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Kranke Gesundheitspolitik

SCHWERPUNKT

82 Prozent der Bevölkerung befürchten nach einer Imas-Umfrage einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Die Regierung tut alles, diese Ängste zu schüren.

Seit Jahren schon werden die Österreicher mit Doppelbotschaften beglückt. Einerseits heißt es, wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt, andererseits wird behauptet, dass wir uns dieses Gesundheitswesen finanziell nicht mehr leisten könnten. Um die Qualität zu halten, müssten Kosten eingespart, die Finanzierung auf neue Beine gestellt und schlanke Strukturen geschaffen werden. Kurz, es müsse eine »Gesundheitsreform« geben. Nach monatelanger Geheimniskrämerei legte Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat im Sommer ihre Vorstellungen dazu in Form des Entwurfs zum Gesundheitsqualitätsgesetzes (GQG) vor. Die Umsetzung sollte demnach durch so genannte Gesundheitsagenturen erfolgen. Dieses Konzept wurde aber sowohl von Ärzten, als auch von Sozialversicherung und Spitalsträgern massiv abgelehnt. In einem Gegenvorschlag schlugen die Krankenkassen die Einrichtung von Gesundheitspartnerschaften vor. Schließlich wurde von der Ministerin die Idee der Gesundheitsagenturen durch Gesundheitsplattformen ersetzt, gleichzeitig aber betont, am Kern der Gesundheitsreform, die bis Jahresende 2004 beschlossen und mit 1. Jänner 2006 in Kraft treten soll, festzuhalten: Liberalisierung des Gesundheitssektors, um vor dem Hintergrund der Kostenexplosion eine Kostensenkung und eine Effizienzsteigerung zu erreichen.

Steht unser Gesundheitssystem wirklich vor dem Kollaps? Sind die von der Regierung dafür eingesetzten Mittel und Wege auch die tauglichen?

Größter Non-Profit-Bereich

Die Gesundheitsversorgung ist derzeit Teil der gesetzlichen Sozialversicherung (SV). Dabei ist jeder versichert, ob Arbeiter, Angestellter, Bauer, Selbständiger, ob Kind oder Jugendlicher, ob erwerbslos oder in Pension - in Summe fast 8 Millionen Menschen. Insgesamt sind in der Sozialversicherung rund 28.000 Beschäftigte tätig, davon über 11.000 als Arbeiter, Verwaltungs-, Pflege- und ärztliches Personal im Bereich der eigenen Spitäler, Ambulatorien und Rehabilitationszentren. Das Budget der Sozialversicherung beträgt 36,4 Milliarden Euro und fließt zu 97% (knapp 3% macht der Verwaltungsaufwand aus) zurück in Leistungen für die Versicherten. Profit wird in der gesetzlichen, sozialen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung - absichtlich und im Interesse der Versicherten - keiner gemacht. Die Sozialversicherung ist der größte Non-Profit-Bereich Österreichs. Ihr Budget, das zu 80% von Arbeitern, Angestellten und Pensionisten und zu 20% von Selbständigen, Bauern und Freiberuflern finanziert wird, ist das zweitgrößte nach dem des Bundes.

Die Gesundheitsausgaben belaufen sich jährlich auf 15,6 Milliarden Euro. Geben wir wirklich zuviel für unser Gesundheitssystem aus? Der World Health Report der UNO-Weltgesundheitsorganisation WHO zeigt: Während in Österreich die Gesundheitsausgaben des angeblich so »kranken« und »ineffizienten« sozialen Systems an die 8% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmachen, sind es in den USA, wo das Gesundheitswesen weitgehend privatisiert ist, rund 14%, also fast das Doppelte. Anders ausgedrückt, betragen die Gesundheitskosten pro Einwohner und Jahr in den USA 4600 Dollar, in der Schweiz 2500 Dollar, in Deutschland 2300 Dollar und in Österreich nur 1700 Dollar.1)

Trotz Unkenrufen

Auch im stationären Krankenhausbereich liegt Österreich trotz aller Unkenrufe und tatsächlich noch möglichen Effektivitätssteigerungen im internationalen Vergleich gut: Die durchschnittlichen Krankenhauskosten pro Fall betragen in Österreich 3049 Euro, in Deutschland 3434 Euro, in der Schweiz 7799 Euro und in den USA sogar 9200 Euro. Überdies hat Österreich den Kostenanteil des stationären Bereichs an den Gesundheitsausgaben von 1998 bis 2002 um fast 5% gesenkt.2)

Sicher, die Kosten für die Gesundheit sind in den letzten Jahren gestiegen. Eine Studie der Wirtschaftsuniversität Wien kommt aber zum Schluss, dass es weniger eine Kostenexplosion, dafür aber eine Einnahmenerosion im Gesundheitsbereich gibt.3) So sind die Gesundheitsausgaben zwischen 1997 und 2001 gemessen als Anteil am BIP von 7,6% auf 7,3% gesunken. Gleichzeitig gibt es seit einigen Jahren Finanzierungsprobleme. So haben die Krankenkassen seit fünf Jahren ständig ein Defizit, obwohl die Verwaltungs- und Personalausgaben gesenkt wurden. Die Hauptursache des Defizits liegt in den gesunkenen Beitragseinnahmen als Folge der steigenden Arbeitslosigkeit. Das beweisen die Zahlen des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger: Denn während im Zeitraum von 1993 bis 2003 das BIP und die Ausgaben für Kassenleistungen um 31,4% bzw. 31,9% anstiegen, nahmen die Lohn- und Gehaltssumme und die Beitragseinnahmen der Krankenversicherung nur um 23,9% bzw. 26,3% zu. Nach Berechnungen der AK sind in den letzten 10 Jahren rund 100.000 Arbeitsplätze verlorengegangen, bis 2006 werden weitere 110.000 Menschen arbeitslos sein. Dies schlägt sich negativ, das heißt rückläufig auf die Beitragsentwicklung der Sozialversicherung nieder, umso mehr als die Regierung seit 2001 einfach die Beiträge für die Arbeitslosen gedeckelt hat.

Bemessungsgrundlage

Die Krankenkassen schreiben derzeit in Summe ein Minus von rund 220 Millionen Euro im Jahr. Wenn nichts passiert, wird dieses bis 2007 auf ca. 560 Millionen Euro ansteigen. Schlimm? Natürlich. Es wird ja medial nur davon geredet. Nicht geredet wird davon, wo und wie dem Gesundheitssystem Milliarden, nicht Millionen, an Euro mutwillig vorenthalten bzw. entzogen werden.

Völlig anders könnte das Beitragsaufkommen aussehen, wenn die Wertschöpfung als Bemessungsgrundlage herangezogen wird. Das heißt, wenn Arbeitgeberbeiträge, Abschreibungen, Gewinne, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Steuern und andere betriebliche Aufwendungen, also der Faktor Kapital, als Beitragsbasis für Sozialleistungen zur Verfügung stehen. Nach Hochrechnungen der Autoren der WU-Studie zur zukünftigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens gäbe es im Jahr 2004 ein geschätztes Potenzial für eine Wertschöpfungsgrundlage von 173 Milliarden bis 198 Milliarden -Euro.

Eine Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage (derzeit bei 3450 Euro im Monat) in der Krankenversicherungen für alle Berufsgruppen würde brutto etwas mehr als 1 Milliarde Euro jährliche Mehreinnahmen für die Kassen bedeuten. Betroffen wären davon 6% der unselbständig Beschäftigten und 17% der Selbständigen. Weiters 15% der Beamten, 12% der Angestellten, 2% der Pensionisten und nicht einmal 1% der Arbeiter.

Medikamente

Ein Fünftel der Kosten der Krankenkassen, 2200 Millionen Euro, verursachen die Medikamente. In diesem Sektor, in dem die Pharmaindustrie und die Apotheken ihre Leistungen anbieten, sind in den letzen Jahren die höchsten Kostensteigerungen zu verzeichnen gewesen. Zwischen 1990 und 2000 stiegen die Aufwendungen für Medikamente um 130%, zwischen 1994 und 2003 noch immer um fast 90%. Kostet ein patentgeschütztes Medikament im Schnitt 18 Euro, so beträgt der Preis für gleichwertige Nachbaupräparate, sogenannte Generika, bloß die Hälfte. Während in der BRD bereits 54% der eingesetzten Medikamente Generika sind, hält Österreich erst bei einem Anteil von 11%. Nimmt man das deutsche Niveau als Maßstab, dann schlummert hier noch ein kräftiges Einsparpotential.

Mit Schuld am Defizit der Krankenkassen sind die Zahlungsrückstände der Unternehmer. So sind im Jahr 2003 die Arbeitgeberschulden bei den Gebietskrankenkassen bereits auf 897,2 Millionen Euro angewachsen.4)

Seit 2001 bis 2004 wurden für die verschiedensten Budgetmaßnahmen zur Erreichung des »Null-Defizits« der Krankenversicherung Geld in Höhe von insgesamt 1,2 Milliarden Euro entzogen. Nächstes Jahr werden es in Summe bereits 1,82 Milliarden Euro sein.5)

Finanzielle Aushungerung

Statt für die Bereitstellung der erforderlichen Gelder zu sorgen, beschreitet die Regierung bewusst den Weg der weiteren finanziellen Aushungerung der Kassen. Nicht zufällig fordert sie im gleichen Atemzug, dass »zur Finanzierung der Kassen« Selbstbehalte von bis zu 20% eingeführt werden sollen. Das Defizit der Kassen wird zum Anlass genommen, eine »Reform« zu verlangen.

Das Konzept von Ministerin Maria Rauch-Kallat zur »Gesundheitsreform« sieht im Kern Folgendes vor: Im Gesundheitsbereich sollen in Zukunft Anbieter und Zahler von Gesundheitsleistungen getrennt werden. Finanziers bzw. Nachfrager von Gesundheitsleistungen sind die Sozialversicherung, die Länder und Gemeinden sowie die Patienten (über Selbstbehalte). Als Anbieter im Gesundheitsbereich gelten die niedergelassenen Ärzte, die Sozialversicherung in den eigenen Einrichtungen (Ambulatorien, Unfallkrankenhäuser, Rehabilitationszentren, Hanuschkrankenhaus) sowie die Länder und Gemeinden in den von ihnen betriebenen Spitälern. Nach dem Plan der Regierung sollen auf Landes- und Bundesebene angesiedelte Gesundheitsagenturen oder Gesundheitsplattformen zum Zweck der »Finanzierung aus einer Hand« über den Einsatz der Geldmittel des Gesundheitswesens bestimmen. Gesundheitseinrichtungen der Sozialversicherung aber auch Teile oder ganze Bezirkskrankenhäuser sollen in privatwirtschaftliche Betreibergesellschaften ausgelagert werden.6)

Hans Sallmutter, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten und früherer Präsident des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger, befürchtet, dass »mit der Reform das Gesundheitssystem und vor allem die Sozialversicherung der Privatisierung und dem Profitdenken geöffnet wird. Das würde das Ende des Sozialstaates und der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung bedeuten«.7)

Das ist alles andere als unbegründet, lässt doch Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ganz offen ihre Sympathie für die privaten Gesundheitsanbieter erkennen: »Es ist klar, dass die Spitäler weiter die Grundversorgung bieten werden, aber manche Bezirkskrankenhäuser werden künftig nicht mehr alle Leistungen bringen können. Ziel ist es, die vielen Spitalstage der Österreicher zu reduzieren. Im aktuellen System werden tagesklinische Einrichtungen bestraft, obwohl sie in vielen Bereichen gleichwertige Behandlungen gegenüber den Spitälern ermöglichen. Mit der Gesundheitsreform nehmen wir da einen Paradigmenwechsel vor«.8)

Und die Privathaie warten schon: Vamed, Humanomed, Helios, Sana, Synermed oder HCC Krabag sind die Namen. Helios und Sana sind deutsche Klinikgruppen, hinter Vamed steckt der deutsche Fresenius-Konzern. Humanomed, dessen Chef ein enger Berater der Gesundheitsministerin ist, kooperiert mit der Baufirma Porr in Spitalsprojekten. Hinter Synermed steckt Billa-Chef Veit Schalle, hinter HCC Krabag der Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner, der mit Raiffeisen und dem Gesundheits-ökonom Christian Köck Spitäler übernehmen will.9)

Privatisierung nicht notwendig

Doch weder aus Kostengründen noch aus volkswirtschaftlicher Sicht ist eine Privatisierung des Gesundheitsmarktes oder die Ausgliederung und letztlich Privatisierung von Einrichtungen der Sozialversicherung notwendig. Ja es besteht sogar die begründete Befürchtung, dass dadurch Qualität und Quantität des Leistungsangebotes sinkt, weil z. B. Geld für die Marktbearbeitung durch Werbung statt für Leistungen ausgegeben wird. Beispiele aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem zum Teil oder fast gänzlich privatisiert wurde wie in Großbritannien oder in den USA belegen dies. So ist etwa »Kaiser Permanente« mit rund neun Millionen Versicherten der größte Gesundheitskonzern der USA. Seit der Liberalisierung Anfang der Neunzigerjahre ist das Werbebudget von 8,2 Millionen auf 62 Millionen Dollar gestiegen. Um den Differenzbeitrag hätten laut Berechnungen der Autoren von »Schwarzbuch Privatisierung« z. B. rund 450 Menschenleben gerettet werden können.10)

Der Grund für die Probleme bei einer Liberalisierung des Gesundheitsmarktes liegt vor allem darin, dass dieser kein echter Markt ist. So kann sich der Patient ja nicht aussuchen, wann er krank wird und sich dann die erforderliche Leistung aussuchen. Der Patient braucht Hilfe, wenn er krank wird. So haben die Anbieter ein Quasimonopol. »Es gibt keine unabhängige Nachfrage«, analysiert Georg Ziniel, Leiter der Abteilung Vertragsbeziehungen bei der Wiener Gebietskrankenkasse: »In aller Regel sind Konsumenten von Gesundheitsleistungen nicht in der Lage, eine informierte Entscheidung zu treffen. Es ist der Arzt, der auf der Grundlage seiner Fachkenntnisse und im Rahmen qualitätssichernder gesetzlicher Vorgaben über die Art und den Umfang der angebrachten Behandlung entscheidet. Diese Besonderheit im Gesundheitswesen, auch als asymmetrische Information bezeichnet, begründet den Marktfehler der angebotsgesteuerten Nachfrage«.

Fehlende Gesundheitsziele

Massiv wird die Gesundheitsreform von der »Arbeitsgemeinschaft der Krankenversicherungsträger der Unselbständigen«, ARGE KV, kritisiert: Im Regierungsentwurf sind keine Gesundheitsziele vorgesehen. Die Sozialversicherung soll die Mittel aufbringen, jedoch weder Eigentümer sein noch Mehrheitsrechte inne haben. Die Trennung von Zahler und Entscheider führt zu mehr Ineffizienz, weil die finanzielle Verantwortung und die tatsächlichen Steuerungsmöglichkeiten noch weiter auseinander fallen. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen wird weiter zersplittert und schafft zusätzliche Schnittstellenprobleme, anstatt welche zu lösen. Die Finanzierungsfragen wurden ausgespart. Die Sozialversicherungen sollen wiederum Millionenbeträge abliefern, aber gleichzeitig das unveränderte Leistungsrecht und alle geltenden Verträge voll weiterfinanzieren.

Die Rechnung zahlen die Versicherten: Unter anderem sieht das ASVG ab 1. 1. 2005 eine Verordnung des Hauptverbandes über generelle Selbstbehalte beim Arzt und in Ambulanzen vor. Das Projekt Gesundheitsagenturen führt zu mehr Staatsverwaltung statt Selbstverwaltung, zu einer Verstaatlichung des Gesundheitswesens, ohne dass der Staat auch tatsächlich die Verantwortung dafür übernehmen will. Das Regierungsmodell birgt die Gefahr einer Enteignung der Krankenkassen und damit der Versichertengemeinschaft.

Enteignung der Versicherten

Als Alternative stellt die ARGE KV ein Modell der Gesundheitspartnerschaft auf Länderebene vor: »Alle Akteure des Gesundheitswesens sollen nach festgelegten Spielregeln gemeinsam zu Entscheidungen kommen, wie definierte Gesundheitsziele erreicht werden können. Das Modell berücksichtigt nicht nur alle Finanziers, sondern auch die Leistungserbringer. Eine zentrale Rolle spielt das so genannte Steuerungsgremium. Eine unabhängige Qualitätssicherung sowie eine Patientenbeteiligung auf lokaler Ebene sind ebenfalls vorgesehen. Ein wesentlicher Vorteil des von der ARGE KV vorgelegten Kooperationsmodells ist es, dass die Vorteile sofort lukriert werden können und dass generell Win-Win-Situationen angestrebt werden«.11)

Wegen der Pläne zur »Gesundheitsreform« greifen die Beschäftigen der Sozialversicherung zur Selbsthilfe. Auf der Konferenz der BetriebsrätInnen der österreichischen Gebietskrankenkassen Anfang Oktober drückten deren neun Vorsitzende in einer Resolution an AK und ÖGB ihre Befürchtung aus, dass von der Bundesregierung die Sozialversicherung ausgehöhlt bzw. zerschlagen und damit eine Errungenschaft der Gewerkschaftsbewegung zerstört wird. Und sie fordern im Hinblick auf die Ergebnisse der ÖGB-Urabstimmung, bei der sich 95% der Mitglieder für die Erhaltung der Sozialversicherung ausgesprochen haben, befriedigende Antworten und das Recht auf Unterstützung und Beistand ein.

Kampfmaßnahmen beschlossen

In der am 3. November von den Gewerkschaften HTV und GPA abgehaltenen Betriebsrätekonferenz Sozialversicherung, an der 600 Betriebsräte teilnahmen, wurden für den Fall von Ausgliederungen eigener SV-Einrichtungen einstimmig gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen beschlossen: »Sollte bei der Gesundheitsreform 2005 die Ausgliederung der eigenen Einrichtungen in private Betreibergesellschaften umgesetzt werden, beschließt die BR-Konferenz im Rahmen von Betriebsversammlungen präventiv die Umsetzung von gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen. Wir fordern den ÖGB auf, die von ÖGB und Arbeiterkammern entsandten VersichertenvertreterInnen (Selbstverwaltung) anzuweisen, sich gegen die Ausgliederung und Privatisierung der Gesundheitseinrichtungen der Sozialversicherung auszusprechen und zu positionieren.«

Zur Unterstützung der Beschäftigten und zur Aufklärung darüber, dass die »Gesundheitsreform« nicht nur die Beschäftigten in der Sozialversicherung, sondern alle Versicherten betrifft, hat sich die Betriebsräteplattform »proSV - Keine Zerschlagung der Sozialversicherung« gebildet, die österreichweit Unterschriften sammelt (erhältlich unter: proSV@akis.at). Für Wolfgang Gratzer, Zentralbetriebsratsvorsitzender der AUVA, Bundesvorsitzender der Gesundheitsberufe der GPA und Unterstützer der Plattform proSV, ist klar, worauf die Gesundheitsreform der Regierung hinauslaufen soll und warum der Hauptverband der Sozialversicherungsträger in eine absolute ÖVP- und Unternehmermehrheit umgefärbt wurde. Er nennt dafür ein Beispiel: »Während bei Billa vor kurzem bekannt wurde, dass der Konzern durch seine Beschäftigungspolitik der Sozialversicherung seit Jahren große Beitragssummen vorenthält, gibt es gleichzeitig von Billa-Chef Veit Schalle Vorhaben, mit seiner Krankenhausfirma Synermed Einrichtungen der Sozialversicherung zu übernehmen. Wir wollen jedenfalls nicht, dass unsere hochwertigen und korrekt geführten Gesundheitseinrichtungen zu Billa-Filialen werden.«


Worum es letztlich geht, bringt Hans Sallmutter auf den Punkt: »Der riesige Kuchen, den die Ausgaben der gesetzlichen Sozialversicherung aus Sicht der privaten Wirtschaft darstellen, ist für sie eine riesige Verlockung, um die sie kämpft.«

Positionen von AK und ÖGB

Die AK verlangt: Mehr Qualität im Gesundheitssystem, keine Zweiklassenmedizin, das heißt keine neuen Selbstbehalte. Der gleiche Zugang zur Gesundheitsversorgung muss erhalten bleiben. Rückgabe des Geldes, dass die Regierung den Krankenkassen in den letzten Jahre weggenommen hat. Sicherung der Finanzierung des Gesundheitswesens unter anderem durch Senkung der Medikamentenkosten, wertschöpfungsorientierte Maßnahmen, Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage, Zweckbindung von Alkohol- und Tabaksteuer, Bekämpfung der organisierten Schwarzarbeit, weil dadurch der Sozialversicherung hunderte Millionen Euro entgehen. Abbau von Doppelgleisigkeiten im Gesundheitssystem sowie eine gezielte Politik zur Gesundheitsvorbeugung.

Für den ÖGB entsprechen die von der Regierung geplanten Gesundheitsagenturen weder der Verfassung noch dem Gedanken der Selbstverwaltung. Richard Leutner, Leitender Sekretär des ÖGB: »Wenn Verhandlungen darauf hinauslaufen, dass es zu einer bestimmten Steuerung des Angebots von Gesundheitsleistungen und damit zu mehr Qualität für die Bevölkerung kommt, dann sind die Sozialpartner immer gesprächsbereit.«

1) OECD, Statistik Austria, siehe www.who.int/whr/2002/whr2002_annex5.pdf
2) OECD Health Data, 2003
3) I. Zechmeister, J. Meichenitsch: Analyse und Empfehlungen zur zukünftigen Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens, WU-Wien, Feber 2004
4) "Wirtschaftsblatt", 31. März 2004
5) AK Wien, Helmut Ivansits, Abteilung Sozialversicherung und Gesundheitspolitik
6) Entwurf - Bundesgesetz zur Qualität von Gesundheitsleistungen (Gesundheitsqualitätsgesetz - GQG)
7) Hans Sallmutter, Vorsitzender der GPA, auf der Betriebsrätekonferenz der Beschäftigten der Sozialversicherung, 3. November 2004
8) Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat auf der Veranstaltung »Was darf Gesundheit kosten?«, siehe »Presse«, 6. November 2004
9) »Wirtschaftsblatt«, 20. März und 5. November 2004
10) Michael Reimon, Christian Felber: Schwarzbuch Privatisierung - Was opfern wir dem freien Markt?, Wien 2003
11) Positionspapier der ARGE KV: Partnerschaft statt Diktat,
4. Oktober 2004

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