Die Alternative zum Pensionsrecht
SCHWERPUNKT
Der Auftrag hatte drei Eckpunkte:
Über den Sommer gelang es mehr als zwanzig ExpertInnen aus Gewerkschaften und Arbeiterkammer, dieses ÖGB-Zukunftsmodell - die »Österreich-Pension« - auszuarbeiten2).
Grundsätze
Die Österreich-Pension baut auf folgenden Eckpunkten auf.
Einheitliches Pensionssystem für alle. Mit der Österreich-Pension will der ÖGB den Schritt in ein einheitliches Pensionssystem für alle Österreicherinnen und Österreicher setzen. Es soll Schluss sein mit Unterschieden und Ungerechtigkeiten in den Pensionssystemen. Die unterschiedlichen Systeme werden nach dem Prinzip gleiche Beiträge/gleiche Leistungen vereinheitlicht (harmonisiert). Das neue Pensionssystem gilt für alle: Arbeiter, Angestellte, Vertragsbedienstete, Gewerbetreibende, Bauern, Politiker.
Umlagefinanzierung: Das ÖGB-Pensionsmodell hält bei der Finanzierung am bewährten Umlageverfahren in der Sozialversicherung fest3). Die Menschen werden nicht in die Unsicherheit einer börseabhängigen Alterssicherung gezwungen.
Lebensstandardsicherung: Wir wollen, dass das gesetzliche Pensionssystem auch für die künftigen Generationen ausreichende, den Lebensstandard im Alter sichernde Pensionen gewährt.
Langfristziel 45/65/80: Langfristleistungsziel bis 2034 muss sein, nach 45 Versicherungsjahren bei einem Antrittsalter von 65 Jahren eine Pensionshöhe von 80 Prozent des (Brutto-)einkommens zu gewährleisten. Ziel ist es einerseits, das tatsächliche Pensionsalter näher an das gesetzliche heranzuführen, ohne freilich (siehe unten) die Möglichkeit, vor 65 in Pension zu gehen, zu beseitigen. Die Formel 45/65/80 zeigt andererseits: Es gibt auch in Zukunft keine ungewissen Pensionsleistungen. Die Pensionshöhen bleiben gesetzlich klar bestimmt. Vor allem die jüngere Generation kann sich darauf verlassen.
Pensionsberechnung: Lebenseinkommen: Basis für die Pensionsberechnung soll künftig das durchschnittliche und mit der Lohnentwicklung (echter Lohnindex) aufgewertete Lebenseinkommen sein. Die Lebensleistung jedes Menschen wird künftig mit dem gleichen Maßstab gemessen. Die Ungerechtigkeiten im heutigen Pensionssystem, das trotz gleicher Beitragsleistung zu unterschiedlichen Pensionshöhen führen kann, gehört der Vergangenheit an4).In Zukunft soll jeder eingezahlte Euro für die Pension zählen. Jeder eingezahlte Euro ist gleich viel wert, wann immer er eingezahlt würde.
Schwerarbeit berücksichtigt: Schwerarbeit wird in der Österreich-Pension besonders berücksichtigt. Schwerarbeitsjahre sollen höhere Pensionsprozente bringen als normale. Sozialpolitisch soll ein Schwerarbeiter, wenn er mit 60/55 in Pension geht, so gestellt werden, als hätte er bis 65/60 gearbeitet.
Wahlmöglichkeiten beim Pensionsantritt: Damit sind wir bei einem Kernunterschied der »Österreich-Pension« zur sogenannten Pensionssicherungsreform der Bundesregierung: Nach dem ÖGB-Modell gibt es keine Abschaffung der vorzeitigen Alterspensionen (im Volksmund »Frühpensionen«), die mit 60/55 in Anspruch genommen werden können. Es soll den Menschen die Wahlmöglichkeit eröffnet werden, ob sie bis zum Regelalter (65/60) arbeiten, oder aber mit Abschlägen vorzeitig in Pension gehen. Unser Modell sieht im Gegensatz zur Regierung5) weiterhin die Möglichkeit vor, mit 60/65 in Pension zu gehen.
Arbeitsmarktpaket für Ältere: Es ist uns klar: Wahlmöglichkeiten beim Pensionsantritt müssen durch Qualifikations-, Gesundheits- und geeignete beschäftigungsfördernde Maßnahmen (beispielsweise Verbesserung des Kündigungsschutzes für Ältere) eigens gewährleistet werden. Die Schaffung eines eigenen Arbeitsmarktpaketes für Ältere ist die Voraussetzung jedes Pensionsreformkonzeptes.
Alterssicherung für Frauen: Mit der Österreich-Pension wollen wir eigenständige Pensionsansprüche für Frauen forcieren, vor allem durch eine bessere Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten (Heranziehung des Medianeinkommens der ÖsterreicherInnen bei der Bewertung und Ausdehnung der Kindererziehungszeiten bis zum siebenten Lebensjahr des Kindes).
Sanfter gleitender Übergang: Der zweite Kernunterschied der Österreich-Pension zur »Pensionssicherungsreform 2003« der Bundesregierung ist: Das ÖGB-Modell sagt den Menschen einen umfassenden Vertrauensschutz zu. Das Prinzip ist: Die Regeln des neuen harmonisierten Pensionsrechtes gelten nur für künftige Versicherungszeiten6).Dadurch werden Änderungen gleitend und sanft eingeführt. Für die vergangenen Zeiten wird immer das alte Pensionsrecht (Recht vor der »Pensionssicherungsreform 2003«) angewendet.
Ersatz der »Pensionssicherungsreform« der Bundesregierung: Die Maßnahmen der Bundesregierung zu den Pensionen sollen durch die Österreich-Pension ersetzt werden7).
Einige zentrale Einzelregelungen der Österreich-Pension:
Wie hoch ist meine Pension?
Wann kann ich in Pension gehen?
Sanfter gleitender Übergang mit umfassendem Vertrauensschutz
Diese Parallelrechnung erreicht, dass niemand, der kurz vor der Pension steht, von Änderungen überrumpelt wird. Man behält immer alle bisher erworbenen Anwartschaften, nichts geht verloren. Je älter ein Versicherter ist, desto weniger wird er vom neuen System betroffen - 30 Jahre Übergangszeit federn die Änderungen ab.
Den sanften Übergang mit einem umfassenden Vertrauensschutz und die Auswirkungen des neuen Modells im Gegensatz zur Pensionssicherungsreform der Bundesregierung zeigen folgende Beispiele:
Beispiel 1:
Mann mit 45 Beitragsjahren geht mit 60 Jahren am 1. 12. 2004 in Pension.
Nach derzeitigem Recht würde er 1692 Euro bekommen.
Nach der Pensionsreform 2003 mit 10-Prozent-Deckel würde er 1523 Euro (-10 Prozent) bekommen.
Nach der Pensionsreform 2003 ohne 10-Prozent-Deckel würde er 1519 Euro (-10,2 Prozent) bekommen.
Nach der Parallelrechnung: 1682 Euro (-0,6 Prozent)
Beispiel 2:
Mann mit 45 Beitragsjahren geht mit 60 Jahren am 1. 12. 2008 in Pension.
Nach geltendem Recht würde er 1663 Euro bekommen.
Nach der Parallelrechnung 1611 Euro (-3,2 Prozent).
Nach der Pensionsreform 2003 könnte er erst mit 63 Jahren und 8 Monaten in Pension gehen.
Beispiel 3:
Mann, geboren 1948, geht mit 63 Jahren und 8 Monaten mit 48 Beitragsjahren und 8 Monaten am 1. 8. 2012 in Pension.
Nach derzeitigem Recht würde er 1637 Euro bekommen.
Nach der Pensionsreform 2003 mit 10-Prozent-Deckel würde er 1572 Euro (-4 Prozent) bekommen.
Nach der Parallelrechnung würde er 1663 Euro (+1,6 Prozent) bekommen.
Das bessere Modell
Hier seien noch einmal die wesentlichsten Unterschiede der Österreich-Pension zur sogenannten »Pensionssicherungsreform« der Bundesregierung aufgelistet:
Im Juni 2003 hat die Regierung mit überfallsartigen Leistungskürzungen bei den Pensionen einen Weg beschritten, der sozial nicht verantwortbar ist, das Vertrauen der Menschen in die gesetzliche Pensionsversicherung untergräbt und keine Zukunftsperspektiven eröffnet. Im Gegenteil: Sämtliche zentralen Strukturfragen des Pensionssystems - insbesondere die Angleichung - sind offen geblieben. Weiterer Leistungsabbau ist schon in Sichtweite.
Mit der Österreich-Pension hat der ÖGB sein Alternativmodell präsentiert - ein Vorsorgemodell mit Zukunft für eine soziale Zukunft. Bei den Gesprächen zwischen Regierung und Sozialpartnern liegt die Österreich-Pension nunmehr im wahrsten Sinne des Wortes »am runden Tisch«.
1) Dass das ÖGB-Pensionskonzept finanzierbar ist, hat Alois Guger in seinem Szenarium zum ÖGB-Pensionskonzept nachgewiesen.
2) Die »Österreich-Pension« wurde in der Sitzung des ÖGB-Präsidiums am 6. Oktober 2003 einstimmig zur Kenntnis genommen.
3) Es bleibt bei den Unselbständigen bei der geteilten Finanzierung zwischen ArbeitnehmerInnen und Arbeitgebern.
4) Das heutige Pensions- und Anpassungssystem (die »besten 15 Jahre«) führt trotz gleicher Beitragsgrundlagen zu unterschiedlichen Pensionsleistungen, abhängig von der jeweiligen zeitlichen Lagerung der Beitragsgrundlagen.
5) Nach der »Pensionssicherungsreform 2003«» läuft die Möglichkeit, vorzeitig in Pension zu gehen, mit 2014 aus.
6) Ab In-Kraft-Treten des Reformmodells.
7) Das ÖGB-Modell enthält keine Reform der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen; sie bleiben unverändert.
8) Im öffentlichen Dienst müssen die notwendigen Rahmenbedingungen, wie die Änderung künftiger Gehaltsverläufe, Betriebspensionsmodelle, Abfertigungskassen u. a. geschaffen werden.
R E S Ü M E E
Kritik wird gerne mit der Aufforderung abgeschmettert, man möge doch zeigen, wie es besser gemacht werden könne. Der ÖGB setzt nunmehr der angeblichen Pensionssicherungsreform ein Konzept entgegen, wie die Pensionen tatsächlich gesichert werden können. Und zwar auf sozial ausgewogene Weise, ohne Einschnitte in bestehende Rechte, ohne Ungerechtigkeiten und ohne Ungewissheit über die künftige Pension.