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Konsumentenschutz: Digital-TV kann alle teuer kommen

WIRTSCHAFT & ARBEITSMARKT

In einer elektronisch vernetzten Landschaft leben Überbleibsel der Steinzeit: Fernsehstationen, die ihre Programmangebote auf prähistorische, analoge Weise verbreiten.

Die Pioniere des Fortschritts haben ihr argwöhnisches Auge seit längerem auf die von Bites&Bytes umschlossenen analogen Saurier gerichtet. Einige EU-Mitgliedstaaten (vor allem Deutschland) sprechen schon ganz entspannt vom baldigen Aus für die analoge Ausstrahlung. Auch in Österreich ist für den Analogfunk mit dem Stempel der Unzeitgemäßheit ein Platz im Technischen Museum reserviert. DVB-T heißt der neue Standard, dem die Zukunft gehören soll.

Nur Banausen hielten den Übergang ins 21. Jahrhundert für einen belanglosen Wechsel zum Jänner eines Folgejahres. Menschen mit Visionen oder vielleicht auch nur einem entsprechenden Firmenauftrag wissen den Zeitenwechsel für Prophezeiungen zu nutzen: Mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts werde ein digitales Informationszeitalter eingeläutet.

Den Geruch des Gestrigen hat das Medium, weil es sich nicht mit anderen elektronischen Übertragungswegen zu einem riesigen gemeinsamen Text-, Sprach- und Bildmedium zusammenführen lässt. Die Konvergenz aller Netze ist das Leitbild der Digitalisierungsdesigner. Außerdem gestattet die Digitalisierung eine ungleich höhere Datenkomprimierung. Auf den vorhandenen Sendefrequenzen (eine knappe Ressource, wie alle wissen, die auf dem Weg durch Österreich störungsfrei ihrem Lieblingsradio lauschen wollen) lassen sich dann deutlich mehr digitale Programmkanäle unterbringen.

Wir als Endverbraucher dürfen freilich nicht durch zu viel Vorinformation verwirrt werden. Auf der technischen Innovationsspur wirken wir doch alle etwas verloren. Immerhin machen wir uns nur langsam mit der Bedeutung von sonderbaren Abkürzungen wie GPRS, UMTS oder Wireless-LAN vertraut. Wäre doch gelacht, wenn wir dereinst, vor vollendete TV-Tatsachen gestellt, nicht auch konsumentengerechtes Kaufverhalten demonstrieren würden. Aufklärungskampagnen und Werbeoffensiven werden uns sicher ganz selbstlos dabei helfen.

Die EU erzwingt nichts

Kabel-TV-Anbieter und Programmveranstalter, die via Satellit ausstrahlen, lassen ihre digitalen Testballons schon seit geraumer Zeit steigen. Mit überschaubarem Erfolg. Kirchs Premiere-Angebot und Großbritanniens interaktives TV gelten als Paradebeispiele für schmerzhaft defizitäre Flops. Teures Pay-TV, so die späte Bilanz, zieht nicht bei einem Publikum, das seit langem an ein preiswertes werbe- oder gebührenfinanziertes Programmangebot gewöhnt ist.

Zeit für eine Nachdenkpause? Es schien so, als auch EU-Kommissar Erkki Liikanen seine Ansprache vor dem EU-Parlament am 11. Februar dieses Jahres mit der Frage übertitelte: »Is Digital TV a priority for Europe?« (Hat Digital-TV für Europa Vorrang?) Der Mann, der innerhalb der EU-Kommission für die Informationsgesellschaft zuständig ist, fand im selben Atemzug auch die Antwort: Ja doch. »The challenge«, die Herausforderung, sei jetzt, digitales TV auf alle Bürger auszudehnen, um den Umstieg zu ermöglichen, wenn dies von der EU-Gesetzgebung auch nicht gefordert werde. Ehrlich währt doch am längsten. Für den Umstieg vom Analog- auf das Digital-TV ist im Gegensatz zur Digitalisierung der Telefonnetze derzeit keine verbindliche EU-Norm vorgesehen.

»Wird die analoge TV-Ausstrahlung zum Auslaufmodell, muss jedes Fernsehgerät ersetzt werden.«

Weichenstellung in Österreich

Die Weichen für das digital-terrestrische TV (Rundfunkempfang über Antenne) werden in Österreich trotzdem gestellt. Dazu die Komm Austria, Österreichs Regulierungsbehörde für den Rundfunk, in einer Veröffentlichung vom Jänner 2003: Die »Migration von der analogen zur digitalen Rundfunkübertragung ist irreversibel im Gange. Es liegt nicht in der Macht von Einzelstaaten, sich dieser Entwicklung zu verschließen oder zu entziehen«. Die Einführung für die Konsumenten sei »vorteilhaft, zunächst aber mit Schmerzen verbunden«. Das hören Konsumenten freilich gerne.

Hohe Kosten, zweifelhafter Nutzen

Rechtlich gibt es wenig zu deuteln: Das Privat-TV-Gesetz sieht die rasche Einführung von digital-terrestrischem Rund-funk in Österreich vor. Wird die analoge TV-Ausstrahlung zum Auslaufmodell, muss jedes Fernsehgerät, aber auch jeder Videorecorder mit Zusatzgeräten (Set-Top-Boxen) ausgestattet oder komplett durch digitaltaugliche TV-Geräte ersetzt werden. Mehr als 60 Prozent der Haushalte wären nach Angaben des Regulators zur Anschaffung neuer End- bzw. Zusatzgeräte gezwungen. (17 Prozent der Haushalte empfangen ORF-Programme nur terrestrisch, die übrigen in Kombination mit SAT-Empfang.)

Bei einem prognostizierten Preis von 200 Euro für einfache Set-Top-Boxen, müsste eine Familie mit zwei Fernsehern und einem Videorecorder mindestens 600 Euro investieren, um das alte terrestrische Sendeangebot weiterhin konsumieren zu können. Dieser Kostenbelastung stellt die Rundfunkbehörde die Aussicht auf ein größeres TV-Angebot (12 verfügbare Senderplätze für Free-TV, Pay-TV und elektronische Zusatzdienste) und mobilen Empfang (etwa TV-Empfang im Auto) gegenüber. Die Chancen, zusätzliche Kanäle mit qualitativ hochwertigen Free-TV-Programmen zu bespielen, sind höchst ungewiss. Das mühevolle Ringen von ATV, dem Inhaber der ersten bundesweiten Privat-TV-Lizenz, aus den Startlöchern zu kommen, stimmt nicht gerade zuversichtlich.

Der Umstieg soll nach den Plänen des Regulators aufgrund äußerst knapper Frequenzen denkbar rasch erfolgen: Ab 2004 könnte schon in Ballungsräumen parallel analog und digital übertragen werden. Vorausgesetzt, es gibt Empfangsgeräte zu »leistbaren Preisen«, soll 2006 die Digitalübertragung »auf die Überholspur ziehen«, wobei massive Einschränkungen bei der analogen Versorgung ausdrücklich in Kauf genommen werden müssen. Von 2008 bis 2012 soll vom analogen TV-Zeitalter endgültig Abschied genommen werden.

»Problematisch wird das Vorhaben in Hinblick auf die Gewährleistung des allgemeinen Zugangs zu umfassender Information.«

Konsumenten-Unlust

Großbritannien, Frankreich und die USA haben sich unabhängig voneinander für einen langfristigen Übergang entschieden. Freilich befinden sich diese drei Referenzländer gegenüber Österreich in der ungleich günstigeren Lage, relativ viele ungenützte Frequenzen zu besitzen (Nutzung von Pufferkanälen in den USA) oder für das Militär reservierte Frequenzen umwidmen zu können (Frankreich). Die Entwicklung verläuft außerdem in allen Ländern zurückhaltend. Die Programmanbieter scheuten die kostenintensive Parallelausstrahlung, die Konsumenten zeigen geringes Interesse am Erwerb digitaler Empfangsgeräte.

Vorreiter eines abrupten Umstiegs ist allerdings Berlin. Ab Sommer wird dort nur noch digital gesendet. Der Grund: Terrestrik ist ein schwindendes Marktsegment. Die überwiegende Mehrheit der Berliner setzt seit langem auf Kabel oder Satellit. Die Vielfalt an digitalen terrestrischen Kanälen soll - so die Betreiberhoffnung - die Teilnehmerzahl vergrößern. Historische Vorbilder bieten sich kaum an. Beim Übergang von Schwarzweiß- auf Farb-TV bzw. im Zuge der Digitalisierung der Telefonnetze konnten jeweils auch mit den Geräten der Vorgängergeneration zumindest die elementarsten Dienste weiter genutzt werden.

Problematisch wird das Vorhaben im Hinblick auf die Gewährleistung eines allgemeinen Zuganges zu umfassender Information. Ein Ende des Parallelbetriebes beider Standards brächte den Konsumenten in ungewollten Zugzwang, wenn er nicht von der Programmausstrahlung gänzlich abgeschnitten werden will.

Das Vorhaben steht allerdings auch im regen Wettbewerb mit dem Ausbau des digitalen SAT-Empfangs, der Kabelverbreitung und der Internetentwicklung. Klar ist: Der Konsument wird in Zukunft jene Versorgung wählen, die günstig ist und die attraktivsten Inhalte bietet. Da man die ORF-Programme auch digital über Satellit empfangen kann, könnte der Abschalttermin für Analog-TV auch jener Zeitpunkt sein, wo dem freien Blick über die Dächer plötzlich vermehrt Satellitenschüsseln im Wege stehen ...

Die AK-Konsumentenschützer fürchten, dass Regierung und Rundfunkregulator die frequenztechnische Umsetzung vorantreiben, ohne das teure Projekt durch sorgfältige Studien über Verbraucherwünsche und künftige Marktentwicklung abzusichern. Sie fordern daher, dass ein Vorhaben dieser Größenordnung erst begonnen wird, wenn ein attraktives zusätzliches Programmangebot in den Digitalkanälen ebenso gesichert ist wie die Investitionsbereitschaft der Haushalte.

Außerdem sind die Gesamtkosten und die Finanzierungsquellen für die nächsten technischen Ausbaustufen offen zu legen. Immerhin sollen dem Vorhaben jährlich 40 Millionen Euro aus der Rundfunkgebühr, die bislang der Bund empfängt, zufließen. Für die Konsumentenschützer ist auch begründungsbedürftig, weshalb der Staat die Rolle des Risikokapitalgebers übernimmt. Den digitalen Netzaufbau bei Kabel-TV, Internet und Mobilfunk hat allein der Markt finanziert.

Besonders prekär wären die Anschaffungskosten für gebührenbefreite Haushalte. Eine kostenlose Bereitstellung der Set-Top-Boxen wird für diese Nutzergruppe immerhin diskutiert. Ein abrupter Switch-off entwertet jedoch auch bei allen Konsumenten alle vorhandenen Analogendgeräte.

Vorbild Mobilfunk

Beispielhaft für eine Entwicklung, die vom Verbraucher selbstbestimmt gesteuert werden konnte, war der Übergang der Mobiltelefonie von der ersten zur zweiten Generation. Zwar war auch hier ein langfristiger Abschalttermin vorgegeben, der sich aber trotz vorhandener analoger Restkunden als kaum konfliktträchtig erwies. Der lange Übergangszeitraum hat dazu geführt, dass sich die Konsumenten zwanglos von den zusätzlichen Vorteilen des GSM-Netzes überzeugen konnten, mit dem Effekt, dass das D-Netz schließlich allgemein als überholt erlebt wurde. Die starke Subventionierung der Endgeräte durch Netzbetreiber schaffte einen zusätzlichen positiven Anreiz, den Standard zu wechseln.

R E S Ü M E E

Ohne Umstiegsdruck!

Die Devise muss lauten: Anreize für die Konsumenten schaffen, sich auf die neue Technologie einzulassen, aber ohne Umstiegsdruck. Kein fixes Abschaltdatum:

Der Parallelbetrieb ist so lange fortzusetzen, bis sich die überwiegende Mehrheit der Verbraucher aus eigenem zu einem Wechsel entschließt.

Keine Verschiebung von Free- zu Pay-TV: Die Technologie kann im für den Verbraucher ungünstigsten Fall auch als Vorwand dafür dienen, den Weg für individuell abgerechnetes Pay-TV zu ebnen.

Wenn DVB-T-basierte Dienste, wie vielfach in Aussicht gestellt, tatsächlich einen für den Verbraucher augenfälligen Mehrwert aufweisen, wird sich dieser Standard auch ohne regulatorischen Druck und ohne fixen Abschalttermin durchsetzen. Vielleicht glauben aber die Visionäre selbst nicht so recht ihren Verheißungen?

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