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Schlecht beraten? | Warum es wichtig ist, sich mit dem Consulting-Boom auseinander zu setzen

HINTERGRUND

Der Betriebsrat ist ein gesetzlich garantiertes Gremium und hat für sein Handeln eine eigenständige Legitimationsgrundlage: das Arbeitsverfassungsgesetz.

Hier geht's ans Eingemachte: Der Autor klopft die Methoden der Unternehmensberater ab - und stößt auf erstaunliche ideologische Hintergründe. Weltbilder, die verblüffend simpel und gestrig konstruiert sind: So begreift z. B. der Sozialdarwinismus Unglaublichkeiten und Ungerechtigkeiten als naturgegeben. Ein Dualismus, in dem karikaturhafte Gegenbilder entworfen werden, die Guten und die Bösen, die Bejahenden und die Widerständlerischen. Vor allem aber: Wir sitzen alle in einem Boot. Und alle haben in gleichmäßiger Fahrt durch die raue See der Marktwirtschaft zu rudern.

1. Die Branche boomt

Seit Jahren gilt es als unumstößliches Faktum, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschärfen, der Konkurrenzdruck steigt, der Druck somit auch auf die Beschäftigten, flexibel auf neue Anforderungen zu reagieren, wächst und wächst. Eine Branche scheint von diesen Krisensymptomen nicht nur verschont zu werden, sie boomt geradezu in den letzten Jahren und erzielt erstaunliche Umsatzsteigerungen - die Branche der Unternehmensberater.

Warum ist es wichtig, sich mit diesem Phänomen auseinander zu setzen? Eines der Hauptaufgabenfelder der Unternehmensberatung sind so genannte »Umstrukturierungsprozesse«. Bei Umstrukturierungen sind zentrale Anliegen der Arbeitnehmer wie auch der Gewerkschaften als deren organisierte Interessenvertretung (wie Erhalt und Qualität der Arbeitsplätze) unmittelbar betroffen. Der Boom der Unternehmensberatung findet in einer Situation statt, in der einerseits dem Arbeitenden mehr von seinen Kapazitäten, seinen emotionalen, kreativen Potenzialen abverlangt wird als in früheren Zeiten und gleichzeitig ist die Sicherheit und Stabilität, die zumindest manche Beschäftigungsverhältnisse auszeichnete, dem Erfordernis der Flexibilität und Veränderung gewichen. Umstrukturierungsprozesse beschleunigen solche Entwicklungen, und in diesem Sinne haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch viel dabei zu verlieren. Welche »Philosophie« ein Beratungsunternehmen vertritt, ist daher von eminenter Bedeutung.

Hier soll der Ansatz der systemischen Beratung erläutert werden. In späteren Beiträgen ist es geplant, auf den Beratungsprozess und auf Strategien aus Arbeitnehmerperspektive näher einzugehen.

2. Zum Beispiel: Die systemische Unternehmensberatung

Grundzüge

Unternehmensberatung ist ein weites Feld. Die großen Namen der Branche wie etwa McKinsey tauchten schon in den zwanziger Jahren in den Vereinigten Staaten auf. Für unser Interesse sind aber die neueren Entwicklungen von Interesse. Österreich ist bei der Entwicklung dieser neueren Beratungsphilosophien wie etwa der systemischen Beratung führend. Eine bekannte Vertreterin dieses Ansatzes ist die Beratergruppe Neuwaldegg (BGN), der unsere Aufmerksamkeit gilt.

Zu Beginn der achtziger Jahre gegründet, stellt diese Gruppe eine der erfolgreichsten Beratungsagenturen dar. Sie tritt nicht nur durch ihre praktische Arbeit hervor, sondern beeinflusst die Debatte auch durch eine ganze Fülle von Büchern und Beiträgen, die vor allem im renommierten Klett & Cotta-Verlag erscheinen.

Unterscheidet man zwischen »harten« und »weichen« Schulen der Beratung, dann ist die BGN sicherlich den weichen Ansätzen zuzuordnen: Während »harte« Schulen sich ausschließlich am ökonomischen Kalkül orientieren und ihre Konzepte hierarchisch diktieren, versuchen die »weichen« Schulen gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Prozess teilhaben zu lassen. Das ist zumindest ihr Anspruch.

Systemtheorie als Basis

Der systemische Beratungsansatz basiert auf zwei theoretischen Grundannahmen: der (soziologischen) Systemtheorie des Bielefelder Soziologen Niklas Luhmann und der therapeutischen Praxis der systemischen Familientherapie.

Wie die Systemtheorie insgesamt, orientiert sich der Ansatz der systemischen Beratung an der Theorie autopoietischer (das heißt: sich selbst organisierender) Systeme, die eigentlich aus dem naturwissenschaftlichen Bereich kommt. Dem Beratungsverständnis der systemischen Unternehmensberatung liegt das Modell des Unternehmens als ein geschlossenes System zugrunde.

Das bedeutet, dass Unternehmen sich an selbst erzeugten Zuständen und Zustandsveränderungen orientieren. Sie richten im Laufe ihrer Geschichte Strukturen ein, die für die Reproduktion von Entscheidungen und damit für die Reproduktion des Unternehmens insgesamt sorgen. Dieser Prozess findet in einer Umwelt statt, die das Unternehmen nur selektiv, das heißt eingeschränkt wahrnimmt. Eine nicht angemessene Sicht- und Wahrnehmungsweise - also etwa eine Fehleinschätzung der eigenen Position im Wettbewerb - ist die Ursache von Problemen. Durch (paradoxe) Interventionen will die systemische Beratung die Möglichkeit zur Distanz, zu einer anderen Sichtweise schaffen. Die systemische Beratung will also durch den Wechsel der Perspektive vorher nicht sichtbare Lösungen ermöglichen.

Für das Beratungsverständnis bedeutet dies, dass die Veränderung letztlich aus dem sozialen System Unternehmen selbst kommen muss, von den Beratern also nur angeregt, aber nicht vorgegeben werden kann. Das Unternehmen muss selbst entscheiden, ob es den Veränderungsprozess auch will. Auch die Angestellten können und sollen sich daher am Prozess beteiligen.

Das klingt zunächst nicht schlecht. Die Beschäftigten können ihre Fähigkeiten, Bedürfnisse, Anliegen und Interessen einbringen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen also mitarbeiten. Ein demokratisches, partizipatives Modell? Gehen wir noch einen Schritt zurück. Betrachtet man das Ausgangsverständnis der systemischen Beratung genauer, dann werden eine Reihe hochsensibler Grundannahmen deutlich. Da ist zunächst einmal der Dualismus.

Dualismus

Wie schon die Religionsgeschichte zeigt, erzeugen Dualismen (etwa Gut und Böse) eine starke Suggestivität und Anziehungskraft, weil sie einerseits durch die damit verbundene Reduktion von Komplexität leichtere Orientierung ermöglichen und andererseits ein Erlösungsversprechen in sich bergen, nämlich das Weisen und Aufzeigen des »richtigen« Weges.

Die Funktion dieser Strategie ist klar: Den Betroffenen soll möglichst rasch vermittelt werden, welches die richtige Seite ist, in welche Richtung die Veränderung gehen muss, der unabwendbare Prozess sich bewegt, dem sich entgegenzustellen letztlich zwecklos ist. Dabei werden karikaturhafte Gegenbilder konstruiert (als das »Alte«), von denen sich dann das »Neue« umso eindrucksvoller abheben lässt. Der Veränderungsprozess vom Alten hin zum Neuen soll als unbedingt notwendig, weil alternativlos, porträtiert werden.

Unsere erste Übersicht liefert ein Beispiel für das Denken in den Kategorien »alt und »neu«: Hier sollen die Konsequenzen, die das konventionelle (alte) Denken nach sich zieht, mit den Resultaten neuen Denkens kontrastiert werden (siehe Übersicht 1: »›Altes‹ und ›neues‹ Denken«)

Interessant ist nicht nur die Banalität der Gegensätze (»viel Kooperation« - »wenig Kooperation«). Wer ist schon für wenig Kooperation, wenn es auch viel davon geben kann? Auffallend ist auch, welche Resultate als negativ und welche als positiv besetzt erscheinen. So erscheint die »Kritik an Autoritäten« als Resultat eines offensichtlich abzulehnenden konventionellen Denkens und das bemerkenswerte Wort »widerständlerisch« bezeichnet eine verwerfliche Untugend. Auf der anderen Seite erinnern die Konsequenzen des neuen Denkens, eher an die Resultate einer totalitären Umpolungsstrategie: »engagiert«, »bejahend« und »verlässlich« reagiere dieses neue Denken auf eine nicht näher bezeichnete »Veränderung«. Sollen wir eine Veränderung um ihrer selbst willen begrüßen, ganz egal, wohin sie uns führt? Gibt es nicht auch Veränderungen, auf die wir lieber »widerständlerisch« als »bejahend« und »engagiert« reagieren sollten?

Der Kontrast von Alt und Neu soll auch zeigen, dass der (eben traditionelle) Gegensatz von Kapital und Arbeit, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, überholt ist. Die Gegensätze in einem Unternehmen verlaufen entlang einer anderen Linie. Denn »das Alte«, »Konventionelle« vertreten sowohl die hierarchisch agierenden Führungskräfte als auch die um ihren Arbeitsplatz besorgten und an Sicherheit interessierten Mitarbeiter. Sie sind die »Bewahrer«. Die »Veränderer« hingegen sind die dynamischen, charismatischen Manager und Führungspersönlichkeiten genauso wie die flexiblen, bejahenden Mitarbeiter. Neue Allianzen erscheinen möglich zwischen jenen, die begriffen haben, dass alle im gleichen Boot sitzen.

Auf der Ebene des Weltbildes sieht die Gegenüberstellung dann folgendermaßen aus (siehe Übersicht 2: »Weltbilder«).

Das hier gewählte Organismusmodell war in der politischen Ideengeschichte ein Modell, das soziale Interessengegensätze harmonisiert, das soziale Widersprüche ausgeklammert hat. Widersprüche werden hier zwar als Merkmal des systemischen Weltbildes konstatiert, es geht aber letztlich darum, wie sie am besten integriert werden können.

Biologismus

Eine zweite problematische Tendenz der systemischen Beratung, die festzustellen ist, besteht in der Parallelsetzung von Wirtschaft und Gesellschaft einerseits und Natur andererseits. Wirtschaftliche Abläufe werden zu Naturgesetzen erklärt. Wir können dies als Biologismus bezeichnen. Die Sichtweise von Wirtschaft und Gesellschaft ist dabei folgende: Ein weitgehend unhinterfragbarer, naturhaft ablaufender sozio-ökonomischer Veränderungsprozess erzwingt Anpassung. Dieses Vertrauen auf einen evolutionären Prozess, der Anpassung als Überlebensbedingung erfordert, erweist sich auch als Charakteristikum des »Sozialdarwinismus«.

Der Preis der Nichtanpassung wird selten genannt, ist aber im Grunde genommen präsent. Letztlich geht es - metaphorisch gesprochen - ums Überleben. Menschen werden gewissermaßen zum Spielball zwischen Systemmechanismen und einer nach naturhaften Gesetzen ablaufenden Systemumwelt. Ging es gestern noch um Versorgung, so heißt es an einer Stelle, so ginge es heute ums Überleben (Roswita Königswieser (2000). Macht - Wandel - Macht. In: Hernsteiner - Fachzeitschrift für Managemententwicklung 2/14, 21-24, 23).

Interessant sind auch die Schilderungen der systemischen Berater von Großgruppenprozessen. Diese Großgruppen werden bei Umstrukturierungs- und Veränderungsprozessen großer Unternehmen angewendet. Damit soll ermöglicht werden, dass auch jene, die im eigentlichen Prozess keine Rolle spielen, zumindest zeitweise einbezogen werden können. Bei der Schilderung dieser Großgruppenprozesse also erfahren wir, wie sich die systemischen Berater die menschliche Natur vorstellen.

Sie behaupten beispielsweise, dass in Gruppen ein »Hunger nach Sinnlichkeit« spürbar werde. Menschen, so erfahren wir, wollten nun einmal gesehen werden und dazugehören. Darüber hinaus wollten sie klar zwischen Gut und Böse unterscheiden können. Sie seien aber auch permanent mit der Angst konfrontiert, das Gesicht zu verlieren. Latent sei deshalb immer das Moment des Wettkampfes, des sozialen Vergleiches vorhanden. (Roswita Königswieser (2000). Das Feuer großer Gruppen, in: Roswita Königswieser und Marion Keil (Hg.). Das Feuer großer Gruppen. Konzepte, Designs, Praxisbeispiele für Großveranstaltungen. Stuttgart, 30-44, 35-38). Auch diese Erklärung des Wettbewerbsgedankens zur menschlichen Natur hat einen klaren ideologischen Hintergrund. Was uns hier entgegentritt, das ist das Menschenbild des Neoliberalismus.

Interessenidentität: Schicksalsgemeinschaft Unternehmen

Indem aber das System Unternehmen als einheitlich und von einem klar definierten Hauptinteresse geleitet erscheint (Überleben im Wettbewerb), haben Widersprüche und Interessengegensätze innerhalb des Unternehmens keinen Raum. Sie erscheinen als »dysfunktional« und müssen mittels gezielter »Interventionen« aufgelöst werden. Während die Unterscheidung zwischen Veränderer und Bewahrer eine klare Trennlinie zieht, sind die klassischen Widersprüche (Arbeitgeber-Arbeitnehmer; Arbeit-Kapital) aufgehoben. Die Betonung der Gemeinschaftlichkeit, der weitgehenden Interessenidentität der Mitglieder eines Unternehmens und die Ausblendung von strukturell bedingten Konflikten zugunsten einer Bewahrer-, Veränderer-Kontroverse zieht notwendigerweise auch nach sich, dass über ungleich verteilte Macht nicht mehr geredet wird.

Oder einfacher ausgedrückt: Wenn der Eindruck erfolgreich vermittelt wird, dass alle in einem Boot sitzen, dann wäre es natürlich äußerst unvernünftig, nicht gemeinsam in die gleiche Richtung, durch die raue See der Marktwirtschaft zu rudern. Ob dieses Bild stimmt, das ist die Frage! Denn Arbeitnehmer haben in der Regel ganz andere Interessen als Arbeitgeber. Qualität und Sicherheit eines Arbeitsplatzes müssen beispielsweise keineswegs mit dem Profitinteresse des Unternehmers zusammenfallen.

3. Schlussfolgerung

Es kann nicht darum gehen, Unternehmensberatung pauschal zu verteufeln und abzulehnen. Das wäre sehr kontraproduktiv. Es geht um etwas anderes, nämlich darum, die Kommunikation über ein Thema aufzugreifen, das elementare Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern berührt. Dafür ist es notwendig, sich damit auseinander zu setzen und auf dieser Basis einen Standpunkt zu entwickeln. Und darauf können wiederum konkrete Maßnahmen aufbauen. Die Betriebsräteberatung der AK Oberösterreich oder politische Maßnahmen wie der geplante Ethikkodex, der von der Arbeiterkammer Wien entwickelt worden ist, sind ein erster Schritt in diese Richtung.

Sie sollen in der Folge noch vertieft werden.

»Altes« und »neues« Denken Übersicht 1
Resultate des konventionellen Denkens Resultate des neuen Denkens
Abhängigkeit von Autoritätsfiguren (Verantwortung, Erfolg, Misserfolg) Individuelle und kollektive Verantwortung für Erfolg und Misserfolg
Kritisieren des Verhaltens der Autoritäten, ihrer Entscheidungen (ihre Sache) Übernehmen der gemeinsam gefundenen Richtungen (unsere Sache)
Wenig Kooperation Viel Kooperation
Reaktion auf Veränderung: halbherzig, resignativ, ambivalent, widerständlerisch Reaktion auf Veränderung: engagiert, bejahend, verlässlich
Kein kollektives Lernen Lernende Organisation
Nach: Roswita Königswieser (2000). Das Feuer großer Gruppen, in: Roswita Königswieser und Marion Keil (Hg.). Das Feuer großer Gruppen. Konzepte, Designs, Praxisbeispiele für Großveranstaltungen. Stuttgart, 30-44, 43.

Weltbilder Übersicht 2
Mechanistisches Weltbild Systemisches Weltbild
Bisher standen im Vordergrund: Jetzt und in Zukunft erhalten zusätzlich Bedeutung:
Maschinenbild Organismusmodell
Kausalketten, Logik, Widerspruchsfreiheit Wechselwirkungen, Widersprüche
Rationalität, harte Fakten Emotionalität, Intuition, weiche Faktoren
richtig, falsch, schuldig, unschuldig Funktionalität, Kontextabhängigkeit
Eine Wahrheit, Objektivität Viele Wahrheiten, Konstruktivismus
Nach: Roswita Königswieser (2001). »Rapunzel«. Grundlegende Gedanken zum systemischen Ansatz. In: Roswita Königswieser, Uwe Cichy, Gerhard Jochum (Hg.): SIMsalabim. Veränderung ist keine Zauberei. Systemisches IntegrationsManagement. Stuttgart, 25-29, 27.

Empfohlene Links
Zu aktuellen Debatten um Unternehmensberatung:
Das Gesellschaftspolitische Diskussionsforum der Arbeiterkammer Wien. www.gedifo.or.at
Als Serviceeinrichtung für Betriebsräte: Die Beratung zu Consultingfragen der Arbeiterkammer Oberösterreich. www.arbeiterkammer.com

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