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Zwischen Blabla und Radausprache

Eine Safari in den Gerededschungel

Einem gewissen Bart Koske verdanken wir den Buchtitel »Die Zukunft ist fuzzy«. Unter fuzzy hat sich der Leser den Begriff Unschärfe vorzustellen, obwohl er sich noch an die siebziger Jahre erinnern kann. Da gab es im Film den knolligen Sheriff gleichen Namens. Und der war damals mit Flankerl, Fussel oder Fitzerl zu übersetzen. Sprache funktioniert - im Glücksfall - übers Denken. Und diesbezüglich meint besagter Koske, dass »fuzziges Denken alle Bereiche unseres Lebens ..., von Politik und Genetik über Technik und Kunst, durchdringen wird«. Wer kritisch hinhört und hinschaut, wird feststellen können, dass es bereits so weit ist.

Sprachverwilderung

Karl Kraus hat gemeint, dass schlampiges Denken zu schlampigem Schreiben (und offenbar auch zu dem entsprechenden Reden) führe. Die Sprachverwilderung ist also sichtlich keine ganz neue Entartung, und sie geht damals wie heute einerseits mit einem krampfhaften Hang zur Ausdrucksverknappung, anderseits mit einer ebenso wenig lockeren Freude am Schwulst einher, der sich in nicht immer überprüfter Begriffsverwendung ergeht.

Obwohl man ausreichend Zeit dafür aufbringt, sich im Ausdruck geradezu barock zu verschnörkeln, hat man es zugleich auch so eilig, dass man einen Hang zur gelegentlichen Sprachverknappung entwickelt: Während man seine Lime trinkt, ehe man zur Demo geht, denkt man gar nicht daran, dass es an Info mangelt. Aber die benötigt man als Polit-Promi ja gar nicht. Notfalls bezieht man sich darauf, was einem die Spin Doctors (Spin mit einem N) einflüstern. Womit wir bei den modischen Fremdwörtern angelangt wären, die uns umbranden.

Sprachschluderei

Höchst unterschiedliche Jugendliche werden breiig zu Kids, die ältere Generation wird, gleich vorgestrigen Hits, zu Oldies. Jede Belanglosigkeit gerät in den Rang eines Events (worunter eigentlich ein besonderes Ereignis zu verstehen wäre). Wenn man das alles so checked, dann könnte man schon dem Fatigue Syndrom verfallen. Aber meist rastet man deshalb nicht aus, obwohl man nach so viel Sprachschluderei sich einmal ausrasten sollte, relaxen sozusagen.

Die modische Lehnwortbildung (relaxen etwa) ist aber auch nicht ganz ohne. Ein Beispiel danken wir der Sportreportage: Bodycheck hat man früher einfach einen Rempler genannt. Und so ist heutzutage aus »gerempelt« sprachvereinfachend gebodychecked (geboditschekd) geworden.

Wortaufblähungen

Wortaufblähung ist aber auch muttersprachlich üblich: Mieten ist zu wenig, man muss anmieten. Füllen reicht nicht aus: Man befüllt also die Flaschen und findet es echt urgeil, dass sie wiederbefüllbar sind. Im Bereich der Wortblähung (wenn auch nicht der Aufblähung) ist der Terminus Bestuhlung ruchbar geworden, worunter man sich die Aufstellung von Sitzgelegenheiten vorzustellen hat, nur zum Sitzen und sonst nichts weiter. Das Mietshaus, in dem man offenbar als Mietser den Zins nicht schuldig bleiben darf (man muss Mietse zahlen), ist lediglich mit einem unrichtigen kleinen s gedehnt, vergleichbar der auch aus höchsten Mündern so tönenden Interessensvertretung: Da ist man hellhörig, weil es um die eigenen Interessens geht. Wer hingegen sprachliche Interessen vertritt, auf den fahren die Leute kaum ab, da sind sie weder motiviert noch engagiert und überhaupt nicht voll da. Und wer voll da ist, bedarf eigentlich der Ausnüchterung, denn Voll-Sein ist ja eine miese Performance. Diese Show kann einem gestohlen bleiben.

Bei derart negativer Reaktanz liegt wohl eine enttäuschte Erwartungshaltung vor (wie enttäuscht man Haltungen?), und man kann da weder cool bleiben noch das Ganze cool finden. Prolos sind einfach nicht in, Machos kriegt frau (als Gegensatz von man) nicht auf die Reihe, Realos sind auch nicht super, und Faschos turnen einen auch nicht an. Da sind andere Prioritäten (also mehrere Erstrangigkeiten) und Aktivitäten zu setzen (= tun), denn sonst müsste man fast Ängste um sich selber haben (Angst allein genügt nicht mehr) - das alles ist freilich nur virtuell zu verstehen. Will sagen: nicht wirklich.

So also läuft's (vormals: geht's) im verbalen Bereich. Bleibt somit noch übrig, im ganzen Satz zu schwelgen. Dazu darf beruhigend angemerkt werden, dass auch anno dazumal miserabel dahergeredet und -geschrieben worden ist: »Das deutsche Volk ist sich dessen bewusst, dass kein Krieg kommen könnte, der uns jemals mehr Ehre geben würde, als wir im letzten erworben haben.«

Das hat Hitler 1933 so festgeschrieben, und Festschriften sind eben manchmal sprachlich nicht besonders ausgebufft. Machen wir's vergleichsweise einmal brand new: »Das Multitalent Celentano zeigt dem Gottessohn und seinem Alten, wie ein echter Profi die Message rüberbringt - Volle Power ... live auf der Glotze.« Das ist doch kreativer kommunikativ umgesetzt als bei Hitler, der offenbar keine Ahnung von Promotion gehabt hat.

Wie man promotet, habe ich dem Bericht eines politischen Geschäfteführers entnommen, der sichs jüngst in die Privatwirtschaft verbessert hat: »Die Kampagne ist nicht nur in ihrem zeitlichen, sondern auch in ihrem organisatorischen Umfang als intensiv einzustufen.« Statt: »Der Tisch ist rund«, sagt man halt: »Irgendwie hat der Tisch ein kreisförmiges Design.« Und man darf fragen, wie ein Umfang intensiv einzustufen ist. Aber unser Geschäfteführender setzt unbarmherzig fort: »Es wird notwendig sein, ein breites Service- und Trainingspaket anzubieten.« Obwohl man schon froh sein darf, dass hier nicht die übliche »breite Palette« in Betracht gezogen wurde, so wäre doch zu klären, ob ein breites Paket nicht vielleicht einer gewissen Höhe bedürfte, vom eventuellen Tiefgang des Services ganz zu schweigen.

Im Medialbereich (wozu überlegt werden muss, was diese Medien eigentlich vermitteln) geht es durchaus gleichwertig zu: »Unerwünschte Massenmails sind ärgerlich und verbrauchen Ressourcen. Das Dossier listet (auf der Homepage der WZ) Strategien zur Abwehr auf und gibt Anleitungen für Gegenmaßnahmen.« Was einem da aufgelistet wird, sollte man erst gar nicht denen abzulisten versuchen, die Strategien (im Plural) anbieten, obwohl sie nur Verhaltensweisen (also Taktik) anzubieten haben.

Feldherren sind froh, wenn sie eine einzige Strategie (= Aufstellung der Truppen) haben. Aber im Sprachradau sind hehre Begriffe zu schal. Man muss alles multiplizieren, so wie man es halt vom Abcashen gewohnt ist (vgl. anmieten).

Vom Sprachradau zum offenkundigen, aber dennoch oft nicht als solchen wahrgenommenen Galimathias (den man auch mit Doppel-L schreibt) ist es nur ein kurzer Schritt. Der kakanische General Thümel dichtete einmal vor sich hin: »Des Lebens Unvernunft mit Wehmut zu genießen, ist Tugend und Begriff.« Und so weit muss es gar nicht gehen. Es genügt schon, wenn man den nicht beherrschten Begriff Klischee mit Kult verwechselt und dabei wenig sinnvoll die Mozartkugeln mit Lipizzanern und Neutralität wertend gleichsetzt.

Man erkennt: Hier besteht Handlungsbedarf. Weniger modisch: Man müsste etwas tun und gleich dazusagen, was.

Wortschatz

Die Sprachschluderer sind keine Leser (wenn man von kaum lesenswerter Kleinformatigkeit absieht). Und Fernsehen, in dem schleißig synchronisierte ausländische Serien - gegen solche Ausländerei hat offenbar niemand etwas - dominieren oder sprachlich konfektionierte Produkte des eigenen Sprachraums, leistet auch keinen positiven Vorschub. Lesen erweitert den Wortschatz, der mit Recht so heißt. Ein Wortschatz steht in Widerspruch zu einer Sprachignoranz, die ehedem die Neureichen ausgezeichnet hat, heute aber auch weniger Wohlhabenden zumutbar zu sein scheint.

Von Sprachschluderei und Radausprache ist es nicht mehr weit zu jener Neusprache, die George Orwell im Roman »1984« vorgestellt hat. In ihr kann alles auch das Gegenteil bedeuten: Wenn zum Beispiel eine zeitgenössische Regierung von Reform spricht ...

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