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Schmutzige Geschäfte | Schwarzarbeit als »Undercover-Sozialforscher« erlebt

HINTERGRUND

Beim Thema Schwarzarbeit geht es um die absichtliche und systematische Umgehung eines legalen Arbeitsverhältnisses. Ich beziehe mich hier auf die besonders nachteiligen illegalen Arbeitsbeziehungen, die sich aus einer stark eingeschränkten Möglichkeit ergeben, eine legale Arbeit ausüben zu können. Diese von mir beschriebene und zum Teil in den letzten Jahren auch persönlich erfahrene Schwarzarbeit findet meist während der Normalarbeitszeit statt. (Vergleiche auch den Beitrag »Schwarzarbeitgeber« von G. Müller auf Seite 34 dieses Heftes, in dem auch die neue Inspektionsgruppe KIAB und die Abgabenstrafen beschrieben werden.)

Vor einigen Jahren mischte ich mich unter polnische Zuwanderer, die auch heute noch zu Dutzenden in der Herbststraße in Wien stehen, obwohl das ehemals größte Arbeitsamt des Landes längst abgesiedelt worden ist. Die Männer platzieren sich nach wie vor einzeln oder in kleinen Gruppen am Straßenrand und warten auf Arbeitsaufträge. Auch ich stellte mich ab 6 Uhr früh in die Herbststraße und versuchte wiederholt mein Glück. Durch meine guten deutschen Sprachkenntnisse war es für mich nicht besonders schwierig, von Auftraggebern engagiert zu werden.

Vom Arbeiterstrich zur Schwarzarbeit

Meist nähern sich die Arbeitgeber in Autos, verlangsamen das Tempo, bleiben stehen, kurbeln das Seitenfenster herunter und dann heißt es schnell reagieren, auf die Fahrerseite laufen, sich anhören, um welchen Auftrag es sich handelt und ohne zu zögern zusagen. Nicht wenige Anbieter von Arbeit stellen, um Aufsehen zu vermeiden, ihren Pkw in einer Seitengasse ab, nähern sich zu Fuß den Wartenden und sprechen sie an, ob sie an einer bestimmten Arbeit interessiert seien.

Bei den Jobs handelt es sich rund zur Hälfte um Aufträge von Privatpersonen und zur anderen Hälfte um Aufträge von Firmen. So wurde ich wiederholt für Gartenarbeiten in der Herbststraße abgeholt. Oft hatte ich allein oder mit anderen Kollegen gemeinsam frische Erde in Gartensiedlungen aufzutragen. Die schwere, feuchte Erde musste dabei über mehr oder weniger weite Strecken in Schubkarren herangeschafft werden.

Großzügig?

Die privaten Auftraggeber zahlen meist zwischen 3,50 und 5 Euro und kommen sich bei diesem Stundenlohn durchwegs großzügig vor. Sie verweisen dabei gerne auf die vergleichsweise niedrigen Gehälter in den Herkunftsländern der Helfer aus dem Osten. Allerdings berücksichtigt diese Rechtfertigung der Bezahlung nicht, dass das Leben in Wien im Vergleich zu den Herkunftsorten viel teurer ist. Schwarzarbeiter, die in Wien leben, müssen für ein Bett in einer Unterkunft zwischen 100 und 150 Euro zahlen, sich aus den hiesigen Märkten mit Lebensmitteln versorgen und für die Fahrtkosten hierzulande aufkommen. Die Selbstzufriedenheit der privaten Auftraggeber ist, was ihre Zahlungsmoral anlangt, völlig unangebracht.

Bei qualifizierteren Arbeiten für private Auftraggeber, etwa für Elektro-, Installateur-, Fliesen-, Maler- und Maurerarbeiten, kann es Schwarzarbeitern gelingen, gleich über einen längeren Zeitraum mit Auftragsarbeiten versorgt zu werden. Durch die Mundpropaganda, verbunden mit einer guten Erreichbarkeit über Handy, schaffen es tüchtige Schwarzarbeiterpartien, von Häuselbauer zu Häuselbauer weiterempfohlen zu werden. Sie sind auf das Stehen in der Herbststraße, das manchmal auch gefährlich sein kann, weil die Polizei Kontrollen durchführt, nicht mehr angewiesen.

Schwarzarbeit für Firmen

Nicht nur private Auftraggeber holen sich bei Bedarf Schwarzarbeiter aus der Herbststraße, es kommen auch Firmenautos, die auf ihrem Weg zur Baustelle tüchtige Helfer vom Arbeiterstrich abholen. Oft handelt es sich dabei um anstrengende und meist auch unangenehme Hilfsarbeiten. Das Schleppen von Gipsplatten für den Innenausbau gehört etwa ebenso dazu wie das staubige Ausräumen von Kellern und Dachböden.

Einmal wurde ich von zwei Schlossern engagiert. Sie hatten von ihrem Chef den Auftrag, sich einen Helfer von der Herbststraße zu holen, der ihnen bei der Montage von Stiegengeländern behilflich sein sollte. Ein anderes Mal arbeitete ich zusammen mit einem Schwarzarbeiter aus Polen für eine Installateurfirma. Zu zweit hatten wir den Auftrag, alte Öltanks aus verstaubten Kellerräumen zu schaffen. Bei dieser Arbeit wurden wir total schmutzig. Unsere private Straßenkleidung mussten wir nach diesem Einsatz entsorgen. Bei der Heimfahrt mit den öffentlichen Linien rückten die anderen Fahrgäste von uns wandelnden Ölfässern ab.

Ein anderes Mal durfte ich mit Schwarzarbeiterkollegen beim Abladen eines Lebensmitteltransportes helfen. Die schweren Reissäcke und Kartons mit Dosen mussten vom Lkw gehoben, über enge Stiegen getragen und in einem knapp bemessenen Lagerraum verstaut werden. Wir arbeiteten ohne Pause durch und waren nach vier Stunden mit der Arbeit fertig. Der Lohn: magere 5 Euro.

Auch von einer Baufirma wurde ich eines Morgens in der Herbststraße aufgelesen. Ein Bauarbeiter brachte mich mit seinem privaten Pkw zur Baustelle in Wien-Floridsdorf. Ein kleines Einfamilienhaus wurde komplett renoviert. Ich hatte die Aufgabe, den alten Estrichboden in den Kellerräumen herauszureißen. Zunächst musste ich den Boden mit einem Fäustl brechen, den Schutt in Kübel füllen, ihn über viele Stufen hinaufschleppen und in den Müllcontainer schütten. Danach wurde ich beauftragt, Beton zu mischen und den Maurern als Helfer zur Verfügung zu stehen.

Später wurde ich eingeladen, gleich zur nächsten Baustelle mitzuziehen. Diesmal handelte es sich um ein mehrstöckiges Mietshaus in Wien-Ottakring, das ebenfalls komplett renoviert wurde. Meine Aufgabe und die meiner zwei weiteren Schwarzarbeiterkollegen bestand darin, den alten Putz im Stiegenhaus und in den unappetitlichen WC-Anlagen abzuschlagen, den Maurern zwischendurch Baumaterialien und Werkzeuge zu reichen, die schweren Gipsplatten in die einzelnen Stockwerke zu zerren und bei Lkw-Lieferungen beim Abladen behilflich zu sein.

Interessant an dieser Firmentätigkeit war, dass die Baufirma selbst nur ausgebildete Maurer in einem Anstellungsverhältnis beschäftigte und alle Hilfskräfte, die nun mal auch zu einer Baustelle gehören, schwarz requirierte. Meine beiden Kollegen freuten sich über die Arbeits- und Verdienstmöglichkeit. Einer stammte aus Polen und der zweite war ein knapp 60-jähriger Arbeiter aus Kroatien, der, wie er mir gegenüber angab, keine Chance mehr hatte, auf dem Arbeitsmarkt regulär unterzukommen. Er war froh, dass er wenigstens schwarz auf eine regelmäßige Beschäftigung hoffen konnte. Er sparte Mietkosten und nächtigte auf dem Dachboden des alten Hauses, wo er sich mit einer Matratze und Baumaterialien gemütlich eingerichtet hatte. An heißen Tagen war es jedoch unmöglich, auf dem Dachboden zu schlafen, so nächtigte er auf dem Balkon, fiel dort argwöhnischen Anrainern auf, die sofort die Polizei alarmierten. Nach dem Polizeieinsatz musste mein Kollege sein Quartier aufgeben, er fand später über einen Bekannten Unterschlupf in einer Gemeindewohnung, die vom eigentlichen Mieter illegalerweise in Untermiete vergeben wurde.

Jeden Freitag war Zahltag. Der Polier ließ sich an diesem Tag kaum auf der Baustelle blicken und kam erst nach Arbeitsschluss. Mit der Auszahlung hatte er es nicht eilig. Irgendwann stellte er sich zu uns, hatte auf einem Zettel Papier handschriftlich unsere Vornamen, Stundenanzahl und Auszahlbetrag draufgekritzelt und zählte uns aus einer dicken Kellnerbrieftasche einige wenige Scheine in die Hand. Pro Arbeitsstunde verdienten wir 4,50 Euro. Von den Arbeitsstunden wurde eine Stunde Mittagspause abgezogen, obwohl wir nur eine halbe Stunde pausieren durften, Überstunden wurden ab- und nicht aufgerundet und zählten als Normalarbeitszeit. Eine Beschwerde war zwecklos. Meine Kollegen waren immer froh, wenn uns der Polier nach der Auszahlung einlud, nächsten Montag wieder zu kommen.

Schwarzarbeit über Personalbereitstellungsfirmen

Nicht nur über die Herbststraße fand ich Zugang zur Schwarzarbeit, auch über Personalbereitstellungsfirmen kam ich mit vielen Schwarzarbeitern in Kontakt. Es gibt Personalbereitstellungsfirmen, die von ihren Arbeitern nur die Vornamen kennen und sie ohne anzumelden an Beschäftigerbetriebe verleihen. Anfangs glaubte ich, dass die Kundenfirmen über den Schwarzarbeiterstatus nicht im Bilde sind, doch in einer Kaffeerösterei, die regelmäßig Leiharbeiter beschäftigte, wurden wir vom Meister extra darauf hingewiesen, bei der Arbeit vorsichtig zu sein, denn wir wären ja nicht versichert. Die Kundenfirmen sind demnach sehr wohl im Bilde. Es gibt Leihfirmen, die Arbeiter beschäftigen, die von sich aus den Wunsch äußern, nicht angemeldet zu werden. Sie haben zumeist Unterhaltszahlungen zu leisten und deswegen ist es ihnen angenehm, wenn sie kein offizielles Einkommen aufs Konto überwiesen bekommen. Sie bevorzugen es, bar entweder täglich, wöchentlich oder maximal vierzehntägig ausbezahlt zu werden.

Doch selbst wenn Leiharbeiter angemeldet beschäftigt sein wollen, gehen manche Personalbereitstellungsfirmen nur widerwillig auf diese Wünsche ein. So musste ich einmal starken Druck entwickeln, damit die Leihfirma meine Lohnsteuerkarte entgegennahm. Angemeldet war ich in einer viel besseren Position. So war es vor meiner Anmeldung einige Male vorgekommen, dass ich wie meine Kollegen zwar um 6 Uhr früh in das Büro der Leihfirma gekommen war, dort jedoch nach drei Stunden Wartezeit keinen Arbeitsauftrag bekommen konnte und wie meine zahlreichen Kollegen unverrichteter Dinge nach Hause gehen musste.

Obwohl die Leihfirma an meiner Lohnsteuerkarte kein Interesse zeigte, betrachtete ich mich nicht als Schwarzarbeiter. Bei der wöchentlichen Stundenabrechnung forderte ich die Bezahlung der unfreiwilligen Arbeitspausen. Laut Arbeitskräfteüberlassungsgesetz muss die Leihfirma ihr Personal auch dann bezahlen, wenn sie keine Arbeitsaufträge hat. Hier geht es um die verbotene Abwälzung des Unternehmerrisikos auf die Arbeitnehmer. Anfangs wollten die Leihfirmen von meiner Forderung nichts wissen, aber schließlich zahlten sie doch einen Betrag für meine Arbeitsbereitschaft. Jetzt wurde die Geschäftsleitung auf mich aufmerksam, sie war erstaunt, dass ein Leiharbeiter an einer ordentlichen Anmeldung interessiert war. Erst jetzt durfte ich die Lohnsteuerkarte und einen Lichtbildausweis abliefern. Für mich änderte sich die Beschäftigungs- und Einkommenssituation gravierend, denn während meine Kollegen nach wie vor zwangsweise pausieren mussten, weil die Leihfirma nicht genug Arbeitsaufträge hatte, gab es für mich ab diesem Zeitpunkt jeden Tag einen Arbeitsauftrag. Die Firma wollte nicht wieder für meine bloße Arbeitsbereitschaft zahlen.

Rechtloser Zustand

An diesem Beispiel lässt sich deutlich die rechtliche Unsicherheit bei einer Schwarzarbeit aufzeigen. Schwarzarbeiter sind rechtlos, sie sind auf das Wohlwollen der Arbeitgeber angewiesen, sie können etwa nicht jeden Tag mit einem Arbeitsauftrag rechnen, sie müssen Zwangspausen einlegen. Als angemeldeter Leiharbeiter konnte ich auf meine Rechte pochen, meine Kollegen konnten das nicht.

Manchmal reduzieren die Auftraggeber den im Vorhinein vereinbarten Stundenlohn, wenn sie sehen, dass die Arbeit nicht in der erhofften Zeit fertig gestellt werden kann. Sie reduzieren nicht nur den Lohn, sondern auch den Personalstand. Am Abend nach der Auszahlung weisen sie etwa zwei Schwarzarbeiter an, meist handelt es sich um die Kräftigsten der Gruppe, am nächsten Tag wiederzukommen, während sie sich von den anderen verabschieden und sie so zurück zur Herbststraße bzw. Leihfirma schicken, wo sie erneut ihr Glück versuchen müssen.

Auch für qualifizierte Schwarzarbeiter gibt es keine Garantie, den vereinbarten Lohn zu bekommen. So erzählten mir Kollegen, dass sie ein allein stehendes, altes Haus in Niederösterreich instand setzen sollten. In der ersten Woche wurde ihnen ein kleiner Vorschuss gewährt, doch dann wurden sie drei weitere Wochen mit der Bezahlung vertröstet, und schließlich schaffte der Auftraggeber auch keine Baumaterialien mehr heran. Eines Tages näherte sich der Baustelle ein Gendarmerieauto. Die Schwarzarbeiter mussten, ihre Werkzeuge zurücklassend, von der Baustelle fliehen und sich möglichst ohne Aufsehen zu erregen nach Wien durchschlagen.

Dem Kurier vom 15. Mai 2002 entnehme ich eine kleine Notiz, wonach es wieder einmal gelungen ist, einen ausländischen Schwarzarbeiter und seinen inländischen Arbeitgeber bei Malerarbeiten in einem Haus aufzudecken. Der ausländische Schwarzarbeiter wird sofort in Schubhaft genommen, aus Österreich ausgewiesen und mit einem Einreiseverbot belegt, der inländische Arbeitgeber wiederum muss mit einer Anzeige rechnen.

An diesem Beispiel lässt sich erkennen, wer den größeren Schaden aus einem illegalen Arbeitsverhältnis zieht. Dem Mann, der jetzt in Untersuchungshaft sitzt, wird nicht nur seine Zukunft verbaut, er steht auch mit leeren Händen da. Sein Arbeitgeber wird ihn kaum noch schnell den ausstehenden Wochen- oder gar Monatslohn bezahlt haben. Das »ersparte« Geld deckt wahrscheinlich bereits einen Gutteil der Verwaltungsstrafe des Arbeitgebers ab. Schwarzarbeit ist ein Tauschgeschäft auf einer höchst unsicheren Basis mit einem sicheren Verlierer - dem Schwarzarbeitnehmer.

Schwarzarbeit bedeutet niedriges Einkommen bei hohem Arbeitseinsatz. Fällt dieser nicht zufrieden stellend aus, gehen Schwarzarbeiter ihrer Arbeit kurzfristig verlustig. Es gibt keinen Kündigungsschutz. Es gibt auch keine Arbeitszeitbeschränkung. In einem großen Papier verarbeitenden Betrieb lernte ich Schwarzarbeiter kennen, die gleich beide Schichten durcharbeiteten, um trotz ihres niedrigen Stundenlohnes auf ein einigermaßen akzeptables Einkommen zu kommen. In der zweiten Woche reduzierten sie ihr gewaltiges tägliches Arbeitspensum von 16 auf 14 Arbeitsstunden, weil sie die Strapazen körperlich nicht verkraften konnten.

Ausbeutung und Selbstausbeutung?

Die Einkommenssituation von Schwarzarbeitern kann oft nur dann zufrieden stellend gelöst werden, wenn alle Normalarbeitszeiten ignoriert werden und es die Möglichkeit für Überstunden gibt. Ein Beispiel dieser Strategie erlebte ich mittelbar durch eine befreundete Polin, die mit ihren Kolleginnen für einen Euro pro Stunde in einer Änderungsschneiderei arbeitete. Um auf einen halbwegs tolerierbaren Tageslohn zu kommen, durften die Frauen täglich zehn Stunden arbeiten.

In diesem Fall wurde sogar eine Wochenendzulage gewährt. Für die je zehnstündigen Arbeitseinsätze am Samstag bzw. am Sonntag bekamen sie zwei Euro Stundenlohn. Dieses »Zuckerl« war notwendig, denn sonst hätten selbst diese abhängigen Frauen an dieser Schwarzarbeit kein Interesse gezeigt und wären zu Hause geblieben.

Auch in diesem Betrieb kam es zu einer Kontrolle. Die Schwarzarbeiterinnen versteckten sich in Kästen, waren verängstigt, weinten. Sie kamen in U-Haft und wurden abgeschoben. Der Betriebsleiter, der zu einer Verwaltungsstrafe verurteilt wurde, sperrte die Firma zu und gab sich zahlungsunfähig. Es handelte sich um ein Subunternehmen, das für ein großes Kleiderhaus die notwendigen Änderungen durchführte. Unter einem anderen Namen mit einem neuem Betriebsleiter wurde wenig später wiederum eine Änderungsschneiderei eröffnet.

Das System der günstigen Übergabe von Arbeitsaufträgen eines Generalunternehmens an Subfirmen, die wiederum meist Schwarzarbeiter beschäftigen, spart nicht nur Lohnkosten, sondern auch Sozialabgaben und Steuern. Es ist interessant, dass es kaum ernsthafte Versuche gibt, der Schwarzarbeit effektiv zu Leibe zu rücken. Eine rechtlich verbindliche Klausel, wonach ein Generalunternehmen für die reelle Abwicklung des Projektauftrages verantwortlich gemacht wird, würde bereits genügen, um die systematische Ausnutzung von Schwarzarbeitnehmern zu verhindern, doch derartige einfache und konsensfähige Initiativen der Regierenden lassen beharrlich auf sich warten.

So passierte es mir einmal, dass ich als Helfer einer kleinen Subfirma beim Aufstellen von Zwischenwänden gebraucht wurde. Der Chef versprach mir, anstatt am Freitag am Montag das versprochene Geld zu zahlen. Am Montag stand ich jedoch allein auf der Baustelle, denn meine Firma hatte die Arbeiten übers Wochenende abgeschlossen und war für mich nicht mehr ausfindig zu machen.

In solchen und ähnlich gelagerten Fällen müsste es die Möglichkeit geben, dass Schwarzarbeiter dennoch ihre Forderungen stellen und die betreffenden Arbeitgeber zur Nachzahlung eines korrekten Lohnes samt Lohnnebenkosten gedrängt werden. Nicht nur die Steuer- und Sozialabgaben müssten nachgefordert werden, sondern die betreffenden Schwarzarbeiter müssten ihre tatsächlichen Löhne zugesprochen erhalten. Dadurch könnten Schwarzarbeitnehmer die Rolle von wertvollen Zeugen bei gerichtlichen Verhandlungen einnehmen und nicht diejenige von kriminellen Menschen, die aus Mangel an legalen Möglichkeiten, einen Arbeitsvertrag zu schließen, auf illegale Beschäftigungsmöglichkeiten angewiesen sind und dabei, wie meine eigenen Erfahrungen zeigen, schamlos ausgebeutet werden.

Unterschiedliche Abhängigkeit von Schwarzarbeit

Diese Beispiele von Schwarzarbeit unterscheiden sich in vielen Punkten vom so genannten »Pfusch«, der meist von Handwerkern neben ihrer legalen Erwerbsarbeit geleistet wird. Maler, Maurer, Fliesenleger, Installateure, Tischler, Elektriker, Friseure, Mechaniker etc. nutzen verschiedentlich die Möglichkeit, in der Verwandtschaft, aber auch darüber hinausgehend, ihre besonderen beruflichen Fähigkeiten in der Freizeit einzusetzen, um sich ein Zubrot zu verdienen.

Diese Gruppe von »Pfuschern« hat die Freiheit, die Arbeitsaufträge aus ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis anzunehmen oder nicht, sie stehen in der Regel im Vergleich zur zuvor besprochenen Schwarzarbeit in keinem Abhängigkeitsverhältnis zur Schwarzarbeit. Die Motive für ein zusätzliches berufliches Engagement über die berufliche Tätigkeit in der Firma hinaus liegen meist im damit verbundenen höheren Einkommen. Das Geld aus der Pfuscharbeit ist aus der Sicht der Betroffenen steuerfrei und erleichtert es oft maßgeblich, einen höheren Lebensstandard zu erreichen. So erzählte mir ein Maler, der gerne Pfuscharbeiten nach der Arbeit oder übers Wochenende ausführt, dass er sich als Ausgleich dafür im Urlaub nichts abgehen lässt. Er steigt in den teuersten Hotels ab und fühlt sich als echter »Sir«.

Einige Firmen wissen genau über das »Freizeitverhalten« ihrer Arbeitnehmer Bescheid. Sie stellen sogar das Material zu günstigen Konditionen ihren Arbeitnehmern zur Verfügung. Für dieses Entgegenkommen geben sich viele Arbeiter mit einem niedrigen Ist-Lohn zufrieden. Pfuscharbeit fungiert hier als Ventil für eine unbefriedigende Entlohnung.

Es gilt festzuhalten, dass in der Schwarzarbeit oft Profis am Werk sind, die zu ihrem Einkommen im Beruf noch zusätzlich private Aufträge annehmen und damit Geld verdienen. Dazu zählen etwa auch Pädagogen, die neben ihrer vollen Lehrverpflichtung gegen Bezahlung private Nachhilfestunden geben. Das heißt, hier geht es um eine Aufbesserung des Grundgehaltes. Das Zusatzeinkommen ist den Lehrpersonen willkommen, in der Regel sind sie aber nicht unbedingt darauf angewiesen.

Besonders ausbeuterisch ...

Ganz anders stellt sich die Situation für die vorher beschriebenen arbeitsfähigen Menschen dar, die aus verschiedenen Gründen, etwa einem strengen Ausländerbeschäftigungsgesetz oder durch den Bezug von Versicherungs- oder Sozialleistungen, keine Möglichkeit haben, eine adäquate legale Beschäftigung zu finden, wo Schwarzarbeit die einzige Möglichkeit wird, sich ein Einkommen zu organisieren, um überleben zu können oder einen Mindestlebensstandard halten zu können. Schwarzarbeit bekommt erst in Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit eine besonders ausbeuterische Facette. Wenn man dringend und sofort eine Arbeit finden muss, wenn man dadurch in eine immer höhere Abhängigkeit und Unsicherheit gezwungen wird, wenn man ohne Unterstützung ist oder nur so wenig bekommt, dass sie nicht ausreicht, dann ist man bereit, jede beliebige Form der Arbeit zu jedem beliebigen Preis und zu jeder beliebigen Bedingung anzunehmen.

Eine verantwortungsvolle Sozialpolitik kann sich dieser Mechanismen, die zu Arbeitsformen frühkapitalistischer Prägung führen, nicht entziehen. Statt einem undifferenzierten Mitleid, bei dem gleichzeitig jede Form von Strafe möglich ist, geht es um eine grundlegende Gestaltung des Arbeitslebens im Sinn von Respekt, Würde und Recht. Auch Schwarzarbeitnehmern gebührt ein Recht. Es kann nicht sein, dass sich die Schwarzarbeit für Schwarzarbeitgeber durch die gängige Praxis der Bestrafung lohnt, während Schwarzarbeitnehmer in U-Haft genommen und abgeschoben werden, es kann nicht sein, dass sich Schwarzarbeitgeber an keine arbeitsrechtlichen Regeln halten brauchen, dass sie niedrigste Löhne zahlen, keine Arbeitszeitregeln beachten, schlicht, keinen Anstand zeigen und dieses schändliche Verhalten weniger Folgen hat als dasjenige der abhängigen Schwarzarbeitnehmer.

Schwarzarbeitnehmern und Schwarzarbeitnehmerinnen muss ein Recht auf Würde und Respekt eingeräumt werden.

Worum geht’s?

Die Herbststraße im 15. Wiener Gemeindebezirk, sechs Uhr morgens. Einzeln oder in Gruppen stehen sie am Straßenrand. Sie warten auf Arbeit, auf einen Auftrag, der Geld bringt. Der Straßenstrich. Die Auftraggeber kommen meist im Auto, kurbeln das Seitenfenster herunter, so als ob sie mit einer Prostituierten verhandeln würden. Die eine Hälfte der Arbeitsanbieter sind Privatpersonen, die andere Hälfte Firmen. Der Stundenlohn schwankt zwischen 3,50 und 5 Euro, je nach Schwere der Arbeit. Wer gut arbeitet und über ein Handy verfügt, hat die Chance, weiterempfohlen zu werden. Das erspart dann wiederum das Warten in der Herbststraße.

Aber nicht nur über den Straßenstrich, auch über Personalbereitstellungsfirmen gibt es Zugang zu Schwarzarbeit. Ohne Anmeldung und ohne Versicherung. Denn Schwarzarbeiter sind rechtlos, einzig auf das Wohlwollen der Arbeitgeber angewiesen. Niedriges Einkommen bei hohem Arbeitseinsatz. Ohne Kündigungsschutz und ohne Arbeitszeitbeschränkung. Sie sind die Sklaven der Gegenwart.

(Ch)

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