabe
    Urlaubsaliquotierung
    Entfall des Postensuchtags
    Senkung Krankenversicherungsbeitrag


    -0,5
    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

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    +0,9
    +3,0
    +0,3
    +1,0


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    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

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    +0,9
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    +0,3
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    -0,8
    -0,2
    -0,3
    -0,2

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    +0,9
    +3,0
    +0,3
    +1,0
    Belastungspaket 2
    Besteuerung der Privatstiftungen
    Kfz-Steuer
    Road-pricing(?)
    Einschleifung allgemeiner Absetzbetrag
    Abschaffung des Investitionsbetrages
    Einschränkung von Rückstellungen
    Gebäude der AFA-Verlängerung
    Begrenzung des Verlustvortrages
    Erbschafts- und Schenkungssteuer
    Verzinsung von Steuernachzahlungen
    Erhöhung der Vorauszahlung
    Senkung des IESG-Beitrages
    Senkung des Beitrags zur Unfallversicherung

    -0,7
    -0,7
    0,0
    0,0
    0,0
    0,0
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    -15,0
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    -0,7
    -0,9
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    -0,3
    -6,0
    -3,0
    -2,5
    -2,5
    -0,6
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    -0,7
    0,0
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    -0,3
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    -2,5
    -2,5
    -0,6
    -0,5
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    Belastungspaket 3
    Beitragsfreie Mitversicherung
    Besteuerung der Unfallrenten
    Studiengebühren

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    -0,6
    -0,2

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    -0,4

    -0,2
    -0,7
    -0,4
    Kapitalmarktpaket
    Abschaffung der Börsenumsatzsteuer
    Besteuerung Substanzgewinne Investmentfonds
    Steuerl. Erfassung von Gewinnen aus Beteiligungsveräußerungen an Körperschaften
    Wegfall Erbschaftssteuer beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften
    Steuererleichterungen im Bereich Stock Options

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    -1,0

    +0,1
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    zusätzliche weitere Entlastungen Weitere Lohnnebenkostensenkung zur bereits erfolgten
    Urlaubsaliquotierung und zur Senkung des
    IESG-Beitrags und des Beitrags zur Unfallversicherung
    Versprochene Senkung der Körperschaftsteuer 2003
    Ausweitungen beim Karenzgeld
    Prämie für Pensionsvorsorge






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    Summe -7,1 -6,3 +3,4

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