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Ein kontraproduktives Regierungsprogramm

HINTERGRUND

Neuauflage von Schwarzblau: Tiefe Einschnitte in das Sozialsystem stehen bevor, die Sparziele sind trotzdem nicht erreichbar, aber die Reichen sollen noch reicher werden.

Im ersten Koalitionsprogramm der schwarzblauen Bundesregierung war die Erreichung des Nulldefizits das zentrale wirtschaftspolitische Ziel, dem alles andere untergeordnet wurde. Mit den Sparprogrammen der Jahre 2000 und 2001 wurde zwar 2001 einmalig ein Budgetüberschuss erzielt, aber der Preis war hoch. Österreich handelte sich mit massiven Steuererhöhungen die höchste Steuer- und Abgabenquote der Nachkriegszeit ein (45,6 Prozent des BIP). Diese Budgetkonsolidierung dämpfte in einer ohnehin rezessiven Phase der Wirtschaft die inländische Nachfrage - also Konsum und Investitionen - und verschärfte so die Wachstumsschwäche. Dadurch stieg die Arbeitslosigkeit deutlich an. Die Sparmaßnahmen belasteten die unteren, vor allem aber die mittleren Einkommen stark, während die Reichen und Superreichen extrem wenig zur Konsolidierung beisteuerten.

»Zu den derzeit 340.000 Arbeitsuchenden kommen bis 2006 weitere 110.000 Menschen hinzu«

Das nun durch die ÖVP-FPÖ-Regierung vorgelegte Programm steht unter dem Motto »zukunftsorientiert, nachhaltig und gerecht«. Den aus Arbeitnehmersicht zentralen Problemstellungen Beschäftigung, Wachstum, gerechte Verteilung und soziale Sicherheit wird es nicht gerecht.

Konjunkturerholung lässt warten

Die Konjunkturindikatoren deuten weiterhin nicht auf einen Aufschwung hin, die Konjunkturerholung in Österreich lässt daher weiter auf sich warten. Die Entwicklung der Weltwirtschaft unterliegt zudem erheblichen Risken:
Irakkrieg, Ölpreis, Unsicherheit auf den Aktienmärkten.

Erst in den Jahren 2004 bis 2006 wird das Wachstum die Zweiprozent-marke wieder überschreiten. Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg suchten in Österreich so viele Menschen Arbeit wie derzeit.

Von einem Beschäftigungsrekord, wie oft behauptet, kann keine Rede sein. Im Gegenteil, die aktive Beschäftigung (ohne Kindergeldbezieherinnen) ist im Vorjahr um 24.000 Personen gesunken.

Budgetpfad lässt Defizite zu

Vor diesem Hintergrund beschloss die Bundesregierung einen Budgetpfad, der durch ein Sparprogramm im Ausmaß von mindestens drei Milliarden Euro (bezogen auf das Jahr 2006) und eine Steuer- und Abgabensenkung in zwei Etappen geprägt ist (siehe Tabelle: »Mittelfristiger Wachstums- und Budgetpfad«). Die erste Etappe tritt 2004 in Kraft und soll eine Nettoentlastung von 500 Millionen Euro bringen, die zweite Etappe wird 2005 umgesetzt und peilt eine Nettoentlastung von 2,5 Milliarden Euro an. Damit soll die Abgabenquote im Jahr 2006 auf 43 Prozent gesenkt werden. Der Budgetpfad nach Einsparungen zeigt ab 2004 einen kontinuierlichen Rückgang des Defizits, im Jahr 2006 sogar einen Überschuss. Bei Realisierung der beiden Etappen der Steuerreform und unter Einbeziehung der Sparmaßnahmen steigt das gesamtstaatliche Defizit nach Maastricht-Kriterien 2005 auf 1,5 Prozent und sinkt im Jahr danach auf 1,1 Prozent des BIP. Der Weg des Nulldefizits wird damit verlassen. Auch der Slogan »Keine neuen Schulden« lässt sich nicht mehr aufrechterhalten, da die Steuerentlastung des Jahres 2005 defizitfinanziert wird. Das ist eine Totalumkehr. Nach der obersten Priorität der ersten schwarzblauen Regierung ist nunmehr die Senkung der Abgabenquote das vorrangige budgetpolitische Ziel.

3 Milliarden Sparprogramm bis zum Jahr 2006

Die Sparmaßnahmen für die nächsten Jahre setzen in verschiedenen Bereichen an: Je eine Milliarde Euro soll bei den Pensionen und im Gesundheitsbereich eingespart werden und weitere 1,3 Milliarden durch eine Verwaltungsreform. Nur genannt, aber nicht quantifiziert werden Einsparungsmaßnahmen bei Ländern und Gemeinden, die Bekämpfung der Schwarzarbeit und die Durchforstung der Bundesförderungen.

Pensionssicherung?

Nach den Plänen der Regierung sind im Pensionsrecht (auch der Beamten), beginnend ab 2004, sowohl die schrittweise Abschaffung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer (Frühpension) innerhalb eines Zeitraumes von sechs Jahren als auch massive Verschlechterungen im Leistungsrecht vorgesehen.1) Die Abschaffung der Frühpensionen, die schrittweise den Pensionsantritt bis zum Regelpensionsalter (65 Jahre für Männer und 60 Jahre für Frauen) hinausschieben2), haben gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, weil durch die Beseitigung dieser Pensionsart das Angebot an Arbeitskräften um zirka 80.000 Personen erhöht wird. Bereits die Anhebung des Pensionsantritts auf 61,5 Jahre hat einen Anstieg der Arbeitslosigkeit vor allem bei älteren Arbeitnehmern, aber auch bei den jungen mit sich gebracht. Dieses Problem wird sich verschärfen. Daran wird auch das geplante Maßnahmenpaket für Ältere, insbesondere die Aktion »56/58 Plus« und die Qualifizierungsoffensive, wenig ändern. Die Senkung der Lohnnebenkosten für ältere Arbeitnehmer im Rahmen der Aktion »56/58 Plus« wird nur bescheidene Beschäftigungseffekte bewirken.

N A C H L E S E N !

Die vorliegenden Ausführungen, die nur die wichtigsten Maßnahmen behandeln, beruhen auf einer Analyse des Regierungsprogramms durch Arbeiterkammer und ÖGB. Die gesamte Stellungnahme kann von folgender Homepage heruntergeladen werden: www.akwien.at/dat/Analyse_Regierungsprogramm_Endfassung.pdf

Nach Berechnungen des WIFO würde die Senkung der Lohnnebenkosten maximal 1800 Arbeitsplätze bringen. Für die vorgeschlagene - äußerst wichtige - Qualifizierungsoffensive für ältere Arbeitnehmer fehlen aber die finanziellen Mittel im Budget des Arbeitsmarktservice. Auch werden keine Vorkehrungen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit getroffen. Die Abschaffung der Frühpensionen wird daher zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen, sodass per Saldo der angestrebte Spareffekt nicht erzielt werden kann.

»Für die vorgeschlagene - äußerst wichtige -
Qualifizierungsoffensive für ältere Arbeitnehmer fehlen die finanziellen Mittel«

Besonders hart betroffen sind Frauen, die keine durchgängigen Berufskarrieren haben - also fast alle. Die von der »Hacklerregelung« Betroffenen können zwar weiter mit 55 nach 40 Beitragsjahren (Frauen) bzw. mit 60 nach 45 Beitragsjahren (Männer) in Pension gehen, aber die Veränderungen im Leistungsrecht bedeuten für sie einen Pensionsverlust von 20 Prozent gegenüber der jetzigen Regelung. Auf der anderen Seite führt die Senkung des fiktiven Ausgedinges für Bauern zu einer Erhöhung ihrer Pension.

Die so genannte »Pensionssicherungsreform« der Regierung bringt vor allem überfallsartige Kürzungen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Steigerung der Beschäftigung, die den zentralen Ansatzpunkt zur Sicherung der Pensionssysteme darstellt, fehlen in den Regierungsplänen.

Sparen bei der Gesundheit

Im Gesundheitsbereich zielt eine Reihe von Maßnahmen auf die Verhinderung von Abgängen in der Höhe von rund einer Milliarde Euro bis 2006. Dazu gehören insbesondere die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten von 3,75 Prozent auf 4,75 Prozent in vier Jahresschritten, die Einführung eines Versichertenbeitrags in der Höhe von 0,1 Prozent für Freizeitunfälle, die Einhebung von Selbstbehalten, Einsparungen bei den Arzneimitteln sowie die Umwidmung von 10.000 und der Abbau von 6000 Akutbetten.

»Von einem Beschäftigungsrekord, wie oft behauptet, kann keine Rede sein«

Die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten lässt sich weder aus dem Solidarprinzip noch aus der gestiegenen Lebenserwartung ableiten. Der beabsichtigten Erhöhung fehlt daher jede sachliche Begründung. Die Einsparungen bei den Arzneimitteln (etwa der stärkere Einsatz von Generika3) und die Überprüfung der Großhandels- und Apothekenspannen) sind sinnvoll, von einer Senkung der Vertriebsspannen auf europäisches Niveau ist allerdings nicht die Rede. Besonders umstritten ist die Einhebung von sozial gestalteten Selbstbehalten (250 Millionen Euro) bei gleichzeitigem Wegfall der Ambulanz- und Krankenscheingebühr, wozu die Sozialversicherungsträger ermächtigt werden sollen. Diese Maßnahmen sind vor allem deshalb problematisch, weil die Selbstbehalte schon jetzt nach Berufsgruppen gestaffelt sind, weil das Prinzip der solidarischen Lastenverteilung vermieden wird, weil aus verteilungspolitischer Sicht die unteren Einkommensbezieher sowie die Kranken selbst bei Einziehen einer Obergrenze stärker belastet werden und weil die Lenkungseffekte unklar sind.

Verwaltungsreform erzeugt Arbeitslose

Der weitaus überwiegende Teil der Einsparungen resultiert aus Personaleinsparungen beim Bund (Bildung ausgenommen), dem Abbau von Überstunden, moderaten Gehaltserhöhungen für die Beamten in den nächsten Jahren und der Kompensation des Struktureffekts im Bildungsbereich. Mit Verwaltungsreform hat all das nur wenig gemeinsam. Die echten Maßnahmen zur Verwaltungsreform (Controlling, E-Government- Offensive, Ausbau von Bezirksverwaltungsbehörden, Intensivierung von Evaluierungen etc.) bringen wenig Einsparungen. Die Einrichtung von Landesverwaltungsgerichtshöfen würde sogar zu Mehrausgaben führen.

Die Einsparung von 10.000 Planstellen beim Bund durch Nichtnachbesetzung würde bedeuten, dass der Personalstand (ohne Schulen und Universitäten) um gut 10 Prozent verringert werden müsste. Dieses Ziel ist wenig realistisch, weil der Personalstand schon in der letzten Legislaturperiode um 13.000 Planstellen gesenkt wurde und weil die Abschaffung der Frühpensionierung diesem Plan entgegenwirkt.

Auch bei den Ländern und Gemeinden sollen bis 2006 20.000 Bedienstete abgebaut werden, das sind etwa 9 Prozent der Beschäftigten von Ländern und Gemeinden (ohne Krankenanstalten). Ob dies möglich ist, bleibt fraglich, nicht zuletzt, weil die Bundesregierung de facto wenig Einfluss auf die Personalpolitik der Länder und Gemeinden hat. Wünschenswert wäre in beiden Bereichen eine Verknüpfung des Personalabbaus mit Fortschritten bei der Verwaltungs- und Bundesstaatsreform. Nur so kann eine Verschlechterung der Qualität der öffentlichen Leistungen verhindert werden.

Im Bildungsbereich soll der so genannte Struktureffekt4) bei Bundes- und Landeslehrern abgebaut werden (erhofftes Ergebnis: 350 Millionen Euro). Egal, welche Maßnahmen zu dieser Einsparung führen (Kürzung der Unterrichtsstunden, Anhebung der Lehrverpflichtung), auch dadurch gehen Arbeitsplätze verloren. Insgesamt resultiert aus diesen vermeintlichen Maßnahmen der Verwaltungsreform ein erheblich negativer Effekt auf dem stark angespannten Arbeitsmarkt.

Per Saldo Mehrkosten

Im Regierungsabkommen werden noch weitere Einsparmaßnahmen genannt, einerseits bei Ländern, Städten und Gemeinden (über die Personalkürzungen hinaus), andrerseits Einsparungen durch Schwarzarbeitsbekämpfung und die Überprüfung von Bundesförderungen. Sie werden aber weder inhaltlich konkretisiert noch wird ein Sparziel genannt. Die Bekämpfung der Schwarzarbeit entspricht jedenfalls einer langjährigen Forderung der Arbeiterkammern und Gewerkschaften.

Die Erreichbarkeit der angestrebten Sparziele muss in Frage gestellt werden. Das auch deshalb, weil im Regierungsprogramm zahlreiche Maßnahmen angeführt sind, die im Budgetpfad gar nicht enthalten sind, die aber zu Einnahmenausfällen bzw. Mehrausgaben führen (etwa die Senkung des fiktiven Ausgedinges für Bauernpensionen, Preissenkung beim Agrardieseltreibstoff, weiterer Ausbau der 2. und 3. Säule der Altersversorgung, Landesverwaltungsgerichtshöfe und so fort). Eine endgültige Beurteilung ist daher erst nach der Konkretisierung der derzeit in vielen Fällen noch zu vagen Pläne möglich.

Erste Etappe der Steuerreform belastet rund 2,5 Millionen Arbeitnehmer

Zur ersten Etappe der Steuerreform gibt es im Regierungsprogramm halbwegs konkrete Angaben, sodass eine erste Einschätzung möglich ist. Demnach sollen Bruttojahreseinkommen bis 14.500 Euro (also rund 1000 Euro pro Monat) steuerfrei sein. Derzeit fallen bei Angestellten mit 1000 Euro Bruttomonatseinkommen 31,8 Euro Lohnsteuer an. Dies wäre die maximal mögliche Entlastung. Diese Lohnsteuersenkung soll nach Angaben des Finanzministers nicht mehr als 385 Millionen Euro kosten. Die Einschleifregelung auf das jetzige Niveau muss also sehr scharf sein. Die Steuersenkung läuft daher nach Berechnungen der Arbeiterkammer bereits bei Bezügen von 1750 Euro aus. Schon ab 1550 Euro monatlich wird die Steuersenkung praktisch nicht mehr spürbar sein. Die Entlastung tritt also nur in einem Einkommensband um 1000 Euro Bruttomonatsbezug ein.

F A K T E N

Fiktives Ausgedinge

Im bäuerlichen Bereich werden bei Übergabe der Landwirtschaft zwischen dem Altbauern oder der Altbäuerin und dem Übernehmer der Landwirtschaft (Sohn oder Tochter) oftmals so genannte Ausgedingeverträge (Übergabeverträge) geschlossen.

Diese Verträge stellen im Wesentlichen eine Unterhaltsregelung dar, die fiktiv in die Berechnung der Bauernpension Eingang findet. Werden die Prozentsätze für das fiktive Ausgedinge - wie im Regierungsabkommen geplant - herabgesetzt, so erhöht sich dadurch die Bauernpension.

Diese Maßnahme stellt zwar eine klientelpolitische Maßnahme dar, sie ist aber auch vor dem Hintergrund der Armutsvermeidung zu sehen.

Die für Unternehmer und Selbständige vorgesehenen Maßnahmen, die Einführung des halben Steuersatzes für nicht entnommene Gewinne von Personengesellschaften und Einzelunternehmern, führen laut Finanzminister zu einer Entlastung von 400 Millionen Euro. Nach Berechnungen der Arbeiterkammer wird der Steuerausfall aus dieser Maßnahme aber auf 600 Millionen Euro geschätzt und zu einer massiven Umverteilung zugunsten der Spitzenverdiener unter den Selbständigen und Gewerbetreibenden führen.

Steuersenkung wird mit neuen Belastungen finanziert

Zur Finanzierung dieser Steuersenkung werden die Energieabgaben um 340 bis 400 Millionen Euro erhöht. »Angedacht« sind Belastungen bei Kohle und Koks, Erdgas, schwefelarmem bzw. nicht entschwefeltem Benzin und Diesel sowie bei Heizöl. Höhere Einnahmen sind wahrscheinlich, da es schwefelarmes Benzin erst im Lauf des Jahres 2004 geben wird. Dabei werden die privaten Haushalte rund die Hälfte dieser Belastung zu tragen haben. Verteilungspolitisch bedeutet das, dass die 1,15 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nur bis 900 Euro verdienen und daher keine Lohnsteuer zahlen, auch von der Lohnsteuersenkung nicht profitieren. Für sie bleibt unter dem Strich nur eine Belastung. Das gilt auch für Arbeitnehmer ab 1750 Euro Bruttomonatseinkommen. Insgesamt werden rund 2,5 Millionen Unselbständige durch die erste Etappe der Steuerreform stärker be- als entlastet. Die andere Hälfte der Energiesteuer zahlen die Unternehmen, also rund 200 Millionen Euro. Dieser Belastung steht aber im Gegenzug eine Entlastung von 400 bis 600 Millionen Euro aus der steuerlichen Begünstigung nicht entnommener Gewinne gegenüber. Von Gerechtigkeit kann hier also keine Rede sein. Was die »größte Steuerreform der Zweiten Republik« in der zweiten Etappe bringen wird, sind bisher nur Versprechen, die nicht nachvollziehbar sind. Wie viel von den 2,5 Milliarden Euro als Entlastung für die Arbeitnehmer und damit für die Stärkung der Kaufkraft vorgesehen ist, ist noch völlig unklar.

Noch mehr Druck nach unten

Gesamteinschätzung der Auswirkungen des Regierungsprogramms:
Die wirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Ausgangslage zu Beginn dieser Legislaturperiode ist ungünstig. Das ist zum Teil eine Folge des strikten Nulldefizitkurses im Konjunkturabschwung, also von eigenen Fehlern. Die hier nur zum Teil angesprochenen Belastungen und das Fehlen einer beschäftigungssteigernden Wirtschaftspolitik im Regierungsprogramm lassen einen markanten Anstieg der Arbeitslosigkeit um bis zu zwei Prozentpunkte befürchten. Zu den derzeit 340.000 Arbeitsuchenden kommen bis 2006 weitere 110.000 Menschen hinzu. Dabei sind die Pläne der Regierung, die Beschäftigten im öffentlichen Sektor auf den Durchschnitt des OECD-Niveaus zu senken, noch nicht berücksichtigt.

»Besonders hart betroffen sind Frauen, die keine durchgängigen Berufskarrieren haben - also fast alle«

Die arbeitsmarktpolitische Strategie der Regierung folgt neoliberalen Vorstellungen und setzt vorwiegend auf Maßnahmen zur weiteren Flexibilisierung, auf die Erhöhung des Angebotsdrucks und Druck auf Arbeitslose, zu schlechteren Bedingungen Arbeit anzunehmen (»Flexibilisierung« der Zumutbarkeitsbestimmungen, Abschaffung der Notstandshilfe).

Mittelfristiger Wachstums- und Budgetpfad
2002 2003 2004 2005 2006
BIP-Wachstum real, in % 0,9 1,4 2,0 2,5 2,5
gesamtstaatliches Defizit nach Maßnahmen, in % des BIP -0,6 -1,3 -0,6 -0,3 0,2
Maßnahmen (in Mrd. EURO)
Verwaltungsreform 1,3
Pensionsreform 1,0
Schwarzarbeitsbekämpfung/Bundesförderungen überprüfen -
konsensuale Einsparungen bei Ländern, Städten u. Gemeinden -
Gesundheit - Vermeidung des Enstehens von Defiziten 1,0
Maßnahmen gesamt 3,0
Steuersenkung 2005 auf unter 43% des BIP, Mrd. Euro - - 0,5 2,5 -
gesamtstaatliches Defizit in % des BIP (nach Maßnahmen und Steuersenkung) -0,6 -1,3 -0,7 -1,5 -1,1
Abgabenquote nach Steuersenkung, in % 44,6 42,9
Quelle: Regierungsabkommen

Zu wenig Impulse für Wachstum

Aus der Sicht der Arbeiterkammern und Gewerkschaften findet die Regierung keine Antwort auf die Wachstumsschwäche und die stark verschlechterte Beschäftigungslage. Darin liegt die fundamentale Schwäche des Regierungsprogramms. Ein bloßes Bekenntnis zu den Zielen der Lissabon-Strategie reicht nicht aus. Zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung bedarf es einer expansiveren makroökonomischen Politik. Das haben die Erfahrungen der letzten Jahre eindeutig gezeigt. Die Regierung rückt mit ihrem Budgetpfad zwar vom »Nulldefizit um jeden Preis« ab und lässt Budgetdefizite zwischen 0,7 Prozent (2004) und 1,5 Prozent des BIP (2005) zu, angesichts der zu erwartenden negativen Wirtschaftsentwicklung ist dies aber nach wie vor zu restriktiv. Zudem ist der expansive Impuls aus der defizitfinanzierten Steuersenkung 2005 mit einem Entlastungsvolumen von 2,5 Milliarden Euro ungewiss und fällt in einen Konjunkturaufschwung hinein. Aus Arbeitnehmersicht wäre ein Impuls zur Stärkung des Konsums und der Investitionen so rasch wie möglich zu setzen - 2003 oder spätestens 2004.

Verteilung der Belastung und Entlastung ungewiss

Die Regierung sieht in den nächsten Jahren Belastungen in der Höhe von mindestens drei Milliarden Euro vor. Diesen Belastungen stehen Entlastungen bei Steuern und Sozialabgaben von ebenfalls etwa 3 Milliarden Euro gegenüber. Da die Regierungspläne in weiten Bereichen noch nicht bekannt sind - insbesondere zur Steuerreform 2005 -, ist derzeit in verteilungspolitischer Hinsicht noch keine Gesamtbeurteilung möglich. Aus den bisher bekannten Plänen lassen sich folgende, aus der Sicht der Arbeitnehmer wenig erfreuliche Tendenzen ableiten:

  • Die erste Etappe der Steuerreform entlastet die Unternehmer und Selbständigen per Saldo - mit sehr ungleicher Verteilungswirkung innerhalb der Gruppe. Die Arbeitnehmer hingegen werden überwiegend stärker belastet.
  • Die »klientelorientierte« Politik wird fortgesetzt, ablesbar etwa an den Selbstbehalten oder an den Maßnahmen zur Beschäftigungs- und Standortsicherung (Senkung von Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung).
  • Die Flexibilisierung bei den Arbeitnehmern wird fortgesetzt, in das Berufsrecht der freien Berufe wird hingegen nicht eingegriffen.
  • Befriedigung der agrarischen Klientel durch ökologisch bemäntelte Maßnahmen oder durch die Pensionsverbesserungen für Bauern durch die Senkung des fiktiven Ausgedinges.
  • Der im internationalen Vergleich ohnehin sehr niedrigen Unternehmensbesteuerung stehen hohe Entlastungen ohne investitionsfördernde Wirkung gegenüber (Senkung der Körperschaftsteuer, Hälftebesteuerung der nicht entnommenen Gewinne).


1) Siehe dazu den ausführlichen Beitrag von Richard Leutner auf Seite 14 dieses Heftes
2) Ab 2004 um 4 Monate, 2005 um 6 Monate und 2006 bis 2009 um je 8 Monate.
3) Medikamente, deren Patentschutz abgelaufen ist und die daher bei gleicher Wirksamkeit billiger sind.
4) Der Effekt durch automatische Verschiebungen (z. B. Biennal-
sprünge) aufgrund der derzeitigen Alters- und Qualifikationsstruktur.

R E S Ü M E E

Gefährdung des sozialen Zusammenhalts

Das Regierungsprogramm setzt den Trend fort, immer mehr Macht bei der Zentralgewalt des Bundes und bei den Ländern zu konzentrieren. Die sozialpartnerschaftlich organisierten Institutionen der Selbstverwaltung (Gebietskrankenkassen, Arbeitsmarktservice) sollen noch stärker dem Bund und den Ländern untergeordnet bzw. einverleibt werden.

Im Hinblick auf eine Bundesstaats-, Aufgaben- und Finanzausgleichsreform eignen sich die Regierungspläne nicht für eine konsistente Staatsreform, die mittel- und längerfristig eine kostensparende Staatstätigkeit ermöglicht.

Setzt sich der Trend einer Belastungspolitik zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fort, dann ist bei fehlenden Konzepten für die zentralen Fragen Arbeit, Wachstum und Sicherung der Sozialsysteme zu befürchten, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für die verschiedenen Bevölkerungsgruppen weiter auseinander driften. Dies gefährdet den sozialen Zusammenhalt.

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