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Dauerproblem Lehrlingsausbildung | Die Situation der Jugendlichen ohne Lehrplatz

»Ein gewisses Kontingent an Jugendlichen ohne Lehrplatz zu halten, ist durchaus eine gezielte Strategie dieser Regierung«, vermutet AK-Experte Arthur Baier. Die jungen Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht unterkommen, werden so zum Spielball der Politik. Bereits im Herbst 2000 gab es zahlreiche Verschlechterungen im Bereich der Lehrlingsausbildung. Mit schlimmen Folgen durch die Abschaffung der Ausbildung in Lehrlingsstiftungen für jene Jugendlichen ohne Chancen auf dem regulären Markt, rechnen AK und ÖGB. Die Arbeitnehmervertreter fürchten weiteren Abbau bei der Qualität der Ausbildung im Herbst 2001.

Die Zahlen wären an sich beruhigend: Per Saldo gab es im letzten, derzeit vom Arbeitsmarktservice (AMS) statistisch erfassten Monat April 544 gemeldete offene Lehrstellen. Mit anderen Worten: Österreichweit standen 2972 offene Ausbildungsplätze im Lehrbereich 2428 suchenden Jugendlichen gegenüber. Zahlen vom April sind allerdings keine geeignete Grundlage, um die Lage für den Herbst abschätzen zu können, wenn die Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt kommen. »Aus zeitlichen Gründen wird das AMS im heurigen Jahr keine derartige Prognose machen«, gibt Beate Sprenger, Sprecherin der Bundesgeschäftsstelle des AMS, Auskunft über die Perspektiven für das Ausbildungsjahr, das im Herbst 2001 beginnt. »Schaut man sich jedoch die Entwicklung von Lehrstellensuchenden und offenen Lehrstellen in der Vergangenheit an, so nähern wir uns wieder einem eher ausgewogenen Verhältnis.«

Allerdings: Schon unter den offiziell beim AMS vorgemerkten Lehrstellensuchenden rutscht der positive Saldo von bundesweit 544 »überzähligen« Lehrstellen in der Steiermark und Wien ins Minus: Mit 120 fehlenden Ausbildungsplätzen in Wien (Stand: April) scheint das Manko geringfügig. Das Problem ist, dass diese recht günstigen Zahlen nicht stimmen.

Ein völlig anders Bild liefert nämlich das statistische Material, das die Bundesarbeitskammer (BAK) durch gezielte Umfragen feststellen konnte. Im selben Bezugsmonat (April) gab es demnach bundesweit rund 12.500 Jugendliche (die aktuell zwar »nicht verfügbar«, aber in den kommenden Monaten »lehrstellensuchend« sein werden) gegenüber 9600 gemeldeten offenen Lehrstellen.

Für den Herbst, wenn die Schulabgänger auf den Ausbildungsmarkt drängen, stellt sich die Lage weit dramatischer dar: Mit etwa 7000 Jugendlichen, die erfolglos eine Lehrstelle suchen werden, rechnet der Bundessekretär der Österreichischen Gewerkschaftsjugend (ÖGJ), Stefan Maderner. Eine Schätzung, die leider durchaus realistisch ist. Denn die offiziellen Zahlen enthalten nicht jene Kontingente an jungen Menschen, die Arbeitslosengeld beziehen, kurzfristige Ausbildungen durch das AMS absolvieren oder ein 10. oder 11. Schuljahr »anhängen«. Ebenso wenig enthalten sind Lehrstellensuchende ausländischer Herkunft. »Wobei es bei diesen auf den ›Integrationsgrad‹ ankommt«, weiß Stefan Maderner.

Leidtragende des Argumentierens mit falschen Zahlen sind all jene Jugendlichen, die in der geschönten Statistik nicht enthalten sind. Und das sind - wie gesagt - nicht wenige. Rund 2000, so hat die BAK erfragt, absolvieren ein zehntes oder elftes Schuljahr, etwa 4000 besuchen kurzfristige »Kursmaßnahmen«. Nicht leicht zu eruieren sind die Jugendlichen, die bereits Lehrling waren, und nun Arbeitslosengeld beziehen.

»Die Zahlen werden von den Ministerien meist unter Verschluss gehalten«, bedauert Arthur Baier von der Abteilung Lehrlings- und Jugendschutz der Arbeiterkammer. Er vermutet dahinter eine gezielte Strategie der Regierung. »Man versucht, ein gewisses Kontingent an Jugendlichen arbeitslos zu halten, um so Druck ausüben zu können. Es erleichtert, Forderungen seitens der Wirtschaftskammer durchzusetzen, etwa wenn es um den weiteren Abbau von Schutzmaßnahmen geht.«

Obwohl ein »geburtenschwacher Jahrgang« die Situation mildert, wird es für viele Jugendliche ähnlich wie im Vorjahr schwierig werden. Im Sommer 2000 hatten die ersten gravierenden Einschnitte bei der Qualität der Ausbildung begonnen. Im Juli 2000 wurden das Berufsausbildungsgesetz (BAG) und das Jugendausbildungs-Sicherungsgesetz (JASG) novelliert. Mit den Novellen, die per 1. September 2000 in Kraft traten, galten die neue Regeln: Die Probezeit wurde von drei auf sechs Monate verlängert, die Arbeitszeit im Gastgewerbe in späte Nachtstunden hinein ausgedehnt und mehr »Flexibilität« für den Lehrherrn bei der Garantie für die Weiterbeschäftigung nach der Lehrzeit geschaffen.

Neue Lehrberufe wurden eingeführt, die anstelle der von ÖGB und AK geforderten zukunftsträchtigen Gruppenberufe den Weg zu »Schmalspurlehren« einschlugen: Fertigkeiten, die binnen weniger Monate erlernt werden können, wurden in neue Lehrberufe, etwa Werkzeugschleiftechniker, Lagerfachmann oder Reparaturschuhmacher verpackt. Der Trend zum »Splitting«, dem Aufspalten von Fertigkeiten in einzelne Lehrberufe, die sich dadurch eher einer Ausbildung in Helfertätigkeiten annähern, war besonders im Gastgewerbe sichtbar: Vom Trend zum »Hausel«, dem Mädel oder Burschen für alles, sprach Rudolf Kaske, Vorsitzender der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (siehe auch »A&W« 10/2000, Seite 12, »Sind Lehrjahre Kehrjahre?«).

Zwei Veränderungen im Bereich der Lehrlingsausbildung erregten die Gemüter der Arbeitnehmervertreter besonders: Die Einführung der so genannten Vorlehre und die Abschaffung des Auffangnetzes für Jugendliche, die auf dem regulären Ausbildungsmarkt nicht unterkommen. So gibt es seit September 2000 keine weiteren Ausbildungsplätze mehr bei Lehrlingsstiftungen (zur Abschaffung der Stiftungen siehe »A&W« 11/2000, Seite 30, »Verschleuderte Lehrlinge«).

Anstelle des Auffangnetzes traten zehn Monate dauernde Berufslehrgänge, die allerdings nur Schulabgängern mit positivem Abschluss vorbehalten sind. »Ein Instrument, das als ›Warteschlange‹ oder zur Motivationssteigerung für Jugendliche, eine Lehrstelle zu suchen, sicher geeignet ist. Für Jugendliche, die Betreuung bräuchten, sind sie wenig positiv«, meint Walter Schaffraneck, Geschäftsführer von Jugend am Werk, der Trägerorganisation der »Initiative Lehrling« (siehe Kasten). Die weitere Problematik dabei: Nicht alle Lehrgänge werden auf die Lehrzeit angerechnet. Und: Für die Finanzierung der Ausbildungsplätze in Lehrgängen stehen nur noch die nicht verbrauchten Mittel aus den vergangenen Jahren zur Verfügung. Neue finanzielle Mittel sind im Gesetz nicht vorgesehen.

Ausbildungsstiftungen rechnen sich

Dass das innovative Modell der »Initiative Lehrling«, das 1997 als Pilotprojekt zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit eingeführt wurde, dem »Rotstift« zum Opfer fiel, wird schon rein volkswirtschaftlich gesehen teuer kommen. Zu diesem Schluss gelangt das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) in einer dreiteiligen Studie über die »Initiative Lehrling« bei der Trägerorganisation »Jugend am Werk« (siehe »A&W« 12/1997, Seite 28, »Initiative Lehrlinge«).

Welche Einnahmen kann die öffentliche Hand durch das Kontingent von Jugendlichen erwarten, das in besagter Initiative ausgebildet wurden? So lautete eine der Fragen in der Fiskalanalyse der Studie, die im März vorgelegt wurde. Demnach stehen Gesamtausgaben von 90 Millionen Schilling künftigen Einnahmen von etwa 124 Millionen gegenüber. Nicht enthalten bei dieser Rechnung sind Erträge aufgrund von »Multiplikatoreffekten«, zum Beispiel durch höhere Einkommen von Arbeitskräften mit abgeschlossener Berufsausbildung. Immerhin schließen rund 60 Prozent der Teilnehmer die Lehrausbildung ab.

Ganz abgesehen von der »Binsenweisheit«, wie Susanne Rauscher, Pressesprecherin des Arbeitsmarktservice Wien, meint. »Je mehr Ausbildung, umso besser für jeden Einzelnen.« Ihr tut es »leid um die Stiftungen. Sie waren sicher ein gutes Instrument, denn je vielfältiger das Angebot ist, umso besser sind die Chancen. Schließlich gleicht kein Jugendlicher dem anderen. Ein bisschen mehr Phantasie sollte man schon haben«.

»Eine Fortsetzung der Lehrlingsstiftungen ist unbedingt nötig«, meint Bundesjugendsekretär Stefan Maderner. »Die Kosten dafür sind gering, vergleicht man sie mit den Erleichterungen für die Wirtschaft, wie Steuerfreibeträge oder die Befreiung vom Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenversicherung im ersten Lehrjahr.« Die Forderung nach Fortsetzung der Lehrlingsstiftungen findet allerdings kein Gehör bei der schwarz-blauen Regierung. »Es schaut sehr schlecht aus«, berichtet Maderner. Als Alternative für die Gruppe der so genannten »benachteiligten« Jugendlichen verweisen die Regierungsvertreter auf die (im September 2000 eingeführte) Vorlehre.

Vorlehre war ein Flop

Bei dieser Maßnahme, die für jene Jugendlichen gedacht ist, die auf dem regulären Markt nicht unterkommen, gibt es keinen Berufsabschluss. Die Jugendlichen, die eine Vorlehre absolvieren, gehen nicht nur ohne Zeugnis aus, sondern haben auch das Stigma eines »minderwertigen« Einstieges in die Berufswelt zu tragen.

»Gottseidank haben sich nur wenige junge Leute dazu entschlossen«, ist AK-Experte Arthur Baier froh: Etwa 120 waren es bei der letzten statistischen Erfassung im Frühjahr.

»Es ist uns gelungen, die Leute wirksam vor einer Vorlehre zu warnen. Diese Maßnahme hat glücklicherweise überhaupt nicht gegriffen«, berichtet ÖGJ-Bundesjugendsekretär Stefan Maderner. »Es ist allemal besser, weiter in einer Schule zu bleiben, als sich ›freiwillig‹ unter die Verlierer einzureihen.«

»Eine Vorlehre hätte maximal für schwerst geistig behinderte Menschen einen Sinn. Die werden aber von den Betrieben nicht genommen«, meint Walter Schaffraneck, Geschäftsführer von Jugend am Werk. »Ich betone: schwerst geistig behindert, denn lernbehindert kann man sehr bald einmal sein.« Lernbehindert, mit familiären Problemen oder auch mit einer ausländischen Herkunft »belastet«. Es gibt viele Gründe, dass Jugendliche »keinen Bock« auf Lernen haben oder »verhaltensoriginell« sind, wie Schaffraneck die Schwierigkeit mancher Jugendlicher bezeichnet, sich ohne professionelle Unterstützung in Arbeitsstrukturen einzugliedern.

Für all diese Menschen sind Lehrlingsstiftungen ein geeignetes Modell, später auf dem regulären Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Denn ist einmal die erste Phase durchlaufen, in der Selbstbewusstsein und »lernspezifische« Umgangsformen erworben werden, kann die fachliche Ausbildung beginnen. Die Zufriedenheit bei allen Beteiligten - den Lehrlingen, Ausbildnern, Berufsschullehrern und letztlich auch den Arbeitgebern - wurde deutlich durch die Studie des ÖIBF belegt.

Kaum an die Öffentlichkeit gelangte die Tatsache, dass die Ausbildung durch die Lehrlingsstiftung auch eine »Vorreiterrolle« in den Branchen der »neuen Technologien« eingenommen hatte. Aus den »Problemfällen« wurden durchaus »brauchbare« EDV-Techniker, die »alle einen Job gefunden haben«, berichtet Schaffraneck. (Dass sie als reguläre Lehrlinge keinen Platz bei den Betrieben gefunden hatten, steht auf einem anderen Blatt. Schaffraneck: »Die Betriebe stellen derart hohe Ansprüche, die nehmen lieber HTL-Abbrecher als Lehrlinge von uns.«) Der Ruf der Wirtschaft nach »IT-Fachkräften« (Personen, die in den unterschiedlichen Bereichen der Informationstechnologie ausgebildet sind), ist unüberhörbar. Die Bereitschaft, diese selbst auszubilden, ist bei den meisten Betrieben allerdings gering.

Den konservativen Trend in der Lehrlingsausbildung illustriert die Streuung der gewählten Berufe: »Zwar ist die Summe aller Zugänge ins Register der offenen Lehrstellen in Österreich im Jahr 2000 um fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Dieser Zuwachs geht jedoch praktisch nur auf den Anstieg in traditionellen Lehrberufen zurück«, informiert Beate Sprenger, Sprecherin der Bundesgeschäftsstelle des AMS. »Neu eingerichtete Lehrberufe haben an dieser Entwicklung de facto nur einen verschwindenden Anteil.« Mehr als die Hälfte des Gesamtzuwachses aus den gestiegenen Meldungen resultiert aus nur vier Lehrberufen: Für den Beruf Koch/Köchin wurden um 456 (das entspricht 22,4 Prozent) mehr offene Lehrstellen gemeldet, gefolgt von Bürokaufmann/ -frau (plus 355 bzw. 24,7 Prozent), Restaurantfachmann/-frau (plus 251 bzw. 15,2 Prozent) und Friseurin und Perückenmacher (plus 183 bzw. 15,5 Prozent). Für den 1998 eingeführten Lehrberuf als EDV-Kaufmann/-frau wurden im Jahr 2000 mit 57 Lehrplätzen um 20 weniger als im Vorjahr gemeldet, bei EDV-Technikern sank das Angebot gar von 159 auf 123.

Auch Fritz Meißl, Geschäftsführer des »Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds« (WAFF), »bedauert zutiefst die Abschaffung der Lehrlingsstiftungen. Aus einem einfachen Grund: Sie sind nötig, solange von den Betrieben Lehrplätze nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Ich jedenfalls bin der Auffassung, dass eine abgeschlossene Berufsausbildung von Bedeutung ist. Die Stiftungen waren ein innovatives Modell, das - unter Nutzung von privaten Trägern, Berufsschulen und eben der Stiftungen - eine abgeschlossene Lehre bieten konnte. Es war ein erfolgreiches Instrument, ganz abgesehen davon, was es für einen 15-, 16-Jährigen bedeutet, wenn man ihn einfach so hängen lässt.«

Ein Urgenzschreiben der Bundesarbeitskammer an das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, mit der Forderung, geeignete Maßnahmen für jene Jugendlichen zu treffen, die im Herbst auf dem Ausbildungsmarkt nicht unterkommen werden, war bei Redaktionsschluss noch nicht beantwortet. Aus legistischer Sicht wäre es durchaus möglich, kurzfristig die Stiftungen, die im Sommer des Vorjahres quasi über Nacht abgeschafft wurden, im Sommer 2001 wieder zu verlängern. »Wäre man ehrlichen Willens, könnte man durchaus über Maßnahmen (zur Weiterführung eines geeigneten Auffangnetzes) reden«, sagt der AK-Experte Arthur Baier. Die Zeit drängt, denn selbst wenn die Regierung auf gesetzlicher Ebene einlenken würde, stellt sich ein praktisches Problem: Trägerorganisationen wie Jugend am Werk oder das Berufsförderungsinstitut (bfi) müssten bereits jetzt Konzepte zur Umsetzung im Herbst erstellen, Verträge mit Ausbildnern schließen und die Logistik bereitstellen.

Schlechte Aussichten

»Die Regierung hat mit der Vorlehre keinen besonderen Stich gemacht«, urteilt Arthur Baier. So wolle man eben mit einer »Restgruppe« an Lehrplatzsuchenden versuchen, Druck zu machen, um die Rahmenbedingungen im Sinne der Wirtschaft weiter zu verändern. Das größte Problem sieht Baier derzeit in einer drohenden Erleichterung beim Kündigungsrecht und der »Aufweichung« ganzer Berufsbilder. Der ÖGJ-Bundesjugendsekretär Stefan Maderner sieht darin eine Strategie, »um kurzfristig Lücken im Arbeitsmarkt zu schließen«. Schon im Frühjahr hatte er dem Wunsch von Wirtschaftskammerpräsident Leitl nach »mehr Ausbildung à la carte und weniger à la menu« mit der Forderung nach Beibehaltung der international angesehenen Berufsausbildung in Österreich begegnet. Maderner: »Nichts ist gegen neue Lehrberufe einzuwenden. Sie müssen jedoch eine breite Basisausbildung und echte Zukunftschancen bieten.«

Kurz vor der Sommerpause brodelt es in der Gerüchteküche: In Schwebe ist ein weiteres »Splitting« der nor- malen Lehre. Nach Plänen der Regierung könnte sie in zwei Phasen gegliedert werden. Nach dem ersten Abschnitt einer so genannten Regellehre würde bei diesem Modell ein Jahr zusätzlicher »Aufbaulehre« angehängt. Welcher Lehrling in den Genuss dieser Zusatzqualifizierung kommt, wird - so sieht es derzeit aus - vom Lehrherrn abhängen. Die negativen Folgen für die kollektivvertraglichen Verhandlungen, besonders was die unterschiedlichen Entlohnungen in den beiden Ausbildungsphasen betrifft, sind nicht abzuschätzen.

Aus für eine erfolgreiche Initiative

Seit In-Kraft-Treten der Änderung des Jugendausbildungs-Sicherungsgesetzes (JASG) gibt es keine Lehrlingsstiftungen mehr. Zusammen mit den Berufslehrgängen hatten sie rund 4000 Jugendlichen zu einem Ausbildungsplatz mit anerkanntem Abschluss verholfen.
Besonders erfolgreich war die »Initiative Lehrling«, die von der Trägerorganisation Jugend am Werk durchgeführt wurde.

»Die Ausbildner waren sehr bemüht, aus uns etwas zu machen.« So und ähnlich waren viele der Antworten jener Teilnehmer, die im Rahmen der »Initiative Lehrling« einen Lehrberuf erlernten. In einer dreiteiligen Studie hat das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung ÖIBF detailliert die Wirksamkeit dieser Maßnahme erfasst, die von der Regierung ersatzlos gestrichen wurde.

Als besonders positiv hoben die Jugendlichen hervor, ernst genommen, unterstützt und betreut worden zu sein. »Nach Überwindung der schwierigen Anfangsphase«, meinte das Gros der Ausbildner, unterschieden sich die Teilnehmer kaum von anderen Berufsschülern. War einmal Selbstbewusstsein gewonnen, erwiesen sich manche in dem von ihnen gewählten Beruf sogar als kompetenter als ihre Alterskollegen.

Die »Initiative Lehrling« war 1997 als Pilotprojekt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit begonnen worden. Angesichts der kritischen Situation auf dem Wiener Lehrstellenmarkt suchten die AK Wien und ÖGB nach geeigneten Maßnahmen, jene Jugendlichen zu fördern, die auf dem regulären Ausbildungsmarkt keine Stelle finden konnten. Viele junge Menschen der so genannten zweiten und dritten Generation waren darunter, deren einziges »Handicap« eben ihre Herkunft war. Als Trägerorganisation fungierte »Jugend am Werk«1), eine Einrichtung, die bereits in der Ersten Republik zur Beschäftigung arbeitsloser Jugendlicher gegründet worden war. (Siehe: »A&W« 11/97 und »A&W« 12/97).

Die Stadt Wien, der »Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds« (WAFF), das Arbeitsmarktservice und Berufsschulen konnten für die Teilnahme gewonnen werden.

Die Ursachen für die problematische Lehrstellensituation sind heute ähnlich wie damals: Trotz finanzieller Anreize für ausbildende Betriebe - etwa das Lehrstellenförderungsprogramm, die Streichung von Arbeitgeberbeiträgen zur Krankenversicherung -, zieht sich die Wirtschaft zunehmend aus der Ausbildung von Lehrlingen zurück.

Am ersten Dezember 1997 trat die erste »Tranche« von 300 Jugendlichen die Ausbildung im Rahmen der »Initiative Lehrling« an: Das Konzept, betriebliche Praxis mit schulischer Berufsausbildung kombiniert, wurde später von Nachfolgeprojekten übernommen. Das Ziel dieser Maßnahmen als Teil des »Auffangnetzes« für Jugendliche: Auch jene, die keine reguläre Stelle finden konnten, sollen die Chance auf einen anerkannten Abschluss haben. Die Vorgabe, dass mindestens ein Drittel der Teilnehmer von »regulären Lehrherrn« übernommen werden sollten, konnte »spielend« erfüllt werden.

1) Die Web-Adresse von Jugend am Werk: http://www.jaw.at

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