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Nur mäßiges Wachstum von Konsumnachfrage und Gesamtwirtschaft
Zurückbleibende Löhne belasten Kaufkraft
Sparquote / Kaufkraft

Vogel Strauß als Pate der Regierungspolitik | Handeln statt schönreden - Arbeitslosigkeit bekämpfen!

HINTERGRUND

Die Arbeitslosigkeit steigt von einem Rekordwert zum nächsten. Gleichzeitig klagen Unternehmen über zunehmenden Mangel an Fachkräften. Doch anstatt in dieser Situation mit aller Kraft in die Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern zu investieren und aktiv Politik für mehr Wachstum und Beschäftigung zu betreiben, versucht diese Regierung den Arbeitsmarkt schönzureden, räumt die Sozialtöpfe aus und verschärft die Konjunkturflaute zusätzlich mit dem sturen Festhalten am Nulldefizit. Eine oberösterreichische Expertin analysiert die Situation und zeigt auf, was dringend zu tun wäre.

Um 17,6 Prozent ist die Arbeitslosigkeit im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Zusätzlich 29.000 Menschen, die ohne Job dastehen, insgesamt sind es inzwischen wieder fast 200.000 Arbeitslose.

Ihnen gegenüber stehen nicht einmal 25.000 beim AMS gemeldete offene Stellen. Dennoch, es klingt fast paradox, klagen Unternehmen gleichzeitig über einen zunehmenden Mangel an Fachkräften.

Mehr als die Hälfte der Unternehmen, die Arbeitskräfte suchen, brauchen laut einer Umfrage des Fessel-GfK-Instituts qualifizierte Arbeitnehmer, die sie in diesem Ausmaß auf dem Arbeitsmarkt nicht vorfinden.

Qualifizierung wird eingespart

Statt in dieser Situation schon kurzfristig alle Mittel freizuschaufeln und in eine umfassende Qualifizierung von Arbeitslosen und von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten zu investieren, hat die Regierung die Gelder für aktive Arbeitsmarktpolitik eingefroren und damit real sogar gekürzt - pro Arbeitslosen stehen im heurigen Jahr um mehr als 7 Prozent weniger Mittel für Aus- und Weiterbildung zur Verfügung!

Statt der dringend nötigen Aufstockung der Mittel wird dieArbeitslosenversicherung von dieser Regierung weiter ausgeräumt und Milliardenbeträge - allein in den Jahren 2001 und 2002 mehr als 2 Milliarden EUR - zweckwidrig zur kurzfristigen Stopfung von Budgetlöchern missbraucht.

Arbeitslosenversicherung wird ins Defizit getrieben!

Trotz bereits durchgeführter Kürzungen bei Arbeitslosengeld und Notstandshilfe droht die Arbeitslosenversicherung damit schon heuer in ein Defizit in Höhe von 800 Millionen e zu schlittern.

Was diese Regierung einzig zu der Konsequenz veranlasst, über den genauen Zeitpunkt für die den Unternehmern versprochene Senkung der Dienstgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung herumzulavieren, statt endgültig davon Abstand zu nehmen! Dabei geht es um alles andere als um Peanuts, denn die angekündigte Lohnnebenkostensenkung von 0,5 Prozentpunkten würde der Arbeitslosenversicherung jährlich zusätzlich und dauerhaft weitere fast 330 Milliarden EUR entziehen.

Politik der kurzsichtigen Ideologie

Enorme Geldbeträge also, die wegen der Verschiebungen in der Altersstruktur der Erwerbstätigen auch mittelfristig dringend für verstärkte Qualifizierungsmaßnahmen gebraucht werden. Denn die Zahl der Beschäftigten, die jünger als 40 Jahre sind, wird schon bis zum Jahr 2005 um ca. 57.000 sinken, während die über 40-jährigen Beschäftigten dann um 83.000 mehr sein werden. Die derzeitige Strategie der Unternehmen, sich vor allem junge Fachkräfte zu holen, wird nicht zuletzt auch deshalb immer weniger aufgehen.

Nicht einmal das von den Unternehmen gern betriebene Schielen auf ausländische Fachkräfte wird diese Probleme auf Dauer lösen können, denn letztlich verzeichnen alle europäischen Staaten - auch die im Osten - die gleiche Entwicklung in der Altersstruktur. Doch das, was in dieser Situation kurz- wie auch mittelfristig geradezu auf der Hand liegt, unterbleibt: Die Qualifikation der von Arbeitslosigkeit bedrohten und betroffenen Arbeitnehmer, auch älteren Jahrgangs, hin zu Berufen, wo Fachkräfte gesucht werden.

Vogel Strauß als Pate der Politik

Damit werden aber nicht nur den Arbeitnehmern Chancen auf dem Arbeitsmarkt vorenthalten, sondern auch die Arbeitgeber schneiden sich damit letztlich ins eigene Fleisch. Denn sie sparen sich vielleicht ein paar Euro Lohnnebenkosten bei ihren Mitarbeitern, müssen aber auf die gesamte Wertschöpfung der fehlenden Fachkräfte verzichten!

Vor diesem Hintergrund ist die geplante Lohnnebenkostensenkung in der Tat eine Politik der reinen Ideologie, bei der Vogel Strauß Pate steht.

Beschäftigungswachstum ankurbeln

Neben einer umfassenden Qualifizierungsoffensive ist es darüber hinaus dringend nötig, das Wirtschaftswachstum nachhaltig zu stärken, um insgesamt zu einem höheren Beschäftigungswachstum zu gelangen.

Aber auch in diesem Zusammenhang ist die von der Wirtschaft als Allheilmittel gepriesene Lohnnebenkostensenkung alles andere als notwendig, wie sämtliche Wirtschaftsdaten belegen. Denn die österreichische Exportwirtschaft hat kein Wettbewerbsproblem, schon gar nicht wegen der Lohnnebenkosten, wie uns Unternehmervertreter gern weismachen wollen. Im Gegenteil.

Wettbewerbsfähigkeit ist besser denn je!

Denn bei der Wettbewerbsfähigkeit, die international über die so genannten Lohnstückkosten verglichen wird, liegt Österreich ohnehin im europäischen Spitzenfeld, nur Irland liegt noch vor uns. Zwischen 1995 und 2000 sind die Lohnstückkosten gegenüber unseren wichtigsten Handelspartnern um 15 Prozent gesunken! Nicht umsonst haben die Exporte zwischen 1995 und 2001 um insgesamt real fast 65 Prozent zugelegt.

Von mangelnder Wettbewerbsfähigkeit kann da wohl keine Rede sein. Aus wirtschaftlichen Gründen ist eine Lohnnebenkostensenkung daher überhaupt nicht notwendig! Sie würde bestenfalls in höheren Gewinnen verpuffen und obendrein die Sozialtöpfe massiv belasten, was in der Folge über Leistungskürzungen auch die heimische Kaufkraft schwächen würde!

Schwaches Wirtschaftswachstum wegen schwacher Kaufkraft

Wie stark die private Konsumnachfrage das Wachstum unserer Gesamtwirtschaft beeinflusst, zeigt der Vergleich zwischen Wirtschaftswachstum und Entwicklung des Privatkonsums, die beide nahezu identisch nur mäßige Steigerungen vorweisen, während die Exporte enorm zulegen konnten (siehe Grafik 1: »Nur mäßiges Wachstum von Konsumnachfrage und Gesamtwirtschaft«).

Mit einer Politik, die die private Kaufkraft stärkt, könnte unser Wirtschaftswachstum also maßgeblich erhöht und Arbeitslosigkeit wirksam bekämpft werden.

Heimischer Konsum muss gestärkt werden!

Nicht die Exporte sind es also, die eine weitere Stärkung brauchen, sondern in der inländischen Kaufkraft liegt der Schlüssel zu mehr Wachstum und Beschäftigung. Denn die gesamtwirtschaftliche Entwicklung hängt ganz entscheidend von der heimischen Konsumnachfrage, und diese wiederum ganz wesentlich von den Löhnen und Gehältern ab.

Der private Konsum war die Lokomotive, die Österreich auf die Überholspur der wirtschaftsstärksten Nationen brachte. Gerade jetzt, in Zeiten der internationalen Konjunkturschwäche, ist die private Nachfrage der entscheidende Faktor, der im Inland für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung sorgen kann.

Löhne und Gehälter müssen steigen!

Dass die privaten Konsumausgaben in den letzten Jahren nicht völlig eingebrochen sind, sondern zwischen 1995 und 2001 mit plus 25,2 Prozent das Wachstum der Gesamtwirtschaft mit nominell plus 22,3 Prozent leicht übertroffen haben, liegt nicht etwa an der guten Entwicklung der Löhne und Gehälter. Denn die Bruttolohnsumme stieg nominell im selben Zeitraum lediglich um 18,4 Prozent. Die Nettolohnsumme, also nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben, wuchs in Folge der Belastungspolitik der Regierung gar nur um 17,7 Prozent (siehe Grafik 2: »Zurückbleibende Löhne belasten Kaufkraft«)!

Nur der Umstand, dass die Arbeitnehmer in den letzten Jahren deutlich weniger gespart haben, hat tiefere Einbrüche in der privaten Konsumnachfrage verhindern können (siehe Grafik 3: »Sinkende Sparquote verhindert Konsumeinbruch«).

Aber irgendwann ist das Sparschwein leer, und dann sind weitere Wachstumseinbrüche zu befürchten, wenn nicht endlich die private Konsumnachfrage als noch immer wichtigste Wirtschaftssäule ernst genommen und gestärkt wird!

Belastungspolitik schwächt Kaufkraft und Wirtschaftswachstum

Die Belastungspolitik der Regierung bei den kleinen und mittleren Einkommen hat die Kaufkraft aber zusätzlich gewaltig belastet. Während die Lohnsumme zwischen 2000 und 2002 laut den jüngsten Prognosen nur um 6,2 Prozent steigen wird, explodiert das Lohnsteueraufkommen laut Budgetansatz des Finanzministers im selben Zeitraum mit einem Zuwachs von plus 18 Prozent! Es sind aber gerade die kleinen und mittleren Einkommen, von denen der überwiegende Teil als Nachfrage wirksam wird.

Mit der Belastungspolitik hat die Regierung mutwillig Wachstumschancen verspielt und dafür gesorgt, dass Österreich vom wirtschaftlichen Vorreiter zum Nachzügler in der EU geworden ist (siehe Grafik 4: »Von der Überholspur auf die Kriechspur wegen Belastung der Kaufkraft«)!

Während bei der wirtschaftlich überhaupt nicht nötigen, ja für Sozialstaat und Qualifizierung vielmehr gefährlichen Lohnnebenkostensenkung im Moment seitens der Regierung lediglich der Zeitpunkt zur Debatte steht, wird die angekündigte Steuerreform umgehend in Verbindung gebracht mit neuen Belastungspaketen für die Bevölkerung. Unterm Strich droht die Gefahr, dass diese Regierung die Kaufkraft nicht wirklich stärken will, sondern wieder einmal nur Klientelpolitik und Umverteilung von unten nach oben anstrebt.

Daher: Qualifizierungsoffensive und Kaufkraftstärkung!

Dabei liegt klar auf der Hand, was es nun dringend zu tun gilt:

  • Statt Senkung der Lohnnebenkosten in der Arbeitslosenversicherung Verwendung der dafür vorgesehenen Gelder für Qualifizierung von Arbeitslosen und Beschäftigten durch das AMS; sofortige Verwendung der bestehenden Arbeitsmarktrücklage des AMS von rund 109 Millionen e, um jetzt für den Aufschwung Arbeitskräfte zu qualifizieren.
  • Wiederaufbau von Arbeitsmarktrücklagen auf 500 Millionen e aus den Überschüssen der Arbeitslosenversicherung in den nächsten beiden Jahren, statt diese Gelder wieder für das Bundesbudget abzuschöpfen.
  • Lohnsteigerungen, die nicht nur die Inflation abfangen, sondern den Arbeitnehmern darüber hinaus einen gerechten Anteil an den Produktivitätssteigerungen abgelten, wie es die Gewerkschaften fordern.
  • Rasche und deutliche steuerliche Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen ohne darauf folgende Belastungspakete!

Worum geht’s?

Die Regierung bekommt die steigende Arbeitslosigkeit nicht in den Griff.

Die Tatsache, dass es den meisten anderen EU-Staaten genauso ergeht, ist da nur ein schwacher Trost.

Paradox wird die Situation dadurch, dass die heimischen Unternehmen gleichzeitig über einen zunehmenden Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften klagen.

ÖGB und AK fordern daher volle Kraft und Konzentration auf die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer sowie eine aktive Wachstums- und Beschäftigungspolitik.

Die Regierung dagegen verehrt lieber das Nulldefizit als heilige Kuh und räumt die Sozialtöpfe aus.

Die Senkung der Lohnnebenkosten ist der Regierung wichtiger als eine umfassende Qualifizierungsoffensive. Sie übersieht dabei, dass Österreich bei der Wettbewerbsfähigkeit ohnehin schon im absoluten europäischen Spitzenfeld liegt.

Die inländische Kaufkraft ist der Schlüssel zu mehr Wachstum und Beschäftigung, und diese wiederum hängt ganz wesentlich von den Löhnen und Gehältern ab.

(Ch)

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