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Mogelpackung Integrationspaket | Verkehrte Integrationspolitik der Regierung

HINTERGRUND

Mit 1. 1. 2003 treten umfangreiche Änderungen im Fremdenrecht und im Ausländerbeschäftigungsrecht in Kraft. Seitens der derzeitigen Regierungsparteien werden die Novellierungen unter der Devise »Integration vor Neuzuzug« als integrationsfördernde Maßnahmen dargestellt. Tatsächlich wird die Integration von Ausländern dadurch erschwert bzw. zur Gänze ausgeschlossen, und es werden zusätzlich negative Arbeitsmarkteffekte zu Lasten aller Arbeitnehmer in Österreich herbeigeführt.

Integration ist keine einseitige Bringschuld von Migranten, die durch Zwangsmaßnahmen erzwungen werden kann. Vielmehr ist es ein wechselseitiger und vielschichtiger Prozess zwischen Zuwanderern und aufnehmender Gesellschaft, die die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen hat. Dazu gehört insbesondere ein erleichterter Zugang niedergelassener Ausländer zum Arbeitsmarkt (insbesondere durch die Harmonisierung von Aufenthalt und Beschäftigung), die Stärkung des Systems der Aufenthaltsverfestigung, eine menschenrechtskonforme Regelung des Familiennachzugs und die Gewährung auch politischer Rechte.

Das im Integrationspaket zum Ausdruck kommende Integrationsverständnis der derzeit noch im Amt befindlichen Regierung ist aber ein völlig anderes. Sie versteht Integration als einseitige Anpassung der Migranten, erschwert ihnen aber gleichzeitig den Aufbau eines menschenwürdigen Lebens, indem sie den Zugang zum Arbeitsmarkt und den Nachzug von Familienangehörigen den EU-weit restriktivsten Regeln unterwirft. Gleichzeitig wird der Arbeitsmarkt jedoch für Ausländer ohne jegliche Integrationsperspektive geöffnet, indem Saisonier- und Pendlerbestimmungen nach den Wünschen der Wirtschaft gestaltet werden. Den Preis dafür zahlen alle in Österreich tätigen Arbeitnehmer durch eine Verschlechterung der Lage auf dem Arbeitsmarkt.

Integrationsvereinbarung als Zwangsmaßnahme

Kernstück der fremdenrechtlichen Neuerungen ist die verpflichtende Einführung der so genannten »Integrationsvereinbarung« für grundsätzlich alle Ausländer (ausgenommen EWR-Bürger und deren Angehörige), die sich ab 1. 1. 1998 in Österreich niedergelassen haben bzw. sich in Zukunft niederlassen wollen. Die Bezeichnung »Integrationsvereinbarung« ist dabei irreführend. Tatsächlich handelt es sich um eine Zwangsverpflichtung von zuwanderungswilligen Menschen, ohne die eine Niederlassung in Österreich ausgeschlossen ist. Von einer partnerschaftlichen Vereinbarung kann keine Rede sein.

Die »Integrationsvereinbarung« verpflichtet Ausländer zum Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse sowie zum Erwerb von landes- und staatsbürgerlichen Kenntnissen. Dazu sollen verpflichtende Kurse angeboten werden. Als Integrationsbeitrag Österreichs übernimmt der Bund 50% der Kurskosten. Die restlichen 50% haben die Migranten selbst aufzubringen, was deren häufig ohnehin prekäre finanzielle Lage weiter verschärfen wird. Wird der Kurs nicht innerhalb einer bestimmten Frist abgeschlossen, reduziert sich der Kostenbeitrag des Bundes bzw. fällt sogar zur Gänze weg. Außerdem stellt die Nichterfüllung der »Vereinbarung« eine Verwaltungsübertretung dar, die mit Geldstrafe zu sanktionieren ist! Bei nicht fristgerechter Erfüllung der Zwangsmaßnahme droht letztlich sogar die gravierendste aller denkbaren Sanktionen: die Ausweisung. Mangelnde Sprach- und Landeskenntnisse werden somit wie strafrechtliches Fehlverhalten mit Schubhaft und Abschiebung bedroht.

Die angedrohten Sanktionen stehen in keinem Verhältnis zum angestrebten Ziel. Sie führen nur zur Verunsicherung einer ohnehin lern- und integrationswilligen Personengruppe, ohne eine wirkliche Integrationsperspektive zu bieten. Abgesehen davon ist es auch ein didaktischer Unsinn, eine bestimmte Lernleistung mit existenzbedrohenden Strafmaßnahmen erzwingen zu wollen, zumal die geplanten hundert Kursstunden ohnehin völlig unzureichend sind. Dass das Gesetz in diesem Zusammenhang auf die unterschiedlichen individuellen Startvoraussetzungen (z. B. Schulbildung, familiäre Situation) so gut wie nicht Rücksicht nimmt, versteht sich leider von selbst.

Familienzusammenführung nur im Rahmen der Quote
Die Novellierung wurde leider wiederum nicht zum Anlass genommen, die innerhalb der Europäischen Union einzigartige Quotenregelung für die Familienzusammenführung endlich abzuschaffen. Eine humane Familienzusammenführung würde nicht nur dem international als Menschenrecht anerkannten Recht auf Privat- und Familienleben entsprechen, sondern würde tatsächlich eine integrationsfördernde Maßnahme darstellen. Die Regierung begreift Familiennachzug jedoch als Neuzuwanderung, der mit restriktiven Quotenregelungen entgegengetreten wird. Als Folge des österreichischen Systems kommt es weiterhin zu jahrelangen Wartezeiten, in der die Menschen gezwungen sind, getrennt von ihren nächsten Angehörigen leben zu müssen.

Neuzuwanderung auf Schlüsselkräfte begrenzt

Der Bundesregierung erschien es notwendig, nur noch so genannte Schlüsselkräfte als Erwerbstätige in Österreich zuzulassen. Die Neuzuwanderung anderer Erwerbstätiger wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Doch auch hier entpuppt sich das Integrationspaket als Mogelpackung.

Um als Schlüsselkraft zu gelten, muss der Ausländer eine besondere Ausbildung bzw. spezielle Kenntnisse aufweisen sowie über eine monatliche Entlohnung von zumindest 60 Prozent der Höchstbeitragsgrundlage (2002: e 1962,-) verfügen. Außerdem müssen mit seiner Beschäftigung zusätzliche wirtschaftspolitisch relevante Effekte verbunden sein (z. B. ein besonderes, über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für die Region, Schaffung neuer Arbeitsplätze, Transfer von Investitionskapital nach Österreich). Mit dieser Schlüsselkraftregelung wurde aber eine gemeinsame Regelung für zwei in Wirklichkeit unterschiedliche Arbeitnehmergruppen geschaffen.

Die tatsächlichen Schlüsselkräfte, die ausschließlich im höchstqualifizierten Segment bzw. im Bereich der oberen Führungsebene tätig sind, werden die normierten Voraussetzungen in der Regel ohne weiters erfüllen. Ihr Interesse an einem dauernden Aufenthalt in Österreich ist tatsächlich jedoch gering. In einer neuen Studie des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO) wird darauf hingewiesen, dass hoch qualifizierte Migranten ohnehin meist nicht in Österreich bleiben, sondern in die klassischen Einwanderungsländer (USA, Kanada) weiterziehen. Der zwingende Abschluss einer Integrationsvereinbarung wird diese Personengruppe noch weniger zu einem dauernden Verbleib im Land motivieren.

Von dieser restriktiven Zuwanderungsregelung werden aber vor allem Angehörige von Mangelberufen betroffen sein. Im Gesundheits- und Sozialbereich wird es aufgrund des dort herrschenden starken Bedarfs an Pflegepersonal voraussichtlich zu Engpässen kommen. Die Gehälter in diesem Bereich reichen meist nicht an die für Schlüsselkräfte vorgeschriebene Mindestentgelthöhe heran, wodurch eine Zuwanderung ausländischer Pflegekräfte nicht mehr möglich ist. Sofern sie sich unter diesen Voraussetzungen nicht überhaupt für eine Beschäftigung in einem anderen Land entscheiden, erwartet sie als Saisoniers das Schicksal befristet Beschäftigter oder sie müssen sich als Pendler mit sozialer Diskriminierung abfinden.

Ausweitung der Saisonierregelung

Die Beschränkung der Neuzuwanderung auf Schlüsselkräfte führt dazu, dass für andere Gruppen von ausländischen Arbeitnehmern keine Integrationsperspektive mehr offen steht. Gleichzeitig wird aber den Wünschen der Wirtschaft nach zusätzlichen ausländischen Arbeitskräften durch die Ausweitung der Saisonierregelung Rechnung getragen.

Die bisher auf Saisonbranchen beschränkte Regelung befristeter Beschäftigungsbewilligungen wird auf alle Branchen ausgeweitet. Während bisher im Jahresdurchschnitt für insgesamt 8000 Saisonarbeitskräfte Beschäftigungsbewilligungen erteilt werden konnten, gilt diese Obergrenze nunmehr für jeden einzelnen Wirtschaftszweig. Da beliebig viele Achttausenderkontingente erlassen werden können, ist grundsätzlich eine Ausweitung um mehrere zehntausend Kontingentplätze möglich.

Neben dieser quantitativen Ausweitung der möglichen Bewilligungen wurde auch die bisher zulässige Beschäftigungsdauer von 6 Monaten verdoppelt. Nach zwei Monaten Unterbrechung ist eine Weiterbeschäftigung nach demselben Muster möglich, wodurch letztlich eine unbegrenzte Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse ermöglicht wird. Diesen befristet zum Arbeitsmarkt zugelassenen Ausländern ist es unmöglich, die Aufenthaltsbewilligung in eine Niederlassungsbewilligung umwandeln zu lassen. Daher besteht für sie trotz de facto jahrelanger Beschäftigung in Österreich keine Möglichkeit, in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis umzusteigen. Sie sind zum Teil sozialrechtlich schlechter gestellt und erwerben etwa trotz Entrichtung von Beiträgen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ihre Aufstiegschancen im Betrieb sind gleich null. Letztlich werden diese Personen zu potentiellen Opfern unseriöser Arbeitgeber, da die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gleichzeitig zum Verlust des Aufenthaltsrechtes führt. Dadurch werden sie bei der Durchsetzung arbeitsrechtlicher Ansprüche vor oft unüberwindbare Probleme gestellt, zumal wir aus der Praxis wissen, dass kaum ein Saisonier eine korrekte Abgeltung der Überstunden und eine ordnungsgemäße Bezahlung der Beendigungsansprüche erhält. Für diese Personengruppe birgt das so genannte Integrationspaket keinerlei Integrationsperspektive.

Durch den zu erwartenden Anstieg befristet beschäftigter Ausländer wird auch die Gefahr für in Österreich bereits niedergelassene Menschen erhöht, aus dem Arbeitsmarkt verdrängt zu werden. Das WIFO hat bereits 2001 darauf hingewiesen, dass die Verlängerung von Saisonverträgen zu einer verstärkten Zuwanderung von Ausländern mit geringer Qualifikation führt und die Aneinanderreihung solcher Verträge, trotz kurzfristiger Unterbrechung, de facto eine Niederlassung und den (illegalen) Nachzug von Familienangehörigen nach sich zieht. Als weitere Folge dieser Saisonierregelung ist eine Senkung der Hilfsarbeiterlöhne im Vergleich zu jenen für mittlere und höhere Qualifikation sowie - was in Anbetracht der steigenden Lehrstellenknappheit besonders fatal ist - zu einer Einschränkung der innerbetrieblichen Ausbildungs- bzw. Qualifizierungsmaßnahmen zu erwarten. Fazit: Durch die weitere Erhöhung der ohnehin regelmäßig überschrittenen Saisonierkontingente werden die strukturellen Arbeitsmarktprobleme weiter verschärft.

Erleichterungen für Pendler

Den gleichen arbeitsmarktpolitischen Effekt haben die in das Integrationspaket aufgenommenen Erleichterungen für ausländische Pendler. Zum einen können durch Verordnung zahlenmäßig nicht befristete Pendlerkontingente erlassen werden. Zum anderen brauchen Pendler in Zukunft nur noch einmal wöchentlich (bisher täglich) in ihren Heimatstaat zurückkehren. Es ist offensichtlich, dass die Pendlermigration dadurch in großem Umfang etabliert wird und sich durch den geänderten Pendlerbegriff das Einzugsgebiet für Pendler entsprechend vergrößert. Da die wöchentliche Rückkehr in der Praxis nicht überprüfbar ist, wird auch diese Personengruppe, um dem Zwang wöchentlicher Rückkehr zu entgehen, sich de facto (illegal) in Österreich niederlassen. Ohne Chance auf eine legale Verfestigung des Aufenthaltes werden auch diese Personen teilweise ihre Familie nachholen, woraus sämtliche mit illegalen Aufenthaltsverhältnissen verbundene Probleme (Wohnen, Schule) resultieren.

Für ausländische Arbeitnehmer, die im Rahmen eines Joint Venture zu angeblichen Schulungszwecken nach Österreich entsandt werden, ist in Zukunft überhaupt keine Beschäftigungserlaubnis erforderlich. Da, wie der Frächterskandal gezeigt hat, es in der Praxis nicht überprüfbar ist, wieweit diese Personen zu regulären Arbeitsleistungen herangezogen werden, wird durch diese Regelung dem Sozialbetrug durch unseriöse Arbeitgeber weiter Vorschub geleistet: Diese Menschen müssen regulär arbeiten, erhalten aber weder eine Entlohnung nach österreichischen Maßstäben noch sind sie sozialversichert.

Ein neuer Aufenthaltstitel: Der Niederlassungsnachweis

In Hinkunft wird anstelle der unbefristeten Niederlassungsbewilligung einzig der neu geschaffene Niederlassungsnachweis das unbefristete Aufenthaltsrecht ausweisen. Positiv ist festzustellen, dass mit Erteilung dieses Niederlassungsnachweises (nach erfüllter Integrationsvereinbarung) automatisch auch das Recht auf Beschäftigung verbunden ist. Damit wurde ein Schritt in Richtung des EU-Richtlinienentwurfs
zur Rechtsstellung langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger getan. Gleichzeitig stellt aber das Erfordernis eines fünfjährigen Wohnsitzes in Österreich eine aufenthaltsrechtliche Verschlechterung im Rahmen des Familiennachzuges dar, wodurch - integrationspolitisch verfehlt - die familiäre Abhängigkeit weiter verstärkt wird.

Integrationspolitische Kriterien

Eine menschenwürdige Migrationspolitik sollte zumindest folgenden Kriterien entsprechen: Regelungen für die arbeitsmarktbezogene Zuwanderung sollen sich an objektivierbaren Arbeitsmarktgegebenheiten orientieren, sind jedoch grundsätzlich mit einer Integrationsperspektive zu verbinden; und zwar sowohl für die Zuwanderer selbst als auch im Hinblick auf deren Recht auf Familienzusammenführung. Beschäftigungsformen, die den ausländischen Arbeitnehmern einen lediglich prekären Arbeitsvertragsstatus einräumen, sind grundsätzlich abzulehnen, da sie keinerlei Integrationsperspektive aufweisen und ausländische Arbeitnehmer zu potentiell leichten Opfern von allen Formen des Sozialbetruges durch Arbeitgeber machen.

Regelungen zur Arbeitsmigration sind daher auch von einer umfassenden Arbeitsmarktpolitik zu begleiten, die verhindert, dass verschiedene Gruppen von Arbeitnehmern gegeneinander ausgespielt werden und die vielmehr auf Förderung und Integration ausgerichtet ist. Hauptproblem im Zusammenhang mit der Integration von Migranten ist seit Jahren die Zusammenführung von Familien; die Lösung dieses Problems muss daher auch im Zentrum einer Integrationspolitik stehen, und schließlich erfordert Integration auch Angebote zur Erleichterung der Eingliederung in das gesellschaftliche, soziale und politische Leben.

Das Integrationspaket der derzeit noch im Amt befindlichen Regierung wird diesen Erfordernissen nicht gerecht. Es behindert in Wahrheit Integration, schafft vermehrt prekäre Arbeitsverhältnisse zu Lasten aller Arbeitnehmer in Österreich und steht damit im Widerspruch zu einer verantwortungsvollen Integrations- und Arbeitsmarktpolitik.

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