topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

»Strategie von Lissabon« | Chancen und Voraussetzungen aus Arbeitnehmersicht

HINTERGRUND

Von der europäischen Öffentlichkeit noch kaum wirklich wahrgenommen, hat der Europäische Rat im März 2000 in Lissabon eine neue Strategie verabschiedet, die das Potential hat, Europa nachhaltig zu verändern. Ziel der Strategie ist es, die Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Mehr noch - »zu einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen Zusammenhalt zu erreichen«. Was sagen die Interessenvertreter der Arbeitnehmer dazu?

Aus Arbeitnehmersicht besonders hervorzuheben ist, dass mit Lissabon endlich das Konzept der Vollbeschäftigung auf europäischer Ebene angesprochen wird. So bezeichnet die Europäische Kommission das Streben nach Vollbeschäftigung als »Herzstück der Lissabonner Strategie«. Dementsprechend wird erstmals seit ihrer Einführung in den »Grundzügen der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft 2000« die Rückkehr zur Vollbeschäftigung als Hauptziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik definiert.

Was sind die besonderen Merkmale dieser Strategie? Warum wurde dieser ambitionierte Prozess in Gang gesetzt? Ist Lissabon die Weichenstellung für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Beschäftigungs- und Sozialunion, wie dies besonders von Arbeitnehmerseite seit Jahren mit Nachdruck eingefordert wird? Eine Studie der AK Wien versucht diese Fragen zu beantworten und die positiven und negativen Elemente der Strategie aus Arbeitnehmersicht zu bewerten.

Historische Ausgangslage

»Die Europäische Union ist mit einem Quantensprung konfrontiert, der aus der Globalisierung und den Herausforderungen einer neuen wissensbasierten Wirtschaft resultiert.« Dieser Satz in den Schlussfolgerungen von Lissabon umschreibt die Hauptantriebsfedern der Strategie. Gleichzeitig geht es darum, die bestehenden Defizite der sozio-ökonomischen Entwicklung zu beseitigen. Denn - so die Staats- und Regierungschefs in Lissabon - trotz der derzeit »besten makro-ökonomischen Perspektiven seit einer ganzen Generation« dürfen die Schwächen nicht übersehen werden:

  • Mehr als 15 Millionen Europäer sind nach wie vor arbeitslos.
  • Die Beschäftigungsrate ist zu niedrig und durch eine ungenügende Beteiligung von Frauen und älteren Arbeitskräften am Arbeitsmarkt gekennzeichnet.
  • In Teilen der Union bestehen eine strukturelle Langzeitarbeitslosigkeit und ausgeprägte regionale Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit fort.
  • Der Dienstleistungssektor ist unterentwickelt, besonders im Telekommunikations- und im Internet-Bereich.
  • Qualifikationsdefizite nehmen zu, vor allem in der Informationstechnologie, wo immer mehr Stellen unbesetzt bleiben.

Vor diesem Hintergrund zielt die »Strategie von Lissabon« auf eine radikale Umgestaltung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft bis zum Jahr 2010. Dabei geht es konkret um

  • den Übergang zu einer wissensbasierten Wirtschaft und Gesellschaft;
  • mehr Wachstum durch geeigneten makro-ökonomischen Policy-Mix;
  • die Modernisierung des europäischen Gesellschaftsmodells.

Die Lissabonner Schlussfolgerungen sind geprägt von den damals noch euphorischen Erwartungen in Bezug auf die Herausbildung einer wissensbasierten Wirtschaft und die Bedeutung der digitalen Technologien. Diese würden aus Sicht der Kommission die Hauptantriebskraft für ein ausgeprägtes Wachstum in der Union in den nächsten Jahren sein. Mittlerweile ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Die jüngste Entwicklung in den USA, sowohl der realen Wirtschaft als auch - und insbesondere - der Finanzmärkte, demonstriert, dass die in eine vermeintlich »neue« Wirtschaft gesetzten Hoffnungen überzogen waren. Verschiedene Untersuchungen belegen zudem, dass die These von einem neuen Produktivitätsschub in den USA durch die technologische Dynamik der »New Economy« statistisch (noch) nicht belegbar ist. Ergänzende Bemühungen zur Förderung des Wirtschaftswachstums sind daher unumgänglich.

Besondere Merkmale der Strategie

Zur Umsetzung der anspruchsvollen Lissabon-Agenda bis 2010 haben die Staats- und Regierungschefs eine besondere »Konstruktion« entwickelt. So gibt es neben dem globalen strategischen Ziel, bis zum Jahr 2010 der dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt mit Vollbeschäftigung zu werden, eine Reihe von quantifizierten Zielen in verschiedenen Politikbereichen, die es ermöglichen, die Fortschritte auf diesem Weg zu bewerten. Die Gesamtbeschäftigungsquote soll bis 2010 auf 70%, die Frauenbeschäftigungsquote auf über 60%, die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer auf 50% erhöht werden. Vor allem Letztere ist eine sehr anspruchsvolle Zielvorgabe, derzeit haben gerade 38% dieser Altersgruppe einen Arbeitsplatz. Leider bleibt es nur bei diesen Zielindikatoren. Weitere quantifizierte Beschäftigungs- und Sozialziele, wie z. B. eine von der Kommission vorgeschlagene Arbeitslosenquote von 4% oder die Ausmerzung der Kinderarmut bis 2010 (Vorschlag der damaligen portugiesischen Präsidentschaft) wurden nicht übernommen. Festgeschrieben wurde hingegen eine durchschnittliche Wachstumsrate von 3 % zur Erreichung dieser Ziele.

Neben diesen quantifizierten Zielen sind es vor allem zwei institutionelle »Innovationen«, die bei dieser Konstruktion ins Auge fallen:

1. Wichtiges Ergebnis von Lissabon war die Festlegung auf einen jährlichen Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates über Wirtschafts- und Sozialfragen, auf dem jeweils die konkrete Umsetzung des Lissabonner Globalzieles überprüft und vorangetrieben werden soll. Der Europäische Rat von Stockholm im März 2001 war das erste diesbezügliche Frühjahrstreffen, das nächste wird in Barcelona stattfinden. Die Einführung einer jährlichen speziellen Frühjahrstagung des Europäischen Rates ist ein in der Geschichte der europäischen Integration einmaliger Vorgang. Der Europäische Rat - und damit die Staats- und Regierungschefs der Union - hat sich damit selbst enorm unter Erfolgszwang gesetzt. Das Lissabon-Follow-up konzentriert sich jedoch nicht nur auf die Frühjahrsgipfel, sondern wird auf allen Gipfeltreffen ein Thema sein.

2. In Lissabon wurde eine neue Methode europäischer Politikgestaltung, das so genannte »offene Koordinierungsverfahren«, eingeführt. Diese Methode hat durchaus den Charakter einer »institutionellen Innovation«, weil sie eine gemeinsame Vorgangsweise in Politikfeldern ermöglicht, in denen die Kompetenz rechtlich bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt. Statt Vergemeinschaftung weiterer Politikfelder soll ein koordinierter Wettbewerb im Sinne eines Lernprozesses auf europäischer Ebene gemeinsame Zielvorgaben umsetzen.

Bewertung aus AK-Sicht

In den Schlussfolgerungen von Lissabon findet sich der bemerkenswerte Satz: »Die Menschen sind Europas wichtigstes Gut und müssen im Zentrum der Politik der Union stehen.« Wenn dieser Satz ernst gemeint ist, müsste mit Lissabon eine Weichenstellung in Richtung einer Beschäftigungs- und Sozialunion eingeleitet worden sein und damit auch eine weitgehende Änderung in der wirtschaftspolitischen Grundausrichtung der Europäischen Union. Ein in dieser Deutlichkeit noch nie abgegebenes Bekenntnis der Staats- und Regierungschefs zu einer Politik der Vollbeschäftigung hat diesbezüglich berechtigte Hoffnung aufkeimen lassen.

Als zentrale Schlussfolgerung unserer Analyse ausgewählter Politikbereiche kann festgehalten werden, dass diese Weichenstellung noch nicht manifest ist. Dies lässt sich konkret anhand folgender Entwicklungen darstellen:

Keine Verzahnung von europäischer Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik

Auch nach Lissabon ist eine institutionelle Gleichwertigkeit von Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene nicht in Sicht. Die Dominanz der Wirtschafts- und Währungspolitik über andere Politikbereiche ist ungebrochen. Dies zeigt sich

  • am strikten Festhalten an Stabilitätszielen in der makro-ökonomischen Politik der Union;
  • an der mangelhaften inhaltlichen und zeitlichen Synchronisierung zwischen Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik auf europäischer Ebene;
  • am Außerachtlassen verteilungspolitischer Zusammenhänge bei der Konzeption von Wirtschafts-, Währungs-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik.

Die beiden derzeit wichtigsten Koordinierungsprozesse auf europäischer Ebene - die wirtschaftspolitische Koordinierung im Rahmen der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und die Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitiken im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie - sind sowohl zeitlich als auch inhaltlich nicht gleichgewichtig miteinander abgestimmt. Gemäß EG-Vertrag müssen die beschäftigungspolitischen Leitlinien mit den Grundzügen der Wirtschaftspolitik im Einklang stehen und nicht umgekehrt. Diese werden in der Regel Mitte Juni vom Europäischen Rat genehmigt und geben somit den Arbeits- und Sozialministern die Richtung vor (die beschäftigungspolitischen Leitlinien und der gemeinsame Beschäftigungsbericht werden vom Europäischen Rat im Dezember angenommen).

Wir fordern daher eine inhaltliche und zeitliche Synchronisierung beider Koordinierungsprozesse. Konkret: Beide Koordinierungsprozesse sollten gleichgewichtig abgestimmt und jeweils am Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates politisch abgesegnet werden. Gleichzeitig sind die europäischen Sozialpartner stärker einzubinden. Hier gibt es eine interessante Entwicklung: Der EGB, UNICE und CEEP haben im November 2001 vorgeschlagen, den ständigen Ausschuss für Beschäftigungsfragen durch einen Dreier-Konzertierungsausschuss für Wachstum und Beschäftigung zu ersetzen. Dieser soll zukünftig als Forum zwischen den Sozialpartnern und den öffentlichen Behörden für die in Lissabon definierte europäische Wachstums- und Beschäftigungsstrategie fungieren. Zukünftig wird es auch vor jeder Frühjahrstagung des Europäischen Rates einen Sozialpartner-Gipfel geben.

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftsentwicklung wird sichtbar, wie sehr sich die Politik wichtiger Handlungsfelder begeben hat. Die in drei Schritten erfolgte Verschärfung der fiskalischen Disziplin für die nationale Budgetpolitik (Konvergenzkriterien, Stabilitäts- und Wachstumspakt, Vorgaben hinsichtlich der Budgetstrukturen) zeigt ihre Wirkung. Tatenlos sehen die Wirtschafts- und Finanzminister der steigenden Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten zu, den Arbeits- und Sozialministern sind wegen der ihnen auferlegten budgetären Fesseln die Hände gebunden - Beschäftigungspolitik wird nicht als Aufgabe der Gestaltung von Wirtschafts-, Währungs- und Budgetpolitik begriffen, sondern vorrangig als Frage der Strukturen auf dem Arbeitsmarkt. Bei der notwendigen Modernisierung der Systeme der sozialen Sicherheit - von der Versorgung im Krankheitsfall über die Altersversorgung bis hin zur Armutsbekämpfung - steht nicht die Frage der Leistungsfähigkeit dieser Systeme im Vordergrund, sondern die Eindämmung der Kosten für die öffentlichen Haushalte.

Vollbeschäftigung erfordert Neukonzeption der makro-ökonomischen Politik

Zunächst ist positiv festzuhalten, dass das Ziel der Vollbeschäftigung nunmehr auch in den Grundzügen der Wirtschaftspolitik - dem Kerndokument europäischer Politik im Rahmen der Lissabon-Strategie - verankert ist.

Allerdings teilen wir nicht das dahinterliegende Konzept, das tendenziell auf niedrigere Löhne, erhöhte Unsicherheit und Risiken und eine Verringerung sozialer Schutzmaßnahmen abzielt. Der europäische Weg zur Vollbeschäftigung muss mit angemessenen Löhnen, sozialer Sicherheit und hohen arbeitsrechtlichen Standards verbunden sein.

Wir halten es daher unter anderem für notwendig, über den Sozialen Dialog eine europäische Mindestlohnpolitik zu etablieren. Wie die Analyse der »Grundzüge« zeigt, hat die Rückkehr zum Ziel der Vollbeschäftigung bislang noch zu keiner Änderung der wirtschaftspolitischen Grundausrichtung geführt. Nach wie vor wird auf ein angebotsorientiertes Wirtschaftsmodell gesetzt, das schon bisher nicht in der Lage war, die eingangs skizzierten Defizite in der sozio-ökonomischen Entwicklung abzubauen.

Notwendig ist daher eine Neukonzeption der makro-ökonomischen Politik, die eine kooperative Geldpolitik und eine expansivere Ausrichtung der Fiskalpolitik mit dem Ziel zulässt, die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll zu bekämpfen. Eine entsprechende Reinterpretation des Stabilitäts- und Wachstumspaktes soll die bugdetpolitischen Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten erweitern.

Mangelhafte Verbindlichkeit der europäischen Beschäftigungspolitik

Seit dem Vertrag von Amsterdam steht der Union ein rechtlich geregeltes Verfahren zur Verfügung, das auf die Entwicklung einer abgestimmten Beschäftigungsstrategie zielt. Dieser Prozess ist im Wesentlichen erfolgreich, problematisch ist aber seine mangelhafte Verbindlichkeit. Das einzige Druckmittel in Richtung tatsächlicher Beachtung beschäftigungspolitischer Zielsetzungen ist die jährliche Veröffentlichung so genannter »beschäftigungspolitischer Empfehlungen der Europäischen Union« an ihre Mitgliedstaaten.

Wir gehen nicht so weit, ein undifferenziertes Sanktionsinstrumentarium zu verlangen, wie es im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgelegt wurde. Denkbar wäre aber, dass bei nachhaltigem Verfehlen der quantitativen Ziele in den beschäftigungspolitischen Leitlinien das zwischen dem betroffenen Mitgliedsland und der Kommission vereinbarte Programm des Europäischen Sozialfonds (ESF) so verändert wird, dass die Finanzmittel des ESF vorrangig zur Finanzierung von Maßnahmen eingesetzt werden, die notwendig sind, um die erkannten Defizite in der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Mitgliedstaates zu beseitigen.

Alterssicherung vor neoliberalem Hintergrund

Lissabon leitet auch eine neue Ära in der Alterssicherung ein. Die Bewältigung der demographischen Herausforderung ist zu einem europäischen Thema geworden. Dabei besonders begrüßenswert ist, dass in der Lissabon-Strategie der enge Zusammenhang zwischen Erwerbsbeteiligung und Alterssicherung betont wird. Bei näherer Analyse der Dokumente und Diskussionen zeigt sich jedoch, dass diese Diskussion oftmals von einer neoliberalen Ideologie überlagert wird, die unter dem Titel finanzielle Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Pensionssysteme zu einer Zurückdrängung sozialer Zielsetzungen führen kann.

Dieser neoliberale Hintergrund zeigt sich insbesondere in folgenden Entwicklungen:

1. Die in vielen Staaten existente niedrige Erwerbsbeteiligung wird in den einschlägigen Dokumenten fast ausschließlich auf individuelle Unzulänglichkeiten der Betroffenen (mangelnde »employability«) und/ oder auf vermeintlich nicht gegebene Anreize in den sozialen Sicherungssystemen für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben zurückgeführt. Die Erfahrungen vor allem älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt widersprechen dieser Argumentation, die letztlich auf Sozialabbau abzielt.

Die Schaffung altersgerechter Arbeitsplätze, eine generelle Änderung der negativen Einstellung gegenüber älteren Arbeitnehmern und natürlich auch die Sicherung der Leistungskraft der Beschäftigten sind aus unserer Sicht die erforderlichen beschäftigungspolitischen Antworten zur langfristigen Alterssicherung.

2. Die undifferenzierte Forderung nach einem Ausbau der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge wird von uns ebenfalls kritisch hinterfragt. Eine wertfreie Nebeneinanderstellung der drei so genannten »Säulen« der Alterssicherung übersieht, dass es zwischen öffentlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge massive quantitative und qualitative Unterschiede gibt (so gibt es z. B. in Betriebspensionssystemen keine sozialen Ausgleichsmechanismen wie die Anrechnung von Kindererziehungszeiten, von Zeiten der Arbeitslosigkeit). Zudem zeigt die Börsenentwicklung, dass eine massive Verlagerung von umlagefinanzierter zu kapitalgedeckter Altersversorgung auch zu keinem Mehr an Sicherheit führt, wie das bisher vielfach behauptet wird.

Wir halten daran fest, dass ein öffentliches Sicherungssystem nach wie vor am ehesten den Herausforderungen der Zukunft gerecht werden kann. Betriebspensionen und Privatvorsorge sind eine sinnvolle Ergänzung, aber kein vollwertiger Ersatz für eine gesetzliche Alterssicherung.

Ausblick

Der diesjährige Frühjahrsgipfel des Europäischen Rates in Barcelona (März 2002) hat erneut anschaulich dokumentiert, welche große Bedeutung der Europäische Rat der Lissabon-Strategie beimisst. Gleichzeitig zeigte sich nach den euphorischen Gipfeltreffen in Lissabon und Stockholm jedoch erstmals eine gewisse Ernüchterung in Bezug auf die Erreichung des neuen strategischen Ziels.

Die Union steht jedenfalls noch vor großen Anstrengungen, will sie glaubhaft an der Umsetzung der Lissabonner Zielvorgaben festhalten. Ohne hier im Detail auf die Ergebnisse des Gipfels von Barcelona eingehen zu können, ist festzuhalten, dass eine Änderung der wirtschaftspolitischen Grundausrichtung nach wie vor nicht in Sicht ist. Auch in den nächsten Jahren wird der Druck auf die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte anhalten. In Barcelona wurde festgeschrieben, dass die Mitgliedstaaten spätestens im Jahr 2004 einen nahezu ausgeglichenen oder einen Überschuss aufweisenden Haushalt erreichen sollen.

Das bedeutet eine Fortsetzung der restriktiven Budgetpolitik, die aus unserer Sicht eine Schwächung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach sich zieht und damit die Lissabonner Zielvorgaben gefährdet. Positiv ist der Beschluss, die Zeitpläne für die Festlegung der Grundzüge der Wirtschaftspolitik und des jährlichen Beschäftigungspakets so bald wie möglich zu synchronisieren, allerdings bleibt der Vorrang der Wirtschaftspolitik weiterhin unangetastet.

Gleichzeitig hat der Europäische Rat erneut die Vollbeschäftigung als Kernstück der Lissabonner Strategie und Hauptziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik bestätigt. Es wurden auch neue quantifizierte Zielsetzungen für 2010 vereinbart, u. a. die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Erkenntnis, dass das hehre Ziel der Vollbeschäftigung eine Neukonzeption der makro-ökonomischen Politik, die der Beschäftigung eine zentrale Rolle einräumt, erfordert, ist jedenfalls auf Ebene des Europäischen Rates noch nicht mehrheitsfähig.

Es bleibt zu hoffen, dass der bereits aktiv gewordene Konvent zur Vorbereitung der nächsten Regierungskonferenz diese Thematik aufgreift und sich für eine Weiterentwicklung der Union zu einer Beschäftigungs- und Sozialunion ausspricht.

Die Studie »Strategie von Lissabon« kann bestellt werden unter: gernot.mitter@akwien.or.at oder
norbert.templ@akwien.or.at

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum