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Corporate Governance Diskussion als Antwort auf Bilanzskandale?

HINTERGRUND

Nachdem in den USA Konzerne wie Enron, Worldcom, Xerox, Disney etc. wegen Bilanzmanipulationen in die Schlagzeilen geraten sind, geht auch in Europa die Angst vor Bilanzskandalen um. Der US-Telekomriese Worldcom musste Fehlbuchungen im Ausmaß von 4 Milliarden US-$ eingestehen und steht nun vor der Pleite. Es ist die größte Pleite in der US-Geschichte. Es wird damit gerechnet, dass mehr als 20 Prozent der Beschäftigten - 17.000 - ihren Job verlieren.

Die Auswirkungen dieser Skandale sind gravierend. Die Aktienkurse der betroffenen Unternehmen sind in den Keller gefallen, der Aktienmarkt ist in der Folge noch nervöser geworden als er vorher - etwa durch den 11. September - ohnedies schon war. Im Sommer 2002 erreichten die Börsen schließlich wieder den Tiefstand des 11. September 2001. Wieder einmal ist auch deutlich geworden, wie unsicher langfristige Ansparpläne und Pensionsvorsorgesysteme auf dem Kapitalmarkt sind. Die Enron-Mitarbeiter etwa haben einen Großteil ihrer Pensionsvorsorge auf die Entwicklung der eigenen Aktie aufgebaut - sie ist mittlerweile von 85 US-$ auf 25 US-Cent gefallen und damit wertlos.

Bilanzskandale gibt’s überall

Dass Bilanzskandale kein rein amerikanisches Spezifikum sind, haben unlängst auch Fälle in Österreich gezeigt. Die bekanntesten sind wohl der Riegerbank- und der Bank-Burgenland-Fall. Bei der Bank Burgenland ist ein Schaden von 170 Millionen e durch gefälschte Bilanzen eines Großkreditnehmers entstanden. Auch die Pleiten von Libro, Cybertron und Y-Line weisen auf einen problematischen Umgang mit der Publizität hin, frisch gebackene Aktionäre müssen statt erhofften Kursgewinnen einen Totalverlust des eingesetzten Kapitals hinnehmen. In Oberösterreich sorgte 2001 die Pleite des Kunststoffherstellers Steiner für Aufsehen, der mit gefälschten Bilanzen seinen ausländischen Aktionär täuschen wollte.

Ursachen

Die Ursachen dieser Skandale sind vielfältig. Der Turbokapitalismus mit seiner überbordenden Shareholder-Mentalität dürfte aber wohl eine der Haupttriebfedern sein. Die Unternehmenspolitik wird überwiegend auf kurzfristige Werterhöhung ausgerichtet, die Aktionäre - vor allem Fondsmanager - setzen die Unternehmen gehörig unter Druck. Dazu gesellt sich oft blinder Optimismus von so manchem Aktienanalysten.

Gefragt sind rasche Kurssteigerungen, die Manager müssen ununterbrochen mit tollen Unternehmenszahlen aufwarten. Konzernchefs sind zunehmend bereit, »aggressive Bilanzierungsmethoden« anzuwenden.

Es geht schließlich auch um ihre eigene Börse. Immer mehr Firmen bezahlen ihre Führungskräfte mit Optionen, deren Wert von der Entwicklung des Aktienkurses abhängt. Allein im vergangenen Jahr ließen sich 140 Unternehmen in der BRD Optionsprogramme genehmigen.

In Österreich ist die Situation nicht viel anders. Wer den Kurs zur rechten Zeit nach oben treibt, kassiert kräftig. Angeregt werden die Kursphantasien oft durch wenig überlegte Wachstumsstrategien in Form von Megaübernahmen und Umstrukturierungen, die meist mit einem hohen Anteil von Fremdkapital finanziert werden. Kleine Konjunkturdellen können dann das rasche Ende dieses Traumes bewirken. So geschehen etwa in der New Economy im vergangenen Jahr.

Der österreichische Corporate Governance Kodex

Die wichtigsten Inhalte im Auszug:

  • Unterlagen für die mindestens quartalsweise Aufsichtsratssitzungen sind im Regelfall eine Woche vor der jeweiligen Sitzung zur Verfügung zu stellen.
  • Die Compliance-Verordnung soll im gesamten Unternehmen umgesetzt werden.
  • Offenlegung von Aktienbeständen (der eigenen Gesellschaft) des Vorstandes und Aufsichtsrates.
  • Veröffentlichung der Struktur der Vergütungen des Vorstandes im Geschäftsbericht.
  • Empfehlung, mehr als 4 Aufsichtsratssitzungen im Jahr abzuhalten.
  • Einrichtung eines Audit Committees sowie eines Strategieausschusses im Aufsichtsrat.
  • Klarstellung, dass Betriebsräte und Kapitalvertreter im Aufsichtsrat gleichberechtigt sind.
  • Empfehlungen über die Zusammensetzung und Qualifikation der AR-Mitglieder.
  • Empfehlungen über Rechnungslegungsstandards.
  • Betonung der Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer.

Mangelnde Sorgfalt bei den Prüfern

Aber auch die prüfenden Organe - insbesondere die Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte - kommen bei diesen Skandalen wieder einmal nicht gut weg. Ihnen wird vorgeworfen, ihre Sorgfaltspflicht grob vernachlässigt zu haben. Auch die mangelnde Unabhängigkeit der Prüforgane wird stark kritisiert. Arthur Anderson in den USA steht in der Folge nun selbst unmittelbar vor der Pleite, weil die Gesellschaft die Bilanzen von Enron testiert und Dokumente vernichtet hat - aus den Big Five (Anderson, Deloitte&Touche, Ernst &Young, KPMG und BWZ Global) könnten damit bald die Big Four werden, was auch wettbewerbsrechtlich nicht unproblematisch ist. Die italienische Aufsichtsbehörde suspendierte kürzlich einen Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers, weil die Banca Popolare di Novara einen Verlust von 50 Millionen Dollar 1999 nicht auswies. In Deutschland hat eine Sonderprüfung des inzwischen vom Neuen Markt verbannten Telematik-Anbieters Comroad ergeben, dass schon 1998 rund 63 Prozent des Umsatzes mit einer gar nicht existenten VT Electronics Ltd. in Hongkong getürkt worden waren, im darauf folgenden Jahr bereits 86 und im Jahr 2000 sogar 97 Prozent - geprüft und für gut befunden von der renommierten KPMG, die sich nun die Frage gefallen lassen muss: Was sind ihre Testate überhaupt wert?

Ein verzweifelter Versuch der KPMG, den entstandenen Imageschaden offensiv zu begrenzen, schlug kläglich fehl: Der Vorstandssprecher Wiedmann kündigte an, alle 45 von seinem Unternehmen bereits geprüften und testierten Neue-Markt-Kunden noch einmal unter die Lupe nehmen zu wollen. Hämisch kommentierten Konkurrenten, die KPMG traue wohl ihrer eigenen Arbeit nicht mehr1).

Stakeholder

Stakeholder eines Unternehmens sind Gläubiger, Kunden, Arbeitnehmer, der Staat etc. Sie alle haben - oft unterschiedliche - Interessen und Anforderungen an Unternehmen. Ein Unternehmen, das »stakeholder-orientiert« geführt wird, achtet darauf, dass die Interessen der Stakeholder so gut wie möglich erfüllt werden. Dies bedeutet etwa Lohngerechtigkeit und Arbeitsplatzsicherheit für die Beschäftigten, hohe Qualität für die Kunden, Kreditsicherheit für die Gläubiger etc. Demgegenüber stehen Unternehmen, die sich ausschließlich den »Shareholdern« (Eigentümern) verpflichtet fühlen. Bei diesen steht die Erzielung einer möglichst hohen Rendite im Vordergrund.

Rechnungslegungsvorschriften als Mitauslöser?

Letztlich werden auch die Rechnungslegungsvorschriften - vor allem die amerikanischen US-GAAP - als Mitauslöser für diese Krisen verantwortlich gemacht. Die Eigenarten des US-GAAP spielten sicher eine bedeutende Rolle, verbirgt sich dahinter doch ein völlig anderer Denkansatz. US-GAAP ist auf den konkreten Einzelfall bezogen, während es beim internationalen Standard IAS allgemeinere Grundsätze gibt. Zum Beispiel die Regel, sämtliche finanziellen Risiken fair darzulegen. Wenn plötzlich neuartige Risiken auftauchen, die es vorher nicht gab, muss man diese nach IAS in der Bilanz verbuchen. Die Amerikaner fragen bei US-GAAP hingegen: Ist schon mal ein ähnlicher Fall vorgekommen? Wenn nicht, besteht nach US-GAAP die Freiheit, darüber hinwegzusehen. Weil US-GAAP nicht für jeden theoretisch möglichen Spezialfall Lösungen anbieten kann, können die Amerikaner immer erst reagieren, wenn diese Fälle bereits eingetreten sind - wie jetzt bei Enron. Dass IAS zukünftig das Rennen gegen US-GAAP als »der« weltweit anerkannte Rechnungslegungsstandard gewinnt, ist allerdings trotzdem unwahrscheinlich, da hinter US-GAAP die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC steht und diese sich kaum auf IAS festlegen lassen wird.

Die österreichischen und deutschen Rechnungslegungsstandards (jeweils laut nationalem Handelsrecht) sind von ihrem Grundansatz dem Gläubigerschutz verpflichtet. Eine vorsichtigere Bilanzierung - etwa in Form der Bildung von Vorsorgen und stillen Reserven - ist die Folge. Der Nachteil ist die bestehende Undurchsichtigkeit - handelsrechtliche Jahresabschlüsse bilden nur einen Teil der Realität ab, da etwa stille Reserven für den Bilanzleser nicht sichtbar sind.

Es sind aber nicht nur die Rechnungslegungsvorschriften selbst, viele Skandale wurden durch bewusste Falschbuchungen herbeigeführt, die in jedem System passieren hätten können - vorausgesetzt, die Prüfer entdecken sie nicht. Etwa wenn Umsätze an Tochtergesellschaften verbucht werden, diese aber keinen Endabnehmer haben. Oder wenn Kosten als Investitionen angesetzt werden und damit über mehrere Jahre verteilt werden können. Oder wenn Bewertungen von Forderungen oder Lagerbeständen bewusst falsch vorgenommen werden.

Corporate Governance

Unter Corporate Governance wird die Steuerung und Kontrolle eines Unternehmens verstanden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Organe eines Unternehmens (Hauptversammlung, Vorstand, Aufsichtsrat) sowie deren Aufgaben, Rechte und Pflichten. Geregelt sind die Regeln und Pflichten der Organe in diversen Gesetzen (Aktiengesetz, GmbHG), in Satzungen oder Geschäftsordnungen sowie nun auch im Corporate Governance Kodex.

Könnten diese Bilanzskandale verhindert werden?

Verbrecherisches Verhalten wird aller Voraussicht nach nie zur Gänze zu verhindern sein. Schwarze Schafe wird es wohl immer geben. Problematisch wird es jedoch, wenn sich herausstellt, dass ein großer Teil der Schafherde schwarz ist und der Reihe nach ein Skandal nach dem anderen aufgedeckt wird. »Jede Bilanz ist so gut, wie der Bilanzierende es wünscht«, meint etwa der Bilanzierungsexperte des Instituts für Wirtschaftsprüfung an der Universität des Saarlandes, Karlheinz Küting: »Deshalb brauchen wir eine schärfere Überwachung sowohl der Bilanzierenden als auch der Prüfer. Da wir in Deutschland keine funktionierenden Sanktionsmechanismen haben, bekommen wir die Probleme, die durch kriminelle Energie und fragwürdige Bilanzpraktiken entstehen, nicht in den Griff.«2) Versuche in der BRD, Bilanzskandale etwa durch die nachträgliche Kontrolle durch eine zweite Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Peer Review) zu verhindern, sind laut Küting zum Scheitern verurteilt. Stattdessen seien spürbare Sanktionen wie etwa Freiheits- und Geldstrafen, die den Akteuren wirklich weh tun, angesagt.

Corporate Governance Kodex als Ausweg aus der Krise

Verhaltenskodizes aller Art sind in den letzten Jahren stark in Mode gekommen. Dabei werden soziale Verhaltensnormen innerhalb eines Unternehmens als Art Leitbild festgeschrieben, andererseits ökologische und ethische Richtlinien für die Produktion bzw. den Vertrieb von Produkten entworfen - für den Kunden sichtbar etwa in Form von diversen Zertifikaten. Das Unterwerfen unter diverse soziale, ökologische oder ethische Verhaltenskodizes dient somit immer auch einer positiven Außendarstellung des Unternehmens.

Das Thema Corporate Governance oder Wohlverhaltensregeln für gute Unternehmensführung hat seinen Ursprung in den angloamerikanischen Ländern, was aber nicht bedeutet, dass Kontinentaleuropa bislang die Fragen der Rechte, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der gesellschaftsrechtlichen Organe, der Anteilseigner, der Mitarbeiter und darüber hinaus der übrigen Interessengruppen (Stakeholder) ausklammerte. Im Gegensatz zu anglo-amerikanischen Ländern ging Kontinentaleuropa bislang den Weg, Regeln über Corporate Governance in den diversen Rechtsordnungen (z. B. Aktiengesetz, Arbeitsverfassungsgesetz) festzuschreiben.

Im Zuge der Globalisierung und Liberalisierung der Wirtschaft, der wachsenden Bedeutung der Finanzmärkte wurde in den letzten Jahren vermehrt der Weg in Richtung freiwilliger Kodizes eingeschlagen, weil - nach Auffassung der Befürworter freiwilliger Leitlinien - der Kapitalmarkt ohnehin abweichendes Verhalten sofort sanktioniert.

Die OECD hat 1999 ihre »Prinziples of Corporate Governance« herausgegeben, auf EU-Ebene gibt es seit 2000 die »Euroshareholders Corporate Governance Guidelines« und in Deutschland hat erst im Dezember 2001 eine eigens eingesetzte Regierungskommission den deutschen Corporate Governance Kodex erarbeitet und bereits veröffentlicht. Österreich folgte nun im Herbst. Das Ziel des Kodex wird vom Vorsitzenden der deutschen Regierungskommission, Cromme, wie folgt formuliert: »Wir wollen mit dem Corporate Governance Kodex den Standort Deutschland für internationale - und nationale - Investoren attraktiver machen, in dem wir alle wesentlichen - vor allem internationalen Kritikpunkte an der deutschen Unternehmensverfassung und -führung aufgegriffen und einer Lösung zugeführt haben.«3)

Inhaltlich werden bei diesen Corporate Governance Kodizes in der Regel einerseits die wesentlichen gesetzlichen Vorschriften zu Unternehmensleitung und -überwachung börsennotierter Gesellschaften zusammengefasst. Zusätzlich werden aber in Form von Empfehlungen Verhaltensstandards entwickelt und den einzelnen Gesellschaften Anregungen für eine gute und verantwortungsvolle Unternehmensführung und -überwachung mitgegeben. Angesichts der Milliarden Euro schweren Bilanzskandale und Aktienoptionen, die dem Spitzenmanagement Jahresgehälter in Höhe von durchschnittlich 100 bis 300 Millionen Dollar einbrachte, verwundert es nicht, wenn das Vertrauen in die Finanzmärkte und in die Börsen als jene Einrichtungen, die bessere Corporate Governance verwirklichen sollen, verstärkt in Zweifel gezogen wird. Der Ruf nach besserer Kontrolle und rechtlichen Sanktionen sowie nach Corporate Social Responsibility wird immer lauter.

Der österreichische Corporate Governance Kodex

Der österreichische Corporate Governance Kodex wurde vom Institut österreichischer Wirtschaftsprüfer (IWP) und der Österreichischen Vereinigung für Finanzanalyse und Anlageberatung (ÖVFA) gemeinsam mit Börsenvertretern ausgearbeitet und danach einer breiteren Diskussion unterworfen, bei der in der letzten Phase auch die AK und der ÖGB einbezogen wurden. Öffentlich präsentiert wurde der Kodex im Oktober 2002. Der Kodex richtet sich vorrangig an börsenotierte Aktiengesellschaften, soll aber auch als Empfehlung für nichtbörsenotierte Gesellschaften gelten. Die AK bemängelt am vorliegenden Kodex vor allem, dass dieser - anders als gesetzliche Regelungen etwa im Aktiengesetz oder im Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) - keiner demokratischen Legitimierung unterliegt. Weder bei der Einführung noch im Hinblick auf die Durchsetzung gibt es Regeln oder Normen, wie vorzugehen ist. Nicht ein gewähltes Parlament setzt die Normen und Empfehlungen, sondern eine interessengeleitete Gruppe.

Die Diskussion über die Grundsätze effizienter Unternehmensführung, -kontrolle und Transparenz ist nicht zuletzt auch eine über die Unternehmenskultur im Allgemeinen. Grundsätzliche Aussagen im Rahmen des Corporate Governance über das Zielsystem des Unternehmens bzw. über die oberste Richtschnur für die Unternehmensführung sind von wesentlicher gesellschafts- und rechtspolitischer Bedeutung.

Die AK ist der Meinung, dass die derzeitige Diskussion eine Chance bietet, den österreichischen Corporate Governance Kodex im Sinne einer gesamthaften Steuerung des Unternehmens auszugestalten, sodass dieser nicht nur auf die Interessen der Aktionäre abstellt, sondern auch die Anliegen aller Stakeholder (Arbeitnehmer, Gläubiger, Kunden, Öffentlichkeit) umfasst. Demnach hat im Rahmen eines österreichischen Corporate Governance Kodex die Forderung nach notwendiger Gleichbehandlung der Aktionäre hinsichtlich deren Vermögens- und Herrschaftsrechte genauso ihre Berechtigung wie die Feststellung, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat ein wichtiger Teil einer ausgewogenen, gesamthaften Unternehmenssteuerung ist. Soziale Verantwortung und ethische Werthaltungen sind wesentlicher Teil einer sozialen Marktwirtschaft und müssen in einem österreichischen Corporate Governance Kodex zum Ausdruck kommen.

In diesem Sinne forderte die AK im österreichischen Corporate Governance Kodex ein Bekenntnis zu den Grundsätzen der österreichischen Unternehmenskultur, die sich auszeichnet durch soziale Verantwortung des Unternehmens (§ 70 AktG) und durch Konsens zur Arbeitnehmer-Mitbestimmung (§ 110 ArbVG). Österreich könnte damit eine Vorreiterrolle einnehmen und international die Diskussion über Corporate Social Responsibility wesentlich mitgestalten.

Die wichtigsten Inhalte des Kodex zielen aus der Sicht der Arbeiterkammer in die richtige Richtung, sind aber großteils sehr vage formuliert und lassen daher viel Spielraum offen (siehe Kasten).

AK: Kodex allein ist zu wenig

Zu kritisieren ist insbesondere, dass es kaum Konsequenzen bei Nichteinhaltung des Kodex gibt. Im Kodex selbst ist lediglich vorgesehen, dass das Bekenntnis zum Corporate Governance Kodex im Geschäftsbericht aufzunehmen ist und in einer jährlichen Erklärung die Einhaltung des Kodex samt Abweichungen zu erläutern sind. Viele Empfehlungen des Kodex sind nicht einmal berichtspflichtig. Es gibt - anders als bei gesetzlichen Regelungen - keine Verfahrensvorschriften, wie bei Nichteinhaltung der Regeln vorzugehen ist, und es gibt auch keine angemessenen Sanktionen. Die Einhaltung ist somit freiwillig - der Markt soll entscheiden, was geschieht, wenn sich ein Unternehmen nicht kodexgemäß verhält. Wer aber prüft nun, ob die Empfehlungen tatsächlich eingehalten wurden? Wo kann man sich beschweren, wenn falsche Angaben gemacht werden? Diese Fragen werden im österreichischen Kodex - aber auch im vergleichbaren deutschen - nicht beantwortet. Somit ist zu befürchten, dass der Kodex sehr zahnlos bleiben wird - was auch durch die vielen oft nur sehr »weich« formulierten Inhalte verstärkt wird.

Forderungen der AK

Damit die Interessen der Arbeitnehmer und Anleger geschützt werden, müssen für die AK folgende Punkte umgesetzt werden:

  • Gesetzliche Verankerung der wesentlichen Punkte des Kodex wie etwa Unvereinbarkeitsregeln für Organe und Wirtschaftsprüfer, klare Bilanzierungsregeln für Stock-Option-Programme sowie Transparenzbestimmungen für die Bezüge von Vorstand und Aufsichtsrat im Aktienrecht und im Handelsgesetzbuch.
  • Sicherstellung der Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers und des Aufsichtsrates. Insbesondere muss verboten werden, dass Vorstandsmitglieder verschiedener Gesellschaften sich wechselseitig im Aufsichtsrat des jeweils anderen kontrollieren (Kreuzverflechtung). Wirtschaftsprüfer dürfen nicht gleichzeitig der zu prüfenden Gesellschaft als Berater zur Verfügung stehen.
  • Keine aktienkursabhängige Vergütung von Aufsichtsräten (Stock-Option-Modelle). Chancen auf hohe Stock-Option-Gewinne könnten Aufsichtsratsmitglieder dazu verleiten, weniger kritisch zu kontrollieren.
  • Stock Option-Programme für Manager dürfen kein reiner Bonus sein und müssen begrenzt werden; der Vorstand trägt sonst kein Risiko und kann nur gewinnen.
  • Regelmäßige Bewertung und Reflexion der Aufsichtsratstätigkeit.
  • Überprüfung der Bilanzierungsvorschriften. Kein unreflektiertes Übernehmen von IAS bzw. US-GAAP beim Einzelabschluss.
  • Orientierung der Managements auf langfristige Wertsteigerung.
  • Die Interessen der Stakeholder - vor allem der Arbeitnehmer - sind im Kodex ausreichend zu berücksichtigen.

Aus der Sicht der AK geht es aber um mehr: Das Vertrauen in die Finanzmärkte wird nur dann wiedergewonnen werden können, wenn es gelingt, das gängige, rein auf kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtete Shareholder-Value-Prinzip zu entschärfen. Eine neue Studie der Universität Witten/Herdecke bestätigt, dass das kurzfristige Bedienen der Eigentümerinteressen - also Kurssteigerung und Dividendenmaximierung - die Anteilseigner am meisten schädige. Hinter dem Bedürfnis ständig darzustellender Profitsteigerung hätten langfristige Investitionen keine Chance mehr. Dies hätte laut Rudi Wimmer, Vorstand der Universität Witten/Herdecke, auch im Inneren der Unternehmen zur Zersetzung geführt, weil Belegschaften Sparprogramme, Streichungen und Restrukturierungen nicht mehr verstehen würden und damit nicht mehr mittragen können.

Gefragt sind daher Konzepte mit langfristigen Sichtweisen, gefragt sind Konzepte, die die Interessen der Stakeholder vollwertig mitberücksichtigen und deren Wert und Bedeutung für das Unternehmen richtig einschätzen. Letztlich haben nicht die Kontrolleure die Skandale der letzten Wochen und Monate verursacht, es handelt sich um eine Krise des überbordenden Shareholder-Kapitalismus selbst.


1) Spiegel 18/02


2) Manager-Magazin 7/02


3) www.agenturcafe.de und dort zu Corporate Governance

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(C) AK und ÖGB

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