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Geringfügig Beschäftigte im Juli 2000

Atypische Beschäftigung in Österreich

Die Zunahme dieser Beschäftigungsformen stellt eine der großen Herausforderungen und Aufgaben für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dar. Ohne Gegensteuerung bringt die Zukunft für einen immer größeren Teil der Arbeitsbevölkerung ein unregelmäßiges oder nicht existenzsicherndes Einkommen. Hier werden alle Aspekte zusammengestellt.

Die letzten Jahrzehnte waren durch große Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt gekennzeichnet. Neben der wachsenden Arbeitslosigkeit hat sich auch die Struktur der Beschäftigten deutlich verändert. So stand einem Rückgang im Produktionssektor ein kräftiger Zuwachs im Dienstleistungssektor gegenüber.

Verbunden war diese Entwicklung mit einer deutlichen Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit. Parallel dazu war die Entwicklung durch eine Verschärfung des internationalen Wettbewerbs gekennzeichnet (»Globalisierung«).

Von diesen Veränderungen nicht unberührt blieb auch die Ausformung der Arbeitsverhältnisse. Immer mehr Beschäftigungsverhältnisse weichen vom traditionellen Normalarbeitsverhältnis ab. Dauerhaften Arbeitsverhältnissen mit einer relativ einheitlichen Arbeitszeit, verbunden mit einem ausreichenden und gesicherten Einkommen sowie mit darauf abgestimmten arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüchen, stehen zunehmend Beschäftigungsformen gegenüber, bei denen die bisherigen Normen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt gelten. Für diese neuen Formen der Arbeit - die es zum Teil auch schon früher gab, die aber nur als Randerscheinungen existierten - wurde auch ein eigener Begriff gefunden. Im deutschen Sprachraum werden sie als »atypische Beschäftigungsverhältnisse« bezeichnet.1)

Diese Beschäftigungen unterscheiden sich hinsichtlich folgender Merkmale von einem Normalarbeitsverhältnis:

Abweichend ist eine Beschäftigung etwa dann, wenn die Arbeitszeit unter der Norm liegt (Teilzeitarbeit) oder Arbeitseinsätze nicht absehbar sind (Arbeit auf Abruf; teilweise Telearbeit). Damit verbunden sind niedrige Einkommen und oft auch große Einkommensschwankungen. Bei freien Dienstverträgen und neuen Selbständigen wiederum ist die Zeiteinteilung den Einzelnen überlassen; zugleich ist damit ein geringerer arbeits- und sozialrechtlicher Schutz verbunden.

Interesse an derartigen Beschäftigungsformen besteht zum Teil bei den Unternehmen, die damit ihre Stellung im Wettbewerb verbessern und Kosten sparen. Zum Teil sind auch Beschäftigte daran interessiert, für die diese Formen unter den gegebenen Bedingungen oft die einzige Möglichkeit für Erwerbstätigkeit darstellen (etwa Frauen mit Kindern, Studenten neben dem Studium, Alters- und Invaliditätspensionisten). Aber auch die technologische Entwicklung selbst wird als wichtiger Faktor angeführt (Telekommunikation; Eigenständigkeit von Experten).2)

Ebenso ist hier der expandierende Non-Profit-Sektor anzuführen, der sich sehr stark auf solche Beschäftigungsformen stützt (etwa im Pflegebereich).

Nicht zuletzt greift auch die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik darauf zurück, die die mögliche Brückenfunktion dieser Jobs für die Integration von Problemgruppen in den Arbeitsmarkt bzw. den gleitenden Übergang in die Pension nutzt (Leiharbeit über Beschäftigungsgesellschaften, Teilzeitkarenz, Altersteilzeit, Möglichkeit von geringfügigem Einkommen neben Sozialleistungsbezug).

TABELLE 1: Unselbständig Beschäftigte nach wöchentlicher Normalarbeitszeit 1999 (Labour Force)
Männer+Frauen Männer Frauen
Tsd. in % Tsd. in % Tsd. in %
Bis 11 Stunden 55 1,7 10 0,6 45 3,4
12 bis 24 Stunden 233 7,4 21 1,2 212 16,1
25 bis 35 Stunden 196 6,2 29 1,6 167 12,6
Teilzeitarbeit gesamt 484 15,4 61 3,3 423 32,1
36 bis 40 Stunden 2469 78,6 1620 89,0 849 64,3
Mehr als 40 Stunden 188 6,0 140 7,7 48 3,6
Beschäftigte insgesamt 3141 100 1821 100 1320 100
Quellen: Statistik Österreich (Mikrozensus 1999), eigene Berechnungen.

Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung

Quantitativ am bedeutsamsten sind jene Beschäftigungsformen, deren Normalarbeitszeit unter der allgemeinen Norm (derzeit 36 bis 40 Wochenstunden)3) liegt und damit meist auch mit einem Einkommen verbunden sind, das keine ausreichende eigenständige Existenzsicherung bietet.

Daten über die »Teilzeitbeschäftigten« werden in Österreich seit 1974 alljährlich im Rahmen des Mikrozensus erhoben, soweit die wöchentliche Normalarbeitszeit mindestens 12 Stunden betrug. Beschäftigungen mit einer geringeren Arbeitszeit galten damals als nicht mehr nennenswert bzw. unbedeutend für die Sicherung des Lebensunterhalts; diese Art der Zählung wird daher als Lebensunterhaltskonzept bezeichnet.

Aufgrund der EU- bzw. ILO-Standards werden seit 1994 auch jene Beschäftigungen erfasst, die mit einer Arbeitszeit von mindestens einer Wochenstunde verbunden sind. Die ermittelten Zahlen eignen sich auch für internationale Vergleiche (Labour-Force-Konzept).

Die österreichische Sozialversicherung hatte Beschäftigungen mit einer derart geringen Arbeitszeit im Vorhinein nicht erfasst (Ausnahme: Unfallversicherung). Allerdings galt hier immer eine Einkommensgrenze (»Geringfügigkeitsgrenze«, 2001: 4076 Schilling). Monatlich gezählt werden diese erst ab 1994 (als Ergebnis des Gleichbehandlungspaketes); seit 1998 genießen sie auch teilweise - über die Unfallversicherung hinaus - Sozialversicherungsschutz.

Die in der Sozialversicherung ausgewiesenen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse überschneiden sich großteils mit Teilzeitbeschäftigungen, meist wohl auch dann, wenn etwa 2 geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ausgeübt werden. In der Erwerbstätigenstatistik nach der Arbeitskräfteerhebung wiederum scheinen sie oft gar nicht auf, z. B. dann, wenn Voll- oder Teilzeiterwerbstätige damit eine wöchentliche Normalarbeitszeit von mehr als 35 Stunden erreichen.

Jeder/jede vierte geringfügig Beschäftigte übt daneben eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus und etwa ebenso viele beziehen zugleich eine Sozialleistung aus der Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung (bzw. Karenzgeld)4).

Im Jahresdurchschnitt 1999 hatten von den 3,140.000 unselbständig Erwerbstätigen 484.000 eine Beschäftigung mit einer Normalarbeitszeit von weniger als 36 Stunden wöchentlich (15,4 Prozent der Beschäftigten). Diese können sich - ebenso wie bei Vollzeitbeschäftigten - auch aus mehreren kleinen Beschäftigungen zusammensetzen (siehe Tabelle 1: »Unselbständig Beschäftigte nach wöchentlicher Normalarbeitszeit«).

TABELLE 2: Atypische Beschäftigung 1980-2000 (Anzahl in Tausend)
1980 1985 1990 1995 1996 1997 1998 1999 2000
Statistik Österreich: Mikrozensus/Arbeitskräfteerhebung
Unselbständig Beschäftigte (LU, Jd) 2.522 2.701 2.877 3.002 2.996 3.011 3.024 3.059 -
Davon: Vollzeitbeschäftigte 2.368 2.537 2.646 2.684 2.664 2.650 2.634 2.653 -
Teilzeitbeschäftigte 154 164 231 318 332 361 390 407 -
Teilzeitbeschäftigte (LF, Uns., Jd) 385 385 420 458 484 -
Befristete Beschäftigung (LF, März)1) 100 120 128 134 130 127 -
Arbeit auf Abruf (Juni 1994) 46 46
Telearbeit (September) 2) 11-35
BM für Wirtschaft und Arbeit
Leiharbeit (Juli) 7 13 15 18 21 24 30
Sozialversicherungsträger
Geringfügige Beschäftigungs- verhältnisse (Jd) 136 149 165 171 189 197
Geringfügig Beschäftigte (Juli) 128 144 158 162 176 181
Nur geringfügig beschäftigt (Juli) 56 64 69 76 - 92
Geringfügig Beschäftigte: Betroffene 200 3) 390 417 -
Freie Dienstnehmer (Jd) 15 19 22
Neue Selbständige (4. Quartal) 8 10 13

Quellen: Bartunek, E., Teilzeitbeschäftigung in Österreich 1974-1990, hg. vom BM für Arbeit und Soziales 1993 (S. 45), Statistik Österreich (Mikrozensus, Arbeitskräfteerhebung), Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (Leiharbeit), Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (geringfügige Beschäftigung), Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (neue Selbständige).
Hinweis: Wegen Überschneidungen dürfen keine Summen gebildet werden!

Anmerkungen:
1) Ohne Lehrlinge. Im Mikrozensus 1991 (September) wurden 105.000 befristete Beschäftigungsverhältnisse ermittelt. Im Bericht (Statistische Nachrichten 6/1993, S. 461 f.) wurde eine »deutliche Zunahme« in den letzten Jahren festgestellt. Es wurde daher für 1990 eine Zahl von rund 100.000 angenommen. Im Juni 1994 waren 117.000 befristet beschäftigt (Statistische Nachrichten 8/1996, S. 613).
2) Mikrozensus-Sonderprogramm September 1997 (Statistische Nachrichten 12/1998). Je nach Definition wurden zwischen 22.000 und 52.000 Erwerbstätige (11.000 bis 35.000 Unselbständige) ermittelt, die zu Hause für eine Firma Telearbeit leisten.
3) In einer Studie des BM für Arbeit und Soziales (Projektleitung: Ruth Finder) wurde für 1989 eine Zahl von 170.000 bis 196.000 Personen geschätzt (Hochrechnung auf Basis einer Stichprobenzählung), die im Laufe des Jahres mindestens einmal ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis hatten. Aufgrund des Trends kann daher für 1990 eine Zahl von rund 200.000 angenommen werden.

Abkürzungen:
LU = Lebensunterhaltskonzept (Beschäftigung mit wöchentlicher Normalarbeitszeit zwischen 12 und 35 Stunden; bis 1983 Untergrenze von 14 Stunden, zwischen 1984 und 1990 13 Stunden).
LF = Labour-Force-Konzept (seit 1994; Beschäftigte bereits mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von mindestens 1 Stunde).
Jd = Jahresdurchschnitt.

Teilzeitbeschäftigung ist »Frauensache«

1999 waren 87 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen. Zum Vergleich: Innerhalb der Vollzeitbeschäftigten entfielen nur 34 Prozent auf Frauen.

Fast ein Drittel (32 Prozent) der unselbständig erwerbstätigen Frauen waren teilzeitbeschäftigt, innerhalb der Arbeiterinnen waren es 1999 sogar 37 Prozent (weibliche Angestellte: 30 Prozent).

Aufgrund dieser Zahlen scheint der Begriff »atypisch« innerhalb der Frauen kaum noch gerechtfertigt.

Betrachtet man nur Frauen mit Kindern unter 15 Jahren, kommt man sogar auf einen Teilzeitanteil von 52 Prozent bei unselbständig erwerbstätigen Frauen (Mikrozensus 1998).5) Nach den Daten der Arbeitskräfteerhebung wünscht sich in den Altersgruppen, in denen besonders häufig Kinder zu betreuen sind, nur jede fünfte bis sechste teilzeitbeschäftigte Frau eine längere Arbeitszeit bzw. ein ebenso hoher Anteil innerhalb der vollzeitbeschäftigten eine kürzere Arbeitszeit. Ebenso entspricht der Anteil der arbeitslosen Frauen, die in diesen Altersgruppen eine Teilzeitarbeit suchen, etwa der Teilzeitquote in diesen Altersgruppen (annähernd 40 Prozent der beschäftigten Frauen).6)

Teilzeitbeschäftigung konzentriert sich sehr stark auf den Dienstleistungsbereich. 1999 arbeiteten 127.000 in der Wirtschaftsklasse Handel/Reparatur und weitere 73.000 im Bereich Gesundheit und Soziales. Mit einem Anteil von jeweils 28 Prozent war der Anteil der Teilzeitarbeit im Sozial- und Gesundheitswesen sowie im Bereich des Realitätenwesens/Vermietung etc. (53.000 Teilzeitbeschäftigte) am höchsten. Im Handel arbeiteten 26 Prozent in Teilzeit.

Besonders stark war die Dynamik in den 5 Jahren zwischen 1994 und 1999: Während die Zahl der weiblichen Teilzeitbeschäftigten um 106.000 stieg, sank die Zahl der vollzeitbeschäftigten Frauen um 42.000. Auch innerhalb der Männer stand einer geringen Zunahme von Teilzeitbeschäftigung eine leichte Abnahme der Vollzeitbeschäftigung gegenüber (+6000/ -9000).

Geringfügige Beschäftigung

Die sehr detaillierten Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger zeigen für den Bereich der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse ein ähnliches Bild. Lässt man die Beamten außer Betracht, ergeben diese Daten, dass im Jahr 2000 bereits 10 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse bei Frauen geringfügig waren (Männer: 3,5 Prozent). Besonders häufig sind diese im Alter, in dem Kinder zu betreuen sind.

Weiters ist aus diesen Daten ersichtlich, dass rund 20.000 geringfügig Beschäftigte Studenten sein dürften (je zur Hälfte Frauen und Männer). Bei Männern konzentriert sich diese Beschäftigungsform auch auf das Pensionsalter; jeder fünfte männliche Beschäftigte ist bereits 60 Jahre oder älter (Frauen: ca. 10 Prozent).7) Für Juli wies der Hauptverband 26.000 geringfügig Beschäftigte aus, die zugleich eine Pension bezogen (15.000 Frauen und 11.000 Männer). Weitere 18.000 bezogen eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung (inklusive Karenzgeld).

Während im Juli 2000 jeder dritte männliche geringfügig Beschäftigte daneben noch eine reguläre Beschäftigung (Voll- oder Teilzeit) ausübte, war dies nur bei jeder fünften Frau der Fall. Bei Männern stellt diese Beschäftigung also wesentlich häufiger als bei Frauen ein Nebeneinkommen dar. Es ist daher nicht verwunderlich, warum der Frauenanteil (72 Prozent) hier etwas niedriger ist als bei den Teilzeitbeschäftigten insgesamt (siehe Grafik: »Geringfügig Beschäftigte«).

Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse sind bei weitem nicht so stabil wie die normale unselbständige Beschäftigung. Häufig stellen sie nur eine kurze Phase dar. Im Jahr 1999 wechselten 71.000 geringfügig Beschäftigte hin zu einer Standardbeschäftigung; umgekehrt wechselten 56.000 Standardbeschäftigte zu einer geringfügigen Beschäftigung über.8)

Versicherungsschutz

Insgesamt war im Juli 2000 die Hälfte (49 Prozent) der geringfügig Beschäftigten über eine Erwerbstätigkeit (24 Prozent) oder über den gleichzeitigen Bezug einer Sozialleistung (25 Prozent) versichert. Weitere 15 Prozent nahmen die Möglichkeit einer Selbstversicherung (Kranken- und Pensionsversicherung) in Anspruch. Etwa ein Drittel der geringfügig Beschäftigten ist nur mitversichert.

Der mangelnde Versicherungsschutz stellt insbesondere bei geringfügig Beschäftigten nach wie vor ein Problem dar. Mit der Reform 1997 wurden zwar inzwischen rund 50.000 Mehrfachbeschäftigte (Jahresdurchschnitt)9) und 30.000 Selbstversicherte (23.000 Frauen und 7000 Männer - Dezember 2000)10) von der Sozialversicherung erfasst. Es verbleiben aber immer noch rund 60.000, die nur als Mitversicherte in der Krankenversicherung geschützt sind und die freiwillige Versicherung nicht in Anspruch nehmen.

Dem mangelnden Versicherungsschutz bei vielen geringfügig Beschäftigten steht auch eine begrenzte Beitragspflicht der Dienstgeber gegenüber. Für rund 40 Prozent der geringfügig Beschäftigten sind nach Angaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger die Arbeitgeber von der Beitragspflicht befreit (Ausnahme: Unfallversicherung). Es handelt sich hier um Arbeitgeber, bei denen das Einkommen dieser Beschäftigten im Betrieb das 1,5fache der Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet (in der Regel Betriebe mit 1 oder 2 geringfügig Beschäftigten). Dadurch entgehen derzeit der Kranken- und Pensionsversicherung rund 600 Millionen Schilling pro Jahr an Beiträgen. Weiters fallen bei mehr als der Hälfte der geringfügig Beschäftigten keine Dienstnehmerbeiträge an; im Falle einer Pflichtversicherung müssten diese Beschäftigten Beiträge im Ausmaß von rund 800 Millionen Schilling entrichten.

Insgesamt entgehen damit der Pensionsversicherung rund 1,1 Milliarden Schilling und der Krankenversicherung rund 300 Millionen Schilling an Beiträgen.

Häufig sehr niedrige Sozialleistungen bei Teilzeitbeschäftigten

Ein offenes Problem stellt die Versorgung von versicherten Teilzeitbeschäftigten vor allem bei Arbeitslosigkeit (aber auch für die Pension) dar. Erwerbseinkommen, die vielleicht gerade noch eine eigenständige Absicherung garantieren, werden bei Sozialeinkommen in der Regel nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz ersetzt. Welche Auswirkungen dies hat, soll an folgendem Beispiel gezeigt werden:

Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 10.000 Schilling beträgt das Nettoeinkommen rund 8200 Schilling11) und entspricht damit in etwa dem Einzelrichtsatz für die Ausgleichszulage (netto ca. 8120 Schilling). Das Arbeitslosengeld beträgt in diesem Fall derzeit 5776 Schilling, die Notstandshilfe maximal 5497 Schilling (Alleinstehende ohne Kinder). Dies bedeutet, dass die Arbeitslosenleistung keine eigenständige Existenzsicherung mehr garantiert.

Dies mag bei jenen Teilzeitbeschäftigten kein großes Problem darstellen, die in einem (dauerhaft) funktionierenden Familienverband leben. Bei den übrigen Fällen wird wohl oft der Weg zum Sozialamt unvermeidlich sein.

Kommt dann vielleicht noch hinzu, dass die niedrige Notstandshilfe (vor allem bei Personen in Lebens- oder Ehegemeinschaft) durch die Anrechnungsbestimmungen im Notstandshilferecht erst gar nicht anfällt oder wegfällt, folgt daraus auch eine Lücke in der Pensionsversicherung. Niedrige Einkommen mit wenig Versicherungszeiten ergeben dann auch eine sehr niedrige Pension - ein typisches Frauenschicksal. Im Jahr 2000 wurde in 10.600 Fällen deswegen ein Notstandshilfeantrag abgewiesen bzw. eine Notstandshilfeleistung eingestellt (bei 9400 Frauen und 1200 Männern).

Freie Dienstverträge und Neue Selbständige

Selbständige mit Gewerbeschein sowie bestimmte andere Gruppen von Selbständigen sind schon seit langem von der Sozialversicherung erfasst. Ein offenes Problem waren bis Mitte der neunziger Jahre die Werkverträge, über deren Anzahl bis dahin keine Daten vorlagen. Um der Flucht aus dem Sozialrecht zu begegnen, wurden diese ab Juli 1996 in die Sozialversicherung einbezogen. Nach einem weiteren Reformschritt wird nun seit Jänner 1998 zwischen zwei Gruppen unterschieden:

  • Freie Dienstverträge: Es handelt sich hier um Personen, die ohne wesentliche eigene Betriebsmittel für einen Dienstgeber Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbringen und daraus ein Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze erzielen. Sie sind nun nach dem ASVG voll versichert.
  • Neue Selbständige: Diese unterscheiden sich von freien Dienstnehmern dadurch, dass sie nicht nur für eine Firma tätig sind. Sie werden von der Sozialversicherung nur dann erfasst, wenn das Jahreseinkommen die Grenze von (voraussichtlich) 88.800 Schilling überschreitet. Sie sind nach dem GSVG versichert.

Ende 2000 waren 23.900 Personen über einen freien Dienstvertrag versichert. Nach Angaben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger entspricht dieser in 9 von 10 Fällen einer Angestelltentätigkeit.12) Der Frauenanteil war mit 48 Prozent etwas höher als bei den »normalen« Beschäftigten (44 Prozent).

Freie Dienstverträge sind in Wien besonders häufig. Während in Wien im Jahr 2000 (Jahresdurchschnitt) auf 1000 Beschäftigte 14 freie Dienstverträge kamen, waren es im Schnitt der übrigen Bundesländer nur 5. Weiters zeigen die Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, dass der Anteil bei Jüngeren (aber auch innerhalb der wenigen alten Beschäftigten) deutlich höher ist bei den übrigen Beschäftigten.

Freie Dienstverträge sind besonders häufig im Bereich Nachrichten/Verkehr, bei Journalisten, Wissenschaftern und im EDV-Bereich. Ebenso wie die neuen Selbständigen zeichnen sie sich im Schnitt durch ein höheres Bildungsniveau aus. Etwa jeder/jede Dritte bezieht ein weiteres Einkommen (ebenso wie bei den neuen Selbständigen).13) Nach Angaben des Hauptverbandes verdienten sie 1998 aus ihrem freien Dienstvertrag im Schnitt 14.900 Schilling monatlich.

Im 4. Quartal waren 13.400 Personen als neue Selbständige in der SVA der gewerblichen Wirtschaft gemeldet (davon 41 Prozent Frauen). Besonders häufig sind sie bei Journalisten, Wissenschaftern, bei Turn- und Sportberufen, Musikern und Unterhaltungsberufen, Handelsvertretern sowie Bank- und Versicherungsberufen.14)

Beide Gruppen sind von der Arbeitslosenversicherung ausgenommen. Insgesamt bieten diese Beschäftigungen nach wie vor wenig Sicherheit und sie verführen zu Selbstausbeutung. Gefordert wird viel Flexibilität.

Die Einbeziehung der angeführten Gruppen in die Sozialversicherung hat dazu geführt, dass sich viele Betroffene nach dem GSVG als »alte« Selbständige versichert haben. Bis Juli 2000 waren nämlich die Pensionsversicherungsbeiträge bei neuen Selbständigen höher als bei Selbständigen mit Gewerbeschein. Erst durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde diese Ungleichheit innerhalb der Selbständigen aufgehoben15); seither gilt ein einheitlicher Beitragssatz von 15 Prozent.16)

Wie groß die Zahl jener ist, die von der Werkvertragsregelung erfasst wurden, lässt sich aus den Daten des Hauptverbandes abschätzen. Stieg die Zahl der Pensionsversicherten nach dem GSVG zwischen 1990 und 1995 nur um 14.000, erhöhte sich deren Anzahl danach bis 2000 um weitere 48.000 (jeweils Jahresdurchschnitt, wovon im Jahr 2000 ca. 12.000 auf neue Selbständige entfallen). Der verstärkte Anstieg begann in der zweiten Jahreshälfte 1996, also unmittelbar nach der neuen Werkvertragsregelung für die Sozialversicherung. Es kann angenommen werden, dass allein aufgrund dieser Neuerung rund 20.000 Personen einen Gewerbeschein erworben haben.

Weiters ist zu berücksichtigen, dass die von der SVA der gewerblichen Wirtschaft unmittelbar aufgrund einer Anmeldung erfassten Personen nicht die Gesamtheit der neuen Selbständigen darstellen. Die Finanzämter erfassen nämlich im Nachhinein weitere Personen, deren Sozialversicherungspflicht vielleicht erst Jahre nach Beginn der Tätigkeit festgestellt wird. Tatsächlich liegt daher die Zahl der neuen Selbständigen höher.

Vorsichtig geschätzt wurden bis jetzt durch die Pflichtversicherung für Werkverträge etwa 60.000 Personen neu in die Sozialversicherung einbezogen (freie Dienstnehmer, neue Selbständige und selbständig Erwerbstätige mit Gewerbeschein).

Befristete Beschäftigung und Leiharbeit

Laut Arbeitskräfteerhebung waren in den letzten Jahren (jeweils März) rund 130.000 Personen befristet beschäftigt. Dies entspricht einem Anteil von 4 Prozent der unselbständig Erwerbstätigen (Frauen: 4,5 Prozent, Männer: 3,7 Prozent; 1999). In 7 von 10 Fällen dauert die Beschäftigung maximal ein Jahr.

Interesse an der Befristung haben vor allem die Dienstgeber. Für Dienstnehmer dienen sie häufig dem beruflichen Einstieg - verbunden mit dem Wunsch nach einer dauerhaften Beschäftigung. Nach der Erhebung des AMS ging dieser Beschäftigung in jedem zweiten Fall eine Berufs-/Schulausbildung voran. Sie sind daher bei Jüngeren etwas häufiger als bei den übrigen Beschäftigten. Am häufigsten sind sie bei Dienstleistungsberufen zu finden (Wissenschafter, Reinigungsberufe, Techniker, Bank- und Versicherungsberufe, Journalisten).

Ein Teil der befristeten Beschäftigungsverhältnisse entfällt auf die Arbeitskräfteüberlassung (Leiharbeit, seit 1989). Deren Anzahl wird alljährlich im Juli gezählt. Wurden bis 1993 nur jeweils rund 8000 gezählt, steigt nun deren Zahl kontinuierlich an. Im Jahr 2000 waren es bereits 30.100, was einem Anteil von 1,4 Prozent aller Beschäftigten entspricht.

Der typische Leiharbeiter ist männlicher Arbeiter (75 Prozent der überlassenen Arbeitskräfte). Insgesamt übten 2,8 Prozent der männlichen Arbeiter eine derartige Beschäftigung aus, wobei der Anteil in Oberösterreich mit 5,4 Prozent besonders hoch war. Nur 16 Prozent dieser Beschäftigten waren Frauen.

Nur ein Drittel dieser Beschäftigungen dauerte bereits länger als ein halbes Jahr.

Arbeit auf Abruf

Über diese Form Arbeit liegen kaum Daten vor. 1994 wurden im Rahmen des Mikrozensus-Sonderprogramms (Thema: Arbeitsbedingungen) rund 8000 Personen ermittelt, deren Arbeit ausschließlich durch Abruf erfolgt. Bei weiteren 38.000 wurde teilweise Arbeit auf Abruf geleistet. Diese Form der Beschäftigung ist bei Arbeitern häufiger als bei Angestellten und sie kommt auch häufiger bei geringfügig Beschäftigten vor.17)

Nach derselben Befragung litten überdies 36.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter stark schwankenden Arbeitszeiten bzw. Einkommensbedingungen.

Telearbeit

Nach Ergebnissen des Mikrozensus 1997 (September) arbeiteten 11.000 unselbständig Erwerbstätige mindestens 8 Stunden pro Woche im Rahmen ihrer Haupttätigkeit zu Hause am Computer (mindestens 1 Stunde: 35.000) und waren per Datenleitung (bzw. Telefon, Telefax) mit der Firma verbunden. Deren Anzahl dürfte inzwischen stark angestiegen sein.

Rund ein Viertel der unselbständig Erwerbstätigen gab an, die Kosten für den Telearbeitsplatz nicht weiterverrechnen zu können; bei rund einem Fünftel werden die Kosten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geteilt.18)

Resümee: Entwicklung nicht tatenlos hinnehmen!

Die starke Zunahme atypischer Beschäftigungsformen stellt eine große Herausforderung für die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik dar. Österreich hat sich bereits in den neunziger Jahren - früher als Deutschland - dieser Herausforderung gestellt. Rund 140.000 Beschäftigte19) konnten durch mehrere Reformen in die Sozialversicherung einbezogen werden. Ebenso wurden im Arbeitsrecht Fortschritte erzielt. Zugleich wurden Anreize für die Flucht aus dem Sozial- und Arbeitsrecht verringert.

Aufgrund der anhaltend starken Dynamik besteht in Zukunft die Gefahr, dass immer mehr Beschäftigte unfreiwillig auf Dauer in diese Beschäftigungsformen abgedrängt werden. Eine solche Entwicklung bedeutet für immer mehr Erwerbstätige unregelmäßiges und/oder nichtexistenzsicherndes Einkommen. Damit verbunden ist auch eine unzulängliche soziale Absicherung.

Dieser Entwicklung muss entgegengesteuert werden. Neben einer Eindämmung atypischer Beschäftigungsformen muss in Hinkunft auch die soziale Absicherung dieser Beschäftigten verbessert werden. Atypische Beschäftigung darf nicht zur Aushöhlung des Arbeitsrechts und unseres Systems der sozialen Sicherheit führen.

1) Tálos, E., Atypische Beschäftigungsverhältnisse. Internationale Trends und sozialstaatliche Regelungen. Wien 1999. Seite 417 f.

2) Schmid, G., Arbeitsplätze der Zukunft: Von standardisierten zu variablen Arbeitsverhältnissen (S. 275), in: Kocka, J./Offe C. (Hg.), Geschichte und Zukunft der Arbeit. Campus-Verlag 2000.

3) Die OECD geht bereits von einer Grenze von 30 Wochenstunden aus.

4) Gilt für Juli 2000.

5) In Schweden wird daher der Begriff »atypisch« gar nicht verwendet, da er sich zu sehr an der männlichen Normalbiographie orientiert. Siehe dazu: Vidmar, S., Atypische Beschäftigung in Schweden, S. 316, in: Tálos, E.

6) Siehe Statistische Informationen (November 1999 und Mai 2000, hg. von der AK Wien/Abteilung Wirtschaftswissenschaften/Statistik).

7) Insgesamt waren im Herbst 2000 25.000 geringfügig Beschäftigte 60 Jahre oder älter. Diesen standen im Oktober 23.000 »normale« Beschäftigte (inklusive vollversicherten Teilzeitbeschäftigten) gegenüber.

8) Berechnungen der Synthesis Forschungsgesellschaft, in: Arbeitsmarktservice Österreich. Wie dynamisch ist der österreichische Arbeitsmarkt? Strukturberichterstattung - Jahresergebnisse 1999. Wien 2000.

9) Im Juli 2000 wurden vom Hauptverband 43.300 geringfügig Beschäftigte mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ausgewiesen sowie 4100 Personen, die mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ausübten. Da geringfügige Beschäftigung in den Sommermonaten eher etwas niedriger ist (Studenten!), aber ständig zunimmt, dürfte die angeführte Zahl derzeit der Wirklichkeit entsprechen.

10) Auf die Problematik dieser Regelung wird hier nicht weiter eingegangen.

11) Bei Arbeitern etwas darunter, bei Angestellten etwas darüber.

12) Im Dezember 2000 wurden 21.400 freie Dienstnehmer als Angestellte und 2500 als Arbeiter ausgewiesen.

13) Arbeitsmarktservice Österreich, Atypische Beschäftigungsverhältnisse, Wien 2000.

14) ebenda.

15) Siehe Rudda, J., Soziale Sicherheit 11/2000, S. 957 ff.

16) Als Motiv für den Erwerb eines Gewerbescheins verbleibt noch das höhere Prestige dieser Selbständigen.

17) Statistische Nachrichten 8/1996, S. 612 f.

18) Statistische Nachrichten 12/1998, S. 1028.

19) Ca. 80.000 geringfügig Beschäftigte und 60.000 Werkverträge.

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