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Auch Entpolitisierung ist Politik

HINTERGRUND

Der Gewerkschaftsbewegung bläst ein eisiger Wind ins Gesicht: Drastische soziale und wirtschaftliche Veränderungen erhöhen den Druck auf die Interessenvertretung. Um so wichtiger ist eine Politische Bildungsarbeit, die der »Entpolitisierung« entgegenwirkt.

Soziale Forderungen verhallen angesichts des Standortarguments der Konzerne. Neue Arbeitsformen, steigende Anforderungen an die Flexibilität, die für die Betroffenen sehr oft einfach mehr Unsicherheit bedeuten, sowie immer mehr atypische Arbeitsverhältnisse erfordern eine Neuorientierung der Gewerkschaften. Auf den Organisationsgrad der sechziger und siebziger Jahre kann man nur mit Neid zurückblicken.

Effizienz, Konkurrenz, Rentabilität

Im ideologischen Bereich zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Die Politik der »Restrukturierung« bestimmt immer mehr das gesellschaftliche Denken. Die Imperative Effizienz, Konkurrenz, Rentabilität bestimmen das Geschehen. Hochdotierte Consulting-Agenturen helfen, trotz beschworener Neutralität zwischen den Interessengruppen, dieses Muster auch im Denken der Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zu verankern (siehe dazu auch die Beiträge des Verfassers in »A&W« 7/8-2002 und 10-2002).

»Übergeordnete politische Zusammenhänge werden immer mehr aus den Augen verloren.«

Das Gesellschaftsbild des neoliberalen Wettbewerbsstaates, der den keynesianischen Wohlfahrtsstaat ablöst, zielt auf das Individuum und dessen Funktion im wirtschaftlichen System ab. Übergeordnete politische Zusammenhänge werden immer mehr aus den Augen verloren. Die Suche nach Gegenöffentlichkeiten gestaltet sich mühsam. Diese zu schaffen ist notwendiger denn je.

Die Klagen klingen vertraut: Es ist immer schwieriger, für gesellschaftspolitische Themen Interesse zu wecken, zu politischem Engagement anzuregen. Individueller Lebensstil, Konsumkultur, Erfolg im Beruf, Persönlichkeitsentwicklung boomen. Die Individualisierung, die auch eine Abwendung des Einzelnen von gesellschaftlichen Fragen bedeuten kann, wird häufig als »Entpolitisierung bezeichnet«.

Doch was genau soll damit beschrieben werden? Und kann durch Politische Bildung eine »Re«-Politisierung erreicht werden? Welche Konsequenzen hätte dies für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit? Darüber wird übrigens auch in Deutschland nachgedacht. Der Leiter des Bildungszentrums der deutschen IG Metall, Horst Matthes, hat dazu ein Buch herausgegeben (»Priorität Politische Bildung« Hamburg 2002). Es enthält zahlreiche Anregungen.

Der neoliberale Mainstream, also die Dominanz einer individualistischen, ökonomistischen und gegen den Sozialstaat gerichteten Ideologie, steht im Widerspruch zu alldem, was von einer aufgeklärten Linken traditionell als politisch und engagiert definiert wurde. Also etwa der Kampf um soziale Gerechtigkeit, Beseitigung von Ungleichheiten, Emanzipation in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, bisweilen auch ökologisches Engagement.

Der neue Konsens

Charakteristisch war das Eintreten für »gesamtgesellschaftliche Zielvorstellungen«, es ging um mehr als Eigeninteressen. Und politisches Handeln ist notwendig. Denn soziale Sicherheit, gerechte Entlohnung und Lebensqualität werden nicht automatisch vom Markt produziert oder hergestellt, weil alle Einsicht in ein übergeordnetes Gemeinwohl zeigen. Sie müssen erstritten, manchmal erkämpft werden.

Der neue gesellschaftliche Konsens hingegen (nicht nur in Österreich) besteht darin, widerstreitende Interessen zunehmend auf eine übergeordnete Rationalität zu reduzieren, der alle anderen untergeordnet werden. Die Imperative der Ökonomie, der Standort-Logik, der betriebswirtschaftlichen Rentabilität und allen voran die Logik des shareholder value bestimmen das gesellschaftliche Geschehen. Die unter Druck geratene Sozialdemokratie dringt auf ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit gegenüber der neoliberalen Ökonomie, verzichtet dafür aber auf grundlegende Konflikte. Diese Politik akzeptiert, dass regelverändernde Restrukturierung von Wirtschaft und Gesellschaft zu immer weniger Schutz, zu weniger Sicherheit in der Arbeitswelt führt. Das mit ökonomischer Rationalität geführte Unternehmen wird zum Vorbild für Staat und Gesellschaft.

Die Krise der traditionellen Politik

Wir kennen diese Denkweisen, insbesondere in der Debatte um die Staatsverschuldung: Der Staat muss wie ein Unternehmen geführt werden. Nicht nur einzelne politische Repräsentanten, das gesellschaftliche Denken insgesamt ist heute davon erfasst. Das Fehlen von Vorstellungen, die gegen diese Politik gerichtet sind, ist eine der Ursachen der gegenwärtigen Entpolitisierung.

Entpolitisierung äußert sich aber auch im Bedeutungsverlust der traditionellen Akteure und in der Veränderung traditioneller Interessenpolitik. Die Mitgliederzahlen der politischen Parteien sinken, ihr Aktionsradius gegenüber international agierenden Wirtschaftskonzernen wird immer geringer.

»Der neoliberale Mainstream steht im Widerspruch zu alldem, was von einer aufgeklärten Linken traditionell als politisch und engagiert definiert wurde.«

Vor allem aber betrifft dieser Trend die Arbeitnehmervertretungen. Dieser Punkt wird bei der Debatte über den Relevanzverlust der Sozialpartnerschaft oft übersehen. Die Gewerkschaften verlieren Mitglieder, deren Organisationsgrad geht zurück, die Arbeiterkammer wurde immer wieder zum Gegenstand politischer Angriffe.

Die Verbände der Unternehmerseite sind davon weit weniger betroffen. Klassische Gewerkschaftspolitik basierte darauf, gegensätzliche Interessen (Arbeit und Kapital) zum Ausgleich zu bringen. Sie verliert an Bedeutung, wenn die Gegensätzlichkeit dieser Interessen in Frage gestellt wird.

Telepolitik

Politische Prozesse finden fast nur noch als massenmediale Events statt. Die Telepolitik setzt auf Personalisierung und Verknappung politischer Inhalte. Die mediale Form bestimmt die politischen Inhalte. Obwohl Politik medial allgegenwärtig und Information in hohem Ausmaß verfügbar ist, sprechen wir von Entpolitisierung. Vor den letzten Nationalratswahlen hätten so viele Menschen wie nie zuvor die Debatten der Spitzenkandidaten verfolgt, ließ der um Eigenwerbung nicht verlegene ORF verlauten. Auch Printmedien und Demoskopie standen im Banne der Konfrontationen. Doch gleichzeitig gab es so wenig grundsätzliche Themen wie selten zuvor. Es dominierte die Telepolitik der individuellen Politikerperformance, der rhetorischen Kniffe, einer ominösen »Wirkung« der jeweiligen Persönlichkeit.

Diese Prozesse haben Auswirkungen auf den Bildungsbegriff. Die politischen Subjekte selbst haben, etwa was ihr Konsumverhalten oder ihre kulturellen Wertvorstellungen betrifft, die vorherrschende Logik (Wettbewerb, individuelle Leistung) verinnerlicht, also zu ihrer eigenen gemacht. Wenn das Individuum vorrangig als ökonomischer Arbeitskraftunternehmer in Erscheinung tritt, ist die Dominanz eines solchen Bildungsbegriffs wenig überraschend. An Bildung wird die Anforderung gestellt, den individuellen Marktwert zu erhöhen. Die allgemeine Bildung, von der die Politische Bildung ein Teil ist, gerät unter Legitimationszwang. Entpolitisierung äußert sich also auch in einer Zurückdrängung politischer Bildungsprozesse.

Selbst Nichthandeln ist politisch

Wie jedes Schlagwort ist der Begriff Entpolitisierung ungenau und bis zu einem gewissen Grad sogar falsch. Es verschwindet ja nicht das Politische oder die Politik. Das Handeln der Menschen in der Gesellschaft ist mehr oder weniger immer politisch. Selbst Nichthandeln kann politisch sein. Handelt es sich also nicht um Entpolitisierung im engeren Sinn, sondern um die Dominanz eines neuen Politikmodells? Dabei wird freilich ein Politikbegriff deutlich, der dem Konzept der Politischen Bildung diametral entgegensteht. Auch Entpolitisierung ist Politik.

Unparteilichkeit ist künstlich

Es gibt enge und weite Begriffe von Politik, je nachdem, ob nur staatspolitisches Handeln und politische Institutionen oder gesellschaftliche Prozesse insgesamt gemeint sind. Manche Politikbegriffe stellen stärker auf Konsens, andere auf Konflikt ab. Aus der kritischen Tradition und Theorie kommende Konzepte basieren auf einem auf Konflikt zentrierten Begriff des Politischen. Es geht darum, Interessenkonflikte in einer Gesellschaft deutlich zu machen, in der Macht und Ressourcen ungleich verteilt sind. Konservative politische Bildungskonzepte stellen demgegenüber die politische Ordnung und ihre Erhaltung auf konsensualer Basis ins Zentrum. Rationalität und Funktionalität innerhalb des politischen Systems gewinnen hier an Bedeutung.

»Politisches Handeln ist notwendig, denn soziale Sicherheit, gerechte Entlohnung und Lebensqualität werden nicht automatisch vom Markt produziert.«

Bildung und Politik sind eng verbunden. Es gibt keine unpolitische Bildung. Keine Bildung ist wertneutral und unparteiisch. Die Unparteilichkeit sei »artifiziell«, also künstlich, schrieb der große Aufklärer Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799). Auch die Unparteilichkeit sei parteiisch: »Er war von der Partei der Unparteiischen«. Die Parteilichkeit der Politischen Bildung zeigt sich auch in ihrer Verbundenheit mit dem demokratischen System. Sie soll zum Funktionieren der Demokratie beitragen und zu demokratischem Handeln befähigen. Politische Bildung steht im Gegensatz zu Manipulation und Propaganda.

Daraus resultiert eine Minimaldefinition Politischer Bildung, mit der eigentlich alle übereinstimmen sollten: Politische Bildung ist die (möglichst dialogische) Auseinandersetzung mit politischen Akteuren, Prozessen und Strukturen mit dem Ziel, zu demokratischer Partizipation/Teilnahme zu befähigen.

Das »Rote Wien« gegen die »schwarzen« Länder

Historisch betrachtet war Politische Bildung in Österreich immer heiß umkämpft, also ein »Politikum« im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Bestimmung ihres Stellenwertes hängt auch davon ab, welche »Orte« Politischer Bildung wir betrachten. Die wichtigsten sind die Schule, die außerschulische Jugendbildung, die Erwachsenenbildung, die Politischen Akademien der Parteien und natürlich die Massenmedien, unter denen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine besondere Aufgabe zukäme.

Auseinandersetzungen um Politische Bildung betrafen meist die Schule. Gerade sie war bereits in der Ersten Republik ein Ort der Auseinandersetzung um die Politische Bildung. Zwischen den Schulbehörden des »Roten Wien« und den »schwarzen« Bundesländern sowie dem konservativen Unterrichtsministerium kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Politische Bildung wurde dabei oft mit (unerlaubter) politischer Beeinflussung gleichgesetzt. Politische Bildung existierte deshalb hauptsächlich als parteipolitische Bildung, während die allgemeinen Einrichtungen der Erwachsenenbildung (zum Beispiel die Volkshochschulen) zumindest formell auf ein Neutralitätspostulat verpflichtet waren. In der Zweiten Republik ließen die Erfahrungen mit diktatorischen Regimes (Austrofaschismus, Nationalsozialismus) sofort den Propagandaverdacht aufkeimen, sobald von »offizieller« Stelle über Politik kommuniziert wurde.

Österreichs Ausreden

Während in Deutschland umfangreiche Bemühungen zur »Re-Education« und Demokratieerziehung stattfanden, war das in Österreich, das sich offiziell als NS-Opfer bzw. vom Nationalsozialismus befreites Land verstand, nicht der Fall. Da ja eine »fremde Macht« die Republik zerstört hatte, musste auch die Demokratie nicht neu erlernt werden. Ansätze Politischer Bildung entwickelten sich trotzdem.

»Es dominiert die Telepolitik der individuellen Politikerperformance, der rhetorischen Kniffe, einer ominösen »Wirkung« der Persönlichkeit.«

Lange Zeit war sie aber bloße Institutionenkunde, ein staatsbürgerlicher Unterricht, in dem gelehrt wurde, wie Gesetze gemacht werden oder Kompetenzen verteilt sind. Impulse in den sechziger Jahren zur Einrichtung eines eigenen Unterrichtsfachs an den Schulen scheiterten. Im April 1978 gab der sozialdemokratische Bundeskanzler Fred Sinowatz den »Grundsatzerlass zur Politischen Bildung« heraus.

Damit wurde sie als Unterrichtsprinzip an den AHS (Allgemeinbildenden Höheren Schulen) verankert. Aktivitäten folgten insbesondere im Bereich der Lehrerfortbildung. An diesem Zustand hat sich nicht viel geändert. Bis heute gibt es Bildungs- und Informationsangebote für Schüler/innen und Lehrer/innen, aber keine einzige Untersuchung über deren Effizienz. Eine seriöse Evaluierung fehlt.

Gewerkschaftliche Politische Bildung

Vereinzelte Untersuchungen kommen zu ernüchternden Ergebnissen. In der Lehrerschaft kennen wenige den Unterrichtserlass genau, immer ist zu wenig Zeit für die Behandlung politischer Inhalte im Unterricht und so fort. Ob sich die 2001 nach jahrzehntelanger Debatte recht abrupt erfolgte Umbenennung des Faches »Geschichte und Sozialkunde« in »Geschichte und Politische Bildung« (für die 7. und 8. Klasse der AHS) positiv auswirken wird, bleibt abzuwarten.

In der überparteilichen Erwachsenenbildung gibt es Politische Bildung im Rahmen der allgemeinen Angebote sowie kurzfristig themenorientierten Reihen (etwa im Vorfeld des österreichischen EU-Beitritts). Die Österreichische Gesellschaft für Politische Bildung fördert seit Beginn der neunziger Jahre Projekte der Erwachsenenbildung.

Wie steht es aber mit der gewerkschaftlichen Politischen Bildung? Im Gegensatz zur Geschichte der Politischen Bildung in Österreich hat die gewerkschaftliche Politische Bildung eine reiche Tradition. Sie ist mit Namen wie Richard Wagner verbunden, der freilich nicht mit dem berühmten Bayreuther Komponisten verwechselt werden darf. Als Gründer der Gewerkschaftsschule, die im November 1926 ihre Tätigkeit aufnahm und als Arbeiterbildner stand er in einer aufklärerischen Tradition.

»Bildung und Politik sind eng verbunden. Es gibt keine unpolitische Bildung.«

Im Rahmen eines Richard-Wagner-Kreises, an dem Mitglieder von ÖGB und Arbeiterkammer teilnehmen, wird beim VÖGB wieder versucht, an diese Tradition anzuknüpfen. Wagner ging es um drei Faktoren:

  • Wissensvermittlung;
  • geistiges Training und Entfaltung schöpferischer Kräfte;
  • demokratische Kooperation zwischen Lehrenden und Lernenden.

Die politischen Rahmenbedingungen haben sich seither grundlegend geändert. Sich an den Wagnerschen Grundlinien zu orientieren lohnt sich aber auch heute. In Anlehnung an Wagner können die Grundfunktionen einer gewerkschaftlichen Politischen Bildung folgendermaßen bestimmt werden:

Die Probleme liegen förmlich auf der Straße (Globalisierung, Integration, soziale Wohlfahrt, Ökologie). Sie in die politische Bildungsarbeit zu integrieren, bedeutet, sie zu strukturieren, transparent zu machen und auf Handlungsmöglichkeiten hin zu untersuchen. Ohne Zweifel gibt es die »neue Unübersichtlichkeit« (Jürgen Habermas), in der sich Problemebenen und klassische Konfliktlinien überschneiden und einfache Antworten immer schwieriger werden.

Veranschaulichung und Differenzierung

In dieser Konstellation kommt Politischer Bildung eine besondere Aufgabe zu. Paradoxerweise geht es um zwei widersprüchliche Strategien: Komplexitätsreduktion (modellhafte Veranschaulichung, etwa in der Ökonomie) und Differenzierung (gegen die Vereinfachungen der Populisten und des Boulevards).

Die Fülle an Wissen ist für den Einzelnen nicht überschaubar. Aufbereitung, Strukturierung ist notwendig. Es gibt in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften eine Fülle von Publikationen, die sich kritisch mit den ökonomischen und sozialen Entwicklungen auseinander setzen. Sie liefern ein kritisches Reservoir, das in Argumentationen, Handlungen und Strategien übersetzt werden kann. Damit sind neue Herausforderungen an die politische Bildungstätigkeit gegeben.

Keine halbierte Aufklärung

Wenn Politische Bildung im Sinne einer »Erziehung zur Mündigkeit« (Theodor W. Adorno) begriffen wird, dann bedeutet dies, dass die Kritikfähigkeit allgemein wächst. Eine halbierte Aufklärung, die sich in bestimmte Richtungen lenken lässt und vor anderen Halt macht, kann es dann nicht geben. Forcierte Politische Bildung wird sich daher auch auf die innerorganisatorische Kultur der Institutionen auswirken, die politische Bildungsarbeit betreiben und dort wertvolle Impulse setzen.

Erfahrungen in der Berufs- und Lebenswelt der Arbeitenden müssen in Bildungsprozesse einfließen, wie auch umgekehrt Politische Bildung Erfahrungen in einen größeren Zusammenhang stellen muss. Sie sollen in den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gestellt werden.

Die Erfahrung strukturiert also den Stoff (mit). Die Verzahnung beider Ebenen ermöglicht auch eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen.

Modische Kapitalismuskritik

Eine Gefahr der modischen Kapitalismuskritik, die den »Terror der Ökonomie« beklagt und ein mächtiges »Empire« beschwört, besteht darin, Ohnmachtsgefühle hervorzurufen. Je drastischer das Bild des neuen Kapitalismus gezeichnet wird, je übermächtiger dessen Wirkungen erscheinen, desto geringer wird die Bereitschaft zu politischem Handeln sein. Es geht folglich auch darum, konkrete Einflussmöglichkeiten zu diskutieren.

»Je drastischer das Bild des neuen Kapitalismus gezeichnet wird, je übermächtiger dessen Wirkungen erscheinen, desto geringer wird die Bereitschaft zu politischem Handeln.«

Damit ist nicht nur »Politische Bildung« im Internet gemeint (was ja nicht mehr allzu neu wäre), sondern ganz allgemein eine Bildungsarbeit, die sich der neuen Qualität der Probleme bewusst ist. Nicht mediale Umsetzung, sondern eine Politische Bildung, die den veränderten Formen der Politik gerecht wird, ist daher gefragt. Wer sind heute die politischen Akteure, wie und wo kann der Einzelne politisch aktiv handeln, was bedeutet Politik im gesamten Globalisierungsprozess und in der Informationsgesellschaft, das sind wesentliche Fragestellungen. Die »Verwissenschaftlichung« hat längst auch die Politische Bildung erfasst. Didaktische und inhaltliche Herausforderungen wachsen permanent. Statt allzu große Eintrittshürden aufzubauen, gilt es am beruflichen und politischen Alltag anzuknüpfen und Handlungsorientierungen zu vermitteln. Spielerisch, erfahrungsbezogen und anwendungsorientiert sollte die Politische Bildung daher sein.

Ausblick

Gerade weil den Arbeitnehmervertretungen der gesellschaftspolitische Wind ins Gesicht bläst, ist die Intensivierung politischer Bildungsarbeit sinnvoll. Die Rahmenbedingungen sind sicher nicht einfacher geworden, weil sie sich gegen einen Bildungsbegriff behaupten muss, dessen Plausibilität der Alltag scheinbar ständig bestätigt. Es sind die Imperative der Ökonomie, die zählen, die Zeiten Richard Wagners sind lange vorbei. Doch gewisse Grundprinzipien beanspruchen nach wie vor Gültigkeit.

Die Frage nach der Politischen Bildung in der Gewerkschaftsbewegung trifft also ins Zentrum einer Debatte, die alle Interessenvertretungen mehr oder weniger intensiv betrifft. Von der Österreichischen Hochschülerschaft bis zur Arbeiterkammer: Geht es nur mehr um Serviceorientierung, um effiziente Interessenvertretung im Rahmen dessen, was möglich ist? Wollen wir Legitimiation durch Dienstleistung oder Legitimitation durch Politik? Wir müssen zu den Grundfragen der Politik zurückkehren, um das Denken in Gegensätzen und das Denken in Alternativen wieder zu gewinnen.

R E S Ü M E E

Politische Bildung ist notwendig

Bildung ist nicht nur dazu da, den individuellen Marktwert zu erhöhen. Politische Bildung ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, der Kritik am neoliberalen Zeitgeist die notwendige breitere Basis zu schaffen.

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