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Handy | Billig hat seinen Preis

HINTERGRUND

Telefonieren wird immer billiger. Im Kampf um jeden einzelnen Kunden wird immer weniger in Infrastruktur und Personal investiert. Durch indirekte Quersubventionierungen können die »Kleinen«, die eigentlich große internationale Konzerne sind, ihre Preise weitersenken. Auf Kosten des Standorts Österreich, meinen die Personalvertreter.

Nun können wir endlich unsere Telefonkarten gleichzeitig mit Joghurt und Katzenfutter kaufen. Seit April vertreibt der Billigdiskonter »yesss!« Telefonwertkarten beim Lebensmittelkonzern Hofer. Der Preis pro Minute scheint mehr als günstig: Neun Cent ohne Grundgebühr in alle Netze.

Auszuschließen sei nur, so A1-Chef Boris Nemsic in einem Beitrag des Wochenmagazins News, dass Mobilfunkbetreiber jemals dem Kunden Geld dafür überweisen, dass er ausgerechnet bei ihm telefoniert. Aber ein Ende des Preiskampfes ist nicht in Sicht.

Billigpreise

Dem Start von »yesss!«, einer hundertprozentigen Tochter des Mobilfunkanbieters ONE (seinerseits zu 50,1 Prozent im Besitz des deutschen Energieversorgers E.ON), war ein heftiger Preiskampf unter den Anbietern am österreichischen Markt vorausgegangen. Im März hatte tele.ring einen neuen Tarif von 15 Cent in alle Netze geplant. Dann sickerte durch, dass »yesss!« mit 13 Cent die Kunden werben wollte. Tele.ring reagierte prompt mit dem Lockpaket namens »Formel 10«, worauf der Diskontanbieter nun bei Hofer mit neun Cent startete. Das bedeutet immerhin eine Tarifreduktion von rund 30 Prozent binnen weniger Tage.

Kannibalismus

»Ein mörderischer Preiskampf«, meint Johannes Hofmeister, Betriebsratsvorsitzender der T-Mobile Austria und Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches »Kommunikation« bei der Gewerkschaft der Privatangestellten, GPA. Das Erscheinen des Mobildiskonters am heimischen Markt ist für ihn dennoch keine Überraschung, sondern nur eine Folge der sich nach unten drehenden Preisspirale, deren Konsequenzen letztlich auch für die Kunden teuer werden könnte.

»Die Preissenkungen der letzten Jahre haben bereits heute gravierende Folgen, auch bei den Arbeitsbedingungen. Und die Preise werden noch weiter sinken, denn es sind bereits mehr Anbieter auf dem Markt als Platz ist. Wachstum für den Einzelnen ist nur möglich, indem er den anderen Anbietern Kunden wegnimmt.«

Mit dem neuen Billigdiskonter machen sich nunmehr sieben Handynetzanbieter einen bereits gesättigten Markt streitig. In der Branche spricht man von einer »SIM-Karten-Penetration« von 100 Prozent. So gut wie jeder, der zum mobilen Telefonieren in der Lage und dazu bereit ist, hat - mindestens - ein Handy. So kämpfen die Betreiber um die Wechselwähler. Rund 150 Euro, inklusive Werbung, wird in jeden Neukunden investiert, die immer rascher bereit sind, zur Konkurrenz zu wechseln. »Die Entscheidungszyklen werden immer kürzer«, meint Michael Stangelberger, Betriebsratsvorsitzender des Zuliefererbetriebes Ericsson, der die beiden Anbieter A1 und ONE mit der technischen Ausstattung der Netze versorgt. »Wenn ein Betreiber merkt, dass seine Kunden wechselwillig sind, muss er sich ebenso verhalten wie die anderen. Der Preiskampf erfolgt von allen Seiten. Das bringt auch für die Ausrüster große Probleme.«

Teure Gratisangebote

Denn die Gratis- und Billigangebote haben ihren Preis. Gespart wird bei nachhaltigen Investitionen, wie Infrastrukturausbau und Mitarbeiterweiterbildung. »Die Unternehmen haben in den letzten Jahren vermehrt in Marketing und Kundenadquisition investiert«, berichtet Johannes Hofmeister, Betriebsrat des alternativen Anbieters T-Mobile. »Investitionen in die Infrastruktur wurden stark eingeschränkt bzw. gar nicht mehr getätigt. Das betrifft natürlich auch den Festnetzbereich und hat erhebliche Folgen auf die gesamte Zulieferindustrie. Auch da sind in den letzten Jahren tausende Arbeitsplätze verlorengegangen.«

Statt der einst 2300 Mitarbeiter beschäftigt T-Mobile derzeit rund 1800. Prognosen deuten auf eine weitere Reduktion bis Jahresende hin. Auch die anderen alternativen Mobilfunk-Provider melden in periodischen Abständen den Abbau ihres Personals. Im Vorjahr hatte ONE den Abbau von 225 Vollzeitarbeitsstellen bekanntgegeben und damit für Unruhe in der Branche gesorgt. Ein besonders eklatantes Beispiel des Preiskampfes auf Kosten der Nachhaltigkeit ist der ehemalige Festnetzbetreiber UTA, die den heimischen Landesenergieversorgern und Raiffeisen gehörte. »UTA war ein Unternehmen, das auf eigene Infrastruktur und starke Investitionen setzte«, berichtet Johannes Hofmeister. »Dann kam Tele2 mit dem Geschäftsmodell der 'Null-Investition’ und seinen damals 30 Mitarbeitern in Österreich und nutzte es aus, dass die anderen Betreiber ihre Netze öffnen mussten.«

Im Oktober 2004 kaufte das börsenotierte schwedische Unternehmen Tele2 schließlich die UTA um rund 231 Millionen Euro. Die erste Folge der Fusion zu Tele2/UTA war die Entlassung von 130 der 488 Vollzeitbeschäftigten bei UTA. Der »Entschlackungsprozess« sollte weitere Tarifsenkungen ermöglichen, zitierte die Tageszeitung der Standard am 1. April des Jahres den Tele2/UTA-Chef Norbert Wieser.

Arbeitsplätze gefährdet

Auch bei der Telekom Austria Gruppe ist die Zahl der Mitarbeiter gesunken. Laut Geschäftsbericht 2004 beschäftigte das Unternehmen 13.307 Mitarbeiter, um 583 weniger als im Jahr davor. Die Telekom Austria ist das größte Telekommunikationsunternehmen Österreichs (25,2 Prozent hält - noch - die Staatsholding ÖIAG). Ihre hundertprozentige Tochter, die Mobilkom Austria AG & Co KG, ist Betreiber des A1-Netzes. Alexander Weimann, Betriebsrat der Mobilkom Austria sieht die Arbeitsplätze »massiv gefährdet«. Nicht etwa, weil die Personalkosten extrem hoch wären, sondern weil die »großen Kosten im Marketing anfallen«.

Teure Endgeräte werden um einen Euro oder gratis an den Kunden abgegeben, die Netzbetreiber zahlen dafür den Einkaufspreis. Begünstigt wird die bizarre Situation am Mobilkommunikationsmarkt durch eine Regelung, die zu Beginn der Liberalisierung noch Sinn machte. Damit sich Neulinge gegen den ehemaligen Monopolisten Telekom Austria behaupten konnten, wurden für die kleineren Anbieter spezielle Tarife für die Netznutzung geschaffen. Eine Regelung, die heute mehr als obsolet ist, meinen die Arbeitnehmervertreter. »Hier müssen andere gesetzliche Regelungen getroffen werden«, meint Gottfried Sommer von der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten (GPF) und Sekretär der ARGE-ÖIAG: »Ich bin überzeugt, dass ansonsten die ausländischen Konzerne hier das Ruder übernehmen.«

»Asymmetrische Regulation«

Die asymmetrische Regulation, auch Mobilterminierung genannt, führt heute zu einer Verzerrung der Marktsituation, die im Grunde die »global players« bevorzugt. Wird etwa aus dem Festnetz der Telekom Austria zu einem Mobilfunk-Provider telefoniert, gilt ein festgesetzter Minutenpreis, der allerdings unterschiedlich aufgeteilt wird. Die Festlegung der Tarife erfolgt auch unter den einzelnen alternativen Betreibern. »Aufgrund der Regulierungsvorgaben wurden sehr unterschiedliche Preise festgesetzt. So erhielt etwa tele.ring einen größeren Anteil dieser Gelder als T-Mobile«, bemerkt Johannes Hofmeister.

»Der Regulator zementiert die Subventionierungen ein, statt freien Wettbewerb zu ermöglichen«, ist Werner Luksch, Zentralbetriebsrat von Mobilkom Austria überzeugt. So kassiere Hutchinson, mit Sitz in Hongkong, beinahe doppelt so viel bei gleicher Leistung, wie sie an Mobilkom Austria zahlen muss. Werner Luksch: »Wir finanzieren schon heute unsere nationalen Mitbewerber mit zirka 30 Millionen Euro pro Jahr und sollen dies - laut Vorschlag des Regulators - auch weiterhin tun. Bis 2008 wird Mobilkom Austria daher die anderen Mobilfunkbetreiber in Summe mit rund 115 Millionen Euro unterstützen müssen.«

Standort Österreich

Der Personalvertreter unterstreicht daher die Forderung von Mobilkom Austria, die asymmetrische Regulierung so schnell wie möglich abzuschaffen, um klare und faire Marktverhältnisse zu schaffen. »Mit dem Obolus, den wir an international agierende Mitbewerber zu leisten gezwungen sind, finanzieren wir ja nicht österreichisches Eigentum. Das in Österreich erwirtschaftete Geld fließt direkt an große internationale Konzerne ins Ausland ab und schwächt den Standort Österreich nachhaltig.«

Anfang April hatten sich die Betriebsräte der Telekom-Branche aus GPF und GPA mit einem Forderungskatalog an die österreichische Telekom-Regulierungsbehörde RTR gewandt. »Wenn die Bundesregierung an der Schaffung zukunftsträchtiger Arbeitsplätze interessiert ist, darf sie den ruinösen Entwicklungen in der Branche nicht mehr tatenlos zusehen«, forderte der Geschäftsbereichsleiter der GPA, Karl Proyer. Tarife dürften nicht mehr unter den Entstehungskosten festgesetzt werden. Aufbau und Betrieb der Netze müssten profitabel bleiben, um die nötigen Investitionen zu garantieren.

Marktbereinigung

Die Tendenzen des Personalabbaus in der Telekom-Branche zeigen sich in ganz Europa. Der kleine Markt Österreich ist aber besonders hart betroffen. Erstens aufgrund der genannten verzerrenden »asymmetrischen« Regulation der Tarifgestaltung. Zweitens, wegen des zitierten Überangebotes von Anbietern. »Die frühere Innovationsfähigkeit dieser Branche, mit den positiven volkswirtschaftlichen Impulsen und neuen Produkten und Investition in die Bauwirtschaft und Infrastruktur geht verloren«, meint Johannes Hofmeister. »Übrig bleibt der Dienstleistungsbereich, der aber keine volkswirtschaftlichen Impulse setzen wird können.«

Eine Tendenz, die im Festnetzbereich bereits früher begonnen hatte. Die Arbeitnehmervertreter befürchten, dass schließlich in der gesamten Branche Unternehmen »übrig bleiben«, die sich ausschließlich auf Marketing und Vertriebsabteilungen konzentrieren. Auch bei der für die Kunden wichtigen Serviceabteilung ist Sparpotential vorhanden. So lässt etwa Hutchinson bereits jetzt seine Kunden über ein Call Center aus dem Osten Deutschlands betreuen.

Die Kundenbetreuung, die gerade im technischen Bereich wichtig ist, wird zunehmend vernachlässigt. »Bei uns ist der Kundenkontakt noch im Vordergrund«, meint Michael Stangelberger, Betriebsrat des Zulieferers Ericsson. »Das wird durch Geschäftsmodelle zerstört, wo der Preis für die Kunden- und Serviceleistung wegfällt.«

Arbeitsbedingungen

Für die Mitarbeiter der Telekommunikationsbranche werden die Arbeitsbedingungen immer härter. Gespart wird nicht nur bei der Anzahl, sondern auch bei Weiterbildung und Gehältern. Dafür steigt die Arbeitsbelastung. Die Betriebsräte berichten vom steigenden psychischen Druck durch die Kündigungswelle, selbst wenn sie momentan gerade beim Konkurrenten erfolgt. Arbeitsmediziner berichten von Burn-Out-Syndromen und steigenden Depressionen. »Effizienzsteigerung ist eine 'schöne’ Umschreibung für vieles«, meint ein Betriebsrat. »So gibt es Gehaltsmodelle, die Einfluss darauf nehmen, dass der Mitarbeiter auf Teufel komm raus Geschäfte erzielt. Da kommt jeder in Stress.«

Kollektivvertrag

Gemeinsam mit der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten hatte die GPA 1997 einen eigenen Kollektivvertrag für die Beschäftigten der alternativen Telekom-Unternehmen ausgehandelt. Der unterscheidet sich, so berichtet Gottfried Sommer, der damals seitens der Gewerkschaft für Post- und Fernmeldebedienstete (GPF) maßgeblich an den KV-Verhandlungen beteiligt war, auch heute noch kaum von dem, der für die Mitarbeiter der Telekom Austria gilt. »Denn unsere Prämisse war und ist, dass der Wettkampf nicht bei den Löhnen stattfinden soll. Das Ausgangszenarium ist heute, neun Jahre danach, allerdings ein völlig anderes.«

Dilemma

Zwar fallen die Personalkosten in einer Branche, die ähnlich viel erwirtschaftet wie der Fremdenverkehr, nicht wesentlich ins Gewicht. Im beinharten Kampf um jeden einzelnen Kunden wird aber dennoch eingespart. Ein Dilemma, meint Johannes Hofmeister, Betriebsrat von T-Mobile. »Einerseits rettet man durch Verzicht auf Gehaltssteigerung und Sozialleistungen keinen einzigen Arbeitsplatz. Andererseits sieht man auch die Marktsituation und den beinharten Kampf ums Überleben. Da ist natürlich jedem einzelnen Betriebsrat sein Unternehmen das Wichtigste.«

Auch die Unternehmen stünden in einer »Art Gefangenendilemma«. Eine Zukunftsperspektive der einst so innovativen Branche sei nur durch politische Weichenstellungen möglich, meinen die Arbeitnehmervertreter. Johannes Hofmeister: »Die Politik muss zur Kenntnis nehmen, dass die Telekommunikation eine wichtige Branche für die volkswirtschaftliche Entwicklung ist. Es muss hier Änderungen geben, die nicht allein von den Unternehmen ausgehen können.«

Es sei an der Zeit zu evaluieren, ob die Zielsetzungen der Regulierungspolitik, die einst den freien Markt fördern sollte, eingetroffen und nachhaltig sind. »Priorität hat auch die Investition in die Infrastruktur vor Ort. Ansonsten ist zu befürchten, dass in einigen Jahren der Staat einspringen wird müssen, um für eine funktionierende Infrastruktur zu sorgen.«

In ihrem Forderungskatalog an die Telekom-Regulierungsbehörde RTR treten GPA und GPF für eine Änderung der Rahmenbedingungen für Telekom-Investitionen - in Österreich und auf EU-Ebene - ein. So solle man künftig klare Vorgaben für den Erhalt von Lizenzen festlegen und auf weitere Versteigerungen verzichten, fordern die Gewerkschaften.

 
R E S Ü M E E

Telefonieren mit dem Handy wird preislich immer günstiger. Mit dem ersten Diskontanbieter am heimischen Markt dreht sich die Preisspirale weiter nach unten. Auf den ersten Blick scheint die Liberalisierung am Mobiltelefonmarkt zum Vorteil des Konsumenten zu sein. Langfristig wird der Preiskampf allerdings auch für den Endverbraucher zum Bumerang werden, prophezeien Arbeitnehmervertreter. Die Gratisangebote teurer Geräte und die billigen Locktarife gehen schließlich auf Kosten von Service und Beratung. Gespart wird auch bei dringend notwendigen Investitionen in die Infrastruktur.

Die so genannte Liberalisierung des Telefonmarktes kommt letztlich internationalen Konzernen zugute. Die negativen Folgen für die Arbeitnehmer sind bereits heute sichtbar: Konstanter Mitarbeiterabbau und unsichere Arbeitsverhältnisse sind der Preis des vielgepriesenen Wettbewerbes.

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(C) AK und ÖGB

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