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Heißes Eisen »Ausländerbeschäftigung« | Genug Potential im eigenen Land

Wenn die Gewerkschaften nicht sofort Feuer und Flamme für die Erhöhung des ausländischen Arbeitskräftekontingents sind und stattdessen plausible Gegenstrategien auf den Tisch legen, werden sie als »Betonierer«, als Fundamentalopportunisten und von besonders bösen Zungen sogar als »ausländerfeindlich« bezeichnet. Nichts von alledem ist wahr. Denn der Schutz des heimischen Arbeitsmarktes und damit die Beschäftigung der in Österreich lebenden in- und ausländischen Arbeitnehmer hat oberste Priorität. Für eine Erhöhung der Ausländerbeschäftigungsquote besteht derzeit überhaupt kein Anlass. Wir haben das Thema »Ausländerbeschäftigung« unter die Lupe genommen. Fazit: »Auch wenn es Wirtschaft und Regierung gerne anders sehen würden - es gibt genug Beschäftigungspotentiale im eigenen Land.«

Erstmals seit Anfang der 80er-Jahre besteht die reale Chance, auf Grund des längerfristig prognostizierten Rückganges der Erwerbsbevölkerung und bei Annahme eines im langjährigen Durchschnitt verlaufenden Wirtschaftswachstums die Vollbeschäftigung zu erreichen. Es braucht nicht betont zu werden, wie wichtig die Erreichung der Vollbeschäftigung insbesondere für gewerkschaftliche Anliegen ist. Viele für die Arbeitnehmer nachteilige Entwicklungen im Bereich der Arbeits- und Einkommensbedingungen, aber auch im System der sozialen Sicherheit, werden durch einen Abbau des bestehenden Arbeitskräfteüberangebotes tendenziell gedämpft.

Wie sich doch die Zeiten ändern ...

Es verwundert daher auch nicht, dass die Wirtschaft versucht, eine Rückführung der Arbeitslosenquote auf tatsächliches Vollbeschäftigungsniveau (rund drei Prozent nach nationaler Berechnung) zu verhindern, indem sie vorgibt, in Österreich gäbe es bereits einen »breiten Arbeitskräftemangel« und somit praktisch »Vollbeschäftigung«.

Um die Unrichtigkeit dieser Behauptung besser zu illustrieren, sei auf die zweite Hälfe der 80er-Jahre verwiesen, als erstmals nach Jahrzehnten die Fünf-Prozent-Marke bei der Arbeitslosenquote überschritten wurde. Damals war man geschockt und hat in einem breiten politischen Konsens ein »bis hierher und nicht weiter« gefordert. Heute liegen wir im prognostizierten Jahresschnitt 2001 bei einer Arbeitslosenquote von 5,4 Prozent. Und obwohl die Zahl der Arbeitslosen (Stand April 2001: rund 191.400) im Jahr 2002 wieder zunehmen wird und sich zudem im Inland ein beträchtliches Arbeitskräftepotential befindet, wird trotzdem von »Vollbeschäftigung« gesprochen. Wie sich die Zeiten doch ändern ...

Wirtschaft präsentiert WIFO-Gutachten

Für eine intensive Diskussion sorgte in diesem Zusammenhang eine von der Wirtschaftkammer Österreich in Auftrag gegebene WIFO-Studie, die unter dem Titel »Knappheit an Arbeitskräften« in den vergangenen Wochen intensiv »vermarktet« wurde.

Hauptaussage der Studie: Bei Annahme eines Wirtschaftswachstums von 2,5 Prozent fehlen bis 2005 nicht weniger als 165.000 Arbeitskräfte. Und zwar jeweils zur Hälfte Menschen mit höherer Schulbildung (vor allem BHS und Hochschulabsolventen im technischen Bereich) und Menschen mit abgeschlossener Lehre.

Um diese »Lücke« zwischen Beschäftigungsnachfrage und demographischem Angebot schließen zu können, sollen von den derzeit rund 190.000 Arbeitslosen rund 60.000 Menschen in Beschäftigung gebracht werden, weitere 30.000 bis 40.000 durch die Anhebung der Erwerbsbeteiligung der Frauen und schließlich soll die Beschäftigung der älteren Arbeitnehmer um 30.000 Arbeitskräfte erhöht werden. Wer aufmerksam mitgerechnet hat, dem werden rund 30.000 bis 40.000 Arbeitskräfte fehlen. Richtig getippt: Diese Lücke soll durch ausländische Arbeitskräfte geschlossen werden!

Fehler im Getriebe

Diese Zahlenaufstellung bietet einen breiten Ansatz zur Kritik. So beziehen sich die Schätzungen auf einen sechsjährigen Zeitraum, von denen das Jahr 2000 mit einem hohen Beschäftigungswachstum von 33.000 Arbeitskräften bereits abgelaufen ist. Zum Zeitpunkt der Studienveröffentlichung bietet sich also bereits ein wesentlich entspannteres Bild, da der Beschäftigungszuwachs in Abzug zu bringen ist. Dazu kommt, dass allein der für 2002 prognostizierte weitere Rückgang des Wirtschaftswachstums die Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen und die »Lücke« zusätzlich verringern wird.

Zu hinterfragen sind auch die Ansätze bei der Abdeckung der »Arbeitskräftelücke«: Ist das durch die Verringerung der »unfreiwilligen Teilzeitarbeit« entstehende Arbeitskräftevolumen berücksichtigt? Wurde das im Inland befindliche ausländische Arbeitskräfteangebot in seiner vollen Größe mit einbezogen? Und nicht zuletzt stellt sich die grundsätzliche Frage: »Sind die angeführten Ansätze wie Abbau der Arbeitslosigkeit, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen nicht doch zu wenig ehrgeizig dimensioniert worden?«

Wir meinen, dass dies der Fall ist. Eine ambitionierte Heranziehung der Arbeitskräftepotentiale im Inland, verbunden mit verstärkten Qualifizierungsbemühungen, verkleinert die »Arbeitskräftelücke« erheblich.

Starke Zweifel an der WIFO-Studie hat auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Hotel, Gastgewerbe, Persönlicher Dienst (HGPD), Rudolf Kaske1): »Ganz so, wie die Wirtschaft das gerne darstellt, um das ständige Hinaufsetzen des Saisonnierkontingents zu rechtfertigen, sind die Dinge nicht: Frauen, über 55-Jährige, Ausländerinnen und Ausländer, die bereits in Österreich leben und nicht zuletzt die Zahl der Arbeitslosen bilden ein Beschäftigungspotential, das nicht außer Acht gelassen werden sollte«, hält Kaske dagegen.

Es ist kein Arbeitskräftemangel erkennbar

Trotzdem wird in der öffentlichen Meinung alles versucht, den Eindruck zu vermitteln, dass der weitere Zuzug vor allem von qualifizierten ausländischen Arbeitskräften über die bestehende Quote hinaus unvermeidbar ist. Ein Blick auf die Ausschöpfung dieser so genannten »Schlüsselkraftquote« zeigt jedoch ein ganz anderes Bild: Die Ausschöpfung im ersten Quartal 2001 lag knapp unter 20 Prozent. Anzeichen einer außerordentlichen »Knappheit an Arbeitskräften« sind daher überhaupt nicht erkennbar.

Tourismus: Jeder vierte Beschäftigte ein Ausländer

Jeder vierte im österreichischen Tourismus Beschäftigte ist ein Ausländer aus Mittel- und Osteuropa, weiß Kaske weiter zu berichten. Statt das Saisonnierkontingent zu erhöhen, sollten mehr in Österreich lebende Ausländer eine Arbeitsbewilligung bekommen. Kaske lehnt daher die Erhöhung des Saisonnierkontingents für den Sommer auf 4785 nach 2920 im Vorjahr ab. Ende April habe es in der Tourismusbranche eine Zunahme der Arbeitslosigkeit um 0,8 Prozent oder rund 2400 Personen gegeben.

»Trotzdem wird das Saisonnierkontingent konstant hinaufgesetzt. Die Begehrlichkeit der Betriebe liegt klar auf der Hand: Saisonniers sind die billigeren Arbeitskräfte. Arbeitslose und bereits in Österreich lebende Ausländer sind daher oft nur zweite Wahl.« Kritik übt Kaske dabei auch an Minister Bartenstein, der für die laufende Erhöhung des Saisonnierkontingents verantwortlich ist. Bartenstein hat offensichtlich darauf vergessen, dass er nicht nur Wirtschafts-, sondern auch »Arbeitsminister« ist. »Statt sich zu bemühen, in- und sich bereits im Lande befindende ausländische Arbeitnehmer wieder in Beschäftigung zu bringen, trifft Bartenstein einsame Entscheidungen gegen die Arbeitnehmer in diesem Land«, sagt Kaske unter Verweis auf die hohe Arbeitslosigkeit im Tourismusbereich.

Nicht voreilig ausländische Arbeitskräfte holen

Auch ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch lehnte eine Mehrzuwanderung ab und regt stattdessen eine stärkere Integration der rund 30.000 in Österreich lebenden arbeitslosen Ausländer (Stand: April 2001) an. »Ausreichende Reserven« gebe es auch bei den älteren Arbeitslosen. Der Fachkräftemangel ist für Verzetnitsch vor allem Resultat fehlender Ausbildung durch die Wirtschaft in der Vergangenheit. Für den IT-Bereich sei zuerst eine genaue Bedarfsanalyse vorzunehmen, dann seien heimische Ressourcen zu suchen und erst als letzte Möglichkeit seien ausländische Fachkräfte nach Österreich zu holen. Eine »Green Card« ist für Verzetnitsch nicht die geeignete Lösung für den Arbeitskräftemangel im IT-Bereich. Er sieht den Schwerpunkt eher in der internen Ausbildung und Umschulung. Dort soll die Wirtschaft ansetzen, denn in Österreich herrsche eine Ausbildungslücke gerade im IT-Bereich. Österreich wurde überrollt, die Entwicklung unterschätzt, Kompetenzstreitigkeiten im Forschungsbereich hätten das ihre dazu beigetragen.

Ausbildung muss Vorrang haben

Die entscheidende Frage bei der »Knappheitsdiskussion« lautet daher, ob die Beschäftigungs- und Qualifizierungspotentiale vorrangig und mit vollem Einsatz ausgeschöpft werden, bevor ein allfälliger Bedarf durch ausländische Arbeitskräfte abgedeckt wird. Das es die Wirtschaft mit dieser Rangfolge nicht so genau nimmt und eine ausgebildete und zudem noch meist billigere Arbeitskraft aus dem Ausland vorzieht, bevor sie diese teilweise selbst ausbilden muss, mag zwar aus einem rein betriebswirtschaftlichen Kalkül heraus verständlich sein, kann jedoch kein leitender Grundsatz sein, weil er weder volkswirtschaftlichen und schon gar nicht sozialpolitischen Ansprüchen genügt.

Der Schlüssel zum Erfolg heißt »Bildung«

Eine wesentliche Herausforderung muss es daher sein, die im Grunde ausreichend vorhandenen Arbeitskräfteangebote höher zu qualifizieren. Die Nutzung dieser Möglichkeiten beeinflusst die Größe der verbleibenden »Lücke«, die durch ausländische Arbeitskräfte geschlossen werden soll, ganz wesentlich. Das setzt aber auch die Bereitstellung entsprechender Fördermittel voraus. Dem steht die Politik der derzeitigen Bundesregierung aber entgegen. Die durchgeführten und geplanten Mittelabschöpfungen und die Sparmaßnahmen in der Bildungspolitik sind ebenso kontraproduktiv wie die Wirkung des beschlossenen Kinderbetreuungsgeldes, das den erwünschten Anstieg der Erwerbsbeteiligung der Frauen bremst. Auch das zuletzt sehr stark nachgefragte »Altersteilzeitgeld« verringert das »Arbeitskräftevolumen« und wirkt in diesem »Arbeitskräfte-Knappheitsszenario« nicht förderlich.

Reformdialog ließ viele Fragen offen

Enttäuschend verlief sowohl für den ÖGB als auch die AK der Ende Mai stattgefundene Reformdialog »Forschung und Technologie-Entwick-lung«. Er ließ viele Fragen offen - vor allem wurden keine klaren Antworten auf die Frage der Aus- und Weiterbildung gegeben. ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch verlangte eine offensive Vorwärtsstrategie mit klaren Zielvorgaben. Recht auf Bildungskarenz für Arbeitnehmer, die Rücknahme der demotivierenden Studiengebühren und klare Konzepte für eine verstärkte Weiterentwicklung der Fachhochschulen seien gefragt.

Es geht nicht nur um die Frage zusätzlicher Mittel, sondern auch um die Frage der Verbesserung unseres Aus- und Weiterbildungssystems. Eine breite Verfügbarkeit hoch qualifizierter Arbeitnehmer setzt eine bessere Ausbildung und ein systematisches Ausbildungskonzept für alle Systemstufen voraus. »Green Cards« werden den Fachkräftemangel nicht lösen, betont der ÖGB-Chef, sondern »wir müssen auf unsere eigenen Ausbildungssysteme setzen und diese entsprechend verbessern«. Lebensbegleitendes Lernen setzt das Recht auf Bildungskarenz voraus und nicht zuletzt sind verstärkte Bemühungen zur Weiterentwicklung der Fachhochschulen erforderlich. Verzetnitsch: »Wenn es in Oberösterreich 1800 Anmeldungen gibt, aber nur 500 Plätze zur Verfügung stehen, dann ist dringender Handlungsbedarf gegeben.«

Alles Geld nützt nichts, wenn Personal fehlt

Deutlich fiel auch die Kritik von AK-Präsident Herbert Tumpel aus, der ebenfalls dringend von der Bundesregierung Maßnahmen in der Aus- und Weiterbildung, vor allem in den neuen Technologien, fordert: »Alles Geld nützt nichts, wenn gut ausgebildetes Personal fehlt.« Die so genannte Uni-Reform habe lediglich zur Folge, dass die guten Leute die Hochschulen Richtung Ausland verlassen, die Studiengebühren werden für viele Studenten zur unüberwindbaren Hürde, und an den Fachhochschulen haben sich im Herbst 11.200 Personen um einen Studienplatz beworben - aufgenommen konnten nur 4200 werden, ergänzt der AK-Präsident die Kritik von Verzetnitsch aus bundesweiter Sicht.

Besonders für die Schulen im IT-Bereich gibt es für die ersten Klassen dreimal so viel Anmeldungen wie Plätze.

»Statt ständig nach IT-Kräften aus dem Ausland zu rufen, sollen Regierung und Wirtschaft mehr für die Ausbildung in Österreich tun«, kritisiert Tumpel, der zusätzliche Mittel vom Bund fordert, damit mehr Ausbildungsplätze für Zukunftsberufe geschaffen werden.

Heimischer Arbeitsmarkt hat Vorrang

Es gibt also genug Potentiale im eigenen Land, die es zu nützen gilt. Der Schrei nach ausländischen Arbeitskräften entspringt lediglich dem Wunsch der Wirtschaft nach möglichst »billigen Arbeitskräften«. Solange Arbeitslose und bereits in Österreich lebende Ausländer für die Unternehmer nur zweite Wahl sind und auch das Ausländerkontingent nicht voll ausgeschöpft wird, sind derartige Forderungen eindeutig überzogen. Dem heimischen Arbeitsmarkt und seinen Arbeitnehmern ist daher absoluter Vorrang einzuräumen.

Dazu gehören entsprechende Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen ebenso wie ein Umdenken der Wirtschaft und ein Abgehen der derzeitigen Regierung von ihrem kontraproduktiven und »bildungsfeindlichen« Kurs. Wir haben genügend eigene Arbeitskräfte - ihnen eine Chance zu geben, darf nicht mit »Ausländerfeindlichkeit« verwechselt werden.

1) Siehe auch »Arbeit & Wirtschaft« 5/2001, Seite 5: »Wirtschaft und Arbeit und die Tricks der Unternehmer«.

Aktuelle Datenlage zur Ausländerbeschäftigung und Ausländerarbeitslosigkeit

Monat Ausländerbeschäftigung Ausländerarbeitslosigkeit
Bestand Veränderung Vorjahr Bestand Veränderung Vorjahr
absolut in % absolut in %
Juli 2000 254.252 +2.271 +0,9 14.837 -1.228 -7,6
Aug. 2000 254.707 +4.130 +1,6 16.128 -700 -4,2
Sep. 2000 257.315 +4.903 +1,9 18.241 -767 -4,0
Okt. 2000 247.533 +2.946 +1,2 22.780 -171 +0,8
Nov. 2000 239.332 +3.928 +1,7 28.227 -1.195 -4,1
Dez. 2000 233.925 +3.804 +1,7 33.994 -39 -0,1
Jän. 2001 226.895 +4.441 +0,2 41.672 +222 +0,5
Feb. 2001 229.662 +3.550 +1,6 40.429 +1.568 +0,4
März 2001 236.600 +1.937 +0,8 33.201 +3.064 +0,2
Apr. 2001 238.993 +269 +0,1 29.118 +3.521 +13,8

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