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Standpunkt | Mit 80 in den Sarg fallen?

MEINUNGEN

Der ÖGB ist für eine faire und ausgewogene Pensionsreform. Er steht auf Seiten der Menschen, die ihren Unmut über die Pensionspläne der Regierung bereits mehrfach im Rahmen von Streiks und Demonstrationen gezeigt haben.

Was die von uns wollen, ist, dass wir bis 80 arbeiten und wenn wir dann in Pension sind, können wir uns gerade noch einmal umdrehen und dann in den Sarg fallen«, erklärte mir gestern ein guter Freund.

Bis vor kurzem hätte ich ihm noch geantwortet: »Mensch, du spinnst wohl!«

Aber jetzt bin ich eines Besseren belehrt. Schuld daran ist ein Professor, der vor Jahren schon in seiner unnachahmlich zynischen Art erklärt hatte: »Der regelmäßige Aderlass (an den Arbeitnehmern) wird zur lieben Gewohnheit werden.« Damals habe ich es nicht geglaubt und habe den Professor Streissler zum »Bader der Nation« ernannt. Inzwischen habe ich erkannt, dass dies eine exakte Analyse war, denn wie oft hat man uns Arbeitnehmer in den letzen Jahren nicht schon bluten lassen?

Jetzt hat sich der Herr Professor wieder zu Wort gemeldet: »Unsere Lebenserwartung steigt zum Glück stetig. Warum wird dann nicht auch das Pensionsantrittsalter dynamisch erhöht, etwa auf 80 Jahre?«

Also bitte. Hier eine Antwort: »Der kalte Schauer kann einem über den Rücken laufen, wenn eiskalt dozierend Erich Streissler in ›Die Presse‹ ein Pensionsantrittsalter von 80 Jahren fordert. Bei all seinen Ausführungen übersieht der - stattlich pensionierte - Herr Professor aber, dass für Arbeit bis 80 auch Arbeit vorhanden sein muss«, zeigt sich AK-Vizepräsident Alfred Dirnberger (ÖAAB-FCG-Fraktion) erstaunt über diese wirtschafts- und lebensfremde Position. Woher diese Arbeit kommen soll, darüber turnt sich Streissler in seinem Kommentar kunstvoll hinweg, lässt aber alle ihr polemisch-zynisches Fett abbekommen, die nicht in sein neoliberales Weltbild der Entsolidarisierung passen: Christlich-soziale Arbeitnehmervertreter, die Gewerkschaften, die Sozialdemokraten.

Soweit so unbedeutend, wenn ein emeritierter Volkswirtschaftler seine zum Teil recht krausen Ideen seitenweise in einem ansonsten sich gerne als Qualitätszeitung verkaufenden Medium publizieren darf. Bedenklich nur, dass Streissler der wirtschaftspolitische Chefideologe von Bundeskanzler Schüssel ist. Da wird man gleich wieder daran erinnert, woher in der aktuellen Pensions- und Gesundheitsdebatte der Wind weht. Und da nützen auch nicht Beschwichtigungsversuche des ehemaligen Klubobmannes Andreas Khol, der die Wandlung der ÖVP von einer christlich-sozialen zu einer neoliberalen Partei als »Schärfung des Profils« bezeichnet (Kurier).

Soweit der schwarze AK-Vizepräsident.

Der Zynismus des Professor Streissler wird aber noch übertroffen durch den von Wolfgang Schüssel und seinesgleichen. Er beruhigt uns: Statt mehr als einem Viertel oder einem Drittel will er uns nur mehr höchstens zehn Prozent unserer künftigen Pensionen wegnehmen. Nach Rechnung der Gewerkschaften erweitert sich das auf rund ein Achtel weniger Pension. Darf’s ein bisserl mehr sein?

Dabei konnte sich der Kanzler auf Einladung von Kardinal Schönborn vor den Hauptaltar des Stephansdomes stellen und seine Positionen zur »Pensionssicherungsreform« verteidigen. Das Bild von Schüssel, umrahmt von diversen Heiligen und von flügelschlagenden Engeln im Hintergrund hat sich mir intensiv eingeprägt.

Es gehe nicht um eine Kraftprobe zwischen Regierung, Opposition und Gewerkschaft, sondern um die Frage, »Was ist zumutbar« und »Wie schaut die Verteilung aus«, so Schüssel. Alles was man jetzt an sogenannten wohlerworbenen Rechten zu verteidigen glaube, müsse in fünf bis sechs Jahren von der jüngeren Generation bezahlt werden, erklärte Schüssel an dieser weihevollen Stätte.

Also, ich bin fassungslos und verstört und rufe meinen lieben Kollegen an, den Bundessekretär der Fraktion Christlicher Gewerkschafter Karl Klein. In seiner ruhigen Art erklärt er mir, dass es sich auch bei der letzten Adaption der Bundesregierung um ein Notpflaster für ein völlig falsches Modell handelt und dass die von Schüssel im Stephansdom getroffenen Aussagen nicht stimmen, weil das »Pensionskürzungsmodell« vor allem die Jungen in voller Härte treffen wird. »Die Vorschläge der Bundesregierung sind von der Grundlage und im Ansatz falsch und lassen sich so auch nicht verbessern. Das ist so, als ob man aus einem Kürbis ein Auto machen wollte ... Viel sinnvoller wäre es, wenn wir in Ruhe eine echte Reform ausarbeiten könnten ...«

»Wir Gewerkschafter«, erklärt er mir weiter, »müssen die Proteste der Bevölkerung artikulieren!«

Das müssen wir wirklich, meine ich!

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