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Schwarzarbeitgeber | Das Milliardengeschäft »Sozialbetrug«

HINTERGRUND

Beim Thema »Schwarzarbeit« geht es nicht um kleine Häuslbauer, die - mehr oder weniger - Bekannte zur Mitarbeit anheuern. Auch nicht um berufstätige Mütter, deren Wohnung »schwarz« gesäubert wird. Es geht um jene, die aus der Not von Menschen Kapital schlagen. Um jene Unternehmer nämlich, die Arbeitskräfte, die sich illegal in Österreich aufhalten, mit Kalkül und ungeheurem Profit schwarz beschäftigen. Die Autorin hat sich in Wien und Vorarlberg umgesehen und berichtet von den zaghaften politischen Ansätzen, um den Sklavenhaltern unserer Tage beizukommen. Mit der neuen Einsatztruppe zur Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung wurde immerhin eine »Miniausgabe« des gewerkschaftlichen Forderungskataloges erfüllt.

Suleyman hat sich bloß umgesehen in der Küche. Dabei Hand an die Käsespätzle zu legen ist gut für ihn. Schließlich will
er in seiner Heimat, der Türkei, ein Lokal eröffnen. Der arme Kerl darf sogar bei seinem Vorarlberger Gastronomie-Kollegen in spe wohnen. »Brutale G’schichten erfinden s’ schon, die Chefs«, sagt dann einer des Kontrolltrupps. »Aber bitte: Keine Namen nennen.«

Suleyman

Gegessen haben die Kontrolleure die Geschichte nicht. Während oben einer vom Team beim Chef war, hörte unten, in der Küche, ein anderer die Geschichte Suleymans. Monate schon schneidet er hier Salate und jagt Teige durch das Spätzlesieb. Er ist anonym da, in der Region um die Bregenzerwälder Käsestraße, und was von ihm in Österreich bleiben wird, ist eine anonyme Zeitungsmeldung: »Vorarlberger Zoll: In einem Monat 15 illegal Beschäftigte angezeigt.«

Edmund Spiegel, ehemaliger Zollbeamter und nunmehr Teamverantwortlicher der neuen Inspektionsgruppe zur »Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung«, (KIAB), sitzt in seinem kleinen Büro im Feldkircher Hauptzollamt. Seine Sprache ist streng amtlich, das hilft, Namen und Details nicht auszuplaudern. Stolz ist er schon auf das vierköpfige Team, das mit 1. Juli des Jahres seine Arbeit aufgenommen hat. Immerhin 15 illegale Ausländer wurden von der KIAB Feldkirch »betreten« und anschließend »fremdenpolizeilich weiterbehandelt«. Ein guter Schnitt, bei acht von 18 kontrollierten Betrieben, mit insgesamt 42 dort beschäftigten Ausländern.

Sozial- und Abgabenbetrug

Österreichweit sind 98 Kontrolleure von Arbeitsinspektorat, Zoll und Finanz auf Baustellen und in Betrieben unterwegs. Die Kontrollkompetenz, mit dem Schwerpunkt »Sozial- und Abgabenbetrug«, liegt nunmehr bei den Hauptzollämtern. »Das hat Vorteile und Synergieeffekte«, meint der Feldkircher KIAB-Teamchef Edmund Spiegel. »Der Zöllner muss Gespür dafür aufbringen, wo Hinterziehungsfälle auftreten. Auch das Fachwissen der früheren Berufslaufbahn ist für die KIAB von Bedeutung.«

Der Vorarlberger Sekretär der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), Gerhard Flatz, sieht die langjährigen Forderungen der Gewerkschaften bestätigt, »wenn zumindest das Thema ein bisschen aufgegriffen und es ja bereits Erfolge der KIAB gibt«. Schon als die Zollbeamten aufgrund des Schengener Abkommens »freigesetzt« oder in den Vorruhestand entlassen wurden, hatten die Arbeitnehmervertreter dafür plädiert, das gut geschulte Personal auf das Problem »illegale Beschäftigung« anzusetzen. »Ein Supermodell gab es damals«, erinnert sich Flatz, »das aber damals schubladisiert wurde.«

Auch GBH-Zentralsekretär Karl-Heinz Stefan, für Tirol und Vorarlberg zuständig, freut sich über die neue Kontrollgruppe und ärgert sich über alte Versäumnisse, die hartnäckig bestehen bleiben. Immerhin ist mit der KIAB-Kontrollgruppe eine »Miniausgabe« unserer Forderungen entstanden, kommentiert Karl-Heinz Stefan und verweist auf den bayrischen Nachbarn. Dort sind um etwa fünfmal mehr Beamte als in ganz Österreich ausschließlich in Sachen Sozial- und Abgabebetrug unterwegs. »Durch die Strafverfügungen erhalten sie sich, leider oder Gott sei Dank, selber und liefern sogar dem Staat noch etwas ab«, meint Zentralsekretär Stefan. »Das bringt mehr als jede Radarüberwachung.«

Keine Menschenjagd

Erfolge verzeichnet auch besagte junge Eingreiftruppe zur »Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung«. Gemessen wird Erfolg - noch? - an der Zahl der Opfer betrügerischer Unternehmen: »In Wien wurden 85 illegal beschäftigte Ausländer in insgesamt 226 kontrollierten Betrieben angetroffen«, liest ein KIAB-Mitarbeiter Teams aus seinen Aufzeichnungen im Büro in der Wiener Vorderen Zollamtsstraße vor.

Teamverantwortlicher Wolfgang Müller zum Problem, dass über das Opfer der Zugang zum Täter erfolgt: »Auf Menschenjagd gehen wir nicht. Die ›Illegalen‹ sind zwar das äußere Zeichen, aber man muss auch die menschenunwürdigen Bedingungen sehen, unter denen sie ›gehalten‹ werden. Uns geht es aber primär darum, den Sozial- und Abgabenbetrug zu unterbinden. Im Hintergrund steckt so viel Geld, dass man den Firmen in konzertierter Weise solche ›Schmerzen‹ zufügen muss, dass die illegale Beschäftigung von Ausländern uninteressant wird.«

Eine konzertierte Zusammenarbeit könnte mit der neuen Einsatzgruppe durchaus funktionieren. »Vorher war die Sache eher in einem schwimmenden Bereich«, erinnert sich Peter Nigel vom KIAB-Team in Wien. »Eine Verwaltungsstrafe wurde verhängt, die restlichen Meldungen gingen an die entsprechenden Behörden, etwa Finanzamt oder Gebietskrankenkassen, weiter. Nun läuft automatisch und parallel zur Verwaltungsstrafe ein Verfahren nach dem Abgabengesetz. Da gibt es nahezu kein Entrinnen.«

Empfindliche Strafen

Die hinterzogenen Sozial- und Steuerabgaben sind bei weitem höher als die Verwaltungsstrafe für illegale Beschäftigung, die so mancher Unternehmer schon in seiner Preiskalkulation vorbeugend berücksichtigt.

Bei kleineren Betrieben zeigt die Erhöhung der Pönale erste Reflektionsprozesse. Von einer Glaserei berichtet KIAB-Leiter Wolfgang Müller. »Wenn ihr noch einmal kommt und mich straft, geht’s an meine Existenz«, soll der Meister zu den Kontrolleuren gesagt haben. Ob er, wie beteuert, seine Arbeiter nun tatsächlich anmeldet? Bei einer Erhöhung der Strafe um durchschnittlich 30 Prozent durchaus zu überlegen. Die Mindeststrafe, sie wird pro Kopf (eines illegal beschäftigten Ausländers) verhängt, wurde nunmehr von 726 auf 1000 Euro angehoben. Ab drei Erwischten können zwischen 2000 und 10.000 Euro eingehoben werden.

Für unkooperative Schwarzarbeitergeber, die etwa den Kontrolleuren Unterlagen verweigern oder Märchen auftischen, »wird die Strafforderung sicher höher sein«, meint der Vorarlberger KIAB-Leiter Edmund Spiegel. »Der illegal Beschäftigte ist für uns nicht der, der bestraft wird, sondern Zeuge in diesem Verfahren.« Weil aber illegal beschäftigte Ausländer in den meisten Fällen auch ohne Aufenthaltspapiere sind, ist eines fast unausweichlich: Die Abschiebung des Betroffenen.

Keine Ahnung

Da ist es fast überraschend, dass einige dennoch aus der Anonymität auftauchen. Eines Tages erschienen drei Arbeiter aus Ex-Jugoslawien im Büro der Gewerkschaft Bau-Holz, im zweiten Stock des Feldkircher ÖGB-Gebäudes. »Sauerei, wir bekommen kein Geld«, hieß es. »Wer ist euer Chef?« »Keine Ahnung.« Keine Ahnung auch von Firmensitz, Namen oder Handynummer der Kontaktperson, von einer ordentlichen Abrechnung ganz zu schweigen. »Hier können wir nur Ersthilfe anbieten«, meint GBH-Sekretär Flatz, »oder die Betroffenen an die AK verweisen. Aber keinen Rechtsschutz.«

Ein wenig mehr kann die GBH vor Ort für die rechtlosen Arbeitnehmer tun. Vorausgesetzt, es sind Betriebsräte oder Gewerkschafter auf Baustellen und in den Betrieben. GBH-Zentralsekretär Karl-Heinz Stefan: »Mit Hilfe von Sprachkundigen wird Aufklärung über die Mindeststandards gemacht. Die Leute staunen nur so, was ein Eisenflechter, Betonierer, Schaler oder Hilfsarbeiter eigentlich verdienen müsste.«

Schlagwort: Sozialbetrug

Sozialbetrug ist, wenn Arbeitgeber Arbeitnehmer gesetzwidrig beschäftigen, sie auf diese Art einschneidend schädigen und dazu dem Sozialwesen Beiträge entziehen, um sich selbst Kostenvorteile zu verschaffen. Dies geschieht durch Nichtanmeldung oder durch zu niedrige Anmeldung zur Sozialversicherung, durch Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften ohne Beschäftigungsbewilligung und zu gesetzwidrigen Arbeitsbedingungen, durch Nichtabführen der Lohnsteuer, Vorenthalt von Mindestlöhnen oder Nichteinhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften.

Sozialbetrug führt dazu, dass reguläre Arbeitsplätze verdrängt werden und die Arbeitslosigkeit steigt; Arbeitnehmer zu wenig Lohn für ihre Leistung bekommen; ihre Ansprüche auf Sozialleistungen, wie z. B. Arbeitslosengeld, Krankengeld, Pension und Unfallrente, geschmälert werden; dem Sozialwesen in Österreich jährlich viele Milliarden Euro durch vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge und nicht abgeführte Steuern entgehen; seriös arbeitende Unternehmen einem unlauteren Wettbewerb ausgesetzt sind.

AK und ÖGB fordern, dass die Kontrollen effizienter und die Strafen härter werden. Die Beschäftigten müssen bei Arbeitsbeginn verpflichtend angemeldet und die Haftungsbestimmungen für Generalunternehmer verschärft werden. Organisiertes Schwarzunternehmertum muss endlich faktisch strafrechtlich verankert und damit gerichtlich verfolgbar werden. In besonders schwerwiegenden Fällen soll auch eine Betriebseinstellung möglich sein.

(Ch)

Die Aufklärungsarbeit stößt auf ein zusätzliches Problem: Schließlich sind die Betriebsstätten einer Baufirma über das ganze Land verteilt. Betriebsräte, die nicht freigestellt sind, kommen nur schwer vom eigenen Arbeitsplatz weg. Für große Distanzen fehlen Zeit und Mittel. Und: Durch die Aufsplitterung der Betriebsstrukturen wird es immer schwieriger, die Grenze von 150 Beschäftigten zu erreichen, die für die Freistellung eines Betriebsrates erforderlich ist. (Eine der Forderungen der GBH bei ihrem kommenden 16. Gewerkschaftstag im November ist daher die Absenkung der Freistellungsgrenze.)

Staatsanwalt einschalten

Die Forderungen der Gewerkschaften zur Bekämpfung des organisierten Sozial- und Abgabenbetrugs sind bei weitem umfassender als die politischen Pflaster auf den Wunden des Wirtschaftsgefüges. »Jeder kann ermessen, wie wirkungsvoll eine Gruppe von 98 Personen die rund 300.000 österreichischen Betriebe kontrollieren kann«, hatte GBH-Bundesvorsitzender Johann Driemer die Einführung der KIAB-»Eingreiftruppe« im Juli kommentiert. »Die blauschwarze Regierung weigert sich, auf die Vorschläge von ÖGB, AK und Gewerkschaften einzugehen.«

Abgabenbetrüger sollen nun zwar verstärkt zur Nachzahlung der hinterzogenen Summen herangezogen und auch durch höhere Verwaltungsstrafen abgeschreckt werden. Der Betrug an sich wird aber nicht geahndet. Johann Driemer: »Das Schwarzunternehmertum muss gerichtlich strafbar und in gravierenden Fällen mit der Betriebseinstellung verbunden sein.« Eine Forderung, die sich am deutschen Modell orientiert, wo das bewusste Vorenthalten von Löhnen, Sozialversicherungsbeiträgen und Abgaben ein Straftatbestand ist, der von der Staatsanwaltschaft geahndet wird.

Ein aufsehenerregendes Urteil wurde beim deutschen Nachbarn etwa im Bereich des Transport(un)wesens gefällt. Der Unternehmer Arnoldo Forti hatte in der Slowakei ein Transportunternehmen gegründet: Slowakische Fahrer preschten - zu slowakischen Bedingungen - mit ihren Lkw quer durch die Europäische Union. Mehr als vier Jahre Haft und Nachzahlung der hinterzogenen Beiträge lautete das Urteil.

21,8 Milliarden EUR

Ein Beispiel, das allein schon der Zahlen wegen Schule machen sollte: In Österreich, so errechnete der Linzer Ökonom Friedrich Schneider in einer Studie über den Umfang der Schwarzarbeit des Jahres 2002, werden die im Bereich der Schattenwirtschaft erzielten Beträge von 21,1 Milliarden Euro (2001) heuer auf 21,8 Milliarden klettern. EU-weit wird mit einem Volumen von rund 28 Millionen Arbeitsplätzen gerechnet, auf denen schwarz gearbeitet wird.

Auch seriöse Unternehmen geraten unter Druck. Billigstbieter, die sich mit bis zu 50 Prozent »günstigeren« Offerten Aufträge schnappen, bringen legal operierende Firmen in Bedrängnis. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Betriebsräte hören von Unternehmen, die mit ähnlichen »Methoden« drohen, weil sie mit dem Preis nicht mithalten können. Aber auch von Hinweisen an Kontrollbehörden und Gewerkschaften ist die Rede, mit denen redliche Unternehmer ihren mafiosen »Kollegen« das Handwerk legen wollen.

Betriebsräte und Gewerkschaften kennen, besser als jeder externe Kontrolleur, Mitarbeiter und Situation eines Betriebes. Ihre Kenntnis und Erfahrung kommen bei der neu gegründeten Kontrolltruppe nicht zum Tragen. Einstweilen noch: Eine Hotline kann sich etwa der Tiroler GBH-Zentralsekretär Karl-Heinz Stefan vorstellen, mittels der Betriebräte obskure Vorgänge an ihren Betriebsstätten an die KIAB weitergeben. Und grundsätzlich ist man in einem Punkt einig. Je mehr Personen eingebunden sind, umso größer ist die Chance, nicht den Beschäftigten, sondern den Profiteur zu strafen.

Worum geht’s?

Die Gewerkschaften werden nicht müde in ihrem Kampf gegen das organisierte Schwarzunternehmertum! Der Katalog ihrer Forderungen zur Bekämpfung dieses gesellschafts- und finanzpolitischen Phänomens ist lang. Die neue Einsatztruppe zur Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung ist ein Schritt nach vorn, aber immer noch viel zu wenig. In ganz Österreich sind lediglich 98 Kontrolleure von Arbeitsinspektorat, Zoll und Finanz auf den Baustellen und in den rund 300.000 Betrieben in Österreich im Einsatz, um den Sozial- und Abgabenbetrug zu bekämpfen. Allein in Bayern sind es fünfmal so viel! Es ist wie ein Kampf gegen Windmühlen, denn die hinterzogenen Sozial- und Steuerabgaben sind um ein Vielfaches höher als die verhängten Strafen. In Österreich wird das Volumen der Schattenwirtschaft 2002 den Rekordwert von geschätzten 21,8 Milliarden Euro erreichen, EU-weit wird auf rund 28 Millionen Arbeitsplätzen schwarz gearbeitet! Das Ausmaß der illegalen Beschäftigung ist derart hoch, dass auch seriöse Unternehmen zunehmend unter Druck geraten. Dabei sollten nicht Zahlen im Vordergrund stehen, sondern die Not der betroffenen, zur Schwarzarbeit gezwungenen Menschen!

(Ch)

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