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Das blauschwarze Kartenhaus

MEINUNG

Während diese Zeitschrift in Druck geht, gibt es vielleicht diese Regierung gar nicht mehr, mit deren Politik wir uns hier auseinander setzen. Aber ich persönlich würde sagen, es gibt unangenehmere Überraschungen. Und im Grunde ist es gar nicht sehr überraschend, dass diese Regierung plötzlich zusammengebrochen ist wie ein Kartenhaus. Das Bemerkenswerte war eher, dass sie sich so lange halten konnte.

Diese blauschwarze Regierung hat den wirtschaftlichen Abschwung massiv verstärkt und versucht, das Defizit zu Lasten der sozial Schwächeren abzubauen. Gleichzeitig wurden die Reichen begünstigt.

Über zweieinhalb Jahre wurden Handlungen gesetzt, von denen, fürchte ich, viele leider irreversibel sind. Privatisierungen lassen sich nicht rückgängig machen. Krasseste Auswüchse wie die Ambulanzgebühren, die Besteuerung der Unfallrenten oder die Studiengebühren wird man vielleicht zurücknehmen können, worauf es aber vor allem ankommt, sind die mehr als 200.000 Arbeitslosen. Sie sind das dringendste Problem, und von schönen Worten bekommen sie keinen Arbeitsplatz. Aber lassen wir andere zu Worte kommen, z. B. ÖGB-Präsident Verzetnitsch:

»Man soll nicht mit Gewalt an etwas festhalten, das nicht mehr funktioniert. Angesichts der großen Probleme, die dringend gelöst werden müssen - wie etwa die Arbeitslosigkeit oder die EU-Erweiterung -, sind Neuwahlen und damit eine rasche Klärung der künftigen Verantwortlichkeiten die beste Lösung.« Verzetnitsch fordert, dass im Interesse Österreichs rasch gehandelt wird: »Die akuten Probleme und Herausforderungen dürfen im Wahlkampffieber nicht untergehen.«

200.000 Arbeitslose

Verzetnitsch erklärte weiter: Seit Wochen liegt die Arbeit der Bundesregierung wegen der koalitionsinternen Streitereien lahm. Dabei hätte sie jetzt alle Hände voll zu tun: 200.000 Arbeitslose - darunter Tausende Jugendliche - haben ein Recht auf ein schnell wirksames Beschäftigungsprogramm. Die EU-Erweiterung bedarf intensiver Vorbereitungen, und angesichts der höchsten Steuerquote in der Zweiten Republik brauchen wir dringend eine Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ein erster Schritt dazu wäre die Rücknahme der Belastungen wie etwa die Unfallrentenbesteuerung, die Ambulanz- oder Studiengebühren. Weiters haben die Pensionisten einen Anspruch auf eine faire Abgeltung der Teuerungsrate, und auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst brauchen einen »Arbeitgeber«, der ihre Leistungen entsprechend honoriert.

Der ÖGB beurteilt traditionell jede Regierung danach, was sie für die Arbeitnehmer tut. Eine kurze Übersicht der »Leistungen« dieser Bundesregierung für die Arbeitnehmer: eine der höchsten Arbeitslosenzahlen seit 1945, ein dramatischer Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit, die höchste Belastungsquote in der Zweiten Republik, Unfallrentenbesteuerung, Ambulanz- und Studiengebühren, parteipolitisch motivierter Putsch im Hauptverband und Finanzierungsprobleme in den Krankenkassen, Verscherbelung des Volksvermögens in der ÖIAG. Einzig und allein das von den Sozialpartnern ausgearbeitete Abfertigungsmodell wurde von der Bundesregierung übernommen und hat Arbeitnehmern Vorteile gebracht.

Auch von Seiten der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) wurde betont, dass viele Maßnahmen der "Wenderegierung" von den christlichen Gewerkschaftern heftig umstritten waren und bekämpft wurden. Der Bogen reichte dabei von der Unfallrentenbesteuerung bis hin zur Neuordnung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger oder Maßnahmen zur Pensionsreform. »Sozialpolitische Meilensteine« sind für die FCG das Kindergeld, die »Abfertigung neu« oder die Familienhospizkarenz. Offene Reformvorhaben blieben unter anderem das Demokratiepaket, die Bundesstaatsreform, die Reform der Presseförderung, die Steuerreform sowie das Budget 2003.

»200.000 arbeitslose Menschen, davon 30.000 Jugendliche, Belastungen für die Österreicherinnen und Österreicher und Sozialabbau, den das Land noch nicht gesehen hat, das ist im Groben die Bilanz des gescheiterten blauschwarzen Experiments,« sagt Rudolf Nürnberger als Bundesvorsitzender der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter im ÖGB.

Verantwortung gefordert

Auch in der Frage der Privatisierung von ÖIAG-Unternehmen appelliert der FSG-Chef an das Verantwortungsbewusstsein der verbleibenden Regierungsmitglieder. »Wir haben immer davor gewarnt, dass der Verkauf von florierenden Unternehmen dem Staat schadet, weil er ihn einerseits um jährliche Einnahmen bringt und andererseits Arbeitsplätze gefährdet. Auch in dieser Hinsicht brauchen wir keine Abschiedsgeschenke von dieser Regierung, wir werden sie auch so lange genug als ›Speed kills soziale Gerechtigkeit und verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik-Regierung‹ in Erinnerung behalten.«

Auch wenn beide Regierungspartner dieses Experiment als Erfolg bezeichnen, sprechen die Tatsachen eine andere Sprache, so Nürnberger: »Von mehr sozialer Gerechtigkeit kann keine Rede sein: Die Kluft zwischen Reich und Arm hat sich vergrößert, es gibt Rekordzahlen an Arbeitslosen, es werden Kranke für medizinische Behandlung zur Kasse gebeten, junge Menschen müssen für ihre Ausbildung Studiengebühren bezahlen und die Arbeiter haben noch immer nicht die gleichen Rechte wie die Angestellten, auch wenn ständig das Gegenteil behauptet wird.« Es sei hoch an der Zeit, sagte Nürnberger abschließend, diesen katastrophalen Weg für Österreich und seine Menschen zu beenden. »Wir werden alles dazu tun, dass dies spätestens am Wahltag der Fall ist.«

Bleibt nur zu hoffen, dass mehr soziale Verantwortung und eine rasche Lösung der dringlichsten Probleme auch in dieser Übergangszeit verwirklicht werden kann. Ob Neuwahlen oder nicht, die vielen Arbeitslosen brauchen jetzt einen Job und die Jugendlichen brauchen jetzt eine Lehrstelle. Da werden wir Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nicht lockerlassen.

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(C) AK und ÖGB

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