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Vier Jahre schwarz-blaue Budgetpolitik

HINTERGRUND

ArbeitnehmerInnen zahlen die Zeche: Fünf Budgets hat die schwarz-blaue Koalitionsregierung bereits vorgelegt, das Doppelbudget für die Jahre 2005/2006 ist in Vorbereitung.

Die Budgets der Jahre 2003/2004 standen unter dem Motto »Erfolgsmodell Österreich: Den Staat reformieren! Den Bürger entlasten!« Angesichts solcher Ansagen ist es an der Zeit eine Bilanz zu ziehen, zu überprüfen, ob sich das bewahrheitet hat, was uns der Finanzminister in diesen und anderen Budgetreden - in flotten Werbesprüchen verpackt - versprochen hat. Schließlich meinte ja auch Schüssel bei Amtsantritt, dass man die Regierung an den Maßnahmen und Programmen messen soll. Das soll hier an Hand der Ziele Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Preisstabilität und Verteilungsgerechtigkeit geschehen. Zuvor wird aber ein Blick auf den Kurswechsel der Budgetpolitik geworfen.

1. Kurswechsel in der Budgetpolitik

Die heftige Kritik des Ecofin-Rates am österreichischen Stabilitätsprogramm im März 2000 wurde von der schwarz-blauen Regierung zum Anlass genommen, eine neue budgetpolitische Ära einzuleiten. Das »Nulldefizit« und seine Erreichung innerhalb von nur zwei Jahren wurde zur obersten wirtschaftspolitischen Priorität erklärt.

Vom »Nulldefizit« als oberster Priorität über den Haushaltsausgleich im Konjunkturzyklus ...

In einer aus öffentlichen Mitteln finanzierten Kampagne »Zukunft ohne Schulden« versuchte die Regierung der Bevölkerung permanent zu vermitteln, dass der Staat vor dem Bankrott stünde und daher ein Sanierungsfall sei. Diese Argumentation hatte natürlich eine Schlagseite, weil der Staat keineswegs vor dem Bankrott stand und weil den Schulden Vermögenswerte gegenüberstehen, die erheblich zur Wohlfahrtssteigerung in Österreich beigetragen haben und die auch von unseren Kindern und Kindeskindern genutzt werden können. Im BIP-pro-Kopf Vergleich lag Österreich im europäischen Spitzenfeld (siehe Tabelle 1: »Maastrichtdefizite und -überschüsse in den Stabilitätsprogrammen«).

Tabelle 1
Maastrichtdefizite und -überschüsse in den Stabilitätsprogrammen
in % des BIP
  1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007
November 1998 -2,2 -2,0 -1,7 -1,5 -1,4          
März 2000   -2,0 -1,7 -1,5 -1,4 -1,3        
November 2000     -1,4 -0,75 0,0 0,0 0,0      
November 2001       0,0 0,0 0,0 0,2 0,5    
März 2003         -0,6 -1,3 -0,7 -1,5 -1,1 -0,4
November 2003         -0,1 -1,3 -0,7 -1,5 -1,1 -0,4
tatsächliches Ergebnis*) -2,4 -2,3 -1,5 0,2 -0,2 -1,1        
*) 2003 vorläufiges Ergebnis
Quelle: Österreichische Stabilitätsprogramme, BMF

Durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt war der abrupte budgetpolitische Kurswechsel nicht gerechtfertigt, weil damals die Erreichung eines ausgeglichenen Haushalts noch als mittelfristiges Ziel angesehen wurde. Auch ökonomisch lässt sich nach Ansicht prominenter Ökonomen der »Nulldefizit-Kurs« nicht begründen. Es verbleibt also die politische Begründung, derzufolge mit der permanenten Forderung nach einem Sparkurs und nach dem Ende des Schuldenmachens in der Bevölkerung die Opferbereitschaft erzeugt werden soll, um die Zustimmung zum nachfolgenden Sparkurs und Rückbau des Staates zu erhalten.

Im Rahmen der österreichischen Strategie zur nachhaltigen Entwicklung der Regierung vom Mai 2002 wurde der starre »Nulldefizit-Kurs« fallen gelassen. Das starre »Nulldefizit«-Ziel hat ausgedient, ab sofort werden ausgeglichene öffentliche Haushalte über den Konjunkturzyklus angestrebt. Diese Kurskorrektur spiegelte sich auch in den Stabilitätsprogrammen vom März und November 2003 wider (siehe Tabelle 1).

... zur Zurückdrängung des Staates durch die »Politik der leeren Kassen«

Ein zentrales Element solider öffentlicher Finanzen ist in dieser Nachhaltigkeitsstrategie die Senkung der Abgabenquote bis 2010 auf unter 40% des BIP. Bei ausgeglichenen Haushalten führt die Realisierung dieser Zielsetzung zu Ausgabenkürzungen bzw. Gebührenerhöhungen, die alle bisherigen Budgetkonsolidierungen weit übertreffen. Selbst der konservative Wirtschaftsprofessor Erich W. Streissler bezeichnete diese Zielsetzung als »... einen der größten und unwahrscheinlichsten Witze der Geschichte«. Eine Strategie, die lediglich darauf abzielt, dem Staat durch Steuersenkungen die finanziellen Mittel zu entziehen, führt durch das »Diktat der leeren Kassen« sehr rasch zu einem »mageren« Staat und damit zu einer Absage an den Wohlfahrtsstaat. Der damit einhergehende Rückzug des Staates lässt befürchten, dass er zu Lasten der sozial Schwächeren geht, da die erforderlichen Ausgabeneinschränkungen - im Ausmaß von 17 bis 20 Milliarden Euro - sozial Schwache weit stärker betreffen als Reiche. Der Slogan Grassers »Weniger Steuern - Mehr fürs Leben«, mit dem er die Senkung der Abgabenquote den Menschen schmackhaft machen will, dürfte für viele Menschen nachteilige Folgen haben. Das gilt insbesondere für die unteren EinkommensbezieherInnen. Denn sie profitieren von den Steuersenkungen im Regelfall wenig, während bei ihnen das Haushaltseinkommen durch die öffentlichen Ausgaben gesenkt wird.

Die »Politik der leeren Kassen« löst somit jene budgetpolitische Ära ab, in der der Staat eine wichtige gesellschaftspolitische Funktion ausübte, sei es durch die Bereitstellung öffentlicher Güter, die Herstellung einer gerechten Verteilung oder die Stabilisierung des Wirtschaftswachstums.

Der Staat wird nach dem neuen Verständnis immer mehr wie ein Unternehmen betrachtet. Demzufolge wird der Staat zunehmend nach privatwirtschaftlichen Kalkülen geführt bzw. werden Aufgaben oder bisher öffentliche Unternehmen an Private übertragen. Begründet wird das mit dem Argument, dass der Markt effizienter sei als der Staat. Natürlich ist Staatsversagen ernst zu nehmen, es kann aber auch nicht so sein, dass Marktversagen und dessen gravierende Folgen dabei geflissentlich übersehen werden.

2. Beurteilung der Budgets 2000 bis 2004

Die folgende Darstellung behandelt nur die Bundesbudgets der Jahre 2000 bis 2004.

2.1 Das Budget 2000

Das Budget 2002 wurde innerhalb nur weniger Wochen erstellt. Entgegen der Ankündigung den Defizitabbau über Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite erreichen zu wollen, lag das Schwergewicht auf einnahmenseitigen Maßnahmen. Zur Entlastung des Bundeszuschusses zur Pensionsversicherung (mehr als eine Milliarde Euro) wurde auf die Reservetöpfe (Familienlastenausgleich, Arbeitslosenversicherung, Unfallversicherung, Insolvenzentgeltsicherung) zurückgegriffen. Darüber hinaus wurden die Ermessensausgaben stark gekürzt und ein Personalabbauprogramm eingeleitet. Einnahmenseitig wurden erste Steuer- und Gebührenerhöhungen - zynisch als »Steueranpassungen« bezeichnet - beschlossen (Tabaksteuer, motorbezogene Versicherungssteuer, Elektrizitätsabgabe, höhere Gebühren für Reisepässe etc.). Durch diese Maßnahmen wird die noch von der rot-schwarzen Koalitionsregierung 1999 beschlossene Steuersenkung einschließlich des Familienpakets zu etwa zwei Drittel wieder rückgängig gemacht. Ergänzend spielen auch Einmalmaßnahmen (erhöhte Dividenden der OeNB, Versteigerung der Mobiltelefon-Lizenzen, Liegenschaftsverkäufe) eine große Rolle.

Der Budgetvollzug konnte unter konjunkturpolitisch guten Bedingungen durchgeführt werden. Die nachfragestimulierenden Effekte überwiegen durch die Steuerreform der Vorgängerregierung, so dass vom Budget 2000 trotz guter Konjunktur expansive Effekte ausgingen.

Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wirkten sich die Personalreduktion, die Kürzung der Ermessensausgaben, der Verzicht auf substanzielle Maßnahmen zugunsten älterer ArbeitnehmerInnen, Frauen, Wiedereinsteigerinnen sowie Langzeitarbeitsloser und das Fehlen von Mitteln zur Fortsetzung des Auffangnetzes jugendlicher SchulabgängerInnen negativ aus.

Untere Einkommen überproportional belastet

Aus verteilungspolitischer Sicht hat eine Verschiebung der Steuerbelastung von der Lohn- und Einkommensteuer zu den Verbrauchssteuern stattgefunden. Durch die Erhöhung zahlreicher Verbrauchssteuern wurden die unteren Einkommen überproportional belastet. Zudem gingen von den Steuer- und Gebührenerhöhungen inflationserhöhende Effekte aus.

2.2 Das Doppelbudget 2001/2002

Zum Zeitpunkt der Erstellung des Doppelbudgets 2001/2002 wurden die Konjunkturaussichten noch günstig beurteilt. Die Erreichung des »Nulldefizits« schien somit in eine konjunkturell günstige Phase zu fallen. Für das Jahr 2001 wurde daher ein umfangreiches Konsolidierungsprogramm beschlossen.

Abgabenquote in Rekordhöhe ermöglicht »Nulldefizit«

Ausgabenseitig sollten bis zum Ende der Legislaturperiode (2003) rund 11.000 Planstellen - getarnt als Verwaltungsreform - abgebaut werden. Schulen und Universitäten waren zwar ausgenommen, es wurden aber äquivalente Sparmaßnahmen ergriffen. Weitere wichtige Maßnahmen waren eine Pensionsreform, mit der das Antrittsalter stufenweise angehoben wurde, inklusive einer Anhebung von Pensions(sicherungs)beiträgen und die Fortsetzung der Abschöpfung von Fondsüberschüssen zur Entlastung der Pensionsversicherung. Auf der Einnahmenseite kam es zu Steuererhöhungen für Unselbstständige und Unternehmungen, zur Erhöhung von Steuervorauszahlungen und zur Einführung von Zinsen für Steuerrückstände. Insbesondere die letzten beiden Maßnahmen waren dafür verantwortlich, dass das angestrebte »Nulldefizit« für den Staat bereits ein Jahr früher erreicht wurde als geplant. Kaum merkbare Steuererhöhungen wurden für Vermögende beschlossen (Privatstiftungen, Erbschafts- und Schenkungssteuer). Diese Steuererhöhungen führten ja bekanntlich zur höchsten Abgabenquote der zweiten Republik (45,4% des BIP). Das Budget enthielt weiterhin Maßnahmen mit Einmaleffekten (OeNB-Gewinnabfuhr, Veräußerungserlöse von Liegenschaften).

Vorwiegend ein Sozialabbauprogramm

Einen besonderen Stellenwert hatten die so genannten Maßnahmen zur Erhöhung der »sozialen Treffsicherheit« (darunter die Besteuerung der Unfallrenten, die mittlerweile teilweise rückgängig gemacht wurde, Belastungen für Arbeitslose, Einführung der Studienbeiträge, Einschränkungen der Mitversicherung in der Krankenversicherung). Es handelte sich dabei vorwiegend um ein Sozialabbauprogramm.

Das umfangreiche Sparpaket für die Budgets 2001 und 2002 führte nach Schätzungen des WIFO zu Wachstumseinbußen von je einem Viertel-Prozentpunkt, aus der Steigerung der Rohölpreise resultierte eine weitere Wachstumsdämpfung. Das Budget 2001 war somit deutlich nachfragedämpfend angelegt. Die bereits beschlossene Preiserhöhung der Autobahnvignette hat die Inflation weiter angeheizt. In verteilungspolitischer Hinsicht kommt der Leiter des WIFO, Helmut Kramer, zu folgendem Ergebnis: »Im unteren Drittel der Einkommensverteilung übertrifft die durch diese Maßnahmen ab Mitte 2000 wirksame Mehrbelastung die vorhergehende Entlastung aus der Lohnsteuersenkung deutlich.« Und weiters: Durch die Änderung des Einkommenssteuerrechts ab 2001 büßen somit sowohl aktive Arbeitnehmer als auch Pensionisten der mittleren Einkommenskategorie (bis etwa ATS 42.000)1) am meisten von Vorteilen aus der Steuerreform 2000 wieder ein. Zusammenfassend meint er: »Die Konsolidierungsmaßnahmen trafen und treffen ab Anfang 2001 besonders die Bezieher niedriger (nicht unbedingt der niedrigsten) und mittlerer Einkommen, die ein Jahr zuvor stärker begünstigt erschienen.« Der Konsolidierungsbeitrag der Reichen und Superreichen bleibt sehr bescheiden.

Saldenfetischismus

Das Konsolidierungsprogramm 2001 prägte auch das Budget 2002, das ebenfalls restriktiv angelegt war. Die Abschöpfungen aus der Arbeitslosenversicherung an den Ausgleichsfonds der Pensionsversicherungsträger erreichten ein Rekordniveau, sodass Gelder für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen fehlten. Echte Schwerpunktsetzungen sind - abgesehen von der Einführung des Kinderbetreuungsgeldes - nicht erkennbar, da die Budgetansätze des Jahres 2001 in weiten Bereichen einfach übernommen wurden. Das Budget 2002 ist erneut ein Beleg dafür, dass Saldenfetischismus Vorrang vor gestaltender Wirtschafts- und Sozialpolitik hat. Ablesbar ist das auch an den zukunftsorientierten Ausgaben, die ja von der Regierung als prioritär eingestuft waren. Die Mittel für die Schulbildung werden eingefroren, die Höherdotierung der Investitionen für die Universitäten reichten nicht für einschneidende Verbesserungen. Die im Offensivprogramm auch schon 2001 vorgesehenen Mittel waren schon damals erkennbar zu gering, um die Forschungsquote auf 2,5% des BIP anzuheben.

Konjunkturabschwächung lange Zeit kein Thema

Am schwersten wiegt jedoch, dass die Regierung sich lange Zeit weigerte, den Konjunkturabschwung zur Kenntnis zu nehmen und konjunkturstabilisierende Maßnahmen einzuleiten. Sie reagierte vielmehr mit Realitätsverweigerung und hielt lange Zeit am »Nulldefizitkurs« fest. Im Dezember 2001 wurde unter dem Druck steigender Arbeitslosigkeit zwar das Konjunkturbelebungspaket I beschlossen, es beinhaltete aber vorwiegend Maßnahmen, die mit kurzfristiger Konjunkturpolitik nichts zu tun haben. Wenn trotz des Wachstumsrückgangs im Jahr 2001 früher als erwartet ein geringfügiger Haushaltsüberschuss erreicht wurde, so war das vor allem auf die unerwartet hohen Einnahmen aus der Einführung der Besteuerung von Steuerrückständen und die Überschüsse der Länder- und Gemeindebudgets zurückzuführen.

Da sich die oft angekündigte konjunkturelle Erholung auch bis zum Spätsommer 2002 nicht einstellte, wurde erneut ein Konjunkturbelebungspaket beschlossen, das vor allem Steuer- und Abgabenerleichterungen im Ausmaß von 562 Millionen Euro mit sich brachte (Investitionszuwachsprämie, befristete vorzeitige Abschreibung, Forschungsfreibetrag(-prämie), Bildungsfreibetrag(-prämie), Lehrlingsprämie, Lohnnebenkostensenkung für Lehrlinge etc.). Wenngleich beiden Paketen in Summe gesamtwirtschaftliche Effekte zugesprochen werden können, so muss doch betont werden, dass angesichts der langen Dauer der Stagnation auch dieses Paket aus wachstums- und beschäftigungspolitischer Sicht unzureichend war. Die Forderungen der Oppositionsparteien, der Gewerkschaft und der Arbeiterkammer nach einer vorgezogenen Steuerreform und einer Intensivierung öffentlicher Infrastrukturinvestitionen blieben ohne Wirkung.

2.3 Das Doppelbudget 2003/2004

Obwohl Österreich in den Jahren 2001, 2002 und 2003 durch eine ungewöhnlich lange Phase der Stagnation gegangen ist - im Durchschnitt betrug das Wachstum nur 1% pro Jahr, in der EU hingegen 1,2% pro Jahr - und die aufgrund der zu restriktiven Fiskalpolitik zum Teil hausgemachten Wohlfahrtsverluste dieser schleichenden Wirtschaftskrise jenen der großen Rezessionen der Nachkriegszeit (1975, 1981/82, 1993) entsprachen, sprach Finanzminister Grasser in seiner Budgetrede von hervorragenden Ausgangsbedingungen.

Einem schwach expansiv wirkenden Budget 2003 folgt das Sparbudget 2004, das die Basis für die Steuerreform im Jahr 2005 schaffen sollte. Mit diesen Budgets reagierte Österreich weiterhin nicht annähernd ausreichend auf die wichtigste Ursache dieser Wachstumsschwäche, nämlich auf den gravierenden Mangel an Binnennachfrage. Ohne wirtschaftspolitische Impulse kann sich die konjunkturelle Lage nicht durchgreifend verbessern.

Weiterhin fehlende Konzepte für Wachstum und Beschäftigung

Die Budgets der Jahre 2003 und 2004 lassen eher einen orientierungslosen Zick-Zack-Kurs der Regierung erkennen als ein zukunftsweisendes Konzept zur Schaffung von Wachstum und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Auswirkungen der ersten Etappe der Steuerreform (2004) verpuffen, weil den Steuersenkungen Steuer- und Abgabenerhöhungen gegenüberstehen (Mineralölsteuer, Energieabgabe, Krankenversicherung). Auch das im Spätherbst 2003 beschlossene Konjunkturbelebungspaket III (Wachstums- und Standortpaket) bringt wenig unmittelbar konjunkturwirksame Maßnahmen mit sich.

Wenn es überhaupt Wachstumswirkungen auslöst, dann am ehesten aufgrund der Investitionen in Forschung und Entwicklung.

Bei den angekündigten Infrastrukturinvestitionen handelt es sich nicht um zusätzliche Investitionen, sie waren schon im Regierungsprogramm angekündigt.

Weitere Belastungen für ArbeitnehmerInnen, Entlastungen für Unternehmen

Im Gegensatz zum Budget 2003 brachte das Budgetjahr 2004 erhebliche strukturelle Änderungen mit sich. Kernstücke der Sparmaßnahmen sind die »Pensionssicherungsreform«, moderate Pensionsanpassungen für die Jahre 2004 und 2005, die Erhöhung der Abgaben in der Krankenversicherung, die erste Etappe der »größten Steuerreform aller Zeiten« sowie Entlastungen der Lohnnebenkosten für ältere ArbeitnehmerInnen.

Trotz der ersten Etappe der Steuerreform und des Konjunkturbelebungspakets III werden durch das Budget 2004 keine expansiven, die Nachfrage stabilisierenden Effekte ausgelöst.

Aus verteilungspolitischer Sicht zeigt sich, dass durch dieses Maßnahmenpaket die ArbeitnehmerInnen/PensionistInnen mit ansteigender Tendenz belastet werden, während die Unternehmen zwar zunächst belastet, in den darauffolgenden Jahren aber deutlich entlastet werden.

Wenn der Finanzminister in seiner Budgetrede von einem Zukunftsbudget gesprochen hat, so lassen sich erneut die Schwerpunkte Bildung, Forschung, Wissenschaft und Infrastrukturinvestitionen nicht erkennen. Die Mittel für Forschung und Entwicklung werden zur Realisierung der angestrebten Zielsetzung neuerlich nicht ausreichen. Den Schulen steht real weniger Geld zur Verfügung.

Die Mittel für die Universitäten lagen im Budget 2003 unter denen des Vorjahres. Mit der Ausgliederung der Universitäten per 1. Jänner 2004 stehen den Universitäten wieder mehr Mittel zur Verfügung, allerdings weniger als die Einnahmen aus den Studienbeiträgen. Die Regierungsschwerpunkte konzentrieren sich auf die Ausgaben für Familien und das Heer. Zusammen mit der Entscheidung über den Ankauf von Abfangjägern wird den Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren mehr Bedeutung zugemessen als den tatsächlichen Zukunftsausgaben (Bildung, Forschung, Infrastrukturinvestitionen) und den Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen.

3. Die »größte« Steuerreform der 2. Republik?

Zusammen mit der ersten Etappe der Steuerreform 2004 wird die Steuerreform 2005 ein Entlastungsvolumen von 3 Milliarden Euro haben. So gesehen handelt es sich tatsächlich um die »größte« Reform. Misst man sie jedoch daran, was sie den ArbeitnehmerInnen bringt, dann ist sie sehr klein. Die Steuersenkungen 2004 und 2005 sind im Bereich der Lohnsteuer mit etwa 1,3 Milliarden Euro im Vergleich zu früheren eher bescheiden. Gerade im mittleren Einkommensbereich (1900 bis 2300 Bruttomonatseinkommen) mit sehr starken Besetzungszahlen (640.000 Personen) fallen die Entlastungen mit unter 20 Euro monatlich eher dürftig aus. Nach Berechnungen der Arbeiterkammer Wien deckt das Entlastungsvolumen gerade den Effekt der kalten Progression seit der Steuersenkung 2000 und die seither vorgenommenen Lohnsteuererhöhungen ab, sodass dieser Entlastungseffekt rasch verpuffen wird.

Massive Umverteilung zu den Unternehmen

Ganz im Gegensatz dazu gibt es dauerhafte und massive Steuersenkungen bei der Körperschaftsteuer. Die Absenkung des Steuersatzes von 34% auf 25% bringt den Kapitalgesellschaften einen Entlastungseffekt von einer knappen Milliarden Euro. Dazu kommen zusätzliche Begünstigungen durch eine neue Gruppenbesteuerung. Keine Entlastung gibt es für jene ArbeitnehmerInnen, die auch schon vor den Reformen keine Lohnsteuer gezahlt haben. Das betrifft beachtliche 2,2 Millionen Menschen. Sie werden durch die Sparpakete der Vergangenheit nur belastet. Rechnet man die Entlastungen bzw. Belastungen der Steuerreformmaßnahmen 2004 und 2005 zusammen, dann werden die Unternehmen etwa doppelt so stark entlas tet wie die ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen. Von einer fairen Verteilung der Steuerentlastung kann also keine Rede sein.

Aus konjunkturpolitischer Sicht kommt die Steuerreform viel zu spät, sie entlastet im unteren und mittleren Einkommensbereich viel zu wenig und bringt daher keinen Impuls für die Beschäftigung. Die Körperschaftsteuerentlastung bringt konjunkturpolisch wenig, weil sie entweder gespart oder für Ausrüstungsinvestitionen mit hohem Importanteil verwendet wird. Eine große Chance zur Stärkung der Massenkaufkraft wurde daher vertan.

4. Wer sind die Gewinner bzw. Verlierer der budgetpolitischen Maßnahmen?

Abschließend ist natürlich aus ArbeitnehmerInnensicht von besonderem Interesse, wer die Gewinner bzw. die Verlierer aller budgetpolitischen Maßnahmen in den letzten Jahren waren (siehe Tabelle 2: »Belastungen und Entlastungen budgetärer Maßnahmen 2000 bis 2005«).

Tabelle 2
Belastungen und Entlastungen budgetärer Maßnahmen 2000 bis 2005
in Millionen Euro
  ArbeitnehmerInnen
PensionistInnen
UnternehmerInnen
Sparpakete 2000 und 2001*) 3.023 565
Sparpaket 2003 Budgetbegleitgesetz 2003**) 882 –224
steuerliche Entlastungen durch die Konjunkturbelebungspakete I - III***)   –743
Entlastungen durch die Steuerrreform 2005 –1.140 –1.390
Gesamtsumme der Be- und Entlastungen 2.765 –1.791
+ bedeutet Belastung, - bedeutet Entlastung
*) Unter Berücksichtigung von Entlastungen wie z. B. Kinderbetreuungsgeld.
**) Unter Berücksichtigung der 1. Etappe der "größten" Steuerreform.
***) Durchschnitt der Jahre 2003 bis 2006.

Tabelle 2 zeigt, dass in Summe gesehen die ArbeitnehmerInnen zu den großen Verlierern zählen, während die Unternehmer vor allem wegen der Steuerreform 2005 und der Konjunkturbelebungspakete die großen Gewinner sind.

Bei den ArbeitnehmerInnen werden die Entlastungen aus der Steuerreform bei weitem überkompensiert durch die zahlreichen Belastungen der letzten Jahre. Unter den ArbeitnehmerInnen verlieren jene besonders stark, die von den Steuersenkungen nicht profitieren, aber von den Belastungen voll getroffen werden, darunter vor allem AlleinerzieherInnen, Teilzeitbeschäftigte und PensionistInnen.

Keine Rede also von den Versprechungen in der Budgetrede 2003/2004, wo Grasser »die Entlastung des Bürgers« angekündigt hatte. Weit und breit nichts zu merken von »Weniger Steuern - Mehr fürs Leben«. Die anfängliche Sparpolitik und die damit einhergehende höchste Abgabenquote wurden also dafür benutzt, um die größte Umverteilungsaktion zugunsten der UnternehmerInnen zu finanzieren.

1) Das sind 3052 Euro.


R E S Ü M E E 
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Der Übergang Österreichs zu einer Budgetpolitik mit »Nulldefiziten« und die praktisch ausschließliche Konzentration darauf haben den Konjunkturabschwung durch eine fast durchgängig prozyklische Politik verschärft. Die Folge waren zum Teil hausgemachte Wohlfahrtsverluste. Das schwache Wachstum war begleitet von einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Konjunkturpakete wurden sehr zögerlich beschlossen und beinhalteten kaum kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Überwindung der Nachfrageschwäche. Bis heute fehlen Wachstumsinitiativen, die zu einer durchgreifenden konjunkturellen Erholung führen können.

Die Konzentration auf den Budgetsaldo hat den Blick für die Budgetstrukturen verstellt. Die in der Strategie von Lissabon eingeforderte Qualität der öffentlichen Finanzen insbesondere in Bezug auf die Zukunftsbereiche Bildung, Wissenschaft und Forschung spiegelt sich in den Budgets der vergangenen Jahre nicht wider, obwohl es sich dabei um prioritäre Schwerpunktsetzungen der Regierung handelte. Prioritäre Ziele der Regierungspolitik waren die Förderung der Familien und die Landesverteidigung sowie die Steuerentlastung, der eine Reihe von Sparmaßnahmen vorgeschaltet war.

Aus verteilungspolitischer Sicht haben die Konsolidierungsmaßnahmen der ersten Phase besonders die BezieherInnen niedriger und mittlerer Einkommen betroffen. Das Sparpaket 2003/2004 führte zu weiteren massiven Belastungen, die durch die Steuersenkungen 2004 und 2005 nur partiell ausgeglichen werden. Am stärksten betroffen sind die niedrigsten Einkommen, die davon nicht profitieren, aber auch die mittleren Einkommen. Aus horizontaler Sicht werden die ArbeitnehmerInnen massiv belastet, während den Unternehmen die bisher größte Steuerentlastung zugestanden wird. Angelegt ist diese Umverteilung in der Steuerreform 2005, die nicht nur aus verteilungspolitischer, sondern auch aus wachstums- und beschäftigungspolitischer Sicht zu kritisieren ist, weil durch die Steuerentlastung die Masseneinkommen in zu geringem Ausmaß und zu spät entlastet werden.

Die von der Regierung angestrebte nachhaltige Sanierung der Staatsfinanzen konnte bisher nicht erreicht werden. Da die Steuerreform 2004 teilweise defizitfinanziert ist, sind weitere Sparpakete in den nächsten Jahren nicht ausgeschlossen; ganz sicher dann nicht, wenn die Abgabenquote bis 2010 tatsächlich auf 40% des BIP gesenkt werden sollte. Die damit einhergehende »Politik der leeren Kassen« offenbart, worum es Schwarz-Blau wirklich geht: um die weitere Zurückdrängung des Staates zulasten der Einkommensschwachen.

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