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Schwarzarbeit | Zahnlose Tiger: Kampf dem Sozialbetrug

GESELLSCHAFTSPOLITIK

Rund 8,6 Milliarden Euro werden jährlich schwarz im Bauwesen erwirtschaftet. Die Sozialpartner fordern schärfere Maßnahmen gegen die Sozialbetrüger.

Etwa 95 Prozent der Unternehmensneugründungen im Bausektor erfolgen in betrügerischer Absicht, schätzt Johann Driemer, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH). »Würde alles in die Legalität fließen, könnte man rund 100.000 weitere Arbeitnehmer offiziell beschäftigen.«

Dem Staat und den Sozialversicherungen entgehen hunderte Millionen Euro pro Jahr an Beiträgen. Betroffen sind aber in erster Linie die Beschäftigten selbst. »Die Opfer sollen nicht zu Tätern gemacht werden«, meint Johann Driemer, »denn jeder illegal Beschäftigte hat einen illegalen Beschäftiger. Und der ist es, der an dieser Konstellation verdient.« Viele der Bauarbeiter wissen gar nicht, dass sie »illegal« arbeiten. Sie glauben, dass sie bei der Sozialversicherung gemeldet sind. Erst wenn sie Leistungen in Anspruch nehmen wollen, merken sie, dass sie einem Betrüger aufgesessen sind (siehe »Arbeit&Wirtschaft« April 2003, Seite 40).

Die Gewerkschaft Bau-Holz, das Baugewerbe, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, das Arbeitsmarktservice und die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskassa (BUAK) fordern wirksame Maßnahmen gegen die Unterwanderung der Branche durch skrupellose Betrüger. Zwar gibt es Auffassungsunterschiede über einige der Maßnahmen im Kampf gegen die organisierte Schwarzarbeit. Einig sind sich die Sozialpartner aber darin, dass das im Vorjahr verabschiedete Gesetz gegen Sozialbetrug ein zahnloser Tiger im Kampf gegen die Schattenwirtschaft ist, die jährlich doppelt so schnell wächst wie die offizielle Bauwirtschaft.

Anmeldungspflicht

Eine wirksame Maßnahme wäre vor allem die verpflichtende Anmeldung neuer Bauarbeiter vor Arbeitsantritt. Sie wurde im Sozialbetrugsgesetz, das im Vorjahr verabschiedet wurde, nicht verankert. »Eine große Chance, die mangels politischem Willen vertan wurde«, ist Gewerkschaftschef Johann Driemer überzeugt. Die Erfahrungen der GBH zeigen deutlich, wie das bestehende System trotz verstärkter Kontrollen weiter ausgenutzt wird. Driemer: »Wird auf einer Baustelle ein nicht angemeldeter Arbeiter angetroffen oder er erleidet einen Unfall, dann ist das angeblich an seinem ersten Arbeitstag geschehen. Passiert nichts, bleibt der Arbeiter unangemeldet.«

Erst kürzlich deckten GBH und AK einen großangelegten Betrugsfall in Salzburg auf. Rund 1200 Beschäftigte der Firma »Bauservice Eder« waren nicht bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) angemeldet, größtenteils wurden sie unter dem Kollektivvertragslohn bezahlt.

Sozialdumping und Lohndumping sind die Folgen der Untätigkeit der politisch Verantwortlichen. Von »Löhnen« von drei Euro oder noch weniger die Stunde berichten die Arbeitnehmervertreter. Unternehmen, die legal arbeiten möchten, werden im Konkurrenzkampf mit den »schwarzen Schafen« zugrunde gerichtet. »Jetzt wo endlich der Handlungsbedarf erkannt wird, gibt es wieder nur Halblösungen auf gesetzlicher Ebene, und die Tätigkeit der Illegalen wird auf Kosten der legal Tätigen fortgesetzt. Wer als politisch Verantwortlicher seriöse Unternehmer und legal arbeitende Menschen nicht vor Dumping schützt, macht sich mitschuldig«, meint GBH-Chef Driemer. Für die Sozialpartner ist der »Knackpunkt Anmeldung« im Sozialbetrugsgesetz unverzichtbares Mittel zur effizienten Bekämpfung des Betruges. Als untaugliches Instrument bezeichnet der Bundesinnungsmeister der Baugewerbe (und Obmann der BUAK) Johannes Lahofer das Gesetz gegen Sozialbetrug in der derzeitigen Form. Die Aufnahme der verpflichtenden Anmeldung vor Arbeitsantritt sei am Widerstand anderer Wirtschaftszweige gescheitert. Lahofer: »Das Baugewerbe würde diesbezüglich auch eine Sonderregelung akzeptieren. Es ist nur eine Frage des politischen Willens, ob dem Bausektor, als der am meisten geschädigte Branche, vom Gesetzgeber eine besondere Stellung zugestanden wird.«

Kavaliersdelikt Schwarzunternehmertum

Die Regierung setzt auf verstärkte Kontrolle, anstatt das Problem an der Wurzel anzugehen. So wird die Inspektionsgruppe zur »Kontrolle illegaler Ausländerbeschäftigung« KIAB um einige Dutzend Personen auf 400 Kontrollbeamte erhöht. Eine Aufstockung, die zudem durch Umschichtung von Personal aus dem Arbeitsinspektorat erfolgen soll.

Die im Juli 2002 eingesetzte Inspektionsgruppe KIAB (siehe Arbeit&Wirtschaft 10/2002) leistet zweifellos gute Arbeit, sie ist aber nach wie vor drastisch unterbesetzt. Driemer: »Man kann sich vorstellen, wie oft eines der rund 300.000 Unternehmen in Österreich von nur 400 Beamten kontrolliert werden kann.«

Bei weitem wichtiger ist es, den Schwarzunternehmen die Basis ihres Handelns zu entziehen, meinen die Arbeitnehmervertreter. Die verpflichtende Anmeldung vor Arbeitsbeginn und die personelle Aufstockung der Kontrollgruppe KIAB über das geplante Maß hinaus sind nur zwei der Vorschläge der Gewerkschaft. Auch die Generalunternehmen für die zahlreichen Sub- bzw. Sub-Sub-Unternehmen sollen - geht es nach dem Wunsch der Arbeitnehmervertreter - zur Verantwortung gezogen werden. Etwa durch Einbehaltung und direkte Überweisung von Steuern und Sozialversicherungsabgaben durch den Generalunternehmer.

Das »Kavaliersdelikt« Schwarzunternehmertum und die organisierte Schwarzarbeit müssten ein gerichtlich strafbarer Tatbestand werden. Die Strafen, derzeit oft aus der »Kaffeekasse« bezahlt, müssten in einer Höhe sein, die wirklich abschreckt.

G. M.

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