topimage
Arbeit&Wirtschaft
Arbeit & Wirtschaft
Arbeit&Wirtschaft - das magazin!
Blog
Facebook
Twitter
Suche
Abonnement
http://www.arbeiterkammer.at/
http://www.oegb.at/

Betriebsratsarbeit im Wandel

HINTERGRUND

Der Betriebsrat ist ein gesetzlich garantiertes Gremium und hat für sein Handeln eine eigenständige Legitimationsgrundlage: das Arbeitsverfassungsgesetz.

In diesem Gesetz ist eine institutionelle Trennung zwischen der Mitbestimmung der Gewerkschaften und der Betriebsräte vorgesehen. Während die Gewerkschaften auf der kollektivvertraglichen und der gesamtwirtschaftlichen Ebene aktiv sind, agieren die Betriebsräte auf Betriebs- und Unternehmensebene. Das hat den Vorteil, dass gesellschaftlich bedingte Konfliktinhalte aufgeteilt und auf unterschiedlichen Ebenen behandelt werden. Dieses »duale Mitbestimmungsmodell« der Interessenvertretung gilt als charakteristisches Herzstück des Systems der industriellen Beziehungen in Österreich.

Faktisch sind Gewerkschaft und Betriebsräte jedoch wechselseitig eng miteinander verwoben. Betriebsräte und Gewerkschaften sind in ein Beziehungsgeflecht eingebunden, das durch wechselseitige Abhängigkeiten sowie durch personal-funktionale Verschränkungen gekennzeichnet ist. Dies lässt sich bereits auf der personellen Ebene feststellen: In Österreich sind nahezu 50.000 Betriebsräte und Personalvertreter in weit mehr als 10.000 Betrieben und Unternehmen aktiv. Nahezu 90 Prozent der Betriebsräte sind gewerkschaftlich organisiert. Zum anderen stellen die Betriebsräte auch das Gros der aktiven Gewerkschaftsfunktionäre.

Aber auch funktional gibt es in beide Richtungen enge Bezüge zwischen der betrieblichen und der tariflichen Ebene der Interessenvertretung: So sind die Betriebsräte für ihre Vertretungsarbeit auf die Schulungsmaßnahmen und die Beratungskompetenz der Gewerkschaft genauso angewiesen wie auf Unterstützung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren, auf Expertisen und Branchenanalysen zwecks Verbesserung der innerbetrieblichen Arbeitsbedingungen und vieles mehr. Die betrieblichen Interessenvertreter sichern andererseits der Gewerkschaft durch Mitgliederwerbung und -pflege die finanziellen Ressourcen. Sie sind die wichtigsten Mittler zwischen der Organisation und deren Mitgliedern. Sie sorgen für die Umsetzung und Verfeinerung von dem, was die Gewerkschaften auf der überbetrieblichen Ebene durchgesetzt haben, wie z. B. kollektivvertragliche Regelungen.

Die Beziehungen zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften sind also relativ eng. Es handelt sich um eine eingespielte Arbeitsteilung zu beiderseitigem Nutzen zwischen Betriebsräten und Gewerkschaften - um eine arbeitsteilige Beziehungsstruktur zwischen der kollektivvertraglichen und der betrieblichen Ebene der Interessenvertretung.

»Verbetrieblichung«

Spätestens seit Mitte der 80er-Jahre zeichnen sich Verschiebungen im dualen System der Interessenaushandlung ab.

Man kann beobachten, dass unter dem Stichwort »Verbetrieblichung« inhaltliche Normierungen zunehmend von der gesetzlichen und der kollektivvertraglichen Ebene auf die betriebliche Ebene delegiert werden. In bestimmten Fragen, wie z. B. der Arbeitszeit, aber auch der Lohnpolitik respektive der »Verteilungsoption«, in der es zu einem größeren Spielraum bei der Erhöhung der Istlöhne- und -gehälter für die betrieblichen Verhandlungspartner gekommen ist, geben Kollektivverträge einen Rahmen vor, der den betrieblichen Akteuren erhebliche Handlungsoptionen einräumt. Öffnungsklauseln für betriebliche Regelungen haben dafür gesorgt, dass mehr Vereinbarungen, die zuvor einer kollektivvertraglichen Regelung vorbehalten waren, auf der Ebene einzelner Betriebe bzw. Unternehmen abschließend geregelt werden. Durch diese Entwicklung geht ein größerer Teil der Regulierungsarbeit und -verantwortung von den Gewerkschaften auf die Betriebsräte über. Betriebsratsarbeit erfährt dadurch einen erheblichen Aufgaben- und Bedeutungszuwachs.

Totschlagargumente

Bisher ist die Verbetrieblichung der Kollektivvertragspolitik unter der Beteiligung und mit der Zustimmung der Kollektivvertragsvertragsparteien gelaufen. Es handelte sich um eine kontrollierte Verbetrieblichung. Es existiert eine klare Hierarchie in der Reihenfolge: staatliche Gesetzgebung, Kollektivvertragsregelungen, Betriebsvereinbarungen. Regelungen auf einer Ebene stellen jeweils Mindestbedingungen für Regulierungen auf den niedrigeren Ebenen dar. Dies soll den Schutz der Beschäftigten und einer gewissen Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen dienen, ohne den Betriebsparteien die Möglichkeit zu nehmen, für die Arbeitnehmer günstigere Vereinbarungen auszuhandeln.

Der aktuelle Entwicklungstrend geht aber in eine andere Richtung: Die ÖVP-FPÖ-Regierung unternimmt jeden Versuch zur Beseitigung der Kollektivverträge und zur gänzlichen Verlagerung der Verhandlungsebene auf die Betriebsebene: So steht im Regierungsprogramm: »Verlagerung von der überbetrieblichen in die betriebliche Mitbestimmung.« Die Arbeitgeberseite neigt offenbar aus gutem Grund dazu, die Verhandlungsebenen möglichst klein und lokal begrenzt halten zu wollen:

Durch Verbetrieblichung wird der Betriebsrat oftmals überfordert. Nur allzu leicht könnte der Unternehmer die Belegschaftsvertretung mit »Totschlagargumenten« wie »Verlagerung des Standorts« oder »unvermeidliche Kündigungen« gefügig machen. Der Betriebsrat wird angebunden an Überlebensfragen des Betriebes, und es wird immer schwieriger für ihn, Gewerkschaftspolitik im Betrieb umzusetzen, denn wo es ums Überleben geht, da kann nicht erwartet werden, dass der Betriebsrat ständig im gewerkschaftlichen Interesse agiert. Es wird schwieriger für Betriebsräte, sich vom unmittelbaren Betriebsinteresse, vom unmittelbaren Erhalt der Arbeitsplätze loszulösen.

Umsetzen, anwenden, kontrollieren

Der Betriebsrat ist keine Einrichtung, die Löhnerhöhungen abschließt, Regelungen erfindet. Das ist mit gutem Grund Aufgabe der Gewerkschaften, die nicht nur den Branchenüberblick haben, sondern auch gegen Repressionen einzelner Unternehmer resistent sind. Der Betriebsrat ist geschaffen worden, die Bestimmungen, die im Gesetz und auf Kollektivvertragsebene etabliert wurden, umzusetzen, anzuwenden und zu kontrollieren.

Durch Verbetrieblichung der kollektiven Regulierung wird die Arbeitsteilung mit der Gewerkschaft im dualen System in Frage gestellt. Dadurch besteht die Gefahr, dass ein Eckpfeiler der bisherigen Mitbestimmung, nämlich das Dualitätsprinzip, unterspült wird. Mit »Verlagerung auf die Betriebsebene« ist die nachhaltige Schwächung der Gewerkschaft beabsichtigt - bis zu ihrer völligen Bedeutungslosigkeit. »Denn was heißt das anderes, wenn der Gewerkschaft die Kollektivvertragskompetenz weggenommen wird, alles auf Betriebsebene geregelt wird ... als eine Zerschlagung der Gewerkschaft ...«, meinte Jörg Flecker von der Forba, der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt, am 6. Senghofer Symposium im November 2001.

»Entbetrieblichung«

In dem Augenblick, in dem der Betrieb durch die Verbetrieblichung der kollektiven Normsetzung aufgewertet wird, wird er aber real-organisatorisch unterhöhlt und abgewertet. Es findet eine »Entbetrieblichung« statt, wodurch, nach Meinung vieler Industriesoziologen, die Wirksamkeit der Betriebsratsarbeit auseinander brechen könnte. Viele Experten meinen sogar, dass die betriebliche Interessenvertretung zum »Auslaufmodell« zu werden drohe. »Die neue Ehre der aktiveren Rolle soll dem Betriebsrat in dem Augenblick zuteil werden, wo er eine Nummer kleiner gemacht wird«, bemerkte besorgt der deutsche Industriesoziologe Hermann Kotthoff in einer Konferenz der Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt Forba im Vorjahr. Mit wachsender Aufgabenlast schrumpfen also die Handlungsmöglichkeiten des Betriebsrates.

Als Ursache für diesen Entwicklungstrend werden Destabilisierungstendenzen festgemacht:

Verbreitung transnationaler Unternehmensformen

Viele Unternehmen, z. B. aus der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie, sind in den vergangenen Jahren durch Firmenaufkäufe und Übernahmen zu Zweigwerken und abhängigen Tochterunternehmen großer und teilweise international agierender Unternehmen mutiert. Wesentliche Entscheidungen, z. B. über Betriebsstandorte oder größere Investitionsvorhaben, werden weit entfernt in den nicht mehr erreichbaren Konzernzentralen gefällt. Dadurch sind wichtige Entscheidungen dem Einflussbereich der lokalen Betriebsräte entzogen. Dem Betriebsrat geht der örtliche Verhandlungspartner verloren. Die tatsächlichen Entscheidungen werden außerhalb des Betriebes getroffen.

Neuer Managertypus

In die aufgekauften Betriebe zieht ein neues Management ein, das unter betriebwirtschaftlichen Direktiven eingestellt wird und dementsprechend unter Erfolgsdruck steht. Oft mit Zeitverträgen ausgestattet, ist das einzige Ziel, dass am Ende des Jahres die Dividende stimmt. Der »neue« Manager setzt mehr auf kurzfristige Ausbeutung als auf eine längerfristige Entwicklungsstrategie des Unternehmens. Damit steht der »moderne« Manager zunehmend im Widerspruch zu vertrauensbasierten, langfristig angelegten betrieblichen Arbeitsbeziehungen. Dieser Managertypus sieht die Mitbestimmung grundsätzlich als störend und überflüssig an.

Komanagement

Komanagement steht für eine gewerkschaftliche Betriebspolitik, wonach der Interessengegensatz von Kapital und Arbeit durch Mitbestimmung überwunden werden kann. An die Stelle des Interessengegensatzes von Arbeit und Kapital tritt die soziale Partnerschaft in Gremienarbeit. Die Interessengegensätze werden verwässert. Dadurch können vielerlei Probleme für den Betriebsrat entstehen: Gremienarbeit ist für viele Beschäftigte intransparent. Der Betriebsrat kann unter dem Verdacht stehen, sich vereinnahmen zu lassen. Er kann Loyalitätsprobleme bekommen.

Zumal oft die Leitfrage solcher Betriebsräte nicht mehr lautet »Was ist gut für die Belegschaft?«, sondern »Was ist gut für den Betrieb - und damit für die Belegschaft?« Diese Begriffe müssen aber nicht immer deckungsgleich sein. Aus dem Betriebsrat wird ein Betriebsökonom.

Neue Arbeitsformen

Die bisherigen Formen betrieblicher Interessenvertretung werden auch durch Veränderungen in der Arbeitsorganisation und im sozialen Zusammenhalt der Beschäftigten in Frage gestellt. Betriebsräte treffen gerade in den Dienstleistungsbranchen auf Arbeitnehmer mit anderen Qualifikationen, Verhaltensweisen und Ansprüchen an Mitbestimmung in der Arbeitswelt, als z. B. Arbeitnehmer in den Großbetrieben der Industrie.

Durch die steigende Selbstverantwortung der Arbeiter und Angestellten kommt es zunehmend zu einer Vielzahl von direkten und individuellen Aushandlungsprozessen, wodurch die Repräsentationsaufgaben des Betriebsrates mitunter als überflüssig empfunden werden. Dieser Arbeitnehmertypus entspricht recht gut dem Bild des Arbeitskraftunternehmers. Arbeiten ist für ihn persönliche Herausforderung, Chance zur Selbstverwirklichung. Er trägt den Unternehmer in sich selbst.

Das Arbeitnehmer-Selbstverständnis unterliegt einem grundsätzlichen Wandel. Die Bereitschaft, Interessen in kollektiver Form wahrzunehmen, sie zu bündeln und in organisierter Form zu vertreten, nimmt stetig ab. Insbesondere in der »New Economy« mit ihren Arbeitsorganisationsformen in selbstverantwortlichen (»teilautonomen«) Projektgruppen, kommt nicht nur die Identifikation der einzelnen Arbeitnehmer mit »dem Betrieb«, sondern vor allem das Zugehörigkeitsgefühl zur Belegschaft abhanden. Es wird zunehmend schwieriger, Kandidatinnen oder Kandidaten für betriebsrätliche Arbeit zu finden. Und dort, wo es einen Betriebsrat gibt, wird diesem nicht erlaubt, sich in die Arbeit des »neuen« Arbeitnehmertypus einzumischen. Der Betriebsrat soll gerade noch die allgemeinen Rahmenbedingungen für die Gehalts- und die Sozialpolitik im Betrieb verhandeln.

Durch »atypische« Beschäftigungsverhältnisse nimmt die Heterogenität der Beschäftigten zu. Der Vertretungsanspruch der Betriebsräte konzentriert sich im Allgemeinen auf die Stammbelegschaften und die so genannten »Normalarbeitsverhältnisse«. Nicht zuletzt aus organisationstechnischen Gründen kann die Randbelegschaft sehr oft unzureichend vertreten werden. Gerade durch die Erosion des »Normalarbeitsverhältnisses« und die daraus folgende Individualisierung der Belegschaften droht die soziale Basis für kollektives Handeln des Betriebsrats verloren zu gehen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass der Betriebsrat in Verhandlungen mit dem Management, gerade aufgrund der differenzierten Interessenstruktur der Belegschaft, ausgespielt wird.

Verschiebung der Betriebsgrenzen

Die letzten Jahre sind geprägt von einem massiven Trend der Dezentralisierung. Betriebsteile werden ausgelagert und zum Teil rechtlich verselbständigt. Gerade Strukturveränderungen im Industriebereich haben zur Auslagerung zahlreicher Produktions- und Dienstleistungsbereiche geführt, die nun in meist kleinbetrieblicher Form mit neuartigen Abhängigkeits- und Kooperationsbeziehungen untereinander weitergeführt werden. In ganz ähnlicher Weise führen die Privatisierungsentscheidungen in größeren Unternehmen des öffentlichen Dienstes zu neuen Netzwerken kleiner Betriebe. Im Ganzen genommen werden die Unternehmenseinheiten im Durchschnitt wesentlich kleiner. Das hat Auswirkungen auf die Betriebsratskörperschaften: Denn parallel zur Ausgliederung von Betriebsteilen werden die Betriebsratsstrukturen zerschlagen. An die Stelle eines personell und materiell recht gut ausgestatteten Gremiums mit Zugang zu den zentralen Entscheidungspositionen eines einheitlichen Betriebes treten jetzt im besten Fall neue »Kleinbetriebsräte«. »Der Betriebsrat der Zukunft wird ein Kleinbetriebsrat sein«, konstatiert der deutsche Sozialforscher Wolfram Wassermann. Das heißt, er wird unter wesentlich ungünstigeren Bedingungen arbeiten, wenn z. B. Freistellungen und Professionalisierungsmöglichkeiten verloren gehen.

Die in Österreich von ÖGB, Gewerkschaften und Arbeiterkammern geforderte Anpassung des Arbeitsverfassungsgesetzes an diesen grundlegenden Strukturwandel, z. B. durch die Ermöglichung von Standortbetriebsräten, konnte nicht erreicht werden. Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen entsteht aber etwas, das im Arbeitsverfassungsgesetz nicht vorgesehen ist, wo es mit Sicherheit Anpassung für die Wirkungsfähigkeit des Betriebsrates braucht.

Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes in Deutschland: Sparten-BR, Cluster-BR & Co.

In Deutschland hingegen bestehen seit der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes (2001) zahlreiche Möglichkeiten, Arbeitnehmervertretungen und -kooperationen neben und außerhalb der klassischen Betriebsgrenzen zu etablieren. Gerade weil immer mehr Druck auf die Betriebsräte zukommt, hat die Gewerkschaft die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Betriebsratsarbeit verbessert:

Damit z. B. Unternehmen mit mehreren kleinen Standorten die oft kaum durchführbare Errichtung von »Kleinstbetriebsräten« und deren Zusammenführung zu einem Gesamtbetriebsrat (Zentralbetriebsrat) erspart bleibt, aber doch eine unternehmensweite Vertretung geschaffen werden kann, besteht die Möglichkeit, dass die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebrates durch Tarifvertrag geregelt wird.

Oder: Bei Unternehmen, die beispielsweise eine Vielzahl von Betrieben und Betriebsteilen in Form von Filialen führen, wird der Tarifvertrag die Zusammenfassung von Betrieben bzw. Betriebsteilen nach z. B. regionalen Gesichtspunkten ermöglichen.

Weiters sind »Spartenbetriebsräte« vorgesehen. Also die Organisation von Betriebsräten nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen. Je nach Ausgestaltung der Konzernorganisation könnten nunmehr mehrere Betriebsräte je Sparte oder betriebsübergreifende Spartenbetriebsräte, aber auch unternehmensübergreifende Spartenbetriebsräte bzw. Spartengesamtbetriebsräte gebildet werden.

Der Tarifvertrag kann darüber hinaus auch andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen ermöglichen. Gedacht ist unter anderem an Systeme entlang von Produktionsketten (just in time, cluster), um gegenüber den Zusammenarbeitsformen der Unternehmen entsprechende Arbeitnehmer-Vertretungsstrukturen bilden zu können.

Außerdem können zusätzliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften) und zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer eingerichtet werden. Dabei handelt es sich zwar um keine Mitbestimmungsorgane, sondern »nur« um Arbeitsgemeinschaften und Arbeitsgruppen, aber die Kommunikation und Zusammenarbeit der Betriebsräte untereinander sowie hin zu den Beschäftigten wird fraglos verbessert.

Dort, wo der Tarifvertrag nicht gilt, wird die Einrichtung unternehmenseinheitlicher Betriebsräte bei Initiative von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern gesetzlich ermöglicht. Ein einfacher Mehrheitsbeschluss aller im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer genügt also, um anstelle von Wahlen auf Ebene der einzelnen Betriebe gleich einen Zentralbetriebsrat zu wählen. Das Ziel der Gewerkschaftsbewegung, Wahl- und Zuständigkeitsbereiche der Betriebsräte möglichst großflächig zu halten, scheint erreicht.

Betriebs»rat« ist nicht teuer: Was nun?

Die Institution Betriebsrat hat es nicht leicht unter den veränderten Rahmenbedingungen. Es scheint, als ob die Mitbestimmung immer weiter den Boden verliert, auf dem sie agiert. Trotz all dieser Veränderungen ist die Einrichtung Betriebsrat nicht in Gefahr. Der Betriebsrat ist kein Auslaufmodell.

Im Gegenteil, der Betriebsrat kann sogar an Bedeutung gewinnen, wenngleich unter erheblich erhöhten Anforderungen: Wo die Betriebe und die Branchen ihre Struktur in einschneidender Weise verändern und die Beziehung zur Belegschaft in Bewegung geraten ist, da findet zunehmend ein inhaltlicher Wandel in der Betriebsratsarbeit statt.

Dabei wird es immer wichtiger für Gewerkschaften, darauf zu schauen, dass Betriebsräte ihre Arbeit durch Bereitstellung von an die geänderten Rahmenbedingungen angepassten Bildungsmaßnahmen auch in Zukunft bewältigen können. Gemeinsam mit der wachsenden Komplexität innerbetrieblicher Verhandlungsgegenstände kommt es zudem zu einem erhöhten Beratungsbedarf der Betriebsräte durch die Gewerkschaften.

Atypische Interessenvertretungsarbeit

Betriebsräte müssen darüber hinaus auch ihre Organisationsstrukturen und Arbeitsweise weiterentwickeln. »Atypisch Beschäftigte erfordern atypische Interessenvertretungsarbeit«, wird in einer Studie der GPA betont. Gemeint ist: Flexible Arbeitsbedingungen erfordern flexible Betriebsräte. Menschen, die engagiert, ohne Scheu vor Veränderungen die Herausforderungen unserer Zeit annehmen. Die, ohne ihre »Mandanten« aus den Augen zu verlieren, phantasievoll alle rechtlichen und außerhalb des Rechts stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um der Arbeitnehmerschaft zu bestmöglichen Konditionen am Arbeitsplatz zu verhelfen. Damit soll nicht Gesetzesübertretungen das Wort geredet, sondern daran erinnert werden, dass der gesetzliche Handlungsrahmen des Betriebsrats und hier vor allem die Mitbestimmungsvorschriften des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG) keine absoluten Schranken sind. Denn in unserer Rechtsordnung gilt im Allgemeinen: Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt!

Beispielsweise tauchen regelmäßig Gefühle der Überforderung bei Betriebsräten auf, wenn Unternehmensberater im Betrieb gesichtet werden. Das Reizwort »Unternehmensberatung« genügt oft schon, die Alarmglocken schrillen zu lassen. Welche rechtliche Möglichkeiten stehen nun zur Verfügung, um die drohende Restrukturierung des Betriebs, die ja (vermeintlich?) fast zwangsläufig mit einer Entmachtung des Betriebsrats einhergehen muss, abzuwehren? Ein Blick ins ArbVG macht klar: So gut wie keine! Zwar muss der Betriebsinhaber über bevorstehende Betriebsänderungen rechtzeitig die Belegschaftsvertretung informieren (§ 109 Abs. 1 ArbVG), aber dieser Anspruch der Arbeitnehmerschaft ist ohne unmittelbare Strafsanktion und scheint damit eher zahnlos zu sein. Zwar ist gesetzlich sehr wohl eine für den Unternehmer schmerzhafte Konsequenz vorgesehen, wenn die Geschäftsleitung »vergisst«, den Betriebsrat in ihre Veränderungspläne mit einzubeziehen. Der Sozialplan kann nämlich schmerzhaft teurer werden, wenn die Informationen über die geplanten Betriebsänderungen verspätet oder mangelhaft erfolgten (§ 109 Abs. 3 ArbVG).

Aber ein »innovativer« Betriebsrat wird sich nicht mit seinen juristischen Handlungsmöglichkeiten begnügen. Da es nirgendwo »verboten« ist, wird es in solchen Phasen sinnvoll und geradezu notwendig sein, sich mit anderen Betriebsratskörperschaften kurzzuschließen. Die Förderung derartiger »Netzwerke« von Betriebsräten war ja - wie oben erwähnt - eines der wesentlichen Anliegen der Gewerkschaften bei der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes in Deutschland.

Innerhalb der Branche, innerhalb des Konzerns, jedenfalls unter der Ägide der Fachgewerkschaft, wo Brancheninfos zusammenlaufen, Entwicklungen genau beobachtet und analysiert werden, kann am allerbesten für soziale und humane Arbeitsbedingungen eingetreten werden. Unter einer die Arbeitsstrukturen zerstückelnden Wirtschaftsideologie ist das Zusammenrücken der Interessenvertretungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von entscheidender Bedeutung. Die Durchsetzung unserer Interessen ist gerade in unserem immer weniger überblickbaren Arbeitsumfeld letztlich nur durch das »Erste Gebot der Gewerkschaftsbewegung« zu bewältigen:

»GEMEINSAM SIND WIR STÄRKER!«

VIII. Forum Jägermayrhof

Provokationen zur Zukunft der Gewerkschaftsbewegung

Zukunftsmodell Betriebsrat - Betriebe NEU. Betriebsrat NEU! Gewerkschaften NEU?

Tagungsinhalt:
Betriebliche Organisationsformen ändern sich und mit ihnen die Rolle und Funktion, die Betriebsräte in diesem Umfeld einnehmen. Änderungen im Umfeld sind immer verbunden mit Unsicherheit, und so schwankt die Einschätzung der Entwicklung der Betriebsratsfunktion zwischen Rollenverlust und Bedeutungsgewinn. Das VIII. Forum Jägermayrhof wird aus verschiedenen Blickwinkeln Modelle einer zukunftsfähigen betriebsrätlichen Funktion im Spannungsbogen zwischen Kleinbetrieben und Konzernen, zwischen betrieblichen Gruppenarbeitsstrukturen und interner Professionalisierung der BR-Arbeit, zwischen Komanagement und Konfliktbereitschaft, zwischen ArbVG und betrieblicher Realität auszuleuchten versuchen.

Zielgruppe: Betriebsräte, Funktionäre und Hauptamtliche von AK und ÖGB

Termin und Ort: 4. bis 6. September 2002, AK-Bildungshaus Jägermayrhof

Nähere Informationen und Anmeldung: AK-Funktionärebildung, Römerstraße 98, 4020 Linz, Tel. 050/6906/5417, Fax 050/6906/5427, E-Mail: gstoettner-hofer.g@ak-ooe.at

Zum Inhalt:

Ist die Betriebsratsarbeit dem Wandel in den Betrieben und Unternehmen gewachsen? Einigen Experten gilt die klassische Interessenvertretung als angestaubt, ein Relikt aus der vermeintlich überwundenen fordistischen Produktionsweise. Fraglos unterliegt die Betriebsratsarbeit Destabilisierungstendenzen. Als Gründe werden genannt:

  1. die »Verbetrieblichung« - »Entbetrieblichung«;
  2. die Verbreitung transnationaler Unternehmensformen;
  3. der Verlust des Verhandlungspartners;
  4. ein neuer Managertypus ohne Bezug zu Belegschaft und Betriebsrat;
  5. der Betriebsrat wird zum Komanager;
  6. ein neuer Arbeitnehmertypus und die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses;
  7. die Verschiebung der Betriebsgrenzen und das Entstehen klein- bis kleinstbetrieblich strukturierter betrieblicher Einheiten.


Der Betriebsrat ist aber mit Sicherheit kein Auslaufmodell. Im Gegenteil, der Betriebsrat kann sogar an Bedeutung gewinnen, wenngleich unter erheblich erhöhten Anforderungen. Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen entsteht für den Betriebsrat etwas, das im Arbeitsverfassungsgesetz nicht vorgesehen ist, wo es Anpassung für die Wirkungsfähigkeit des Betriebsrates braucht. In Deutschland hat die Gewerkschaft mit der Novelle des Betriebsverfassungsgesetzes, gerade weil immer mehr Druck auf die Betriebsräte zukommt, die Rahmenbedingungen für erfolgreiche Betriebsratsarbeit verbessert. (Hinweis: Auch das Forum Jägermayrhof wird sich Anfang September mit diesem Thema beschäftigen, siehe Kasten)

Teilen |

(C) AK und ÖGB

Impressum