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Gewinnmaximierung ohne soziale Verantwortung hat keine Zukunft

SCHWERPUNKT

A&W-Gespräch mit Roswitha Bachner, Leitender Sekretärin des ÖGB

A&W: Kollegin Bachner, das bedeutendste gewerkschaftliche Ereignis wird im Oktober der Bundeskongress des ÖGB sein. Dieser Kongress findet alle vier Jahre statt. Was hast du als Leitende Sekretärin, die vor allem auch mit organisatorischen Aufgaben betraut ist, zum Kongress zu sagen?
Roswitha Bachner: Dieses wichtige Ereignis findet alle vier Jahre statt. Natürlich wird bei jedem Kongress Rückschau gehalten: Was haben wir in den letzten vier Jahren in unserer Bewegung geleistet? Was konnten wir verändern? Was konnten wir nicht verändern? Die Hauptaufgabe des Kongresses ist die weitere Vorgangsweise. Die künftige Arbeit ist für die nächsten vier Jahre festzulegen. Das betrifft sowohl die politische Arbeit, die Schwerpunktthemen, und natürlich auch die organisatorische Ausrichtung der österreichischen Gewerkschaftsbewegung.

»Wichtiger den je ist eine Organisation, die auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schaut.«

A&W: Organisatorische Ausrichtung: Ist damit auch die Organisationsreform gemeint?
Bachner: Natürlich ist auch die Organisationsreform gemeint. Wobei man fairer Weise dazusagen muss, hauptverantwortlich für den Organisationsausschuss war der Kollege Weninger. Der hat ihn als Vorsitzender geleitet. Mittlerweile ist aber der Organisationsausschuss nicht mehr aktiv. Der wurde praktisch ruhend gestellt. Aber sehr wohl wurde der Auftrag an das Präsidium erteilt, organisatorische Veränderungen durchzuführen. Es hat sich da in den letzten Jahren einiges bewegt. Wir wissen alle, das es Beschlussfassungen in einzelnen Bereichen gab, wie zum Beispiel der Beschluss der so genannten G5, wo sich fünf Gewerkschaften das Ziel gesetzt haben, gemeinsam eine neue Gewerkschaft zu bilden. Und der Beschluss der Gruppe der Infra lautet auf intensive Kooperation der sieben Gewerkschaften in allen Bereichen. Die GÖD bleibt in ihrer derzeitigen Struktur. Sie ist in keine dieser beiden Gruppen eingegliedert. Und wichtigste Aufgabe wird natürlich auch sein, Organisatorisches zu klären. Wie werden in Hinkunft die Aufgaben verteilt? Damit es keine Doppelgleisigkeiten, keine Überschneidungen gibt, damit effizienter gearbeitet werden kann. Welche Aufgaben übernehmen in Zukunft die Gewerkschaften und welche Aufgaben übernimmt der ÖGB mit seinen Strukturen, sowohl in der Zentrale wie auch in den Ländern bis hin zu den Regionen?

A&W: Darf ich noch einmal zurück- kommen auf die Rückschau. Ist es nicht so, dass manche Anträge einfach immer wieder gestellt werden, obwohl nichts passiert. Zum Beispiel die 35-Stunden-Woche? Wie sollen das unsere Mitglieder sehen?
Bachner: Sicherlich gibt es auch viele Anträge, die bei solchen Kongressen beschlossen werden, wo die Umsetzung dann eigentlich nicht so stattfindet und in der Schnelligkeit, wie es eigentlich dem Wunsch oder der Forderung der Beschlüsse entspricht. Das muss man aber auch relativ sehen, weil natürlich auch das politische Umfeld, das Umfeld des Arbeitslebens maßgebliche Rollen dabei spielen. Das ist nicht alleine, dass wir sagen, O.K., wir würden es als Gewerkschaftsbewegung als sinnvoll erachten, die Arbeitszeit auf 35 Stunden zu reduzieren. Auch angesichts der steigenden Zahl der Arbeitslosen. Bei jedem neuerlichen Bericht, bei jeder neuerlichen Veröffentlichung der Arbeitslosenzahlen sehen wir diesen Trend. Es wäre nach wie vor aus unserer Sicht sinnvoll, darüber nachzudenken, ob man nicht Arbeit auch besser verteilen könnte durch Arbeitszeitverkürzung. Aber natürlich ist dazu auch der politische Wille der Regierung notwendig. Dort, wo es um Gesetze geht. Und auf der Ebene der Kollektivverträge müssen sich die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern einigen.

A&W: Wobei wir gleich bei der politischen Situation sind. Manche beschreiben das so, dass wir quasi mit dem Rücken zur Wand stehen und nur verteidigen, was unsere Vorgänger erreicht haben, und trotzdem wird stückweise abgebaut. Die Rückschritte im Sozialbereich, zuletzt die Sache mit den Pensionen, die ja alle wirklich schmerzt. Und viele sagen jetzt: Was tut der ÖGB? Warum geschieht da nichts? Vielleicht sollte man da auch einmal sagen, wie wir das werten sollen?
Bachner: Ich bin nicht der Meinung, dass der Eindruck generell besteht, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Das wird von manchen medial ganz gern so dargestellt. Der schlafende Riese ÖGB. In Wahrheit erfülle er nicht mehr seine Funktion. Ich bin der Meinung, dass das absolut nicht stimmt. Wir haben immer, aber besonders in der letzten Zeit, eigentlich seit Bestehen dieser Regierung, seit es diese massiven Einschnitte in den sozialen Bereichen gibt, als Gewerkschaftsbewegung bewiesen, dass wir sehr viel Kraft haben. Das haben wir auch gezeigt mit unseren Aktionen. Wir können ja nur aufzeigen, dagegen auftreten, die Menschen sensibilisieren, was passiert da eigentlich? Aber Beschlüsse werden dann letztendlich im Parlament gefasst und da gibt es parlamentarische Mehrheiten, die auch wir als ÖGB, als demokratische Organisation, zur Kenntnis zu nehmen haben. Ich glaube aber trotzdem, dass wir mit unseren Aktionen gerade im heurigen Jahr bewiesen haben, und viele Umfragen haben uns das ja bestätigt: Die Meinung über die österreichische Gewerkschaftsbewegung hat sich sehr positiv entwickelt. Wir stehen als Gewerkschaftsbewegung gut da. Vieles, das von der Regierung angedacht wurde oder geplant war, speziell bei den Pensionen und auch bei anderen Fragen - wenn wir uns daran erinnern, wie die Programme ursprünglich ausgeschaut haben: ja dann waren die noch viel grausamer, als sie dann letztendlich beschlossen wurden. Wobei die natürlich noch immer grausam genug sind. Vor allem sind sie unsozial. Trotzdem, wir als Gewerkschaftsbewegung haben demonstrativ und mächtig gezeigt, wie wichtig es ist, dass es eine Organisation gibt. Wichtiger den je ist eine Organisation, die auf die Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter schaut.

»Die Kolleginnen und Kollegen kommen nicht mit irgendwelchen Flausen dorthin, die wissen aus der Praxis, die haben die Wahrnehmung aus den Betrieben.«

A&W: Rechte der Arbeitnehmer: Offensichtlich gibt es nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa einen Sozialabbau, der zentral angesagt ist. Es scheint, dass das geeinte Europa auch das im Programm drinnen hat. Wir treten natürlich auch international massiv dagegen auf, aber …
Bachner: Ja, das sind ja unsere Forderungen, generell auch der Gewerkschaftsbewegung europaweit. Wir besprechen das ja auch im Europäischen Gewerkschaftsbund. Der Trend ist europaweit erkennbar. Für mich wäre es wichtiger, und das sind ja unsere generellen Forderungen, dass in einem vereinten Europa nicht eine einheitliche Währung, einheitliche Vorgangsweisen im Bereich der Wirtschaft usw. wichtig sind, sondern dass ganz wesentlich auch die soziale Komponente in einem vereinten Europa ein Grundrecht sein muss. Die kommt aus meiner Sicht derzeit noch zu kurz. Da spießt es sich. In diesem Europa haben sich fast alle Länder, kann man sagen, mit wenigen Ausnahmen, darauf verständigt, eine einheitliche Währung einzuführen, den Euro. Das ist gelungen. Auch die Umstellung ist hervorragend gelungen. Wenn es darum geht, soziale Standards in einem vereinten Europa als Grundsicherung oder als Absicherung für die Leute festzulegen, dann gibt es sehr viele Wenn und Aber. Das ist für mich nicht verständlich.

Wir haben Europa als eines der größten Friedensprojekte gesehen und sehen es nach wie vor so. Für mich gehört aber zum Frieden nicht nur die Sicherheit und das Fehlen von Kriegen. Der soziale Frieden ist für mich ausschlaggebend. Denn wenn die Menschen Arbeit haben, die Menschen ihre Grundbedürfnisse abdecken können, ohne Angst um ihre Existenz haben zu müssen, dann ist das ein wesentlicher Beitrag zu einem Frieden in Europa. Man kann sagen: Ich brauche Militär, ich muss aufrüsten mit Abfangjägern und ich muss dies machen und das machen. Wenn aber die Menschen keine Arbeit haben, wenn die Menschen ihre ureigensten Bedürfnisse, die ja meist nicht einmal überhöht sind, sondern wirklich nur Grundbedürfnisse darstellen, wenn sie die einmal nicht mehr absichern können, dann wird uns die andere Sicherheit nach außen nichts mehr nützen. Darum ist das eine immens wichtige Komponente, auf die man unbedingt schauen muss.

A&W: Noch eine allgemeine Frage, bevor wir zum Kongress zurückkommen: Die Geschichte mit dem Sozialabbau und dem Beschneiden der sozialen Rechte. Es scheint halt, dass das Kapital im Vergleich zur Arbeit letzten Endes besser organisiert und mächtiger ist. Ist es nicht so?
Bachner: Aus meiner Sicht wird die Politik schon längst nur von der Wirtschaft gelenkt. Ich glaube, dass Politiker die Entscheidungen unter dem Druck der Wirtschaftsimperien treffen. Und da ist natürlich Gewinnmaximierung angesagt. Die interessieren soziale Komponenten nicht. Ich denke mir, dass da die Politik Einhalt gebieten sollte. Da müssen wir als Gewerkschaft auch unseren Beitrag leisten, indem wir das immer wieder aufzeigen. Wirtschaft ist wichtig. Auch wir stehen dazu als Gewerkschaftsbewegung. Wachsende Wirtschaft bedeutet auch Sicherheit für die Leute, bedeutet Arbeitsplätze. Derzeit geht es aber hauptsächlich um Gewinnmaximierung, wie schon erwähnt. Und es kann nicht so sein, dass dies immer unter Abbau von Arbeitsplätzen und unter Abbau von Sozialleistungen passiert. Gewinnmaximierung ohne soziale Verantwortung hat keine Zukunft.

A&W: Wie soll man jetzt erklären, was eigentlich auf dem ÖGB-Kongress geschieht?
Bachner: Für mich ist der Kongress das Zusammentreffen von Betriebsrätinnen und Betriebsräten, Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften und dem ÖGB, aus den Betrieben, die gemeinsam die künftige Arbeit der Gewerkschaftsbewegung festlegen. Dies geschieht durch Beschlussfassung der Anträge. Die Kolleginnen und Kollegen kommen ja nicht mit irgendwelchen Flausen dorthin, die wissen aus der Praxis, die haben die Wahrnehmung aus den Betrieben: Welche Bedürfnisse und Anliegen haben die Menschen. Diese Wahrnehmungen bringen die Betriebsrätinnen und Betriebsräte in den Kongress mit ein und eben aufgrund dieser Wahrnehmungen wird unsere zukünftige Arbeit ausgerichtet. Darum stimmt es ja auch nicht, dass wir immer nur am Althergebrachten festhalten, dass wir die so genannten Betonierer sind. Wir reagieren sehr wohl auf die Veränderungen in der Arbeitswelt. Nur wenn die Anderen immer wieder glauben, Veränderungen könnten nur durch Abbau durchgeführt werden, durch Abbau von Stellen und von sozialen Rechten, dann müssen wir natürlich dagegen auftreten. Wirkliche Veränderungen in der Gesellschaft gehen nur mit sozialer Fairness und Gerechtigkeit.

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