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Ordentlicher Personalaufwand in der Industrie
Personalaufwand und Produktivität in der Industrie
Gewinnausschüttungen der Industrie

Von der Arbeit zum Kapital

HINTERGRUND

Deutliche Umverteilung von den Arbeitseinkommen zu den Kapitaleinkommen: Die Profite steigen,die Löhne hinken nach

»Die Lohn-, Gehaltsforderungen sind überzogen!« »Wir können uns übermäßige Erhöhungen der Löhne und Gehälter nicht leisten!« »Der Lohn-, Gehaltsabschluss für dieses Jahr war zu hoch, weshalb für das nächste Jahr nur ein geringerer Anstieg akzeptiert werden kann!«

So oder ähnlich klingen regelmäßig Aussagen von Unternehmensvertretern bei den Lohn- und Gehaltsverhandlungen, und manche Medien publizieren solche Argumente bereitwillig. Überprüft man die Fakten, dann trifft der Wahrheitsgehalt solcher Aussagen zumindest für die vergangenen fünf Jahre keineswegs zu. In der Industrie und bei einem Teil der Handelsunternehmen wurde der Zuwachs der Löhne und Gehälter durch deutlich stärkere Produktivitätszuwächse übertroffen. Einsparungen beim Personal auf der einen Seite, beachtliche Zuwachsraten bei Kapitaleinkommen, den Gewinnen, Gewinnausschüttungen und Eigenkapital auf der anderen Seite waren die Regel.

In einer aktuellen Studie der AK Wien1) wurden die Jahresabschlüsse großer und mittelgroßer Kapitalgesellschaften im Zeitraum 1997 bis 2001 in der Industrie sowie im Handel untersucht und die Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital dargestellt. Die Ergebnisse lassen durchaus gewisse Rückschlüsse auf die Entwicklung des privaten Konsums bzw. das Bruttoinlandsprodukt zu.

Analysiert wurden die Jahresabschlüsse der größeren Industrie- und Handelsunternehmen. In der Industrie konnten 500 Kapitalgesellschaften und im Handel 137 Kapitalgesellschaften untersucht werden. Die Repräsentativität erreicht in der Industrie ein relativ hohes Ausmaß, während im Handel die kleinbetriebliche Struktur, die Aufsplitterung in rechtlich selbständige Niederlassungen sowie Umstrukturierungen eine vergleichsweise niedrigere Repräsentativität zuließen. Nicht zuletzt lässt sich im Handel auch eine fallweise zurückhaltende Publizitätspolitik der Unternehmen feststellen.

Die Industrieunternehmen wurden in zehn Industriesparten aufgegliedert, sodass errechnet werden konnte, welches Ausmaß die Entwicklungstendenzen genommen haben.

Beschäftigtenabbau in der Industrie

Während in der Industrie der Beschäftigtenstand im Beobachtungszeitraum zurückging (-1,9 Prozent bis zum Jahr 2000; -1,2 Prozent im Jahr 2001), war bei den Handelsunternehmen ein Beschäftigtenzuwachs feststellbar (+12,6 Prozent bis zum Jahr 2000; +3,2% im Jahr 2001).2) Mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen hat den Beschäftigtenstand reduziert. Acht von zehn analysierten Industriesparten waren dafür verantwortlich. Trotz allgemein durchschnittlichem Beschäftigtenzuwachs im Handel haben aber mehr als die Hälfte der Handelsunternehmen den Beschäftigtenstand reduziert.

Rückgang des Personalaufwands

Die Entwicklung des Personalaufwands verdeutlicht in diesen fünf Jahren sowohl in der Industrie als auch bei den Handelsunternehmen, dass im Verhältnis zur erwirtschafteten Betriebsleistung (im Wesentlichen der Umsatz) deutlich eingespart wurde. Der ordentliche Personalaufwand (ohne Aufwendungen für Abfertigungen und Pensionen) ging im Verhältnis zur Betriebsleistung in der Industrie jährlich zurück und erreicht im Gesamtzeitraum das Ausmaß von -2,3 Prozentpunkten. Der Anteil sank von 19,9 Prozent (1997) auf den Wert von 17,6 Prozent (2001). Dieser Rückgang war in neun von zehn Sparten zu verzeichnen. In manchen Industriesparten wurde ein Rückgang von 4 bis 5,5 Prozentpunkten erreicht (siehe Graphik 1: »Ordentlicher Personalaufwand in der Industrie«)!

Trotz Beschäftigtenzuwachs geht der ordentliche Personalaufwand im Verhältnis zur Betriebsleistung auch bei den Handelsunternehmen zurück (-1,3 Prozentpunkte). Der Anteil sinkt von 11,4 Prozent (1997) auf den Wert von 10,1 Prozent (2001). Knapp 58 Prozent der Handelsunternehmen war dafür verantwortlich.

Grundsätzlich muss erwähnt werden, dass im Personalaufwand auch Gehälter der Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder enthalten sind. Allfällige Zusatzeinkommen der Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder (»Stock Options«), die in jüngster Zeit gestiegen sein dürften, wurden nicht herausgerechnet.

Überproportionaler Zuwachs der Produktivität

Ein Maßstab für das Ausmaß der Lohn- bzw. Gehaltsentwicklung ist die Produktivität. Als Produktivität wird die betriebliche Wertschöpfung pro Beschäftigten herangezogen. Vergleicht man die Entwicklung der Produktivität mit jener des ordentlichen Personalaufwands pro Beschäftigten, dann zeigt sich, dass der Personalaufwand deutlich hinter der Produktivitätsentwicklung zurückbleibt.

In der Industrie wächst die Produktivität in den fünf Jahren um 21,2 Prozent, während der Zuwachs des Personalaufwands pro Beschäftigten wesentlich schwächer angehoben werden konnte (+12,3 Prozent). Diese Entwicklung war in neun von zehn Industriesparten zu beobachten. Bestätigt wird diese Entwicklung durch die Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes auf dem Gebiet der Entwicklung der Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung. Laut WIFO sinken die Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung im Zeitraum 1995 bis 2001 im Durchschnitt um 1,9 Prozent bzw. um 2,6 Prozent auf Euro-Basis.3) Relativ stärkeren Produktivitätszuwachsraten steht ein verhältnismäßig schwächerer Zuwachs bei den Lohnkosten gegenüber. Anderen Berechnungen zufolge sinken die Lohnstückkosten sogar in der Gesamtwirtschaft von 1997 bis 2000.4)

In acht von zehn Industriesparten steigt die Produktivität im Analysezeitraum relativ stärker als der Personalaufwand pro Beschäftigten (siehe Graphik 2: »Personalaufwand und Produktivität in der Industrie«).

Bei den analysierten Handelsunternehmen stieg die Produktivität in diesen fünf Jahren (+20,1 Prozent) ebenfalls relativ stärker als der Personalaufwand pro Beschäftigten (+11,5 Prozent).

Umverteilung vom Arbeits- zum Kapitaleinkommen

Dieses überdurchschnittliche Wachstum der Produktivität führte in der Industrie im Beobachtungszeitraum zu einer deutlichen anteilsmäßigen Umverteilung der Wertschöpfung vom Arbeitseinkommen im Ausmaß von -2,8 Prozentpunkten zum Unternehmenseinkommen im Ausmaß von +3,1 Prozentpunkten. Bei sieben von zehn Industriesparten errechnet sich im Fünfjahreszeitraum eine - zum Teil deutliche - Umverteilung vom Arbeits- zum Unternehmenseinkommen.

Im Handel sinkt der Anteil des Arbeitseinkommens an der betrieblichen Wertschöpfung in den fünf Jahren im Ausmaß von -4,3 Prozentpunkten, während der Anteil des Unternehmenseinkommens im gleichen Zeitraum um +5,9 Prozentpunkte wächst.

Höhere Gewinnausschüttungen

Ein Teil der Unternehmungen hat diese Umverteilung zu Gunsten des Unternehmenseinkommens zum Anlass genommen, einen jährlich wachsenden Prozentsatz der Betriebsleistung an die Eigentümer und Eigentümerinnen auszuschütten. In der Industrie haben sich die Gewinnausschüttungen im Verhältnis zur Betriebsleistung im Fünfjahreszeitraum mehr als verdoppelt (von 2,5 Prozent im Jahr 1997 auf den Wert von 5,2 Prozent im Jahr 2001). Die Ausschüttungsquote nahm jährlich zu. Von den zehn Industriesparten steigt die Ausschüttungsquote bei acht Sparten an. Die Gewinnausschüttungen sind in absoluten Beträgen von 1,4 Milliarden Euro im Jahr 1997 bis zum Jahr 2000 auf 2,8 Milliarden Euro angestiegen (siehe Graphik 3: »Gewinnausschüttungen der Industrie«).

Im Handel geht die Ausschüttungsquote im Fünfjahreszeitraum nur unwesentlich (-0,2 Prozentpunkte) zurück (von 1,5 Prozent im Jahr 1997 auf den Wert von 1,3 Prozent im Jahr 2001).

Zuwachs der Profite

Die Gewinnsituation stellt sich für beide Branchen als sehr gut dar. Der Jahresüberschuss im Verhältnis zur Betriebsleistung nimmt in der Industrie im Fünfjahreszeitraum um 1,6 Prozentpunkte von 3,1 Prozent (1997) auf den Wert von 4,7 Prozent (2001) zu. Mit einer Ausnahme (2001) wurden jährlich Steigerungen des Jahresüberschusses erwirtschaftet. Das absolute Niveau des Jahresüberschusses wächst im Zeitraum 1997 bis 2000 um 141,6 Prozent nominell. Acht von zehn Industriesparten konnten den Jahresüberschuss im Verhältnis zur Betriebsleistung im Fünfjahreszeitraum jeweils erhöhen.

Im Handel steigt der Jahresüberschuss im Verhältnis zur Betriebsleistung im Fünfjahreszeitraum um einen Prozentpunkt von 1,1 Prozent (1997) auf den Wert von 2,1 Prozent (2001). Mit einer Ausnahme (2000) wurden jährlich Steigerungen des Jahresüberschusses erwirtschaftet.

Verbesserung der Eigenkapitalausstattung

Die Eigenkapitalausstattung konnte trotz ansteigender Ausschüttungsquote (vor allem in der Industrie) bei deutlichen Einsparungen im Personalbereich im Fünfjahreszeitraum verbessert werden. Die Eigenkapitalquote steigt in der Industrie von 38,7 Prozent (1997) auf einen Wert von 40,2 Prozent (2001) an. Mit Ausnahme des letzten Jahres konnte die Eigenkapitalquote jährlich erhöht werden.

Im Handel steigt die Eigenkapitalquote von 26,6 Prozent (1997) auf den Wert von 31,5 Prozent (2001). Mit einer Ausnahme (2000) konnte die Eigenkapitalquote jährlich erhöht werden.

Zusammengefasst kann eine deutliche Umverteilung vom Arbeits- zum Kapitaleinkommen festgestellt werden. Massiv fallen die Einsparungen im Industriebereich aus: Rückgang des Beschäftigtenstandes - Rückgang des Personalaufwands in Prozent der Betriebsleistung - Zurückbleiben des Personalaufwands im Verhältnis zur Produktivität - Rückgang des anteilsmäßigen Arbeitseinkommens an der Wertschöpfung und Umverteilung zum Unternehmenseinkommen - Anstieg der Gewinnausschüttungen - Zuwachs der Gewinne - Verbesserung der Eigenkapitalausstattung.

Wenn sich aufgrund dieser Entwicklung manche Unternehmen bzw. deren Eigentümer und Eigentümerinnen gewissermaßen die Hände reiben, so sollte beachtet werden, dass dies entsprechende Rückwirkungen auf dieselben Unternehmen hat. Bleibt die Einkommensentwicklung der Beschäftigten hinter der Produktivitätsentwicklung längere Zeit zurück, müssen entsprechende Konsequenzen auf die Volkswirtschaft berücksichtigt werden.

Die Beschäftigten können sich verhältnismäßig immer weniger
leisten. Der private Konsum lässt nach. Die Unternehmungen reagieren darauf mit einer zurückhalten-den Investitionspolitik, sodass das Bruttoinlandsprodukt kaum noch wächst. Ein schwächeres BIP-Wachstum hat also auch hausgemachte Ursachen.

Der durch diese Umverteilung verstärkte Profitzuwachs dürfte weit weniger in den privaten Konsum fließen, als dies ein deutlicher Zuwachs der Löhne und Gehälter bewirken könnte. Ob eine Zunahme von Finanzspekulationen ähnliche Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hat wie ein entsprechender Zuwachs des privaten Konsums, müssen entsprechende Konsequenzen auf die Volkswirtschaft berücksichtigt werden.

Offenbar ist nicht nur die Entwicklung der österreichischen Exporte mitverantwortlich dafür, dass privater Konsum und Bruttoinlandsprodukt im Inland nachlassen. Der größte »Sack Profit« kann auch wertlos werden!

1) Kraus, A.: Von Arbeit zu Kapital. Einsparungen beim Personal - Wachstum der Profite in Industrie und Handel, AK Wien, Dezember 2002

2) Da etliche Unternehmungen den Jahresabschluss für das Jahr 2001 noch nicht veröffentlicht haben, musste bei der Analyse des Beschäftigtenstandes auch ein Vergleich für den Zeitraum 2000 und 2001 mit jenen Unternehmungen durchgeführt werden, die den Jahresabschluss bereits veröffentlicht haben.

3) WIFO-Monatsberichte, 9/2002, S. 577

4) EUROSTAT, OECD. In: OeNB: Statistische Monatshefte 2002

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