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Kommentar | Sozialstaat light?

Bleibt Sallmutter oder muss er gehen? Muss er gehen: noch im Jänner, im März oder erst im August oder gar erst im September?

Seit Monaten wird die Debatte um das Gesundheitswesen, um die Selbstverwaltung, um die Sozialpartnerschaft und die Befindlichkeiten der blauschwarzen Koalition auf diese eine Frage hin fokussiert bzw. personalisiert.

Immerhin hat Sallmutter bewiesen, dass Standhaftigkeit nicht nur mit Widerstand zu tun hat, sondern auch durch ein Höchstgericht legitimiert ist: speed kills, aber nicht den Sallmutter!

Wochenlang wurde auf Sozialpartnerebene und unter wohlwollender Beobachtung von Blauschwarz über die Strukturfragen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger diskutiert. Soll es ein Aufsichtsratsmodell geben, ein schlagkräftiges oder ein rotierendes Präsidium, mit Nominierungsrecht der Sozialpartner oder mit Vetorecht des Sozialministers? Soll es eine paritätische Besetzung der Spitzenfunktionen durch die Sozialpartner geben oder eine, bei der die alte Kräfteverteilung widergespiegelt wird? Über Sallmutter, über Selbstverwaltung oder gar über die im Koalitionsabkommen festgeschriebenen Ziele wurde dem Vernehmen nach vornehm geschwiegen.

Zuckerbrot und Peitsche

Während sich die Sozialpartner in taktischen Machtvarianten am Trockeneis übten und fleißig Pirouetten drehten, wurden die Kettenhunde losgelassen. Kaum ein ÖVP-ÖAAB-Funktionär, der nicht in sein Bekenntnis zu Selbstverwaltung und Sozialpartnerschaft neu auch eine Fluchformel für Sallmutter eingebaut hat (die wenigen Ausnahmen sind an einer Hand abzuzählen).

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich noch nicht endgültig abschätzen, ob der Machtpoker von Blauschwarz aufgehen und der Putsch von oben umgesetzt wird.

Es ist allerdings sehr leicht, in einem Spiel, wo sich die eine Seite auf Ausgleich und Kompromiss orientiert, die andere auf Gewinn, den Sieger vorherzusagen.

Mit dem Ministerialentwurf liegen die Karten auf dem Tisch. Das, was Blauschwarz wegen der Ergebnisse der Arbeiterkammer-wahlen nicht gelang, die Ersetzung des rotschwarzen Proporzes in der Sozialversicherung durch eine schwarzblaue Mehrheit, soll nun definitiv werden. Zwölf Mitglieder soll der Verwaltungsrat des Hauptverbandes zukünftig umfassen, je sechs von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Mit der nicht unwesentlichen Einschränkung, dass die drei (!) stimmstärksten Fraktionen jedenfalls vertreten sein müssen. Aus dem sozialpartnerschaftlichen Proporz wird so eine blauschwarze Mehrheit.

Präsident und Vizepräsident sollen jährlich rotieren. Zum Zwecke der Erprobung neuer Talente, heißt es sinngemäß in den Erläuterungen. Das Präsidium des Hauptverbandes der Sozialversicherung:

Lachnummer oder Talentschmiede?

Für die Variante Talentschmiede spricht, dass kein bisheriges Mitglied eines Verwaltungskörpers des Hauptverbandes diese Funktion ausüben darf. Ute Fabel for president?

Wenn's nicht funktioniert, darf's wer anderer probieren. Kann ja nicht viel passieren! Denn immerhin soll der Sozialminister ein Vetorecht gegen fast alle Beschlüsse erhalten - mit der Ausnahme finanziell wirksamer Beschlüsse. Da darf der Finanzminister ein Veto einlegen. Soweit zu den blauschwarzen Vorstellungen über Selbstverwaltung. Das ist nicht einmal mehr zum Lachen.

Sallmutter kann nach den Vorstellungen des Ministerialentwurfs nicht einmal mehr Portier im Hauptverband werden. Mit zahlreichen Unvereinbarkeitsklauseln soll dem verhassten Präsidenten endgültig der Garaus gemacht werden.

Sallmutter weg - und was dann?

Die Probleme der Sozialversicherung sind durch den blauschwarzen Putsch ebenso wenig gelöst wie die der Selbstverwaltung und der Sozialpartnerschaft. Die Arbeitnehmerseite hat es verabsäumt, diese Fragen grundsätzlich anzugehen.

  • Welche Perspektive hat eine Selbstverwaltung, die sich auf die - je nach Versicherungsträger - proportionale Vertretung von Versicherteninteressen reduzieren lässt?
  • Welchen Sinn macht eine Selbstverwaltung, die sich immer mehr auf die Verwaltung von Defiziten, von gesetzlichen Vorgaben reduziert, ohne Gestaltungsfreiheit bzw. Beitragshoheit zu erhalten?
  • Warum wurde in den letzten Monaten nicht deutlich angesprochen, dass die Finanzierungsprobleme der Krankenkassen einerseits mit den bewusst unzureichenden Sanierungsmaßnahmen des blauschwarzen Gesetzgebers und andererseits mit den steigenden Gesundheitskosten und -erwartungen der Bevölkerung zu tun haben?

Die Probleme der Sozialversicherungen sind nicht primär in ihrer Struktur und schon gar nicht in den Personen, die ihn präsidieren, zu suchen. Die Probleme sind politisch verursacht: durch eine Regierung, die - schlag nach im Koalitionsübereinkommen - den Sozialstaat reduzieren will.

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