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Standpunkt | Wendepunkt

MEINUNG

Ohne Zweifel sind wir jetzt an einem kritischen Wendepunkt angekommen. Wird es gelingen, das Steuer herumzureißen und einen Kurswechsel vorzunehmen?

Wir brauchen einen neuen Kurs, bei dem der Mensch wieder im Mittelpunkt steht, der in Richtung einer humaneren Gesellschaft steuert. Oder sollen wir die Arbeitslosen vertrösten und sagen: Habt Geduld, 2030 gibt es wieder Vollbeschäftigung, dann ändert sich nämlich die demographische Grundlage?

»Nur ruhig Blut, Leute, bis zum Jahr zweitausenddreißig ist alles anders.« Nicht nur die Arbeitslosen, die das hören, fühlen sich verhöhnt.

Wirtschaft ist kein Schicksal, kein unabänderliches Fatum, hat nichts mit Prädestination, Karma oder Kismet zu tun.

Wirtschaft wird von Menschen gemacht: Der Markt, die Kapitalbewegung wird von Menschen gesteuert und es sind Menschen, die aus Arbeitslosigkeit und Krisen Gewinne schöpfen und sich bereichern, für die sogar Kriege ein gutes Geschäft sind. Es geht um die Schicksale von hunderttausenden und Millionen von arbeitenden Menschen. Es geht darum, diesen Menschen wieder eine Hoffnung und eine Zukunft zu geben.

Die Frage ist, wohin unser Staatsschiff gelenkt wird und welchen Kurs das
Schiff unserer Europäischen Union steuert. Ist der Arbeitslohn in erster Linie ein Kostenfaktor der Produktion, der nicht niedrig genug sein kann, oder ein Einkommen, das für zahlungsfähige Kunden sorgt? Sollten die Unternehmer in eigenem Interesse für höhere Löhne eintreten? Hatte der amerikanische Automobilkönig Henry Ford recht, als er pointiert erklärte: »Autos kaufen keine Autos!«?

Die Zeichen der Zeit sind so, dass in zwei demokratischen EU-Staaten Plebiszite abgehalten wurden, also Befragungen der »Plebs«, des Volkes. Und diese Plebejer haben es gewagt, »Nein!« zu sagen. Da fällt es schon etwas schwerer, die Nase zu rümpfen und zu sagen: »Na, die sind eben unreif, haben nicht begriffen, worum es eigentlich geht!«

Faktum ist, das Volk - und nicht nur das befragte - ist mit dem neoliberalen Kurs und seinen sozialen Auswirkungen unzufrieden. Und da nützt es auch nichts, dass mit dem Geld der Wirtschaft der neoliberale Irrglaube ständig unters Volk gebracht wird. Immer weniger Menschen lassen sich einreden, dass dieser bis jetzt gefahrene Kurs die Folge einer überzogenen früheren staatlichen Schuldenpolitik sei, immer weniger Menschen glauben, dass die tiefen Einschnitte in soziale Bereiche sachlich gerechtfertigt sind, immer mehr Menschen fragen sich, warum die Reallöhne seit Jahren stagnieren, während die Unternehmensgewinne steigen und steigen, und immer mehr Menschen sehen, dass die Arbeitslosigkeit immer weiter steigt und wollen, dass dagegen wirklich etwas getan wird.

So heißt es auch sehr deutlich von Seiten der Arbeiterkammer und ihrem wiedergewählten Präsidenten Herbert Tumpel:

»Spätestens nach den Abstimmungen über die Verfassung muss auch der letzte EU-Regierungschef verstanden haben, was die Leute aufregt, nicht der freie Wettbewerb für Unternehmen, sondern Arbeitsplätze müssen endlich im Mittelpunkt stehen. Die AK fordert daher von den EU Staats- und Regierungschefs eine klare Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Wenn in Europa nicht endlich Politik gemacht wird für mehr Arbeit, sind die ganzen Lissabon-Ziele nicht einmal das Papier wert.«

Die Ablehnung des Verfassungsentwurfes durch Millionen Bürgerinnen müsse »ein überdeutliches Warnsignal« für die EU-Regierungschefs sein. Ausreden auf Brüssel gelten nicht, für die falsche EU-Politik sind die europäischen Regierungschefs verantwortlich. Die AK verlangt daher klare Strategien gegen das europäische Hauptproblem Nummer eins, die Arbeitslosigkeit.

Klare und deutliche Worte. Dazu noch ein Zitat:

Oskar Lafontaine hat in seinem empfehlenswerten Buch »Politik für Alle. Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft«1) im Schlusskapitel »Programm für den Kurswechsel« zwei Grundsätze der Philosophie der Aufklärung im alten Europa wiederholt: »Alle Menschen sind gleich und frei« und »Der Schwache braucht, um frei zu sein, Gesetze, die ihn vor der Willkür der Stärkeren schützen.« Lafontaine plädiert in seinem Buch für eine geistige Neuorientierung und sagt: »Politik und Gesellschaft brauchen wieder eine Sprache, die der Wahrheit und damit der Demokratie verpflichtet ist. Die Geschichte zeigt: Pendelausschläge in die falsche Richtung werden auch wieder korrigiert. Die Zeit ist gekommen. Der Neoliberalismus hat keinen Bestand, er ist nicht zukunftsfähig. Die Profiteure der Umverteilung von unten nach oben werden aber erst zurückweichen, wenn das Volk aufbegehrt.«

Siegfried Sorz

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