topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Cui bono? - Wem nützt es?

Das aktuelle A&W-Gespräch mit AK-Direktor Werner Muhm

»Arbeit & Wirtschaft«: Lieber Kollege Muhm, du bist seit 1. Jänner Kammeramtsdirektor der Wiener Arbeiterkammer und bekleidest diese führende Position auch in der Bundesarbeitskammer und wurdest kürzlich anlässlich deiner Designierung zu diesem Job vom Kurier als der Außenminister der AK bezeichnet, der immer gut ist für kritische Bemerkungen. Deswegen wollte ich dich, um gleich einzusteigen bei der aktuellen Politik, fragen: Was meinst du zur Besteuerung der Unfallrenten und zu der öffentlichen Diskussion, so wie sie jetzt abläuft?

Werner Muhm: Zum Ersten möchte ich den Hinweis geben, dass das »Kammeramt« nicht mehr besteht, sondern ich den Titel »Direktor« trage, was, glaube ich, auch ein Hinweis auf unsere grundsätzliche Orientierung in Richtung Mitglieder, Kundennähe, Serviceorientierung ist. Ich glaube, das ist auch erkennbar an der Arbeit, die wir in den letzten Jahren geleistet haben. Ich habe mit großer Demut diese verantwortungsvolle Funktion übernommen. Sie ist eine der interessantesten und höchsten Funktionen, die die Gewerkschaftsbewegung ermöglicht. Mir ist vor allem auch bewusst, dass AK, ÖGB und die Gewerkschaften eine enge Zusammenarbeit benötigen, wenn sie erfolgreich die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer in einem geänderten Umfeld gegenüber der Regierung, der EU und im Rahmen der Sozialpartnerschaft vertreten wollen. Unseren Mitgliedern verpflichtet, mit klaren Positionen bei den Zukunftsfragen, mit motivierten und kundenorientierten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die bemüht sind, die Vorgaben und Beschlüsse der Selbstverwaltung effektiv umzusetzen.

Nun zu deiner aktuellen Frage ...

A&W: Ich wollte noch was einfügen zu deiner Biographie, weil du ja ein Vierteljahrhundert praktisch schon in dem Bereich tätig bist, gleich nach deinem Studium zuerst hier in der AK in der wirtschaftspolitischen Abteilung ...

Muhm: ... ab 1975 war ich in der Wirtschaftspolitik, dann bin ich in den ÖGB - volkswirtschaftliche Abteilung gewechselt ...

A&W: ... die du geleitet hast bis ...

Muhm: Von 1987 bis 1990. Dann bin ich wieder herübergekommen in die AK. Es war damals schon das Ziel, die enge Verbindung dieser beiden Organisationen auch sicherzustellen und ich glaube, das ist uns gut gelungen. Beide Organisationen haben starken Rückhalt in der Bevölkerung.

»... Die Besteuerung der Unfallrenten gehört einfach weg. Und wenn man fragt, woher soll das Geld kommen, ist meine These, hätte die derzeitige Regierung bei der Stiftungsbesteuerung das gemacht, was sie angekündigt hat, dann stünden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung ...«

Treffsicherer Sozialabbau

Nun zu der aktuellen Frage Besteuerung der Unfallrenten: Um der Geschichte die Wahrheit zu geben, es waren zuerst der ÖGB und die Arbeiterkammer, die darauf hingewiesen haben, dass bei der Budgetkonsolidierung die Besteuerung der Unfallrenten eindeutig treffsicherer Sozialabbau ist, aber nichts mit sozialer Treffsicherheit zu tun hat. Sie trifft in hohem Maße sozial Schwächere. Das ist aus unserer Sicht sozial völlig inakzeptabel, und auch die Einschleifregelungen, die jetzt diskutiert werden, sind der falsche Weg. Die Besteuerung der Unfallrenten gehört einfach weg. Und wenn man fragt, woher soll das Geld kommen, ist meine These, hätte die derzeitige Regierung nur bei der Stiftungsbesteuerung das gemacht, was sie angekündigt hat, dann stünden ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung.

A&W: Es hat den Anschein, dass selbst die als Feigenblatt verwendeten Experten sich von dieser Maßnahme distanzieren?

Muhm: Das war einer der erkennbarsten Brüche in der Politik, dass in der Vergangenheit die Experten doch eine Funktion gehabt haben: einerseits im Bereich der Sozialpartnerschaft, da sind Argumente gewertet worden. Gerade bei dieser Studie über die soziale Treffsicherheit, wenn ich das noch in Erinnerung bringen darf, hat ja die Regierung, 12 Stunden nachdem das Gutachten überreicht worden war, im Ministerrat ein Paket vorgelegt, das nur sehr begrenzt aus dieser Studie der Experten ableitbar ist. Damals wurde es ganz offenkundig, dass die derzeitige Regierung den Experten wirklich Feigenblattfunktion zuordnet und nicht das Einbringen von Sachverstand.

A&W: Es hat den Anschein, dass man mit diesem treffsicheren Sozialabbau zu einer Gesellschaft hinsteuert, in der soziale Probleme durch Konflikte gelöst werden und nicht durch Konsens. Wo stehen hier die Arbeitnehmerinteressenvertretungen? Manche Kommentatoren sagen, sie stünden mit dem Rücken an der Wand. Siehst du das auch so?

Klare Konzepte

Muhm: Ich seh eigentlich nicht, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Das, was in den ersten Monaten nach der rechtskonservativen Wende bei den Gewerkschaften und Kammern gewisse Irritationen ausgelöst hat, habe ich nach Botho Strauß den »Derwischtanz der Fixpunkte« genannt. Da waren wir anfänglich völlig überrascht, dass bestimmte Dinge, die man eigentlich auch im Fachbereich als logisch empfand - dass man den sozialen Dialog führt, dass man nicht »drüberfährt«, dass man Verhandlungen ernst nimmt, dass man bestimmte Grundprinzipien der Ökonomie anerkennt -, mit einem Schlag weggewischt waren. Es ist schon ein interessantes Phänomen, dass hier eine totale Machtübernahme mit einfacher Mehrheit erfolgte. Das ist etwas, das in Europa seinesgleichen sucht. Das gab es eigentlich nur unter Margaret Thatcher.

A&W: Man hat in der Wahlwerbung praktisch nie diesen gesellschaftlichen Umbau, der jetzt stattfindet, auch nur irgendwie angekündigt ...

Muhm: Das ist sicher richtig. Daher auch der berechtigte Widerstand, der vor allem zu Beginn sehr klar artikuliert war, weil viele Menschen fühlten, hinters Licht geführt worden zu sein. Das heißt, wir stehen eigentlich nicht mit dem Rücken zur Wand, sondern es ist erkennbar, dass der ÖGB und die Arbeiterkammer im Interesse ihrer Mitglieder sehr klare Konzepte auf den Tisch gelegt und diese auch argumentiert haben. Denkt man nur an das Thema Arbeitslosigkeit und Streichung der Arbeitslosenunterstützung vom ersten Tag an. Unsere Argumente waren in dem Sinn treffsicher. Und die Regierung hat Dinge zurückgenommen - erste Erfolge der Gewerkschaftsbewegung. Es ist klar, im Gesundheitswesen haben wir in Österreich ein ausgezeichnetes System, das international herzeigbar ist. Natürlich sind Reformen notwendig, aber eine Zerschlagung des Systems, so wie es die Regierung angedacht hat, ist von den Fakten her weder gerechtfertigt, noch wird es letztendlich gesellschaftlich akzeptiert. Das heißt, die Gewerkschaften haben zu vielen Themen der Zeit gute Ideen und gute Vorschläge.

A&W: Diese angedeutete Richtung sowohl beim Gesundheitswesen als auch bei den Pensionen, nämlich das Hinsteuern zu einer Privatisierung der sozialen Sicherung und der Krankenversicherung. Wie können wir diesem Trend entgegentreten?

Muhm: Ich glaube, man muss zum Ersten der Öffentlichkeit klar machen, dass viele unserer kollektiven Sicherungssysteme sehr erfolgreich sind und auch im internationalen Vergleich herzeigbar und für die überwiegende Zahl unserer Mitglieder vorteilhafter als andere Lösungen. Wir sind immer gegen die neue Ich- und Ellbogengesellschaft gewesen, wir waren immer gegen eine Gesellschaft des »Winner-takes-it-all«, der Gewinner, der Sieger kriegt alles und der Verlierer hat nix. Die Gesellschaft hat eine Verantwortung gegenüber den sozial Schwächeren. Sie hat Verantwortung für möglichst gleiche Bildungschancen. Ich glaube, dass unsere Sicherungssysteme da und dort Reformbedarf haben, aber in der Grundstruktur richtig angelegt sind.

Soziales Gewissen?

A&W: Wenn man davon reden könnte, dass es so was wie ein »soziales Gewissen« gibt, scheint mir das doch bei der derzeitigen Bundesregierung eher schwach entwickelt?

Muhm: Das würd' ich einmal als Grundthese sagen, aber es brechen ja auch dort bestimmte Widersprüche auf. Es ist doch erkennbar, besonders nach der Wiener Wahl, dass es auch da erhebliche Spannungen und Auffassungsunterschiede gibt. Wenn man so die Diskussion der letzten Wochen und Monate verfolgt, hat ja beispielsweise Herr Minister Haupt schon einmal von wertschöpfungsorientierter Beitragsfinanzierung gesprochen, hat Herr Staatssekretär Waneck gemeint, na ja, Beitrags- oder Umschichtungsmöglichkeiten müssten eigentlich genützt werden in der langfristigen Ausrichtung. Also das heißt, man erkennt schon, dass da gegenüber anderen Hardlinern, die, wie du das eben genau angesprochen hast, in Wahrheit die Zerschlagung des Gesundheitssystems planen, um zu privatisieren, doch auch eine gewisse Diskussion innerhalb der Regierung geführt wird.

A&W: Das einfache Parteimitglied aus Kärnten schickt sie dann wieder auf Kurs?

Muhm: Zwischen den Vorstellungen des einfachen Parteimitgliedes Herr Dr. Haider und zwischen dem totalen neoliberalen Kurs des Herrn Prinzhorn gibt es tatsächlich erhebliche Unterschiede. Herr Dr. Haider hat kürzlich angesichts des Debakels um die Unfallrenten der Regierung vorgeschlagen, »expertenfrei« zu regieren. Ich glaube vielmehr, in der Wirtschafts- und Sozialpolitik ist im letzten Jahr von der derzeitigen Regierung tatsächlich schon expertenfrei regiert worden. Eine späte Erkenntnis ist besser als keine Erkenntnis. Also insoweit habe ich kein Problem, den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat.

A&W: Wenn Privatisierung der Trend ist mit dem öffentlichen Vermögen, gehen diese Ausgliederungen aus dem Budget dann auch in diese Richtung ...

Verantwortung

Muhm: Da muss ich sagen - wie du weißt, ich komme aus dem Bereich der Wirtschaftspolitik -, das vergangene Jahr hat keine Spur des Fortschritts im wirtschaftspolitischen Bereich gebracht. Die Wirtschaftspolitik hat sich auf »Eventmarketing« reduziert. Ich sage nur drei Beispiele: Wir haben heute die aufgesplittertste Forschungs- und Technologielandschaft, die wir je gehabt haben. Die Überlegungen zur Reform des Kartellrechts, sagt jeder Experte, heißen längere Verfahren, heißen mehr Unsicherheiten. Die ganze unprofessionelle Diskussion um die Ausgliederung der Bankenaufsicht beispielsweise. Das wilde Hineingreifen in den Arbeitsmarktbereich und das Ausräumen der Töpfe mit 20 Milliarden Schilling. Das Chaos und die Unfähigkeit in der Infrastrukturpolitik, die Pleite bei den UMTS-Lizenzen etc. Ich könnte noch mehr aufzählen. Da ist eigentlich bei kritischer Betrachtung nichts zum Besseren verändert. Ganz entscheidend, denn das sind Weichenstellungen, die irreversibel sind, ist das ganze Thema rund um die ÖIAG und um die Unternehmungen, wo wir in der Gewerkschaftsbewegung immer für strategische österreichische Eigentümer eingetreten sind, da diese Unternehmungen mit den Konzernzentralen in Österreich einen Beitrag zur Optimierung der Wertschöpfung in Österreich liefern - und damit auch der Beschäftigung. Was da passiert ist, halte ich für das Unprofessionellste - vergleichbar mit den dunkelsten Zeiten der Verstaatlichten Industrie. Jetzt haben wir den Freundeskreis des Herrn Präsidenten Prinzhorn, und das ist mein Vorwurf, wenn man sich beispielsweise ansieht, was rund um den Börsegang der Telekom geschehen ist: Die Verantwortung nimmt dem ÖIAG-Aufsichtsrat niemand ab. Denn diese Herren haben politisch entschieden und nicht fachlich. Denn da sitzen Leute drinnen, die genau wissen mussten, wie der Börsekurs sich entwickelt, zu welchem Zeitpunkt sie an die Börse gehen. Die mussten wissen, dass das ein Verschleudern von Volksvermögen ist. Die haben ja noch gleich zusätzlich 4 Milliarden Schilling dem italienischen Partner zugeführt. Die einzigen Profiteure an dem ganzen System waren die Investmentbanker. Die berühmte Volksaktie Telekom hat neuerlich bei Zehntausenden Anlegern bittere Enttäuschung hervorgerufen. Herr Heinzl als Aufsichtsratspräsident, wenn man sich nur an seine Aktion rund um die Austrian Airlines erinnert, dass jemand, der in dem Unternehmen nicht in Funktion ist, über dieses Unternehmen noch dazu Falschaussagen macht und den Kurs beeinflusst, das wäre überall, in jedem anderen Land, ein Rücktrittsgrund für einen Aufsichtsratspräsidenten. Da wird an den Organen vorbei in die Unternehmungen hineinregiert zum Schaden der Unternehmen und zum Schaden der Beschäftigten. Und das berühmte Gutachten, das plötzlich auftauchte, und das Versilbern aller Beteiligungen der ÖIAG weit über das hinaus, was im Gesetz steht, ist auch ein eigenmächtiger Akt, der bemerkenswert ist. Als er aufgekommen war, war niemand daran beteiligt, sondern das war anscheinend ein Privatgutachten, das jemand völlig gratis zur Verfügung gestellt hatte. Ich frag mich immer nur: Cui bono - wem nützt das? Sicher nicht den Beschäftigten, nicht den Unternehmen!

»... Eine späte Erkenntnis ist besser als gar keine. Also insoweit habe ich keine Probleme, den Herrn Landeshauptmann Haider zu unterstützen, der die AK- und ÖGB-Forderung nach Wegfall der Besteuerung der Unfallrenten übernommen hat ...«

Vertreibung aus dem Paradies

A&W: Letzten Endes, was können wir jetzt unseren Lesern und den Arbeitnehmern und den Arbeitnehmervertretern sagen? Du hast das ja zusammengefasst in einem deiner letzten Beiträge als »Vertreibung aus dem Paradies«. Kann man wirklich sagen, dass die Arbeitnehmer aus dem Paradies vertrieben sind?

Muhm: Das war nur der Titel einer Diskussionsveranstaltung. Ich glaube, die Arbeitnehmer waren nie im Paradies, sondern wir haben alle unsere Dinge erkämpfen müssen, und das ist etwas, was, glaube ich, auch den Arbeitnehmern wieder klarer werden muss, die Gewerkschaftsbewegungen sind Kampforganisationen, denn von selbst kommt nichts. Sie brauchen daher auch die Unterstützung der Mitglieder. Sich als Mitglied zurückzulehnen, reicht nicht aus, sondern natürlich macht die Stärke die Organisationskraft und Organisationsfähigkeit aus. Da glaube ich, dass das vielen Arbeitnehmern wieder bewusst wird, dass es gute Gründe gibt, organisiert zu sein in der Gewerkschaftsbewegung. Was die Arbeiterkammer betrifft, haben wir ja mit dem Projekt »AK-plus« - mehr Leistung ums gleiche Geld für unsere Mitglieder - klare Vorgaben unserer Präsidenten, dass wir bis Mitte des Jahres ein herzeigbares Programm vorlegen, das mehr Mitgliedernähe und neue Leistungen für unsere Mitglieder, vor allem im Bereich der Konsumentenpolitik, der Aus- und Weiterbildung, bringt. In den Bereichen, wo wir zunehmend gefordert sind, da das politische Umfeld, eben das Agieren gegen Arbeitnehmer, sich verschärft hat, werden wir die Beratungsaktivitäten im Sozialbereich, im Arbeitsrecht weiter ausbauen. Und mit dem Programm »AK-plus« werden wir in den Arbeiterkammern noch bessere Leistungen für unsere Mitglieder anbieten und gemeinsam mit den Gewerkschaften - bin ich überzeugt - eine noch schlagkräftigere Organisation für die Arbeitnehmer dieses Landes darstellen.

A&W: Danke für das Gespräch.

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum