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EU-Verfassung

SCHWERPUNKT EU-VERFASSUNG

Die schöne neue EU-Verfassung, über die so lange verhandelt und gestritten wurde, wird es doch nicht - oder zumindest nicht in dieser Fassung - geben.

Die Bevölkerung Frankreichs und der Niederlande haben in Volksabstimmungen diesen Verfassungstext abgelehnt. Einige andere Länder, allen voran England, wollen gar nicht mehr darüber abstimmen lassen. Angesichts dieser massiven Widerstände haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen, die Verfassung vorerst auf Eis zu legen. Offensichtlich hoffen manche der Spitzenpolitiker, dass mit der Zeit der Widerstand gegen die Verfassung erlahmen wird. Dass man sie dann (vielleicht mit kleinen Retuschen, damit das ganze ein »Gesicht« hat) doch wird verabschieden können.

Es geht um viel. Denn an der grundsätzlichen Ausrichtung der Verfassung wird sich der künftige Weg Europas entscheiden. Mit der neuen Verfassung wird festgeschrieben werden, ob Europa einen neoliberalen oder einen sozialen Weg gehen will.

Provisorium mit Dauer

Rein formal bedeutet die Zurückstellung des Verfassungsprojektes vorerst, dass der Vertrag von Nizza erhalten bleibt. Er enthält die wegen der damals bevorstehenden Aufnahme neuer Mitglieder leicht angepassten vorherigen Bestimmungen des EU-Vertrages und war sicher ein »Husch-Pfusch«-Werk, das von Anfang an nur dafür gedacht war, die Zeit bis zur Verabschiedung einer umfassenderen EU-Verfassung zu überbrücken. Nun könnte er für längere Zeit als jemals beabsichtigt zur Grundlage für die Organisation der Europäischen Union werden.

Aber warum braucht die EU eine neue Verfassung? Nun, die EU wurde ursprünglich von nur sechs sehr gleichartigen Staaten gegründet und es reichte aus, die allermeisten Beschlüsse an die Zustimmung aller Mitgliedsregierungen zu binden. Noch dazu, wo der Aufgabenkreis vorerst kaum über eine Zollunion hinaus ging. Inzwischen ist in Erweiterung dieser Zollunion ein gemeinsamer Markt in vielen Wirtschaftsbereichen entstanden, der einheitliche und mit Hilfe der Gerichte durchsetzbare Regeln für alle Mitgliedsländer vorsieht.

Fast hoffnungslos

Für diesen nach innen und nach außen wesentlich erweiterten Aufgabenkreis ist die Organisationsform der EU bei weitem zu schwerfällig. Das galt schon für einen im Laufe der Zeit auf 15 Staaten erweiterten Mitgliederkreis, wie er bis zur jüngsten (vor allem Ost-)Erweiterung bestand. Mit den nunmehr 25 Mitgliedsstaaten wird die Sache fast hoffnungslos. An der Spitze der EU steht nämlich nicht ein übernationales Organ, sondern der Rat der Staats- und Regierungschefs. Fachfragen sind an die Ministerräte delegiert, die für die meisten Beschlüsse, die im nationalen Rahmen ein Parlament fassen würde, zuständig sind. In diesen Ministerräten herrscht aber bei (fast) allen wichtigen Fragen der Grundsatz der Einstimmigkeit.

Die neue Verfassung hätte den europäischen Institutionen zwar die Zuständigkeit für eine weit größere Zahl von Aufgabenbereichen als bisher zugesprochen, aber für weit mehr Materien als bisher wäre die Möglichkeit von Mehrheitsbeschlüssen (mit einer Gewichtung des Stimmrechtes der einzelnen Länder nach ihrer Größe und Bedeutung) im Ministerrat vorgesehen gewesen.

Kommission und Kommissare

Die Europäische Kommission ist ein übernationales Organ und übt eine ähnliche Funktion aus wie im nationalen Rahmen eine Regierung. Allerdings - bei einem gegenüber einem Nationalstaat weit geringerem gesamten Aufgabenvolumen (eben nur jene Materien, die europäisch geregelt sind). Dennoch gibt es einen Kommissar für jedes Mitgliedsland, also nunmehr insgesamt 25. Da bleibt für jeden nur ein kleiner Bereich, die Bürokratie wird aufgebläht. Die neue Verfassung hätte mittelfristig eine Reduktion der Zahl der Kommissare gebracht. Das hätte die Effizienz sicher verbessert.

Das dritte wesentliche Organ der EU ist das Europäische Parlament, das direkt von der Bevölkerung der Mitgliedsländer gewählt wird. In der jetzigen Verfassung hat das Europäische Parlament nur geringe Möglichkeiten der Mitsprache, macht von diesen nicht allzu viel Gebrauch und informiert die Bevölkerung von dem, was es wirklich tut, höchst mangelhaft.

Wie wenig die Bürger Europas mit diesem Parlament anzufangen wissen, kann man an der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Europawahlen ermessen. Die neue Verfassung hätte vorgesehen, dass das Europäische Parlament wesentlich größere Rechte bekommt. Man hoffte und erwartete, dass das Interesse der Bürger an dieser Institution dadurch zunehmen könnte und die Abgeordneten deshalb ihre Wähler besser über ihre Arbeit informieren und sich ihnen gegenüber stärker verpflichtet fühlen würden.

Desillusionierung

Wenn die neue Verfassung in vielen Punkten (z. B. mehr Materien gemeinschaftlich geregelt, weniger Vetorechte für einzelne Länder, weniger Kommissare und damit eine effektivere Kommission, mehr Rechte für das vom Volk direkt gewählte Parlament) eine offenkundige Verbesserung gegenüber den bisherigen Regeln bringt, warum wird sie so angefeindet?

Wer das damit zu erklären versucht, dass die Verfassung ohnedies in Ordnung sei, die Politiker sie nur schlecht oder ungenügend erklärt hätten, der lügt sich in den eigenen Sack. Die Ablehnung gilt wohl weniger der Verfassung, sondern eher der allgemeinen Entwicklung der Europäischen Union. Die Menschen wollen nicht eine Ablehnung der europäischen Einigung demonstrieren, sondern eine zunehmende Desillusionierung mit dem Projekt Europa, wie es ihnen derzeit zu laufen scheint, ausdrücken.

Malaise

Nicht dass die europäischen Institutionen nicht auch ihren Beitrag zu dieser Malaise leisten. Die Kommission will derzeit mit aller Kraft Bestimmungen über die Freizügigkeit im Dienstleistungsbereich durchsetzen.

Deren Folge wäre, dass nationale Dienstleistungsunternehmen (z. B. im Bau- oder im Transportgewerbe) in den bisherigen Mitgliedsländern wie Österreich mit Unternehmen aus den neuen Mitgliedsländern bei uns im Inland konkurrieren müssen. Und das zu den Löhnen und Arbeitsbedingungen in dem Heimatland des neuen Mitgliedes, die in der Regel weit schlechter sind als bei uns. Da darf man sich nicht wundern, wenn das auf massive Ablehnung stößt.

Universitäten

Ein Europäischer Gerichtshof (EuGH), der im Namen der Nichtdiskriminierung die österreichischen Universitäten zwingt, Zugangsbeschränkungen für österreichische Studenten zu erlassen, trägt auch nicht gerade zur Beliebtheit der EU bei. Schon jetzt droht aufgrund dieses realitätsfremden Beschlusses, dass die österreichischen Steuerzahler für die Ausbildung tausender deutscher Ärzte aufkommen werden müssen, während unsere am Medizinstudium interessierten Maturanten keine Studienplätze im Inland bekommen und wir bald an einem Ärztemangel leiden werden. Dass unsere Bundesregierung diesem Problem hilflos gegenübersteht, macht die Fehleinschätzung durch den Europäischen Gerichtshof nicht besser.

Bei den negativen Abstimmungsergebnissen dürfte auch eine große Rolle gespielt haben, dass viele Wähler nicht über die Verfassung und ihren Inhalt abstimmten, sondern über die eigene Regierung und deren ungeliebte Innenpolitik.

Wofür und wogegen?

Halten wir also fest: die Ablehnung der Europäischen Verfassung durch so viele Bürger in der Europäischen Union ist nicht eine Ablehnung Europas an sich (vielleicht mit Ausnahme von England), es ist nicht eine Ablehnung des Textes und der Einzelbestimmungen der neuen Verfassung. Es ist die Ablehnung dessen, wofür dieses Europa bei den meisten Menschen heute steht. Europa wird assoziiert mit einem konservativen, neoliberalen Wirtschaftskonzept, mit der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, mit Arbeitslosigkeit, mit Lohnkürzungen und mit Sozialabbau. Diese Probleme sind in der Sicht vieler Menschen durch die Osterweiterung noch wesentlich verschärft worden.

Besonders viele der Maßnahmen, die im Namen des Wettbewerbes in der EU ergriffen - oder genauer gesagt, von der Kommission und dem Ministerrat verordnet werden - sind den Menschen völlig unverständlich und stoßen auf breite Ablehnung. Die Bürger sehen nicht ein, warum mehr Wettbewerb wichtiger sein soll als mehr Arbeitsplätze. Sie glauben nicht mehr daran, dass dieser Wettbewerb Arbeitsplätze schafft. Denn die Menschen sehen die praktischen Auswirkungen dieser Politik: Die Arbeitslosigkeit nimmt trotz aller angeblich den freien Wettbewerb fördernden Maßnahmen nicht ab, sondern leider sogar immer mehr zu.

Patentlösung Privatisierung?

Eine Patentlösung der Kommission (und mancher Regierungen) für sehr viele Bereiche in der Wirtschaft lautet (natürlich im Namen des Wettbewerbs): Privatisierung. Doch die Menschen sehen, dass die privatisierten Unternehmen zwar vielleicht Gewinne für ihre Aktionäre abwerfen. Ihre Leistungen für die Bevölkerung sind aber oft schlechter als bisher, dafür werden sie teurer.

Das alles hat offenkundig mit dem Projekt Europa wenig oder gar nichts zu tun. Nur in der eindimensionalen Sicht der Kommission dienen ihre Konzepte dem wirtschaftlichen Zusammenschluss Europas. Aber die Menschen spüren immer deutlicher, dass diese Überbetonung des Wettbewerbes ein Konzept für ein einheitliches Europa ist, das sie in dieser Form ablehnen. Ihnen wären Arbeitsplätze und soziale Sicherheit wichtiger. Die Bürger bringen ihren Unmut über die Kommission dort zum Ausdruck, wo man sie ausnahmsweise einmal, wenigstens in einigen Ländern, um ihre Meinung fragt. Konkret bei der EU-Verfassung.

Was wollen die Europäer?

Die große Frage, die sich nun stellt, ist jene nach dem weiteren Weg Europas. Wollen die Europäer ein neoliberales Europa, mit wenig sozialen Rechten für die Menschen und beinhartem Wettbewerb im Interesse der Großkonzerne und des Finanzkapitals oder wollen sie ein soziales Europa, in dem das Wohlbefinden und die soziale Sicherheit seiner Bürger Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen hat?

»Modell Europa«

Wenn man den zweiten Weg einschlagen will, wird man an dem Verfassungsentwurf nicht nur kleine Retuschen vorzunehmen haben, sondern man wird den gesamten Geist dieses Dokumentes ändern müssen. Die Verfassung sollte nicht das Primat des Wettbewerbs vor allen anderen Zielen ausdrücken. Es muss eine Verfassung werden, die das vorrangig anstrebt, was man recht allgemein bisher das »Modell Europa« nannte und mit dem sich breite Schichten der Bevölkerung der EU Länder identifizieren können.

Interessen und Ansprüche der Menschen

Um das zu erreichen wird man vieles in dieser Verfassung ändern und ergänzen müssen. Das Ziel sollte dabei allerdings nicht sein, die Europäische Union zu schwächen, sondern sie im Gegenteil so zu stärken, dass sie in die Lage versetzt wird, den Interessen und Ansprüchen der Menschen gerecht zu werden.

Dem Europäischen Parlament sollten zusätzliche Befugnisse eingeräumt werden, damit es als einziges von den europäischen Bürgern gewähltes und ihnen damit direkt verantwortliches Organ der EU im Namen dieser Bürger wirkungsvoll agieren kann.

Es würde den Rahmen eines Artikels (und die Detailkenntnisse seines Autors) sprengen, wollte man alle hier sinnvoll erscheinenden Vorschläge anführen. Aber einige wichtige Beispiele sollen doch aufzeigen, worum es geht:

Steuern

Da ist zum Beispiel das Problem der Steuern. Wenn man wirklich einen einheitlichen Wirtschaftsraum schafft, so spielen Unterschiede bei den Steuern im Wettbewerb zwischen den Unternehmen und den Standorten eine wichtige Rolle.

Bei den Gewinnsteuern der Unternehmen gibt es aber leider keinen Gleichklang. Steuerrecht fällt (dank einem Veto Großbritanniens) nicht in die Kompetenz der EU. EU-Regeln sind daher nur möglich, wenn alle (jetzt 25) EU-Finanzminister zustimmen. Das ist nur extrem selten der Fall.

Eine Anzahl von Ländern (darunter auch Österreich) hofft, durch niedrige Gewinnsteuern Unternehmen aus dem Ausland (oder zumindest deren juristische Firmensitze) anlocken zu können. So ist ein regelrechter Wettbewerb unter den Finanzministern mancher EU-Länder ausgebrochen, wer den Konzernen die niedrigste Körperschaftsteuer vorschreiben kann. In Summe nehmen die EU-Staaten bei diesem »Wettbewerb« deutlich weniger Gewinnsteuern ein.

Den Finanzministern fehlt dann das Geld für wichtige Ausgaben (Bildung, Infrastruktur, soziale Sicherheit usw.), die den Menschen durchaus am Herzen liegen.

Besonders bemerkenswert ist die Situation in einigen der neuen Mitgliedsländer der EU: Sie lassen sich wichtige Staatsausgaben von der EU (aus den Beiträgen von Nettozahlern wie Österreich) finanzieren, dafür können sie dann extrem niedrige Unternehmenssteuersätze festlegen - sie müssen wichtige Ausgaben ja nicht aus ihren Steuereinnahmen bezahlen.

Ergebnis dieser Überlegungen: Eine neue EU-Verfassung sollte es dem Europäischen Parlament ermöglichen, alle Steuern, die den Wettbewerb beeinflussen, zu harmonisieren und zwar ohne Vetorecht und ohne Ausnahmen für einzelne Länder.

EU-Budget

Um das Geld geht es natürlich ebenso beim EU-Budget. Auch dafür ist derzeit Einstimmigkeit erforderlich. Einige Länder, darunter Österreich, wollen die EU finanziell möglichst kurz halten. Großbritannien meint, solange ein so großer Teil des EU Budgets für wenig sinnvolle Agrarausgaben verwendet wird, wolle man eben weniger einzahlen. Denn seit Schaffung der EU geht das meiste Geld dieser Institution für Agrarförderungen auf. Inzwischen hat man diesen Anteil zwar auf »nur noch« 40 Prozent aller EU-Ausgaben gesenkt, aber auch das ist noch viel zu viel.

Agrarförderung

Man könnte und sollte daher vielleicht sogar das EU-Budget aufstocken und dem Europäischen Parlament im Rahmen der EU-Verfassung die Möglichkeit einräumen, mehr Geld für EU-Projekte auszugeben, wenn sichergestellt wäre, dass der Agraranteil an den Ausgaben absolut und relativ weiter zurückgeht. Die Agrarförderung kann man getrost den nationalen Budgets überantworten, die Förderung von Bildung, Forschung und Entwicklung ebenso wie der Ausbau der Transeuropäischen Netze (Bahn, Strasse, Strom usw.) wären aber wichtige europäische Aufgaben.

Budgetdefizite

Ein weiteres wirtschaftliches Thema, dem sich die Verfassung widmen sollte, sind die Budgetdefizite der Nationalstaaten und die Rolle der Europäischen Zentralbank. Letztere hat nach der Verfassung und ihrem Statut die ausschließliche Aufgabe, für Preisstabilität zu sorgen. Um Konjunktur, Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft oder Arbeitslosigkeit hat sie sich nicht zu kümmern.

Wie ist das in den von den Neoliberalen so gern als Beispiel hochgehaltenen USA? Die Zentralbank der USA (die Federal Reserve Bank) kümmert sich gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag neben der Preisstabilität auch um Konjunktur und Arbeitsmarkt. Damit fährt die USA nicht schlecht. Doch die europäischen Zentralbanker wollen lieber nur für die Preisstabilität verantwortlich sein. Die europäische Verfassung sollte die Verantwortung der Zentralbanker zumindest so weit ausdehnen, dass sie bei Beachtung des Zieles der Preisstabilität verstärkt auch Konjunktur und Arbeitsmarkt zu berücksichtigen haben.

Länder bestrafen?

Da sind wir auch schon beim Wachstums- und Stabilitätspakt. Er schreibt vor, dass das Budgetdefizit in jedem Land jedes Jahr jedenfalls unter 3 Prozent des Bruttonationalproduktes liegen muss - sonst ist dieses Land zu bestrafen.

Gegen den bis zuletzt erbitterten Widerstand des österreichischen Finanzministers hat man sich im Ministerrat nun doch entschlossen, diesen Pakt durch »Interpretationen« etwas aufzuweichen. In einer neuen Verfassung sollten hier aber vernünftigere Bestimmungen enthalten sein.

Sie sollten zwar einer verantwortungslosen Schuldenmacherei einzelner Regierungen einen wirksamen Riegel vorschieben, aber doch auf die konkreten Umstände in jedem einzelnen Fall Rücksicht nehmen.

Bei den öffentlichen Leistungen wie Versorgung mit Wasser, Strom, Kanälen, der Sauberkeit von Stränden, der Post und Telefonversorgung, den Bahnen, Bussen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln sollte die Verfassung dem Europäischen Parlament ermöglichen, den einzelnen Staaten Mindeststandards vorzuschreiben (und zwar ohne Vetorecht und ohne Ausnahmen für einzelne Länder). Dafür sollte es den Staaten überlassen bleiben, ob diese Leistungen von öffentlichen oder privaten Unternehmen erbracht werden. Derzeit betrachtet es die Europäische Kommission als eine ihrer Hauptaufgaben, zu erzwingen, dass das alles privatisiert wird und zwar unabhängig davon, ob die Privaten dann gleich gute Leistungen erbringen oder diese zum Nachteil der Menschen einschränken und verteuern.

Arbeitsrecht

Mindeststandards sollte es auch in Fragen des Arbeitsrechtes geben. Zuständig sollte auch hier das Europäische Parlament sein. Gleichzeitig müssten allerdings auch wirksame Sanktionen für jene Staaten vorgesehen werden, die diese Mindeststandards nicht erfüllen und einhalten.Ähnliche Mindeststandards müsste es auch bei der staatlichen Krankenversicherung und bei der Pensionsversicherung geben. Auch darüber sollte das Europäische Parlament entscheiden. Das Europäische Parlament könnte auch ermächtigt werden, eine Basis für Mindestlohngesetze in der EU zu erarbeiten. Diese Mindestlöhne müssten zwar derzeit noch sehr unterschiedlich hoch sein, aber es könnte dann der Weg für eine allmähliche Angleichung gefunden werden und es könnte ein für ganz Europa geltendes absolutes Minimum geben.

Europaweite Kollektivverträge

Die Verfassung könnte auch die Rechtsgrundlage für europaweite Kollektivverträge zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern schaffen - zumindest dem Grundsatz nach, die Ausführung könnte man dann wieder dem Europäischen Parlament überlassen.

In einer Verfassung könnten auch neben den jetzt schon vorhandenen Bestimmungen für die Wahlen ins Europäische Parlament die Grundlagen für europaweite Volksabstimmungen aufgenommen werden. Solche Abstimmungen könnten die derzeitigen Vetorechte der Einzelstaaten im europäischen Ministerrat zumindest teilweise ersetzen. Sie könnten bei manchen Materien, zum Beispiel der Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union, sogar verpflichtend vorgeschrieben sein.

Sinnvoller gestalten

Sicher gäbe es noch viele andere Bereiche, in denen eine europäische Verfassung für die Bürger Europas sinnvoller gestaltet werden könnte und damit mehr Zustimmung erreichen würde. So viele davon, wie nur möglich, sollte man in diese Verfassung einbauen. Sicher sind manche der hier festgehaltenen Themen bereits im Konvent zur Erarbeitung der Verfassung angeschnitten worden und vieles ist an der Ablehnung einzelner (oder auch aller) nationalen Regierungen gescheitert.

Die meisten nationalen Politiker wollen in Wirklichkeit möglichst wenig Kompetenzen an Europa abgeben und wollen, dort wo es europäische Kompetenzen gibt, lieber alles und jedes hinter den verschlossenen Türen ihrer Ministerratssitzungen aushandeln. Nun haben sie den Bogen aber offensichtlich überspannt. Viele Bürger Europas tun bei dieser Art der Politik nicht mehr mit. So wie sie jetzt vor uns liegt, wird die neue europäische Verfassung nicht beschlossen werden. Wenn man eine solche Verfassung haben will (und Europa braucht sie dringend), wird sie erheblich anders aussehen müssen, als der jetzt vorliegende Text.

F A Z I T

Die Bürger Europas sind in ihrer überwältigenden Mehrheit nicht gegen das Konzept eines geeinten Europas. Sehr viele von ihnen sind aber offensichtlich mit der Richtung, in die Europa derzeit geht, nicht einverstanden. Sie wollen nicht ein Europa das für Sozialabbau, Lohnkürzungen, Arbeitslosigkeit und Privatisierung öffentlicher Aufgaben steht. Sie sehnen sich nach einem Europa der sozialen Wärme, in dem nicht Konzerne und Wettbewerb das Maß aller Dinge sind, sondern in dem der einzelne Mensch im Mittelpunkt aller Überlegungen steht. Nur wenn es den Politikern gelingt, eine europäische Verfassung auszuarbeiten, die sich an diesem Leitbild orientiert, können sie sicher sein, dass diese Verfassung überwältigende Zustimmung finden wird.

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