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Musterschülerin auf der »Strafbank«

BETRIEBSRAT UND ARBEITSWELT

Die Republik Österreich sei in Sachen Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit Musterschülerin, will man uns glaubhaft machen. Die Realität ist aber leider eine andere. Mittlerweile befindet sich die Musterschülerin sogar auf der »Strafbank«.

Einige Beispiele dafür gefällig:

  • Mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen die Republik Österreich
    in Sachen Arbeitnehmerschutz wurden eingeleitet oder endeten mit einer Verurteilung Österreichs. Mit Stand 13. März 2002 waren aktuell drei Verfahren vor dem EuGH durch Urteil abgeschlossen, und drei Mahnschreiben langten von der Europäischen Kommission ein (siehe Kasten).
  • In Finnland sind beispielsweise 360 Arbeitsinspektoren für rund 220.000 Betriebe mit insgesamt etwa 2 Millionen Beschäftigten zuständig. Das ergibt rund 610 Betriebe pro Arbeitsinspektor. Zusätzlich erhalten die Arbeitsinspektoren vom staatlichen finnischen Institut für Arbeitsmedizin mit ihren 600 Beschäftigten Unterstützung. Bei uns kontrollieren 317 Arbeitsinspektoren 223.763 Betriebe. In Österreich kommt ein Arbeitsinspektor auf 706 Betriebe, ohne jedoch von einer mit dem finnischen Institut vergleichbaren Einrichtung unterstützt zu werden.
  • Muskel- und Skeletterkrankungen sind die häufigste Ursache von Invaliditätspensionen. Die Ursache dafür ist in vielen Fällen dauerndes Heben und Tragen von schweren Lasten. Während Österreich noch ohne Durchführungsverordnung zu Grenzwerten für die manuelle Handhabung von Lasten ist, ist in Deutschland die Lastenhandhabungsverordnung schon seit Ende 1996 in Kraft. Zur besseren Erfüllung dieser Verordnung hat die deutsche Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die allgemein anerkannte Leitmerkmalmethode 1998 entwickelt (aktuelle Version 2001). Sie ermöglicht die einfache Beurteilung der Gesundheitsgefahren durch Lasten und gibt Grenzwerte an, ab denen Maßnahmen getroffen werden müssen. Übrigens: Eine Einrichtung wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin existiert in Österreich nicht.
  • In den letzten fünf Jahren brachte die Forschung neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das gesundheitliche Gefahrenpotenzial von Arbeitsstoffen hervor. Während in Deutschland die MAK-Kommission diese Arbeitsstoffe neu als gesundheitsgefährdend oder krebserregend eingestuft und strengere Grenzwerte festgelegt hat (56 Neueinstufungen oder Verringerungen von Grenzwerten), hinkt Österreich beim vorbeugenden Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer um mindestens fünf Jahre hinterher. Der aktuelle Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse ist bis heute nicht in die Grenzwerteverordnung aufgenommen worden.

Klagen und Urteile vor dem EuGH:

  • Fehlende Umsetzungsmitteilung bei Richtlinie 95/30EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Anpassungsrichtlinie) und Urteil des EuGH (Rechtssache C-473/99 vom 14. 6. 2001).
  • Fehlende Umsetzungsmitteilung bei Richtlinie 97/59EG und 97/65EG über den Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit (Anpassungsrichtlinie) und Urteil des EuGH (Rechtssache C-110/00 vom 11. 10. 2001).

Mustergültiges Arbeitnehmerschutzniveau?

Kritische Leser könnten denken: Es lassen sich immer Beispiele finden, wo der österreichische Arbeitnehmerschutz nicht im europäischen Spitzenfeld liegt. Richtig, solche Beispiele gibt es, wie eben einige davon angeführt wurden. Gleichfalls ist richtig, dass eine Musterschülerin überall »sehr gut« sein muss. Schließlich darf sich eine Musterschülerin keine Schwächen erlauben. Zweifelsohne haben wir im weltweiten Vergleich ein überdurchschnittliches Niveau im Arbeitnehmerschutz, aber von einer Musterschülerin kann längst keine Rede mehr sein.

Mahnschreiben der Europäischen Kommission:

  • Nichtnotifizierung von Umsetzungsmaßnahmen zur Richtlinie 90/269/ EWG über Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der manuellen Handhabung von Lasten (Mahnschreiben vom 26. 7. 2001 und Aufforderung zur ergänzenden Stellungnahme vom 18. 1. 2002).
  • Nichtnotifizierung von Umsetzungsmaßnahmen zur Richtlinie 90/270/ EWG über Mindestvorschriften bezüglich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (Mahnschreiben vom 26. 7. 2001 und Aufforderung zur ergänzenden Stellungnahme vom 18. 1. 2002).
  • Mangelhafte Umsetzung der Richtlinie 96/29/ Euratom - Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen (Mahnschreiben vom 27. 7. 2001).

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