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Für unseren Sozialstaat. Jetzt!

Eine gewisse Verwahrlosung der Sozialstaatsidee und seiner Einrichtungen konnte man schon lange beobachten: die gedachte Selbstverwaltung in der Kranken-Unfall-Pensionsversicherung verschwand aus dem Bewusstsein der Versicherten, ging in das Eigentum der Sozialpartner über. Dringend notwendige Anpassungen unterblieben, wie etwa die Hereinnahme aller Österreicher in die Allgemeine Unfallversicherung.

Eine durch einen Arbeitsunfall verursachte Querschnittslähmung hat Rechtsanspruch auf die bestmögliche Behandlung, Rehabilitation, auf angemessene Berentung, während der durch Freizeitunfall verursachte Querschnitt diese Ansprüche nicht hat. Dieselbe Verletzung, zwei Schicksale. Das ist Zweiklassenmedizin, gehört längst beseitigt, ist auch leicht zu beseitigen. Auch die Unterversicherung der geringfügig Beschäftigten, der Jungen mit vier Jobs, der Frauen mit Hungerlöhnen, all das blieb unerledigt liegen.

Ohne Übung kein Bestand

Vielleicht wurde der Gedanke der Solidarität, diese in Strukturen gegossene Nächstenliebe, nicht ausreichend gepflegt. Das Gute bedarf der Aufmerksamkeit aller, hält sich nicht, wenn Gewöhnung eintritt. Solidarisches Handeln muss ausgeübt werden, sonst schwindet es.

Also: Das Sozialstaatsprinzip, aber auch seine Einrichtungen, wurden seit Jahren verschlampt. Die Wenderegierung macht damit Schluss. Sie schafft die seit 1889, seit Otto von Bismarck, steuerfreie Unfallrente ab, sie schafft den freien Zugang zu Spitälern und Universitäten ab, sie stellt die Selbstverwaltungen kalt, installiert folgsame Regierungskommissare, die, etwa in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, die Beiträge der Arbeitgeber herabsetzen, Leistungen der Versicherten kürzen, heimlich über die Schließungen von Unfallkrankenhäusern beraten, also an der Struktur der weltweit bewunderten österreichischen Unfallversorgung rütteln.

Die Neoliberalen wünschen sich einen schlanken Sozialstaat, schon beginnt man mit dem Aushungern. Herr Bartenstein sagt: Lohnnebenkostensenkung. Und Herr Haupt beginnt die Unfallversicherung zu ruinieren. Grasser sagt: Nulldefizit, und schon plündert man die Arbeitslosenversicherung. Milliarden werden abgeschleppt, und der Maulheld Westenthaler will den Arbeitslosen »die Daumenschrauben« fester drehen, will ihnen das ohnehin schmale, weil gekürzte Arbeitslosengeld nochmals kürzen. Knapp vorher wollte er und die Kobra Riess-Passer die Gewerkschaften beseitigen.

Strafmaut für Spitalsbesuche

Das ist autoritär. Das darf man nicht hinnehmen. Daher: Der Sozialstaat muss in die Verfassung. Es geht nicht an, dass eine dahergelaufene Regierung mit einer Minimehrheit ruiniert, was allen Österreichern gehört. Daher das Volksbegehren. Wäre die von uns vorgeschlagene Sozialstaatsklausel (siehe Kasten) schon jetzt in der Bundesverfassung, die Besteuerung der Amputierten, angeblich zugunsten der Behinderten, die Einführung einer Strafmaut für Spitalsbesuche, natürlich auch im Notfall (die Regierungsinserate lügen), die Liquidierung der Selbstverwaltung, all das wäre uns erspart geblieben. Denn niemals hätte sich eine Zweidrittelmehrheit für eine derart menschenfeindliche, autoritäre Gesundheitspolitik gefunden.

Und es ist autoritär, wenn Gesundheitsminister Haupt, von Beruf Veterinär, Patienten wie Tierhorden aus den Spitalsambulanzen in die Ordinationen treiben will. Sind diese geschlossen, und sie sind es an 120 von 168 Wochenstunden, zahlen die Patienten 18 Euro und 17 Cent Strafe. Sind die Ordinationen geöffnet und der Praktiker überweist die alte Dame mit der gebrochenen Hand in die Unfallambulanz, verlangt der Veterinär 10 Euro 90 Cent Maut.

Wie Wegelagerer die Patienten abstieren

Wir haben eine Regierung, die wie Wegelagerer die Patienten vor den Spitälern überfällt und abstiert. Weil wir das nicht wollen: Volksbegehren, dann abwählen. So einfach ist das.

Natürlich dient der Sozialstaatsabbau einem hehren Zweck: dem Nulldefizit. Wobei die dahinter stehende These lautet: Der Sozialstaat ruiniert den Staat. Das aber ist falsch.

Die Entwicklung in den Prosperitätsphasen der Nachkriegszeit zeigt, dass der Sozialstaat keinesfalls Hauptursache für steigende Staatsschulden ist.

Bis Anfang der siebziger Jahre ging die Staatsschuldenquote deutlich zurück, obwohl der Sozialstaat in dieser Phase massiv ausgebaut wurde. Umgekehrt stieg die öffentliche Verschuldung in den vergangenen 20 Jahren markant an, während gleichzeitig der Sozialstaat abgebaut wurde. Nicht der Sozialstaat gefährdet den Staat, wohl aber gefährden die unbarmherzigen Katholiken und egomanischen Blauen den Sozialstaat.

Gibt es aber nicht doch die Kostenexplosion in der Krankenkassa, das Spitalsdefizit? Nein, gibt es nicht. Unser Gesundheitssystem ist, das sagt die Weltbank in Washington, effizient und billig. 99 Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu allen Gesundheitseinrichtungen, und das für lächerliche 8,2 Prozent des Volkseinkommens. Amerika gibt 13 Prozent für Gesundheit aus, und die Hälfte der Bevölkerung ist unterversorgt.

Das ist ein Paradebeispiel für die Leistungsfähigkeit des Solidarischen Systems.

DER TEXT DES VOLKSBEGEHRENS

Die UnterzeichnerInnen begehren folgende Ergänzung der österreichischen Bundesverfassung:

Dem Art. 1 (»Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.«) wird ein Absatz 2 angefügt.

Dieser lautet:

»Österreich ist ein Sozialstaat.

Gesetzgebung und Vollziehung berücksichtigen die soziale Sicherheit und Chancengleichheit der in Österreich lebenden Menschen als eigenständige Ziele.

Vor Beschluss eines Gesetzes wird geprüft, wie sich dieses auf die soziale Lage der Betroffenen, die Gleichstellung von Frauen und Männern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt auswirkt (Sozialverträglichkeitsprüfung). Die Absicherung im Fall von Krankheit, Unfall, Behinderung, Alter, Arbeitslosigkeit und Armut erfolgt solidarisch durch öffentlich-rechtliche soziale Sicherungssysteme. Die Finanzierung der Staatsausgaben orientiert sich am Grundsatz, dass die in Österreich lebenden Menschen einen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage angemessenen Beitrag leisten.«

Fleißig, anständig, tüchtig

Wollen wir amerikanische oder brasilianische Verhältnisse? Wollen wir eine Gesellschaft der »Fleißigen und Tüchtigen« (Haider), der »Anständigen und Tüchtigen« (Schüssel-Kohl), also eine Gesellschaft, in der gespalten statt umverteilt wird, in der ausgesondert statt integriert wird, in der Arbeitslose verleumdet statt die Arbeitslosigkeit bekämpft wird? Nein, das wollen wir nicht. Daher: Volksbegehren »Sozialstaat Österreich«.

Unser Gesundheitssystem baut keine »Defizite«. Es hält 24 Stunden am Tag die Pforten für alle Bürgerinnen und Bürger geöffnet, das 365 Tage im Jahr. Er verwaltet alle von uns geleisteten Beiträge und Steuern sorgfältig und billig. Auch das bewundert die Welt. Nur der Veterinär verkündet das Gegenteil, verleumdet die gute österreichische Sozialbürokratie, um parteipolitisch gezielt im Hauptverband ausmisten zu können.

Natürlich wird Gesundheitssicherung nicht von Jahr zu Jahr billiger. Spitäler sind personalintensive Einrichtungen. Wenn dazu noch, bedingt durch schrumpfende Lohngesamtsumme, durch steigende Schwarzarbeit und Sozialstaatskriminalität, - ein Frächter sitzt, Hinterzieher gibt es aber viele -, eine heftige Beitragseinnahmenerosion stattfindet, dann wäre für Beitragserhöhungen, für Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zu sorgen, wären die Beitragshinterzieher zu verhaften, wäre, was sofort möglich wäre, ein Nulldefizit im Sozialstaat herzustellen.

Katechismus, Seite 613

Bekämpft man die Sozialstaatskriminalität? Nein, man versteckt die Hinterzieher. Herr Bartenstein und Herr Schüssel, oft vorgezeigte Kirchgänger, sollten im Weltkatechismus nachblättern. Dort steht unter »Soziallehre der Kirche«: »Es ist ungerecht, den Institutionen der Sozialversicherung die von den zuständigen Autoritäten festgesetzten Beiträge nicht zu entrichten.« (Katechismus, Seite 613). Es ist in der Soziallehre viel vom gerechten Lohn die Rede, viel Richtiges wird über Arbeitslosigkeit gesagt, auch darüber berichtet, was man nicht dem freien Markt überlassen könne.

Aber sie lesen nicht, die unbarmherzigen Vorzeigekatholiken in der Regierung. Wobei es bezeichnend ist, dass die Kirche ihre Soziallehre unter dem siebenten Gebot verkündet. Und das lautet: Du sollst nicht stehlen.

Die unbarmherzigen Vorzeigekatholiken überlassen die Sozialpolitik, die Gesundheitssicherung dem Veterinärmediziner Haupt. Der wütet und fuhrwerkt vor sich hin. Wenn sich herausstellt, dass die Ambulanzgebühr gesundheitspolitisch und ökonomisch dumm ist, nichts ist mit Einnahmen, die Österreicher nicht steuerbar wie Viehherden sind, dann lässt er um Abermillionen Inserate drucken und verlautbart, dass er und seinesgleichen in der Wenderegierung schon wüssten, was das Volk zu tun habe.

Weil aber der Sozialstaat uns allen und nicht einem Tierarzt gehört, darum Volksbegehren »Sozialstaat Österreich«.

Info unter www.sozialstaat.at

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