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Eine virtuelle Krise

KOMMENTAR

Programmierer sind imstande, uns virtuelle Welten vorzugaukeln. Wie sich jetzt gerade gezeigt hat, können das Politiker und Journalisten auch. Die virtuelle Krise, die sie uns vorgaukeln, wäre eine Krise des ÖGB, ausgelöst vom Obmann der Postgewerkschaft.

Dass die Post nicht gerade das Liebkind der Medienmacher ist, liegt auf der Hand. Die Erhöhung der Posttarife für den Zeitungsversand ist ein schmerzhafter Schnitt für die Bilanzen der Zeitungen. Da die Wähler, natürlich auch die Zeitungsleser, vergesslich sind, denkt kaum einer an die Gründe für die ziemlich verzweifelten Maßnahmen der Post. Dem Gesichtskreis der Österreicher ist die Tatsache entschwunden, dass durch faxen und mailen sehr viel von dem, was einst brieflicher Postverkehr und Einnahmen durch Briefmarken waren, verloren gegangen ist.

Die Regierungen haben zwar seit langem die Gewinne kassiert und für die nötigen Investitionen wurde die Post auf den Kreditweg verwiesen. Jetzt, wo das alles schlagend wird, soll das Postmanagement einschließlich der Postgewerkschaft die Suppe auslöffeln.

Was nun die Meinung der Mitglieder des ÖGB anbelangt, kann von einer Krise des ÖGB keine Rede sein. Seit Jahrzehnten wird in regelmäßigen Abständen, etwa viermal pro Jahr, das Image des Österreichischen Gewerkschaftsbundes von der Arbeitsgemeinschaft für Information und Medienforschung erhoben.

Das Image des ÖGB ist stabil und mit ihm kann wohl das Vertrauen der Mitglieder in die Organisation und damit ihre Krise gemessen werden. Bei einem Polaritätstest bei etwa 500 befragten Gewerkschaftern hat der ÖGB folgendes Image:

Er ist:
vertrauens erweckend 69 %
einflussreich 65 %
verantwortungsbewusst 75 %
angriffslustig 54 %
hilfreich 73 %
kraftvoll 50 %
modern, allerdings nur 43 %

Diese Meinung wurde in der Form erhoben, dass Vertrauensleute der Arbeitsgemeinschaft für Information und Medienforschung jeweils 10 Kollegen im Betrieb einen Fragebogen und ein Kuvert geben, der Kollege füllt diesen Fragebogen aus, gibt ihn ins Kuvert und damit ist gesichert, dass keine Beeinflussung des Befragten durch den Interviewer erfolgt und somit die Meinung wirklich objektiv ist. Über Jahre ist das Image des ÖGB weitgehend unverändert geblieben, und das kann für die Zukunft auch erwartet werden. Wo ist da die Krise? Was nun Präsident Verzetnitsch anbelangt, wird er auf Grund einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft (SWS) vom Juni dieses Jahres bei 1300 Befragten von 10 % als Persönlichkeit genannt, die der Befragte hoch schätzt. Die Speerspitze seiner Gegner, nämlich Ing. Westenthaler, wurde bei der gleichen Umfrage nur von 2 % hoch geschätzt.

Wer lange am Fluss sitzt, sieht viele Leichen vorbeischwimmen und wer lange genug lebt - und ich lebe nun schon lange genug - kann viele Skandale erleben. Da gab's einen, der den ÖGB wirklich erschüttert hat, nämlich der von Franz Olah. Der ÖGB hat diese Krise, mit der die gegenwärtige gerade in Nanometern gemessen werden kann, überstanden. Wenn der ÖGB Mitglieder verloren hat, so deshalb, weil die Großbetriebe in der Regel infolge weltwirtschaftlicher Entwicklungen, zum Teil aber auch infolge von Managementfehlern sehr abgespeckt haben und die verstaatlichten Großbetriebe zum Teil aus eigener Schuld, zum Teil durch bewusste politische Aktionen, geschrumpft sind. Bekanntlich lassen sich Frauen in Schuhgeschäften schwerer organisieren als Metallarbeiter in einem Stahlwerk.

Schwer kritisiert wurde Präsident Verzetnitsch, weil er nicht krisengeschüttelt und flügelschlagend herbeigeeilt ist, weil sich einige Personalvertreter in einem Betrieb, der von der Politik in seine beengten Verhältnisse gedrängt wurde, ziemlich bedenkenlos selbst bedient haben. Dass es alles andere als kollegial gewesen wäre, seiner Stellvertreterin und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass nur er imstande und berufen ist, in schwierigen Situationen den ÖGB zu vertreten und dass schon gar nicht eine Frau hier berufen ist, die Pfeile der Kritik auf sich zu lenken und sie abzuwehren. Es war zwar offensichtlich nicht geplant, aber hätte man es geplant, dass Präsident Verzetnitsch erst auftaucht, nachdem Politiker und Medienmacher ihr Pulver verschossen haben, so wäre es eine strategisch geniale Planung gewesen.

Jetzt ist natürlich der Gewerkschaftsbund samt seinen Betriebsfunktionären aufgerufen, in der Gegenoffensive neues Terrain zu gewinnen, und da bekanntlich Angriff die beste Verteidigung ist, wäre er schlecht beraten, mit Erklärungen und nochmals Erklärungen, Enthüllungen und Outings eine politische Gegnerschaft, die sich ja gar nicht beruhigen will, zu beruhigen. Aufzuklären wäre, wieso zahllose Betriebe durch die Privatisierung oder was man in Österreich Privatisierung nennt, in Schwierigkeiten kommen, wie schwer es ist, Betriebsfunktionäre für die meist unbedankte Arbeit eines Betriebsrats oder Personalvertreters zu gewinnen und wie sehr die Freiheitliche Partei durch Gründung einer Gegengewerkschaft, allerdings mit einer Pleite endend, versucht, auf allen Ebenen den ÖGB zu schädigen. Weiters wäre der ÖGB gut beraten darzulegen, dass die Überparteilichkeit ein außerordentlich hohes gewerkschaftliches Gut ist und dabei natürlich immer wieder Konzessionen gemacht werden müssen, um die Minderheitsfraktionen bei der Stange zu halten. Im Übrigen sollen sich jene Kräfte, die dem ÖGB nicht besonders freundlich gesonnen sind, keine allzu großen Sorgen um die Urabstimmung machen - und wenn sie es tun, sollten sie sich wenigstens darüber im Klaren sein, dass je mehr der Gewerkschaftsbund angegriffen wird, umso populärer und bekannter werden die Urabstimmung und ihre Zielsetzungen. Für jede Partei gibt es einen todsicheren Weg Wahlen zu verlieren, Image zu verlieren und dauerhaften Schaden zu erleiden. Es müssen sich nur Spitzenfunktionäre in der Öffentlichkeit in die Haare geraten und sich über die Medien Unfreundlichkeiten ausrichten. Besonders abstrus ist es dann, wenn über Themen gestritten wird, von denen der wenig informierte Staatsbürger keine Ahnung hat, z. B. über die Organisationsreform des ÖGB, über die seit vielen Jahren verhandelt wird und bei der es unvermeidlicherweise Gewinner und Verlierer geben muss. Die Verlierer bremsen, und die potentiellen Gewinner wollen, dass etwas weitergeht.

Von Johann Böhm haben wir aber gelernt, dass man in einer Gewerkschaftsbewegung nichts erzwingen kann, man kann nur versuchen, zu überzeugen. Freilich, wer sich nicht überzeugen lassen will, wird sich taub stellen und da kann Präsident Verzetnitsch noch so laut und eindringlich argumentieren.

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