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Nicht genügend! Setzen!

HINTERGRUND

Pensionsreform: Der Plan klang gut. Ein einheitliches Pensionssystem für alle mit gleichen Leistungen und gleichen Beiträgen für alle Versicherten. Doch das Ziel, alle unterschiedlichen Pensionsmodelle zu vereinheitlichen, blieb auch nach einem Jahr intensiver Verhandlungen, fast 100 Gesprächen auf verschiedenen Ebenen und 22 runden Tischen in weiter Ferne. Am 12. Juli scheiterten die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern endgültig.

Die Regierung zeigte sich auf Druck des ÖGB zwar bereit, die Reform 2003 in Teilen zu entschärfen, teilweise will sie aber die Nachteile der Reform sogar noch deutlich verstärken.

Die geplanten zusätzlichen Abschläge bei der vorzeitigen Alterspension und auch bei Schwerarbeitspensionen sowie die Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Pensionskorridor waren laut Richard Leutner, leitender Sekretär des ÖGB, die wesentlichen Gründe, warum es zu keinem sozialpartnerschaftlichen Konsens über die Pensionsreform gekommen ist.

Die folgenden Ausführungen basieren auf der von der Bundesregierung vorgelegten Punktation, auf deren Grundlage bis Ende August ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden soll.

Frauen und Arbeiter wurden von Regierungsseite immer wieder als Gewinner der Reform bezeichnet. Tatsächlich gewinnen diese Gruppen - wenn überhaupt - aber nur unter sehr realitätsfernen Bedingungen.

Frauen mit Kindern

Frauen mit Kindern sind durch die - auf Druck des ÖGB zugestandene - bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten nicht automatisch Gewinnerinnen der Pensionsreform und sind schon gar nicht besser gestellt als im bisherigen Recht. Die Kindererziehung führt ja nicht nur für die Zeit der Berufsunterbrechung zu einem Einkommensverlust.

Ersatzzeiten für Kindererziehung sollen zwar künftig mit dem Medianeinkommen der Frauen in der Höhe von 1350 Euro bewertet werden, doch reicht diese Maßnahme entgegen der Propaganda der Regierung bei sehr vielen Frauen nicht aus, die Verluste durch die Pensionsreform szu kompensieren. Fast 60 Prozent der Frauen arbeiten nach ihrer Rückkehr ins Berufsleben nicht mehr Vollzeit, sondern Teilzeit. Längere Phasen mit Teilzeitarbeit fielen beim früheren Durchrechnungszeitraum von 15 Jahren nicht so sehr ins Gewicht, bei lebenslanger Durchrechnung kommt es zu massiven Verlusten, wenn entsprechende Ausgleichsmaßnahmen unterbleiben. Im ÖGB-Modell ist deshalb auch eine Anrechnung von Kindererziehungszeiten für sieben Jahre pro Kind vorgesehen. Die ersten beiden Jahre werden mit dem Medianeinkommen der Männer und Frauen (rund 1700 EUR) bewertet, das dritte und vierte Jahr mit 66% und das fünfte bis zum siebenten Jahr mit 33% davon.

Außerdem gilt diese höhere Bewertung nur für die nach dem Neurecht berechnete Pension. Frauen, die jetzt oder in den nächsten Jahren in Pension gehen, haben daher gar nichts von dieser Maßnahme. Aber auch jene Frauen, deren Pension bereits zu einem Gutteil nach dem neuen Recht errechnet wird, werden zumeist deutliche Verluste hinnehmen müssen.

Die Arbeiterin Hilde K.

Zwei realistische Beispiele, je ein Fallbeispiel für eine Arbeiterin und eine gleich alte Angestellte sollen belegen, dass die in der Regierungspunktation vorgesehenen Änderungen trotz der besseren Anrechung der Ersatzzeiten für Kindererziehung nicht zu einer besseren Pension führt. Hier hätte es weiterer Ausgleichsmaßnahmen bedurft, um Verluste zu vermeiden.

Die Arbeiterin Hilde K. ist 1971 geboren. Sie arbeitet seit ihrem 15. Lebensjahr, bekommt mit 23 Jahren ein Kind und unterbricht ihren Beruf für drei Jahre. Derzeit arbeitet sie Teilzeit und plant in fünf Jahren wieder voll zu arbeiten (für die Zukunft wurde ein für Arbeiterinnen durchaus typischer Einkommensverlauf angenommen). Wenn sie im Jahr 2033, nach 47 Versicherungsjahren mit 62 Jahren in Pension gehen möchte, hätte sie nach der bis 31. 12. 2003 gültigen Rechtslage auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse 848 Euro Pension bekommen. Da Frau K. unter 55 Jahre alt ist, wird ihre Pension nach der so genannten Parallelrechnung berechnet werden. Die bisher erworbenen Zeiten werden nach dem alten System berechnet, die zukünftigen Zeiten nach dem neuen System. Nach dieser Berechnung werden ihr nur mehr 722 Euro Pension bleiben, was ein Minus von rund 15 Prozent ergibt. Diese Verluste ergeben sich aus der 12-jährigen Teilzeitphase und der Tatsache, dass sie mit 62 Jahren in Pension gehen will, was aufgrund der nunmehr vorgesehenen zusätzlichen Abschläge hohe Verluste bedeutet.

Die Angestellte Barbara S.

Die gleich alte Angestellte Barbara S. hat mit 19 Jahren begonnen zu arbeiten. Sie hat zwei Kinder, ihren Beruf deswegen vier Jahre unterbrochen und arbeitet jetzt Teilzeit. Mit etwa 40 Jahren will sie wieder voll arbeiten. Auch sie möchte im Jahr 2033 mit 43 Versicherungsjahren in Pension gehen (Auch hier wurde für die Zukunft ein für Angestellte plausibler Einkommensverlauf angenommen). Sie wird noch mehr verlieren als die Arbeiterin Hilde K. Nach der alten Rechtslage hätte Frau S., wieder auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse, 1349 Euro Pension bekommen, sie wird im Jahr 2033 nur mehr auf 1105 Euro Pension oder auf einen Verlust von 18 Prozent kommen. Bei ihr wirkt sich das geringe Einkommen während der Teilzeitphase und der damit verbundene Karrierenachteil noch stärker aus, da ihre Einkommenskurve nicht so flach ist wie die von Frau K. und sich der längere Durchrechnungszeitraum daher negativer auswirkt.

Die Beispiele zeigen, dass die höhere Bewertung der Kindererziehungszeiten keineswegs dazu führt, dass Frauen zu den Gewinnern dieser Reform zählen. Im Gegenteil sind diese in der Regel zu gering, um die Durchrechnungsverluste auch nur annähernd auszugleichen.

Auch beim Pensionsantrittsalter werden Frauen benachteiligt. Das Regelpensionsalter von Frauen beträgt 60 Jahre und steigt erst von 2024 in Halbjahresschritten bis 2033 auf 65 Jahre an. Bis zum Jahr 2023 ist das so genannte Regelpensionsalter also für Frauen 60 und für Männer 65 Jahre. Die Regierung plant nun zur Schaffung von »Wahlmöglichkeiten« für Männer und Frauen einen Pensionskorridor ab 62 zu eröffnen. Das bedeutet im Ergebnis, dass für Männer nun doch wieder eine Art vorzeitige Alterspension eingeführt wird (allerdings mit zusätzlichen Abschlägen), für Frauen aber die Abschaffung aller vorzeitigen Alterspensionen beibehalten wird.

Arbeiter

Auch die Arbeiter, die angeblich durch die Pensionsreform gewinnen, verlieren durch die von der Regierung vorgesehene Form der Parallelrechnung, also dem Mischsystem von deutlich abgewerteten bisher erworbenen Zeiten und zukünftigen Zeiten im neuen System besonders viel. Eigentlich müssten Arbeiter durch die typisch flachen Erwerbskarrieren von der Reform profitieren, weil im neuen Recht - dem ÖGB-Modell folgend - zurückliegende Zeiten fair aufgewertet werden sollen. (Noch in der Pensionsreform 2003 wollte die Regierung von einer fairen Aufwertung nichts wissen!) Für sie wirken sich aber die von der Regierung geplante Bewertung von Arbeitslosenzeiten mit 70 Prozent der Bemessungsgrundlage und die in der Punktation vorgesehenen Zusatzabschläge bei vorzeitigem Pensionsantritt besonders negativ aus.

Der Bauarbeiter Kurt W.

Wieder ein konkretes Beispiel dazu: Die Verluste des 1941 geborenen Bauarbeiters Kurt W., der am 1. Juni 2004 nach 47 Versicherungsjahren mit 62 Jahren in Pension gegangen ist, werden durch die letztlich von der Regierung zugestandene Absenkung des Verlustdeckels auf anfangs fünf Prozent abgefedert. Die Deckelung soll nun für das Jahr 2004 fünf Prozent betragen und dann jedes Jahr um ein Viertelprozent ansteigen, bis 2024 wieder der ursprünglich geplante Zehn-Prozent-Deckel erreicht ist. Zu beachten ist aber, dass im Gegensatz zum ursprünglichen Zehn-Prozent-Verlustdeckel Abschlagsverluste hiervon nicht mehr oder nur mehr teilweise erfasst sein sollen. Diese führen daher zu zusätzlichen Kürzungen, so dass die Verluste in wenigen Jahren in Summe weit über zehn Prozent liegen werden.

Kein Verlustdeckel

Dieser Verlustdeckel bezieht sich außerdem nur auf die durch die Pensionsreform bewirkten Verluste bei der Altrechtspension, die Verluste bei der Pension nach dem Neurecht sind hingegen nicht gedeckelt.

Herr W. hat mit 15 Jahren begonnen zu arbeiten, hat das Bundesheer abgeleistet und war vom 19. bis zum 45. Lebensjahr jedes Jahr saisonbedingt drei Monate arbeitslos und erst ab 1986 bis zu seinem Pensionsantritt durchgehend beschäftigt.

Im alten Recht hätte er 1429 Euro Pension erhalten, jetzt erhält er wegen der Beharrlichkeit der Verhandler von ÖGB und AK 1358 Euro, immerhin mehr als die ursprünglich geplanten 1286 Euro, die er bei einer Deckelung von zehn Prozent erhalten hätte.

Wenn er elf Jahre jünger wäre und erst im Jahr 2015 in Pension gehen würde, würde er auf Basis der heutigen Einkommensverhältnisse nur 1183 Euro Pension erhalten, was einen Verlust von 17,2 Prozent ausmacht. Dieser hohe Verlust entsteht durch die Zusatzabschläge von 4,2 Prozent pro Jahr vorzeitigem Pensionsantritt die zu der Deckelung von 7,75 Prozent im Jahr 2015 noch dazu kommen.

Grobe Schönheitsfehler

Doch auch abgesehen von diesen »Gewinnern« der Pensionsreform hat diese mehr als grobe Schönheitsfehler.

Besonderer Zankapfel ist derzeit die Regelung für Schwerarbeiter, die 2006 kommen soll. Es muss aber noch definiert werden, was Schwerarbeit überhaupt ist, das heißt es müssen Tätigkeitsmerkmale für diese Art von Arbeit gefunden werden. Dass die Regierung trotzdem jetzt schon weiß, dass nur fünf Prozent aller Arbeitnehmer unter diese Regelung fallen werden, zeugt von prophetischer Gabe bzw. vom Bestreben, möglichst viele Arbeitnehmer davon auszuschließen.

Sehr umstritten sind die Abschläge, die nach Meinung der Regierung auch bei Schwerarbeitspensionen anfallen sollen. Bei zumindest 20 Jahren Schwerarbeit soll es möglich sein, fünf Jahre früher in Pension zu gehen. Männer können dann frühestens im Alter von 60 Jahren mit 45 Versicherungsjahren, Frauen mit 55 Jahren und 40 Versicherungsjahren in Frühpension gehen.

Allerdings soll es dann ebenfalls zusätzlich zu den mit fünf bis zehn Prozent gedeckelten Verlusten Abschläge von bis zu 15 Prozent geben (drei Prozent pro Jahr). Gegen diese Pläne gibt es sogar innerhalb der Regierung Widerstände. Vertreter der FPÖ sowie einige Arbeitnehmervertreter der ÖVP haben angekündigt, dass sie diesen Plänen nicht zustimmen werden. Ähnliche Ankündigungen sind allerdings bereits bei der Pensionsreform 2003 weitgehend ohne Konsequenzen geblieben.

Akademiker

Ganz sicher keine Gewinner sind auch Akademiker. Für sie ist es durch den späten Arbeitsbeginn im jetzigen System nicht möglich, bei einem Antrittsalter von 65 Jahren auf 45 Versicherungsjahre zu kommen. Außerdem schadet ihnen der lange Durchrechnungszeitraum, da ihre Gehälter üblicherweise im Laufe der Zeit stark ansteigen.

Überprüft man dann noch die allgemeinen Aussagen der Regierung wie gleiche Leistungen für gleiche Beträge in allen Systemen, muss man erkennen, dass sich diese nur in den Werbeaussendungen der Regierung finden. Es gibt zwar auf dem Papier einen einheitlichen Beitragssatz für Angestellte, Bauern und Selbständige von 22,8 Prozent, doch Bauern erbringen nur 15 Prozent (statt bisher 14,5 Prozent) und Unternehmer 17,5 Prozent (statt bisher 15 Prozent) Eigenleistung, die Differenz bezahlt der Bund. Diese höheren Prozentsätze werden überdies bei den Bauern erst 2008 und bei den Selbständigen erst 2016 erreicht. Von gleichen Beiträgen für gleiche Leistungen ab 1. 1. 2005, wie von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel behauptet, kann keine Rede sein. Vielmehr zahlen unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Beiträge und erhalten durch staatliche Zuschüsse die gleiche Leistung, was einen eindeutigen Rückschritt bedeutet.

Landes- und Gemeindebedienstete

Auch die immer wieder wiederholte Aussage des harmonisierten, also gleichen, Pensionssystems für alle Berufsgruppen stellt sich als falsch heraus. Landes- und Gemeindebedienstete sind von der Reform nicht betroffen. Auch freie Berufe wie Notare und Rechtsanwälte werden nach dem derzeitigen Informationsstand von der Reform nicht betroffen sein.

Selbst die Bundesbeamten waren zum Zeitpunkt der Vorlage der Regierungspunktation zur »Harmonisierung« noch nicht mit an Bord. Laut Bundeskanzler stehen die Verhandlungen mit den Beamten erst bevor. Die Verhandlungen mit ihnen beginnen erst Ende August. Das hindert ihn allerdings nicht daran zu verlautbaren, dass er keine Änderungen zu den »Reformvorschlägen« zum ASVG mehr akzeptieren werde. Als Ausgleich zu den zukünftig geringeren Pensionen fordern die Beamten ein neues Besoldungsrecht mit höheren Anfangsgehältern und einem insgesamt höheren Aktiveinkommen.

 F A Z I T

Zusammenfassend kann man sagen:
Das Regierungskonzept zur Pensionsharmonisierung beinhaltet weder ein einheitliches Pensionssystem für alle noch gleiche Beiträge für alle (es gibt Zuschüsse für Bauern und Selbständige). Wer den Pensionskorridor oder die angekündigte Schwerarbeitsregelung nützen kann und will, muss mit massiven zusätzlichen Abschlägen rechnen. Für Frauen ist überhaupt kein »Korridor« vorgesehen. Die Regierung beharrte auf diesen Punkten und hat damit eine Einigung auf eine zukunftsweisende, faire Pensionsreform unmöglich gemacht.

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(C) AK und ÖGB

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