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Kinder pro Frau (Fruchtbarkeitsquote) 1999
Frauenbeschäftigungsquote 2000

Alles Rabenmütter? | Familienpolitik geht auch anders, als man hierzulande glaubt

HINTERGRUND

Seit Jahren und auch quer durch die Parteien wird signalisiert, eine wirklich gute Mutter bleibt zu Hause bei den Kindern. Dass es in Wirklichkeit ganz anders ist und dass die Familienpolitik auch ganz anders geht, weist die Autorin dieses Beitrags - selbst Mutter von zwei Kindern - dezidiert nach. Diesen Beitrag widmen wir deswegen dem Herrn Frauenminister Haupt und Konsorten in ihre Stammbücher. Alle Leserinnen - ob Mütter oder nicht - bitten wir aber, uns ihre Meinung zu diesem Beitrag zu senden, die wir im nächsten Heft (September) veröffentlichen werden.

Während in Österreich Minister Haupt das Kinderbetreuungsgeld als revolutionäre Familienleistung preist, scheint dies im europäischen Vergleich hoffnungslos veraltet und nicht zielführend. Die wirkliche Revolution findet in jenen Ländern statt, wo Mütter keine Hausfrauen sind und Kinder schon früh qualifizierte Betreuung finden.

»Heim an den Herd«-Prämie

»Mit dieser revolutionären Familienleistung beginnt eine neue Ära der österreichischen Familienpolitik, die weltweit ihresgleichen sucht.« Große Worte kamen aus dem Ministerium, zusammen mit einer recht aufwendigen Kampagne für das neue »Baby« namens Kinderbetreuungsgeld. Spöttisch als »Heim an den Herd«-Prämie bezeichnet, kann das Kinderbetreuungsgeld langfristig jedoch weder den Verdienstentgang erwerbstätiger Frauen noch deren Karriereeinbruch ausreichend kompensieren. Durch den vordergründigen finanziellen Anreiz in Kombination mit fehlenden und oft teuren Betreuungsplätzen werden Frauen auch nicht zu einer kürzeren Babypause angeregt. Nach der langen Babypause schafft ein Drittel der Frauen den beruflichen Wiedereinstieg bekanntlich nicht.

Vor allem wird aber auch nichts oder viel zu wenig für Kinder über drei Jahre getan. Fehlende öffentliche Kindergartenplätze und ein Schulsystem, wo immer noch die Halbtagsschule dominiert, verlangen den Eltern finanziell und organisatorisch einiges ab. Doch die Kindergartenmilliarde ist seit der Einführung des »revolutionären« Kindergeldes kein Thema mehr: eine Politik des Entweder-oder, Betreuungsgeld statt öffentlicher Kinderbetreuung.

Ein Komma vierunddreißig Kinder

Statistisch gesehen bekommt eine Frau in Österreich im Laufe ihres Lebens derzeit nur 1,34 Kinder - ein historischer Tiefstand. Hier liegt Österreich deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von 1,53 Kindern pro Frau. Die Revolution bei den Geburtenzahlen lässt auf sich warten. Warum sind die Frauen hierzulande so wenig motiviert, mehr Nachkommen in die Welt zu setzen?

Zu viele Pensionisten, zu wenige Kinder

Der letzte europäische Frühjahrsgipfel in Barcelona erklärte erneut die Vollbeschäftigung zum wesentlichen Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik.

Europa steht zwei Herausforderungen gegenüber: einerseits der Überalterung unserer Gesellschaft und der Reform der Altersversorgungssysteme, andrerseits dem Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt bzw. der niedrigen Frauenerwerbsquote. Bei beiden Problembereichen geht es letztlich um die zu geringe Anzahl der Beitragszahler, wodurch das europäische Sozialsystem, besonders aber die Pensionsversicherung, bedroht wird. Damit nicht genug: Es fehlen überdies die Kinder, die den Generationenvertrag erfüllen sollten. Das erscheint auf den ersten Blick paradox, da man doch annehmen könnte, dass all die nicht erwerbstätigen Frauen mit dem Aufziehen ihrer zahlreichen Kinder beschäftigt sind. Doch ausgerechnet in den Ländern, wo die weibliche Erwerbstätigkeit am niedrigsten ist, ist auch die Geburtenrate niedrig.

Mamas oder Emanzen?

Vergleicht man nun die Frauenerwerbsquote in Europa mit der Fruchtbarkeitsquote, so fallen gewisse Übereinstimmungen auf: Länder mit einer hohen Frauenerwerbsquote haben eher hohe Fruchtbarkeitsquoten. In Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland hingegen bekommen die Frauen auffällig wenig Kinder, was dem Klischee der südländischen Großfamilie vehement widerspricht. Österreich hat - ebenso wie Deutschland - zwar eine relativ hohe Frauenerwerbsquote, trotzdem aber eine Fruchtbarkeitsquote im unteren Bereich.

Warum folgt Österreich nicht dem europäischen Trend? Denn wie es scheint, schließen Kinder und Beruf einander in anderen Ländern nicht aus.

Europaweite Trends

In ganz Europa steigt das Bildungsniveau bei Frauen, und hoch qualifizierte Frauen (vor allem Akademikerinnen) weisen die höchsten Erwerbsquoten auf. Zugleich ist bei diesen Frauen auch die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass sie ihre berufliche Karriere für die Kindererziehung unterbrechen werden.

Am schwierigsten scheint umgekehrt die Verbindung von Mutterschaft und Erwerbstätigkeit bei sehr niedrig qualifizierten Frauen: Niedrige Löhne, unsichere Arbeitsplätze und hohe Kosten für die Kinderbetreuung lassen diese Frauen zumeist nach der Babypause aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden.

Vom Bildungsstand und der Qualifikation der Mütter scheint es auch abzuhängen, welches Modell sie selbst wollen, ob Elternurlaub, Teilzeitbeschäftigung oder Vollzeitbeschäftigung der Vorzug gegeben wird: Mütter mit höherem Bildungsstand - und übrigens auch die Söhne berufstätiger Mütter! - geben zumeist der Erwerbstätigkeit gegenüber dem Hausfrauendasein den Vorzug.

Knackpunkt

Europas Frauen bekommen ihr erstes Kind immer später, im Durchschnitt erst mit 29 Jahren. Daran geknüpft ist die Frage der Zahl der Kinder. Je später das erste Kind, desto weniger Kinder insgesamt bekommt eine Frau. Ein Knackpunkt bei der Entscheidung für oder gegen eine Erwerbstätigkeit dürfte bei drei Kindern liegen.

Ob Frauen nun kein, ein oder gar drei oder mehr Kinder bekommen, hängt nicht von einem, sondern von einer Vielzahl von Faktoren ab, deren Zusammenspiel zu einem Baby-boom oder zu leeren Volkschulklassen führen kann. Dass direkte Geldleistungen zu höheren Geburtenraten führen, lässt sich empirisch jedoch nicht bestätigen.

Der europäische Rat von Barcelona betonte, dass an der Gleichstellung von Frauen und Männern gearbeitet werden müsse, »indem Maßnahmen ergriffen werden, die den Zugang der Frauen zum Arbeitsmarkt und ihre dauerhafte Beschäftigung erleichtern und Diskriminierungen vermeiden«. Maßnahmen also, durch die sich Familien- und Berufsleben in Einklang bringen lassen, besonders durch die Schaffung von Betreuungseinrichtungen.

Nichts Neues - Kinderbetreuungseinrichtungen werden seit Anfang der 90er Jahre gefordert. Europaweit dürfte das Hauptproblem bei der Betreuung von Kindern unter drei sowie von Schulkindern liegen.

Frankreich: Ganztagsschule ab drei

Doch es gibt auch Positives zu berichten. Frankreichs Frauen bringen mehr und mehr Kinder zur Welt. So kletterte die Fruchtbarkeitsrate von 1,77 Kindern im Jahr 1999 auf 1,9 Kinder im Jahr 2000. Frankreich liegt damit nur noch sehr knapp unter den magischen 2,1 Kindern pro Frau, die für eine gleichbleibend große Bevölkerung sorgen würden - und vor allem beträchtlich über den österreichischen 1,34 Kindern! Das französische System unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von unserem. Die zwei hauptsächlichen Sozialleistungen werden erst ab dem zweiten Kind ausgezahlt, nämlich die Kinderbeihilfe und der bezahlte Karenzurlaub (Elternurlaub). Es gibt allerdings eine einkommensabhängige Kleinkindbeihilfe. Dies macht insofern Sinn, als der französische Staat die Mehrkindfamilie fördern will. Entsprechend geht der Trend auch weg von Einkindfamilien hin zu drei Kindern oder mehr.

Das Betreuungsangebot kann sich sehen lassen: es besteht ein sehr gutes Netz an Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren, was nur logisch erscheint, wenn beim ersten Kind kein Betreuungsurlaub möglich ist. Vor allem aber ist mit dem dritten Geburtstag des Kindes das Problem der Kinderbetreuung eigentlich für immer gelöst: Die Vorschule ist Teil des staatlichen Schulsystems, funktioniert wie alle französischen Schulen ganztags und ist - weil öffentlich - überdies gratis! Sie ist allen Kindern zugänglich, egal, ob die Eltern beide berufstätig sind oder nicht. Darüber hinaus wird Betreuung bzw. für die größeren Kinder Hausaufgabenhilfe nach Schulende (nach 16 Uhr) angeboten. Eine Maßnahme der linkspluralistischen Regierung Jospin, nämlich die Einführung der 35-Stunden-Woche mit dem Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen, wirkt sich auch in diesem Kontext positiv aus: Sie hat den angenehmen Nebeneffekt, dass den Eltern mehr Freizeit für die Kinder bleibt.

Die Vorschule soll zugleich der Integration von sozial Schwachen und Immigrantenmilieus dienen und sprachliche sowie soziale Probleme beim Eintritt in die Pflichtschule im Alter von sechs Jahren vorbeugen helfen. Insgesamt haftet sowohl den Vorschulen als auch den Kinderkrippen ein durchaus positives Image an.

Schweden: Kinderbetreuung als pädagogische Aufgabe

Auch in Schweden steht Kinderbetreuung nicht nur im Dienst der Gleichstellung von Mann und Frau, sondern hat explizit eine pädagogische Aufgabe inne. Denn Schwedens Kinderbetreuung - ein echtes Kind der 68er! - fußt auf zwei Grundprinzipien: Es sollen einerseits die kindliche Entwicklung und das Lernen gefördert werden, andrerseits soll den Eltern ermöglicht werden, Arbeit bzw. Ausbildung mit ihrer Elternschaft zu vereinbaren.

Papamonat

Schwedische Mütter und Väter haben nach der Geburt eines Kindes zunächst Anspruch auf »Elternschaftsgeld«, und zwar für ein Jahr, in verringertem Ausmaß für 15 Monate. Diese Zeit der familiären Betreuung kann zwischen den Eltern aufgeteilt werden. 30 Tage müssen vom jeweils anderen Partner konsumiert werden, das ist der so genannte Papa- bzw. Mamamonat. Anders gesagt: Will eine schwedische Frau Elternschaftsgeld beziehen, muss auch der Mann mindestens einen Monat lang zu Hause bleiben - und umgekehrt!

Danach gibt es öffentliche Kinderbetreuung für Kinder zwischen 1 und 12. Dazu gehören Vorschulen und »Familientagesheime« - was unseren Tagesmüttern entspricht - für die jüngeren Kinder. »Freizeitzentren« übernehmen für Kinder im schulpflichtigen Alter die Nachmittagsbetreuung.

Die Mehrzahl der schwedischen Kinder besucht diese Betreuungsstätten, und zwar überwiegend die öffentlichen Einrichtungen, was im Vergleich mit Österreich positiv auffällt (siehe Tabellen). Auch die Gesamtzahl der Kinder im Alter von 2 bzw. 3 Jahren, die eine Kinderbetreuungsstätte besuchen, ist in Schweden um sehr vieles höher.

Tabelle 1
Kinderbetreuung in Schweden, nach Altersgruppen in % (2000)

Alter

Gesamt Vorschule/
Freizeitzentren
Familienbetreuung
1 Jahr 42 36 6
2 Jahre 78 67 11
3 Jahre 82 71 11
4 Jahre 86 76 10
5 Jahre 88 78 10
6-9 Jahre 66 64 2
10-12 Jahre 7 7 0
Quelle: »Swedish Institute«

Tabelle 2
Kinderbetreuung in Österreich, nach Altersgruppen in % (2000)
Alter Gesamt davon in
öffentlichen Kinder-
gärten und -krippen
Privat-
kindergärten,
-krippen
Horte Sonstige
bis 2 Jahre 7,7 53,6 38,7 - 7,8
3 Jahre 57,9 70,9 26,6 - 2,5
4 Jahre 86,4 74,8 24,1 - 1,2
5 Jahre 90,1 75,2 23,2 0,8 0,8
6-11 Jahre 6,4 3,9 3,0 90,5 2,6
Quelle: Kindertagesheimstatistik (ÖSTAT)

Schweden lässt sich seine öffentliche Kinderbetreuung einiges kosten: 40 Milliarden SEK brutto im Jahr 2000 - verglichen mit den Kosten für das öffentliche Schulwesen: 60 Milliarden SEK. Über die Nettokosten gibt es leider nur Schätzungen, die schwedische Regierung ist aber davon überzeugt, dass die Ausgaben für die Kinderbetreuung unterm Strich für die schwedische Gesellschaft einen Profit abwerfen.

Kosten: Sind Kinder erschwinglich?

Die Kinderbetreuung ist für die Eltern mehr als leistbar: sie beträgt 3% des Einkommens der Eltern für die Vorschule, für die Nachmittagsbetreuung der Schulkinder 2% (mit einer Deckelung bei Vorschulen, derzeit 125 Euro pro Kind). Das schwedische Parlament hat überdies vor kurzem beschlossen, dass nun die Vorschule für Kinder ab vier gratis sein wird.

Kinderbetreuung wird als pädagogische Aufgabe definiert, und es gibt auch einen entsprechenden Lehrplan: So sollen Schwedens Kleinkinder sich neben dem Spiel und der Sozialisierung in demokratischen Werten üben, wie z. B. Rücksichtnahme und Respekt für andere, Solidarität, Gleichstellung der Geschlechter (!) und Toleranz.

Eva Bernhardt vom Institut für Demographie an der Universität Stockholm meint: »Ein Blick auf das heutige Schweden scheint die These, dass sich berufliche Ambitionen negativ auf den Kinderwunsch auswirken, nicht zu bestätigen. Bei kinderlosen Erwachsenen hatten hoch gesteckte berufliche Ziele keinerlei Auswirkung auf die Kinderplanung. Wenn überhaupt, so waren Frauen dadurch sogar eher bereit, Kinder zu bekommen.«

Investitionen in die Familienpolitik

Schweden ist außerdem ein Land, das sich für einen politischen Maßnahmenmix entschieden hat, der vor allem die Doppelverdienerhaushalte begünstigt. Während eine Familienerhalterideologie Frauen mit niedrigem Einkommen ins Hausfrauendasein abdrängt, zeigt das schwedische Beispiel, wie gezielte Maßnahmen die Kinderplanung positiv beeinflussen können.

Auch in Dänemark, wo die Kinderbetreuung ähnlich gut geregelt ist wie in Schweden, macht sich das Engagement des Staates bezahlt: Dänemark ist das Land mit der niedrigsten Armutsquote in Europa. Von Armut betroffen sind meist in hohem Ausmaß Großfamilien und vor allem Frauen - Frauen, die über kein eigenes Einkommen verfügen, Frauen ohne Pensionsansprüche, allein erziehende Mütter.

Doch Dänemark investiert nicht nur in Maßnahmen gegen die Armut, es investiert auch massiv in seine Familienpolitik: 4% des BIP werden für Familien1) mit Kindern ausgegeben. Damit liegt Dänemark im europäischen Vergleich an der Spitze. Was hier noch wichtiger erscheint: Nur die Hälfte, also 2%, werden in Form von Transferleistungen ausgezahlt, die anderen 2% werden für öffentliche Kinderbetreuung ausgegeben. Auch hier wiederum liegt Dänemark europaweit an erster Stelle, gefolgt von Schweden, während die anderen Länder zwischen 0,4 und 0,8% ihres BIP der öffentlichen Kinderbetreuung widmen. Mit anderen Worten: Dänemark und Schweden haben sich für eine Politik entschieden, die öffentliche Kinderbetreuung finanziell - und damit indirekt ideologisch - stark aufwertet.

Imageprobleme

Dänemark ist stolz auf die Erfolge seiner Sozialpolitik. Die Chancengleichheit ist in Dänemark wie auch in Schweden eigentlich schon eine Selbstverständlichkeit, die Konsequenzen, die sich daraus für die Betreuung der Kinder ergeben, scheinen nur logisch und folgerichtig. Die Diskussion über die gesamte Thematik - sollen Mütter arbeiten, sind Kinderkrippen gut für Kleinkinder - erfolgte bereits in aller Ausführlichkeit in den 70er Jahren. Denn, ob Kinderbetreuung in Anspruch genommen wird, hängt schließlich auch von ihrer Qualität und ihrem Ansehen ab.

In einem Interview in der »Zeit«2) bringt der französische Wissenschafter Hervé Le Bras den Unterschied zwischen der deutschen und der französischen Mutter auf den Punkt: Die deutsche Mutter glaubt, ihrem Kind die Einlösung eines »Urvertrauens« schuldig zu sein und fühlt sich zu einer exklusiven Betreuung rund um die Uhr verpflichtet, mit der Befürchtung, ihrem Kind sonst psychische Schäden zuzufügen. Die französische Mutter hingegen sieht eine Kindertagesstätte als einen gesellschaftlich anerkannten Ort zur Sozialisierung und in diesem Sinne als positiven Beitrag zur Kindererziehung. »In Frankreich glaubt man nicht, dass ein Kleinkind möglichst viel und lange mit seiner Mutter zusammensein muss, um das lebensnotwendige ›Urvertrauen‹ zu entwickeln«, meint Le Bras.

Minister Haupt stellt in Österreich öffentlich die Qualität der heimischen Kinderbetreuung in Frage, wenn er meint, dass Großmütter besser geeignet seien, den Nachwuchs zu betreuen als Kindergärtnerinnen. Doch wird Haupts Äußerung insgeheim nicht von vielen geteilt?

Es geht nicht allein um die objektiv messbare Qualität, sondern um die Haltung der Gesellschaft zur Betreuung von Kleinkindern an sich: Kinderkrippen gelten nach wie vor als die maximal zweitbeste Lösung, als ein Ort, wo Kinder unter der Abwesenheit der Mutter leiden. Kinder werden - und das leider auch in fortschrittlicheren Kreisen - hierzulande immer noch in Kinderkrippen »gesteckt«.

Dahinter steht eine profunde Unsicherheit im Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen. Wenn die SPÖ-Frauen eine Veranstaltung zum Thema Frau und Beruf unter dem Titel »Rabenmuttertag« durchführen und dabei eigens darauf hinweisen, dass dies natürlich ironisch gemeint sei, so spricht das - gerade in seiner Ironie! - Bände über den seelischen Zustand der Österreicherinnen und Österreicher.

1) »Familie« wird hier nicht im klassisch-konservativen, sondern in einem erweiterten Sinn gebraucht.

2) »Die Zeit« 20/2001

Zum Inhalt:
Mit Hilfe einer teuren Kampagne versucht die Regierung seit einiger Zeit, uns davon zu überzeugen, dass ihre Familienpolitik eine »revolutionäre« sei. Für die Frauen bedeutet das: Eine »gute« Mutter bleibt am besten zu Hause bei den Kindern und überlässt das Arbeiten dem Mann!

Die Wirklichkeit ist aber anders: Das viel gepriesene Kinderbetreuungsgeld ist im europäischen Vergleich veraltet und nicht zielführend. Es kann langfristig weder den Verdienstentgang erwerbstätiger Frauen noch deren Karriereentfall ausreichend kompensieren. Zudem fehlen entweder geeignete Kinderbetreuungsplätze oder sie sind schlichtweg zu teuer. Und: Ein Drittel der Frauen schafft nach der Babypause den Wiedereinstieg ins Berufsleben nicht! Fernab der »plakativen« Wirklichkeit geht es nicht um die Frage »Mama oder Emanze?«, sondern um die Überalterung der europäischen Gesellschaft, die auch die Altersversorgungssysteme in Bedrängnis bringt. Es geht auch darum, dass den Frauen durch eine falsche Familienpolitik der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wird, woraus letztlich eine niedrige Frauenerwerbsquote resultiert. Ein Blick über die Grenzen nach Frankreich und Schweden zeigt, dass erfolgreiche Familienpolitik anders aussieht als in Österreich.

(Ch)

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