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Damals wie heute? Autonome Selbstverwaltung und Demokratie

SCHWERPUNKT

Der Abbau der Selbstverwaltung an der Spitze des Sozialversicherungssystems ist ein Schritt zurück zum unseligen Ständestaat der Jahre 1933 bis 1938

Die demokratisch gebildete Selbstverwaltung der Gemeinden mit ihren autonomen Entscheidungsrechten wird als selbstverständlich und positiv empfunden. Niemand stellt in Frage, dass es einen gewählten Gemeinderat und einen Bürgermeister gibt, der von den Gemeindebürgerinnen und -bürgern selbst bestimmt wurde. Und es ist unbestritten: Wer in einer Ortsgemeinde wohnt, ist Bürgerin und Bürger dieser selbstverwalteten Gemeinde. Es würde wohl ein Aufschrei durchs Land gehen, käme eine politische Partei oder eine Regierung auf die Idee, der Bürgermeister müsse in Zukunft vom Landeshauptmann eingesetzt werden. Das würde mit Sicherheit als Rückschritt für die Demokratie empfunden werden.

Anders verhält es sich bei jenen Selbstverwaltungsbereichen, die - sprechen wir es offen aus - wesentlich dazu beitragen, dass die Arbeitnehmermitbestimmung außerhalb der Betriebe bisher im demokratischen Österreich fester verankert war als in vielen anderen Demokratien - mit den Kammern als wesentlichem Element einer funktionierenden Sozialpartnerschaft und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung.

Es wird gerne behauptet, diese Selbstverwaltungseinrichtungen seien »ständische« Relikte, Überbleibsel aus einer Zeit, in der die Demokratie noch in den Kinderschuhen steckte, oder aus einer Zeit, in der das Rad der Geschichte für Jahre in vordemokratische Welten zurückgedreht wurde. Die Existenz von Kammern der Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde, so heißt es, ein System des »Korporatismus« einbetonieren, des »Zwangsausgleichs« der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen durch Verbände. Es handelt sich um eine (im sprachlichen Regelwerk des Deutschen nicht vorgesehene) Verkürzung des Wortes »Korporativismus«, das die ständische Ideologie des italienischen Faschismus bezeichnet.

Tatsächlich wurde diese »korporativistische« Ideologie ähnlich auch vom österreichischen »Ständestaat« vertreten. Es lief darauf hinaus, »Kapital« und »Arbeit« unter Staatskontrolle zunächst paritätisch zu organisieren, um die eigenständige Interessenvertretung durch berufsständische Vertretung aufzuheben. Deklariert wurde ein »Dritter Weg« zwischen Sozialismus und Liberalismus, in dem in Konsequenz freie Gewerkschafts- und Arbeitgeberorganisationen keinen Platz hatten.

Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit

Das autonome, selbstverwaltete österreichische Kammersystem und die in ihrer Zusammensetzung damit eng verbundene Selbstverwaltung der Sozialversicherung stehen tatsächlich in klarem Gegensatz zu einer solchen »ständischen« Ideologie, die einen grundlegenden Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen leugnet:

Kammern (für Unternehmer) sind in Österreich 1848 - parallel zum ersten gewählten Parlament - entstanden. Die Sozialdemokratie und die Freien Gewerkschaften lehnten eine entsprechende Einrichtung für Arbeiter vorerst ab, weil sie die Kampagne für das allgemeine Wahlrecht nicht unterlaufen wollten. Über die Kammern wurden Kurien des Reichsrats nach einem keineswegs demokratischen Auswahlverfahren beschickt. Erst nach der Errichtung der Demokratie wurden Kammern für Arbeiter und Angestellte parallel und rechtsgleich mit den Handelskammern durchgesetzt.

Historischer Interessenausgleich

Es ging, wie aus den Quellen zur Gründungsgeschichte zu ersehen ist, um die staatliche Anerkennung des Gegensatzes von »Kapital« und »Arbeit« in der Gesellschaft - und um einen sozialen Interessenausgleich auf dieser Grundlage. Der »Ständestaat« machte die Kammern allerdings zum Teil seines »korporativistischen« Projektes, indem er die demokratisch gewählte Selbstverwaltung der Arbeiterkammern (und damit die politische Unabhängigkeit gegenüber dem Staat) abschaffte. Im Fall der Arbeiterkammern kam es de facto zur Verschmelzung mit dem staatlich verordneten »Gewerkschaftsbund«, ebenfalls einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung.

Mitwirkung in Staat und Gesellschaft

Mit der gesetzlichen Zugehörigkeit ist das Wahlrecht für die Selbstverwaltung der Kammern verbunden. Dieses Wahlrecht für die gesamte gesellschaftliche Gruppe, die einer Kammer zugeordnet ist, macht sie zu einem ergänzenden Teil des demokratischen Repräsentativsystems. Die von hier ausgehende Bestellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung ist damit ebenfalls Teil dieses erweiterten demokratischen Repräsentativsystems.

Damit wird der österreichischen Verfassung entsprochen, die vorsieht, dass den Bürgern über die Beteiligung an Wahlen zu den staatlichen gesetzgebenden Körperschaften hinaus die Möglichkeit der Mitwirkung in Staat und Gesellschaft garantiert sein soll.

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