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Entwicklung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre)
Erwerbsquoten bei kontinuierlichem Beschäftigungswachstum bis 2030

Zur Zukunft der Pensionen | Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung

EUROPA

Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklung auf die Pensionsquote. In der öffentlichen Diskussion um die Zukunft der Alterssicherung wurde bisher die demographische Entwicklung in den Mittelpunkt gestellt. Anstieg des Altenanteils = Anstieg der Pensionsquote - so die Formel, die sowohl in den Medien als auch auf den Stammtischen die Runde macht. Im Ergebnis steht dann nicht selten die Behauptung, im Jahr 2030 werde »notwendigerweise« die Zahl der Pensionen ebenso hoch liegen wie die Zahl der Beitragszahler. In EU-Dokumenten wird demgegenüber seit einiger Zeit betont, dass die Entwicklung der Altenquoten alleine nur wenig aussagt. Auch von AK und ÖGB wurde in der Pensionsdiskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass die alleinige Bezugnahme auf die demographische Entwicklung viel zu kurz greift und dass vor allem die Entwicklung der Beschäftigung von ganz entscheidender Bedeutung ist. Die AK Wien hat nunmehr beim Wifo eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarktentwicklung und Pensionsquote aufgezeigt werden.

Von der Leistungsfähigkeit und Finanzierbarkeit der Alterssicherungssysteme ist letztlich die gesamte Bevölkerung abhängig. Betroffen sind nicht nur die älteren Menschen, die eine Pension beziehen, sondern auch die Jüngeren, die Beitrags- und Steuerzahler, die bereits jetzt auf ein ausreichendes und sicheres Alterseinkommen vertrauen können müssen. Die Einkommenssicherung im Alter zählt daher zu den wichtigsten Aufgaben der Sozialpolitik.

Eine der Hauptherausforderungen der Finanzierungsdiskussion um die Pensionen in Europa und auch in Österreich war und ist dabei die Tatsache, dass Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren tiefe Spuren im Sozialsystem hinterlassen hat. Durch Arbeitslosigkeit (bzw. durch geringere Erwerbsbeteiligung) vermindert sich die Zahl der Beitragszahler und damit auch der Einnahmen. Zugleich werden aber gerade auch durch Arbeitslosigkeit Arbeitnehmer frühzeitig in die Pension gedrängt, sodass die Zahl der Pensionen steigt und die Ausgaben zunehmen.

Meist ist jedoch nicht von diesen aktuellen ökonomischen Risiken und Problemen die Rede, wenn von der Zukunft der Alterssicherung gesprochen wird. Die Diskussion wird seit Jahren von der Sorge um die Auswirkungen der Verschiebungen im Bevölkerungsaufbau auf die Altersvorsorge beherrscht.

Wie lässt sich die Pensionsversicherung finanzieren, wenn immer mehr älteren Menschen immer weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter gegenüberstehen und sich diese Problematik bis zum Jahr 2030 laufend zuspitzt? Im Ergebnis steht dann nicht selten die Behauptung, im Jahr 2030 werde notwendigerweise die Zahl der Pensionen ebenso hoch liegen wie die Zahl der Beitragszahler. Eine Formel, die vielfach bei Medien als auch an den Stammtischen die Runde macht.

Europäische Diskussion

In der Diskussion auf europäischer Ebene bekommt demgegenüber seit einiger Zeit wieder der Arbeitsmarkt als Ansatzpunkt im Bereich der Pensionssicherung einen immer größeren Stellenwert. In mehreren Dokumenten auf europäischer Ebene wird betont, dass die Nachhaltigkeit europäischer Pensions-(Pensionsversicherungs-)Systeme sehr eng mit der zukünftigen Arbeitsmarktentwicklung und vor allem der Erwerbsbeteiligung der Menschen zusammenhängt. Auch vom Österreichischen Gewerkschaftsbund wurde in der Pensionsdiskussion immer wieder darauf hingewiesen, dass die Arbeitsmarktentwicklung für die Zukunft der Alterssicherung von entscheidender Bedeutung ist. Ein hohes Beschäftigungsniveau ist ein Garant für die finanzielle Nachhaltigkeit des österreichischen Pensionssystems.

WIFO-Studie »Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung«1)

Die Arbeiterkammer Wien hat zu diesen Fragen nunmehr eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wechselwirkungen zwischen Arbeitsmarkt und Pensionen aufgezeigt werden. Vor allem anhand der Pensionsquote lassen sich die starken Rückwirkungen des Arbeitsmarktes auf die Pensionsversicherung zeigen.

Unter Pensionsquote (manchmal auch »Pensionslastquote«) wird dabei die Zahl der Pensionen je tausend Beschäftigungsverhältnisse verstanden. Sie betrug im Jahr 1999 617. Die Pensionsquote von 617 besagt demnach, dass auf 1000 pensionsversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse 617 ausgezahlte Pensionen fallen (Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenpensionen).

In den nächsten 30 Jahren ist dabei nach den gängigen Bevölkerungsprognosen davon auszugehen, dass die Zahl der Menschen im Haupterwerbsalter (von 15 bis unter 60 Jahren) zurückgehen wird (-16 Prozent) und jene im Alter ab 60 Jahren stark zunehmen wird (+66 Prozent). Die entscheidende Frage ist, wie sich die Verschiebung in der Altersstruktur auf die Pensionsquote auswirken wird. Diese Quote wird nämlich nicht nur von den demographischen Verschiebungen beeinflusst, sondern in mindestens ebenso starkem Ausmaß von den Bewegungen im Erwerbsverhalten der Menschen.

Das WIFO hat nun unter Zugrundelegung der Bevölkerungsprognosen in mehreren Modellrechnungen 3 Fragen untersucht2):

Welche Pensionsquoten ergeben sich bis 2030 bei unveränderter Erwerbsbeteiligung, welche bei einem durchschnittlichen jährlichen Beschäftigungswachstum von 0,4 Prozent und welche, wenn die heutigen skandinavischen Erwerbsquoten in Österreich erreicht würden? Und dazu gab es interessante Ergebnisse.

Zukünftige Pensionsquoten bei unveränderter Erwerbsbeteiligung

In diesem ersten Szenario des WIFO wurde davon ausgegangen, dass die Erwerbsquote (Anteil der beschäftigten Männer zwischen 15 und 64 Jahren bzw. Anteil der beschäftigten Frauen zwischen 15 und 60 Jahren), die in Österreich 1999 bei rund 68 Prozent lag, bis 2030 unverändert bleibt. Aufgrund der rückläufigen Zahl der Bevölkerung im Alter zwischen 15 und 64 in den nächsten 30 Jahren und des starken Anstiegs der älteren Bevölkerung bedeutet eine konstante Erwerbsquote ein starkes Ansteigen der Pensionsquote (weniger Aktive, mehr Pensionisten). Die Pensionsquote steigt in diesem Szenario von 617 (1999) auf 889. Konstante Erwerbsquoten der Österreicherinnen und Österreicher würden also die Pensionsquote um mehr als ein Drittel erhöhen.

Entwicklung der Pensionsquote bei steigender Beschäftigung in Österreich

In einem zweiten Szenario hat das WIFO die Entwicklung der Pensionsquote bei weiter steigender Beschäftigung in Österreich vorausberechnet. Hauptannahme in dieser Modellrechnung war ein weiterer Beschäftigungsanstieg von 0,4 Prozent pro Jahr, was einen Anstieg der Erwerbsbeteiligung der österreichischen Bevölkerung erfordert3).

Bei diesem angenommenen jährlichen Beschäftigungswachstum bis 2030 erhöht sich die Pensionsquote von gegenwärtig 617 auf nur 766 im Jahr 2030. Man sieht also, dass das Beschäftigungswachstum das Ansteigen der Pensionsquote stark dämpft und die Pensionsfinanzierung erleichtert. Bei noch stärkeren Beschäftigungszuwächsen würden die Pensionsquoten unter den obigen Werten liegen.

»Nordland-Szenario«: Entwicklung der Pensionsquote, wenn Österreich skandinavische Erwerbsquoten erreicht

In einem dritten Szenario hat das WIFO schließlich die Pensionsquotenentwicklung unter der Annahme vorausberechnet, dass Österreich in den nächsten Jahrzehnten skandinavische Erwerbsquoten erreicht. So liegt die österreichische Erwerbsquote derzeit knapp über dem EU-Durchschnitt, aber deutlich unter der Erwerbsquote der nordeuropäischen Länder (z. B. Norwegen und Dänemark mit jeweils 80,6 Prozent). So ist z. B. das dänische Erwerbsquotenniveau durch eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen, der 15- bis 24-Jährigen und auch der über 50-Jährigen gekennzeichnet. Würde bis 2015 in Österreich das derzeit in Dänemark gegebene Erwerbsquotenniveau erreicht sein, läge die Pensionsquote mit 595 sogar niedriger, als sie gegenwärtig ist.

Schlussfolgerungen

Aus den drei Szenarien kann man wichtige Schlussfolgerungen für die Finanzierung der Pensionen ziehen, wie es auch das WIFO tut:

Die finanzielle Stabilität der Alterssicherung wird nicht nur durch die Demographie und das Pensionssystem, sondern auch durch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bestimmt. Die Perspektive einer schrumpfenden Zahl von Erwerbspersonen lässt in den nächsten Jahrzehnten eine weiter steigende Nachfrage nach Arbeitskräften und steigende Erwerbsquoten erwarten. Je höher die Erwerbsquote und das Beschäftigungsniveau sind, umso größer ist die Zahl der Beitragszahler und umso niedriger die Pensionsquote. Unter realistischen Arbeitsmarktperspektiven ist längerfristig mit deutlich geringeren Pensionsquoten zu rechnen, als in den bislang veröffentlichten Studien erwartet wurde. Der Arbeitsmarkt ist damit ein zentraler Ansatzpunkt, um den abzusehenden Struktureffekten in der Pensionsversicherung durch die Veränderung im Altersaufbau der Gesellschaft zu begegnen. Die arbeitsmarktpolitischen Chancen liegen dabei vor allem in zwei Entwicklungen:

1. Die sinkenden Zahlen der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre) erhöhen die Arbeitsmarktchancen von Frauen und älteren Arbeitskräften.

2. In den nächsten drei Jahrzehnten ist mit einer weiterhin steigenden Arbeitskräftenachfrage zu rechnen.

Diese Entwicklungen können für neue Chancen von Frauen und allen voran für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genützt werden.

Die Politik ist bei der Steuerung der entsprechenden Rahmenbedingungen - Stichworte »Vereinbarung von Beruf und Familie, betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen für ältere Arbeitskräfte usw.« - gefordert.

Es bleibt also dabei: Ausschlaggebend für die Finanzierbarkeit der Alterssicherung ist vor allem die gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Wachstum, Arbeitsproduktivität und Beschäftigung bestimmen den sozialpolitischen Finanzierungsspielraum. Eine aktive Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, durch die die Arbeitslosigkeit abgebaut und das Beschäftigungsniveau erhöht wird, sowie die Anhebung der Arbeitnehmereinkommen sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Finanzierung der Pensionen.

PENSIONSQUOTE 2000 bis 2030
WIFO-Szenarienrechnung
Zahl der Personen je 1000 Beitragszahler:
Szenario: 1999 2015 2030
»konstante Erwerbsquoten« 617 760 889
»Beschäftigungswachstum« 617 656 766
»Dänemark/Norwegen« 617 595 782
»Rürup« 599 (1995) 764 980

1) »Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung - Auswirkungen der Arbeitsmarktentwicklung auf die Pensionsquote«, Studie im Auftrag der AK Wien, 2001.

2) Zu beachten ist, dass es bei den Vorausberechnungen des WIFO nicht um eine Prognose geht, sondern um Modellrechnungen.

3) Auf Basis 2000 bedeutet ein Beschäftigungszuwachs um 0,4 Prozent ein Plus von rund 12.500 Beschäftigten. Gleichzeitig wurde im Modell eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit in den nächsten drei Jahrzehnten zugrunde gelegt.

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(C) AK und ÖGB

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