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»Solidarität und soziale Gerechtigkeit in einer globalen Wirtschaft« | Leitantrag beim 17. Bundeskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes

HINTERGRUND

Ende Mai (vom 27. bis 31. 5.) fand der Bundeskongress des DGB statt. Der dort beschlossene Leitantrag scheint uns von so grundlegendem Interesse, dass wir ihn hier ungekürzt wiedergeben (Hervorhebungen von der Redaktion). Bemerkenswert scheint uns z. B. die direkte und explizite Kritik an der Politik der EU und das Eintreten für eine »Tobinsteuer« bzw. »Devisenumsatzsteuer«.

Die Globalisierung ist eine neue Stufe der seit langem anhaltenden Internationalisierung der Weltwirtschaft. Sie bietet Chancen und Risiken. So können individuelle Emanzipation und solidarische Kooperation durch technologischen Fortschritt und die informationstechnische Revolution weiterentwickelt werden. Aber die möglichen positiven Seiten weltweiter Vernetzung können sich nicht entfalten, solange die Bedingungen der Globalisierung allein von Finanzmarktakteuren und multinationalen Konzernen gesetzt werden. Hunger und Armut in den größten Teilen der Welt, Rezession und Arbeitslosigkeit in den Industrieländern, Finanzkrisen mit drohendem Staatsbankrott, Kriege und nicht zuletzt auch Terrorismus zeigen, wie anfällig der globale Kapitalismus ist. All diese Krisensymptome machen überdeutlich, dass eine an der neoliberalen Wirtschaftsideologie orientierte Globalisierung zum Scheitern verurteilt ist.

Bisher überwiegen insbesondere in den Entwicklungsländern die Risiken, weil die nationale und internationale Politik dem Irrtum anhängt, dass soziale Mindeststandards und soziale Gerechtigkeit Hindernisse für die wirtschaftliche Entwicklung sind. Doch nach europäischen Erfahrungen ist das Gegenteil der Fall: Ein funktionierender und ausgleichender Sozialstaat, eine ausgebaute Infrastruktur und eine relativ gleichmäßige Einkommensverteilung sind die Voraussetzungen für sozialen Frieden, hohe Beschäftigung und befriedigendes Wachstum. Nur wenn diese Erkenntnis die nationale und internationale Politik leitet, lassen sich in Zukunft aus der Globalisierung für alle Beteiligten der Weltwirtschaft Vorteile ziehen. Nur dann wird es gegen eine weitere Globalisierung keine nationalen und internationalen Widerstände mehr geben. Die Globalisierung muss schließlich für die Menschen auch Demokratie in der Politik und Partizipation in der Wirtschaft einschließen.

Der DGB fordert, dass in einer globalisierten Wirtschaft die Grundsätze von Solidarität und sozialer Gerechtigkeit umgesetzt werden.

Die Beschäftigungschancen sind zu erhöhen und die unerträglich hohe Arbeitslosigkeit ist abzubauen.

Globalisierung darf nicht zum Abbau des Sozialstaates führen, vielmehr sind sozialstaatliche Elemente die Voraussetzung für eine gleichgewichtige Globalisierung.

Die Politik und die weitere internationale Gewerkschaftsarbeit stehen vor großen Herausforderungen, um die sehr ungleiche Bilanz der sozialen Gerechtigkeit und die weltwirtschaftliche Integration fair zu gestalten. Dazu gehört, dass die Regelungen des internationalen Miteinanders demokratisch legitimiert und kontrolliert werden.

Solidarität und Gerechtigkeit sind auch in einer globalen Welt möglich. Der Prozess der Globalisierung muss aber gestaltet werden. Die deutschen Gewerkschaften werden sich daran aktiv beteiligen.

Sozialer Ausgleich und Beschäftigungschancen in Deutschland

Kapitalorientierte Globalisierung hat die in Deutschland vorherrschende Wahrnehmung von Internationalisierung als Standortkonkurrenz geprägt. Internationale Wettbewerbsfähigkeit wird dabei an der Attraktivität der Standortbedingungen für die Unternehmen gemessen. Vorrangiges Ziel von Politik und Wirtschaft in Deutschland muss es sein, die Arbeitslosigkeit abzubauen. Deshalb braucht Deutschland eine grundlegende Neuorientierung in der Wirtschaftspolitik und in der Standortdebatte.

Ein hoher Beschäftigungsstand und ein hoher Lebensstandard sind mit schlichten Kostensenkungsstrategien, Sozialabbau und Deregulierung nicht zu erreichen. Wichtig sind vielmehr die Produktivitätsentwicklung, die Produkt- und Dienstleistungsinnovation und die Bereitstellung günstiger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen.

Nicht die Globalisierung ist die maßgebliche Ursache der sozialen Schieflagen in Deutschland. So weist der deutsche Armuts- und Reichtumsbericht aus, dass die soziale Ungleichheit bei den Markteinkommen bereits seit Anfang der siebziger Jahre zugenommen hat und durch die Steuer- und Sozialpolitik nur unzureichend korrigiert wurde.

Allerdings geraten auch in einem Land, das wie Deutschland zu den Gewinnern des internationalen Handels gehört, die Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die sozialen Sicherungssysteme unter Druck.

Um das steigende Einkommensgefälle zu reduzieren, fordert der DGB:

  • qualifizierte Arbeitskräfte,
  • berufliche Weiterbildung und Eingliederung von Arbeitslosen und der vom Strukturwandel betroffenen Arbeitnehmer,
  • Ausbau und Modernisierung von betrieblicher Ausbildung,
  • mehr Mitbestimmung in Betrieben und Unternehmen,
  • sozial- und familienorientierte flexible Arbeitszeiten,
  • die Förderung der Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. Die Grundlagen gewerkschaftlichen Handelns dabei sind:
  • arbeitnehmergerechtere Arbeitszeitmodelle und gerechte Verteilung der Arbeit,
  • Vermeidung von Mehrarbeit und Überstunden,
  • wirksame Bekämpfung von Sozial- und Einkommensdumping,
  • die regulierte Zuwanderung,
  • die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wenngleich die Globalisierung nicht als exklusive Erklärung der zunehmenden sozialen Ungleichheit in Deutschland gelten kann, darf der Zusammenhang zwischen Globalisierung und wachsendem Einkommensgefälle nicht übersehen werden. Es gibt Globalisierungsgewinner und -verlierer. Ein Ausgleich zwischen den Gewinnern und Verlierern der Globalisierung findet allerdings in Deutschland nur unzureichend statt.

Für den solidarischen Ausgleich innerhalb der Gesellschaft ist deshalb ein verteilungspolitischer Richtungswechsel notwendig:

  • Die bestehenden sozialen Schieflagen müssen überwunden, dazu das Einkommensgefälle ausgeglichen und die sozialen Ausgrenzungen bei den niedrigen Einkommen und die Armut beseitigt werden. Um Deutschland auf dem Entwicklungspfad einer demokratischen Gesellschaft zu halten, müssen durch sozialen Ausgleich allen die gleichen gesellschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten eingeräumt werden.
  • Gleichzeitig müssen die Instrumente des sozialen Ausgleichs geschärft werden, damit die Voraussetzungen für Wachstum und Strukturwandel gestärkt werden. Dies gilt insbesondere für die sozialstaatlichen Fürsorge- und Sicherungssysteme. Bei all dem gilt, dass in Deutschland nicht weniger, sondern mehr Solidarität gefordert ist. Um die Arbeitnehmer von übermäßigen Finanzierungsabgaben zu entlasten und den notwendigen sozialen Ausgleich sicherzustellen, müssen alle sozialen Gruppen in den sozialen Ausgleich einbezogen werden.
  • Für eine Politik des sozialen Ausgleichs tragen die Gewerkschaften als Tarifpartei eine besondere Verantwortung. Eine Einkommensverteilung, die zu Gunsten der Arbeitnehmer die Steigerung der Realeinkommen verbessert, ungerechte Einkommensdifferenzen zwischen Arbeitern und Angestellten sowie zwischen Frauen und Männern abbaut und durch geeignete tarifpolitische Regelungen die Qualifizierungsanstrengungen der Beschäftigten unterstützt, ist anzustreben.
  • Verteilungspolitischer Handlungsbedarf besteht für die Gewerkschaften, aber auch bei der Sozial- und Steuerpolitik. Gerade auf diesen politischen Feldern ist ein verteilungspolitischer Richtungswechsel erforderlich. Erst dadurch kann die Leistungsfähigkeit des über den Staat organisierten sozialen Ausgleichs wiederhergestellt werden. Durch geeignete Sozialtransfers und öffentliche Infrastruktur ist dabei der soziale Ausgleich so zu gestalten, dass Humankapital in erforderlichem Umfang gebildet wird und zum Einsatz kommen kann.

Das europäische Sozialmodell weiterentwickeln

Der DGB fordert die Regierungen der Europäischen Union und die Europäische Kommission auf, die Idee eines europäischen Sozialstaates zu erhalten und weiterzuentwickeln.

Die Erfahrungen mit der einseitig angebotsorientierten Politik der neunziger Jahre zeigen, dass allein mit Strukturreformen die erhofften Wachstumsimpulse nicht erzielt werden können. Die Überwindung der Beschäftigungskrise benötigt vielmehr auch gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen, die ein nachhaltiges Wachstum ohne Inflation ermöglichen. Erforderlich ist dabei eine neue Balance zwischen Arbeitsumverteilung, sozialer Sicherheit und Flexibilität.

Die deutsche und europäische Wirtschaftspolitik hat sich zukünftig vermehrt auf expansive Strategien für mehr Beschäftigung zu konzentrieren.

  • Die Europäische Zentralbank muss den notwendigen geldpolitischen Flankenschutz für ein kräftigeres Wachstum liefern. Sie muss ihrer Konjunkturverantwortung verstärkt nachkommen. Eine gleichgewichtige Berücksichtigung des Beschäftigungs- und Wachstumsziels neben dem Stabilitätsziel ist eine wichtige Voraussetzung für die Europäische Währungsunion und für den Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland und in Europa. Dafür ist Artikel 105 der konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft entsprechend zu ändern.
  • Bedingung für die Umsetzung der Wohlstandsgewinne aus Produktivitätsfortschritten in gesamtwirtschaftliches Wachstum sowie in eine soziale und gerechte Verteilung sind starke Gewerkschaften und die Tarifautonomie. Dies gilt national und international. Nur eine ausreichend hohe Massenkaufkraft ist auf Dauer ein Rezept zum Abbau der Arbeitslosigkeit.
  • Die Finanzpolitik ist aufgerufen, die Fehler der neunziger Jahre zu vermeiden und einen im Konjunkturverlauf atmenden Haushalt zuzulassen. Das heißt, konjunkturbedingte Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen müssen ebenso wie Mehrausgaben bei der Arbeitsmarktpolitik hingenommen werden. Um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten, muss die öffentliche Infrastruktur verstärkt ausgebaut werden. Öffentliche Investitionen sind nötig für eine moderne und ökologisch verträgliche Infrastruktur, für die Deckung sozialer Bedarfe sowie für die Sicherung der Umwelt. Hierfür muss dringend die Finanzkraft der Kommunen gestärkt werden.

Der DGB fordert, dass die einseitigen Kürzungen auf der Ausgabenseite und vor allem bei den Sozialleistungen und öffentlichen Investitionen beendet werden. Auf der Einnahmenseite muss eine gerechte Besteuerung hergestellt werden. Große Vermögen und Erbschaften sind unter Beachtung des Prinzips der Leistungsfähigkeit der Besteuerung, etwa durch die Wiedereinführung der Vermögensteuer bzw. die Verschärfung der Erbschaftsteuer, zu unterwerfen.

Zudem sind die geltenden Steuergesetze konsequent anzuwenden, z. B. durch die Erfassung aller Einnahmen aus Kapitalvermögen sowie durch regelmäßige steuerliche Betriebsprüfungen. Steuerschlupflöcher sind, auch im Wege internationaler Vereinbarungen, zu stopfen.

Internationale Steuersenkungswettläufe, wie sie z. B. bei der Unternehmensbesteuerung feststellbar sind, müssen unterbunden werden, um die staatliche Finanzkraft zu sichern und die Zukunftsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft zu erhalten.

Der Trend, den Arbeitnehmern immer mehr Steuerlasten aufzubürden, muss beendet werden. Bei der Finanzierung von öffentlichen Inves-titionen ist zu beachten, dass hier die Vorfinanzierung über Kredite nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist, wenn sich der Nutzen aus diesen Investitionen über mehrere Generationen verteilt.

Die Beseitigung von Hunger und Armut

Die Erträge der Globalisierung sind sehr ungleich verteilt. Große Teile der Weltbevölkerung haben keine Aussicht auf Steigerung ihres Lebensstandards, Entwicklungsländer holen ihren ökonomischen und sozialpolitischen Rückstand nicht auf. Viele Länder sind nicht zuletzt deshalb von politischer Stabilität und Demokratie noch weit entfernt. Dies fördert auch die Oligarchiebildung, Korruption und ungleiche Einkommensverteilung innerhalb der Entwicklungsländer. Die Entwicklungsländer müssen mehr als bisher von der Globalisierung profitieren. Deshalb fordert der DGB die Bundesregierung und die Europäische Union auf, einen aktiven Beitrag zu leisten, der globalen Wirtschaft einen menschlichen und ökologisch verantwortbaren Rahmen zu setzen. Die globale Wirtschaft hat dem Menschen zu dienen und nicht umgekehrt.

Die Beseitigung von Armut und Hunger und die Sicherung des Friedens sind für den DGB die obersten Ziele internationaler Politik.

Der Erhalt und der Zugang zu den natürlichen Ressourcen, insbesondere Wasser und Boden, sind die Basis sicherer Ernährung für die Menschen in vielen Entwicklungsländern. Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik sind gleichermaßen gefordert, ökologische Krisen zu vermeiden. Der DGB fordert die Bundesregierung auf, sich auf allen betroffenen Politikfeldern für den Klimaschutz, die Bekämpfung der Wüstenausbreitung, die Förderung erneuerbarer Energien und die Sicherung des Zugangs zu sauberem Wasser einzusetzen.

Der DGB unterstützt die Bundesregierung und ihr Aktionsprogramm zur Armutsbekämpfung:

  • Das Ziel, die weltweite Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren, kann jedoch nur erreicht werden, wenn weltweit mehr Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden.
  • Die Bundesregierung muss das politische Ziel von 0,7% des Bruttosozialproduktes für Entwicklungshilfe mit einem konkreten Zeitplan zügig umsetzen.
  • Die Einnahmen aus einer Devisenumsatzsteuer sollten für Entwicklungshilfe verwendet werden.
  • Die konkrete Umsetzung der Initiative für die hochverschuldeten Entwicklungsländer (HIPC) ist zu beschleunigen. Den verschuldeten Entwicklungs- und Schwellenländern sollte ermöglicht werden, ihren Schuldendienst zu begrenzen. Mehr Entwicklungsländer als bisher müssen die HIPC-Initiative in Anspruch nehmen können.
  • Die soziale Ausgestaltung der Globalisierung erfordert eine stärkere Beteiligung und Mitsprache der Entwicklungsländer bei den internationalen Organisationen. Dies gilt für den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank ebenso wie für die Welthandelsorganisation.
  • IWF und Weltbank müssen ihre Verpflichtung zur weltweiten Armutsbekämpfung in konkrete Maßnahmen umsetzen. Dabei ist besonders darauf zu achten, dass Gewerkschaften bei der Formulierung und Durchführung von Programmen beteiligt werden. Auf internationaler Ebene müssen Gewerkschaften den Dialog mit den internationalen Finanzinstitutionen (IWF und Weltbank) und der Welthandelsorganisation intensivieren, um langfristig eine permanente gewerkschaftliche Vertretung bei diesen Institutionen zu erreichen.
  • Für die Umsetzung der sozialen Dimension der Globalisierung tritt der DGB für eine Stärkung der Rolle der Internationalen Arbeitsorganisation und die weltweite Achtung der von ihr verabschiedeten Konventionen zur Vereinigungsfreiheit, dem Recht auf Tarifverhandlungen sowie zur Ächtung von Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Diskriminierung ein.

Für eine soziale Gestaltung der internationalen Wirtschaft

Der DGB tritt für eine soziale Wirtschaftspolitik auf internationaler Ebene ein und fordert:

  • eine Integration grundlegender Arbeitnehmer- und Menschenrechte in das multilaterale Handels- und Investitionsregime;
  • ein ständiges Forum zwischen Internationaler Arbeitsorganisation, Welthandelsorganisation und anderen internationalen Institutionen, um das Verhältnis zwischen Welthandel und sozialer Entwicklung zu klären und Ungleichgewichte aufzuheben;
  • die Aufnahme der Kernarbeitsnormen auf die Agenda der bilateralen Handelspolitik der Europäischen Union.

Der DGB setzt sich für eine gerechte Teilhabe der Entwicklungsländer am Weltwirtschaftssystem ein. Dies beinhaltet:

  • die Aufhebung von Handelshemmnissen gegenüber Entwicklungsländern;
  • die Möglichkeit von Ausnahmen bei bestimmten Liberalisierungsverpflichtungen, um eine nachhaltige Entwicklung in den Entwicklungsländern zu fördern;
  • Zugeständnisse für geistiges Eigentum, der Schutz der Artenvielfalt und die Ausnahmeregelungen für lebenserhaltende Medikamente (wie z. B. für Aids und für Malaria);
  • die Berücksichtigung von Umweltaspekten im internationalen Handels- und Investitionsregime;
  • die gleichrangige Behandlung von Handels- und Umweltbelangen auf internationaler Ebene.

Der DGB fordert für den Handel mit Dienstleistungen die Einhaltung klarer Marktordnungsprinzipien. Öffentliche Dienste und wichtige soziale Dienstleistungsbereiche, wie z. B. Bildung, Gesundheit, Umwelt sowie innere und äußere Sicherheit, müssen vom allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) ausgenommen werden. Die WTO-Länder müssen weiterhin das Recht haben, ihre öffentlichen Dienste selbst regeln zu können. Die Marktöffnung für Finanzdienstleistungen soll nur bei Volkswirtschaften mit entwickelten Finanzinstitutionen erfolgen, die eine Liberalisierung des Finanzmarktes managen können. Die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung mit erschwinglichen und qualitativ hochwertigen Dienstleistungen durch das Prinzip der Universaldienste (wie z. B. Telekommunikationen) ist zu garantieren. Eine soziale und ökologische Gestaltung des Wettbewerbs im Transportsektor ist notwendig, um externe Kosten auszugleichen. Eine nachhaltige Marktordnung für Tourismusdienstleistungen ist anzustreben, die dem Schutz der natürlichen und kulturellen Umwelt verpflichtet ist. Soziale Ordnungsprinzipien beim elektronischen Handel, bei der Niederlassungsfreiheit, beim öffentlichen Beschaffungswesen und bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit müssen einen unfairen Handel über Sozial- und Lohndumping unterbinden. Sektoren, die in Deutschland heute durch besonders hohe Arbeitslosigkeit oder häufig prekäre Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind, wie zum Beispiel das Baugewerbe, das Gebäudereinigergewerbe und die Forstwirtschaft, sollten bis zur Änderung dieser Situation nicht für grenzüberschreitend entsandte Arbeitskräfte aus den WTO-Ländern geöffnet werden. Generell muss im GATS-Abkommen das Arbeitsorts- und Günstigkeits-prinzip bezüglich Entlohnung, Arbeitsbedingungen und Arbeitnehmerrechten verankert werden. Für die Gewerkschaften ist deshalb eine europäische Politik der öffentlichen Daseinsvorsorge unabdingbar.

Die internationalen Finanzmärkte reformieren

Der DGB hält einen offenen und globalen Finanzmarkt für notwendig, um eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung zu sichern. Doch in ihrer gegenwärtigen Verfassung neigen die internationalen Finanzmärkte dazu, Instabilitäten und Krisen zu erzeugen und zu verstärken.

Deshalb fordert der DGB Reformen der internationalen Finanzmärkte:

  • Strengere Offenlegungspflichten der Banken, risikoangepasste Mindestreserven und härtere Bankaufsichtsregeln, um ein größeres Risikobewusstsein zu fördern. Dabei dürfen jedoch Klein- und Mittelbetriebe von der Kreditversorgung nicht abgeschnitten und im Vergleich zu größeren Unternehmen durch eine schlechtere Bonitätseinstufung nicht diskriminiert werden.
  • Gläubiger müssen einen größeren Teil der Verschuldungslast tragen, wenn durch ihr Verhalten Staaten in Finanzmarktkrisen oder Zahlungsschwierigkeiten geraten. Die Entwicklung eines internationalen Konkurs- und Insolvenzrechts, die Bildung von Gläubigerausschüssen, Umschuldungsverpflichtungen und die Hinnahme von Moratorien kann diesem Zweck dienen. Notwendig sind auch eine verschärfte Überwachung und Kontrolle von Derivaten und außerbörslich gehandelten Geschäften.
  • Eine verbesserte währungspolitische Kooperation und Regeln für den Devisenmarkt, um die Wechselkursrelationen zwischen den Weltwährungen zu stabilisieren. Ein marktwirtschaftliches Instrument zur Begrenzung der Finanzschwankungen besteht in einer Erhöhung der Transaktionskosten der Kapitalströme. Dies hat durch eine Devisenumsatzbesteuerung, härtere Eigenkapitalvorschriften für Banken, ein Kredit- bzw. Unternehmensregister bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich sowie eine Aufsicht der Finanz- und Steueroasen zu erfolgen.
  • Die zügige Umsetzung der schwarzen Liste der OECD, auf der Finanzdienstleister mit problematischem Verhalten aufgenommen sind, durch die Mitgliedstaaten. Darüber hinaus müssen die inter- nationalen Finanzinstitutionen die Möglichkeit erhalten, eine Nicht- kooperation der Finanzplätze in ihrer Kreditvergabe zu sanktionieren.
  • Ethisches Investment, welches neben Rendite, Sicherheit und Liquidität auch soziale und ökologische Aspekte berücksichtigt, ist zu fördern.

Europäische und internationale Gewerkschaftsarbeit ausbauen

  • Der Erhalt und der Ausbau des europäischen Sozialmodells sind das Ziel der europäischen Gewerkschaftsarbeit. Gemeinsam mit dem EGB wird der DGB eine Initiative entwickeln, mit der demokratische Mitbestimmung gestärkt und auf europäischer Ebene ausgestaltet und weiterentwickelt wird. Dazu sind vor allem die Beratungs- und Mitwirkungsrechte der Euro-Betriebsräte auszubauen und wirkungsvolle Voraussetzungen für die Umsetzung der Mitbestimmung in den Unternehmen zu schaffen.

Der DGB muss mit den europäischen Gewerkschaften versuchen, Einfluss darauf zu nehmen, das europäische Sozial- und Ökologiemodell deutlich zu verbessern. Der Prozess der EU-Erweiterung ist zu unterstützen und es muss darauf hingewirkt werden, dass die sozialen und ökologischen Interessen der Menschen in den Mitglieds- und Beitrittsländern besondere Beachtung finden.

Aber auch auf internationaler Ebene müssen Gewerkschaften mehr Durchschlagskraft erlangen, um den Prozess der Globalisierung mitgestalten zu können:

  • Die internationalen Gewerkschaftsorganisationen sind durch die Entwicklung gemeinsamer Aktionen und Kampagnen zu stärken. Dabei sind Gewerkschaften aus Entwicklungsländern stärker als bisher in die internationalen Gewerkschaftsorganisationen einzubinden.
  • Die Gewerkschaften müssen aber auch strategische Bündnisse und Kooperationen mit Nichtregierungsorganisationen (Umweltorganisationen, Entwicklungshilfeorganisationen, Basisinitiativen etc.) suchen, um gemeinsame Ziele besser umsetzen zu können
  • In der globalisierten Welt fallen immer mehr Entscheidungen im Rahmen europaweiter und transkontinentaler Konzerne. Die Gewerkschaften müssen ihr Profil auch als international aktive Interessenvertretung schärfen. Auf Unternehmensebene sind so genannte Codes of Conducts, d. h. Verhaltensregeln für soziale und ökologische Mindeststandards, zu vereinbaren.

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