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Standpunkt | Lohnräuber und Gewinnmaximierer

MEINUNG

Keine Emotionen, bitteschön, lassen wir das, bleiben wir sachlich. Ein Dieb ist jemand, der einem anderen etwas heimlich wegnimmt. Ein Räuber ist einer, der anderen etwas unter Einsatz von Gewalt wegnimmt. Daneben werden Raub und Rauben in vielen sprichwörtlichen Wendungen und Redensarten verwendet: So kann man jemandem den (letzten) Nerv rauben, den Schlaf, die Sprache, ja - die Unschuld und sogar der Verstand können geraubt werden und natürlich auch Pensionen und Löhne. Und wie ist das mit dem Lohnraub?

Also das ist so: Bei den Sozialpartnerverhandlungen zur Arbeitszeitflexibilisierung ist unserem ÖGB-Präsidenten Fritz Verzetnitsch die Geduld gerissen und er hat dann in einer Pressekonferenz von »Lohnraub« gesprochen. Wir zitieren: »Flexibilisierung der Arbeitszeit darf keine Einbahnstraße sein: sie muss auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Vorteile bringen. Derzeit geht es der Wirtschaft um etwas völlig anderes als um die Frage der Flexibilisierung: um Lohnkürzung!

Wer Lohnraub will, soll das klar sagen. Der ÖGB und seine Gewerkschaften sind an einer sinnvollen Gestaltung der Arbeitszeit interessiert, aber nicht unter dem Titel ›mehr Arbeit - weniger Lohn‹«, erklärte ÖGB-Präsident Verzetnitsch. Er sprach von einem »Vorbeischleichen am Kollektivvertrag« und von einer »Einbahnstraße« und erklärte kategorisch: »Nicht mit uns!«

Der Partner von der Gegenseite, Christoph Leitl als Präsident der Wirtschaftskammer, mahnte als Antwort prompt eine Versachlichung der Diskussion ein und bat, von »emotionalen Argumenten« abzulassen. Christoph Leitl im O-Ton: »Es geht weder um Lohnraub, Feiertagsstreichung, Sonntagsarbeit, noch um eine generelle Arbeitszeitverlängerung, sondern um eine bessere Anpassung der Arbeitszeit an Auftragsspitzen und damit an die Erfordernisse des Marktes. Davon können alle Seiten nur profitieren, da nicht nur bestehende Arbeitsplätze gesichert und stabilisiert werden können, sondern auch das Entstehen neuer Arbeitsplätze zu erwarten ist.«

Dem ist mitnichten so, Herr Präsident Leitl, denn die seit Jahren geübte Lohnzurückhaltung der Gewerkschaften und der damit verbundene Anstieg der Profite hat keineswegs dazu geführt, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen wurden. Im Gegenteil, die Unternehmen haben ihre Profite lieber in die Finanzmärkte gesteckt und Aktien gekauft (siehe den Schwerpunkt dieses Heftes). Wir haben eine so hohe Arbeitslosigkeit wie noch nie, aber alles, was wir zu hören bekommen, ist: »Gebt uns noch mehr - damit wir konkurrenzfähig bleiben können.« Ja, auf welche Lohnteile sollen wir denn noch verzichten? Hat Eure Gier denn nie ein Ende?

Endlose Gier zerfrisst die Gehirne

Tschuldigen, das ist mir so rausgerutscht - eine rein rhetorische Frage, ich weiß, dass es hier kein Ende gibt. In einem -Gespräch bei Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein ist man übereingekommen, von einer Änderung des Arbeitszeitgesetzes abzusehen. Trotzdem bestehen die Wirtschaftsleute auf dem Modell Verankerung einer täglichen Normalarbeitszeit von 10, einer täglichen Höchstarbeitszeit von 12 Stunden und einem Durchrechnungszeitraum von zumindest einem Jahr, wenn nicht mehr (Formel 10/12/1-2), jetzt eben nicht mehr über ein Arbeitszeitgesetz, sondern über die Kollektivverträge.

KV-Verhandlungen gibt es derzeit viele, z. B. die im graphischen Gewerbe. Franz Bittner, der Vorsitzende der Druckergewerkschaft verweist zur Sache darauf, dass die derzeitige Flexibilisierungsdiskussion hervorgerufen sei durch die Wirtschaftskammerwahlen im März und erklärt: »Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Industriellenpräsident Veit Sorger beharren auf Jahresdurchrechnung-zeiträumen, die den Arbeitnehmern die meisten Überstundenzuschläge streichen würden. Lohnraub ist in unserer Republik angesagt. Der ÖGB und seine Gewerkschaften verwehren sich gegen einen solchen ›Lohnraub‹, wie es Präsident Verzetnitsch bezeichnet hat. Wird dieser geplante Lohnraub erfolgreich durchgesetzt, würde die Nettolohnquote noch mehr sinken, als sie bereits gesunken ist. Weiters würde sich die Konsumquote verringern (geringere Kaufkraft), die Sozialversicherung bekäme noch weniger Beiträge von denjenigen Versicherten, die noch Arbeit haben und die Arbeitslosigkeit würde weiter steigen. Eigentlich eine Entwicklung, die niemand haben möchte, auch nicht die Wirtschaft. Aber anscheinend geht es den Hardlinern nicht um das Gemeinwohl eines Staates, sondern um Gewinnmaximierung ihrer Betriebe und ihres persönlichen Einkommens.


Heiner Geissler von der CDU hat im Feber-Heft festgestellt, dass die Arbeiter in den Industriestaaten sich anonymen Mächten ausgeliefert fühlen, »die von Menschen beherrscht werden, denen die Gier die Gehirne zerfrisst«, um zum Schluss zu warnen: »Der Tanz um das Goldene Kalb ist schon einmal schief gegangen.«

Siegfried Sorz

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